AfD-Vize-Gauland: Es stimmt doch, was er sagt

Kinder in zwei Welten: Rechts in der Welt, in der mit aller Staatsmacht Flüchtlinge von Europa und damit von Deutschland ferngehalten werden. Links: Flüchtlingskinder in der Samtgemeinde, wo sich viele Menschen der Kinder und Erwachsenen annehmen. © Foto rechts: Tagesschau.

Ein Kommentar von Rita Stiens.

Ist empörend, was AfD-Vize-Gauland sagte? Er hat doch Recht. Es gibt Leute, die „einen Boateng nicht zum Nachbarn haben wollen“ – und die AfD braucht (auch) genau diese Leute.

Kinder in zwei Welten: Rechts in der Welt, in der mit aller Staatsmacht Flüchtlinge von Europa und damit von Deutschland ferngehalten werden. Links: Flüchtlingskinder in der Samtgemeinde, wo sich viele Menschen der Kinder und Erwachsenen annehmen. © Foto rechts: Tagesschau.

Kinder in zwei Welten: Rechts in der Welt, in der mit aller Staatsmacht Flüchtlinge von Europa und damit von Deutschland ferngehalten werden. Links: Flüchtlingskinder in der Samtgemeinde, wo sich viele Menschen der Kinder und Erwachsenen annehmen. © Foto rechts: Tagesschau.

Gauland und die AfD erleben nach der Boateng-Äußerung eine Empörungswelle – und Alexander Gauland kann sich seinerseits empören: Er habe sich nicht „über Herrn Boateng geäußert“. Hat er auch nicht, wenn er, so die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, gesagt hat, „die Leute“ wollen „einen Boateng nicht zum Nachbarn haben“. Da hat Gauland doch schlicht und ergreifend Recht. Es gibt zumindest nicht wenige Leute, die „einen Boateng nicht zum Nachbarn haben“ wollen. Gehört auch Gauland zu diesen Leuten? Ich weiß nicht, wie der AfD-Vize persönlich „tickt“, denn ich kenne ihn nicht. Es ist aber auch völlig unerheblich.

 

Wer ist „ein Boateng“?

Gauland sagte nicht, die Leute wollen Jérôme Boateng nicht zum Nachbarn haben. Er formuliert mit den Worten „einen Boateng“ anders – und damit glasklar fremdenfeindlich. Wer ist „ein Boateng“? Jeder Dunkelhäutigere ist „ein Boateng“, jeder, der nicht zwei „urdeutsche“ Elternteile hat. Mit Äußerungen à la „einen Boateng“ gießen AfD-Führungskräfte permanent Öl ins Feuer von Vorurteilen und Bürger-Ängsten, grenzen Millionen von Menschen, die in Deutschland leben, aus, operieren mit der Terror-Fratze des IS und den Silvester-Ereignissen, um aus jedem Nicht-Urdeutschen das Schreckgespenst einer potentiellen Gefahr für Deutschland zu machen. Gauland bestätigt zudem all‘ diejenigen, die „einen Boateng nicht zum Nachbarn haben wollen“: Ihr seid „die Leute“, sagt er, und bedient damit die Selbstwahrnehmung derjenigen, die fremdenfeindlich sind („Wir sind das Volk“). Sie sind nicht das Volk – aber ein für die AfD förderliches Wahlvolk.

Begegnung statt Ausgrenzung und Hass: Es sind viele Menschen, die in allen Orten der Samtgemeinde für ein gutes Miteinander von Flüchtlingen und Alteingesessenen sorgen.

Begegnung statt Ausgrenzung und Hass: Es sind viele Menschen, die in allen Orten der Samtgemeinde für ein gutes Miteinander von Flüchtlingen und Alteingesessenen sorgen.

Gauland, Storch & Co sind Führungskräfte der AfD, die genau wissen, dass die Partei Fremdenfeindlichkeit braucht, denn sie ist ein nicht unerheblicher Anteil des Wahlerfolgs. Die AfD hat viele Facetten und nicht jeder AfD-Wähler ist fremdenfeindlich, schon gar nicht aggressiv fremdenfeindlich. Richtig ist aber auch: Ohne das fremdenfeindliche Wählerpotential und ohne die Fremdenfeindlichen in ihren Reihen wäre die AfD nicht da, wo sie heute ist. Steigt die Zahl derer, die „einen Boateng nicht zum Nachbarn haben wollen“ – gut für die Wahlerfolge der AfD.

 

Die Angst-Saat geht auch hier auf.

Gauland hätte, und auch damit hätte er Recht gehabt, auch sagen können, „die Leute“ wollen keine jungen Flüchtlings-Männer als Nachbarn haben. Als ich vor einigen Tagen von meinen Begegnungen mit jungen Libanesen erzählte, die hier in einer Männer-WG leben, stieß ich auf positives Interesse – und auf folgende Reaktion: „Was! Du hast Dich in die Höhle des Löwen gewagt? Na ja, in Deinem Alter tun sie Dir wohl nichts.“ Wem, wie der AfD, Wut und Fremdenfeindlichkeit Erfolge bescheren, für den sind die Silvester-Ereignisse ein Geschenk des Himmels: Junge männliche Flüchtlinge = eine doppelte und dreifache Gefahr, allesamt Angreifer, die heute oder morgen über Frauen herfallen werden – das lässt sich in Stimmen bei der nächsten Wahl ummünzen.
Über die Begegnung mit den jungen Libanesen können Sie demnächst eine Geschichte auf klartext lesen. Nur soviel vorweg: Wenn ich Zeit hätte, wäre ich gerne öfter bei ihnen zu Gast. Wie sie ihre neue Welt, die ja meine vertraute Welt ist, entdecken und sehen, stimmt mich oft nachdenklich – weil sie mir vor Augen führen, dass auch unsere Welt keineswegs eine ideale ist.

Ein Bild, das die Realität verzerrt? Nein, denn diese Moment sind in der Samtgemeinde Realität. Sie gehören ebenso zur Wirklichkeit wie die Tatsache, dass es auch unter Flüchtlingen Kriminelle und Integrationsunwillige gibt.

Ein Bild, das die Realität verzerrt? Nein, denn diese Moment sind in der Samtgemeinde Realität. Sie gehören ebenso zur Wirklichkeit wie die Tatsache, dass es auch unter Flüchtlingen Kriminelle und Integrationsunwillige gibt.

Will jeder AfD-Wähler ein Klima der Angst und Fremdenfeindlichkeit?

Nein, wohl kaum. Richtig ist: Es ist alles andere als leicht, die große Zahl der Flüchtlinge aufzunehmen. Die Flüchtlinge? Die gibt es nicht. Jeder ist anderes. Es gibt unter einer Million Deutschen Kriminelle. Es gibt, sagt einem der gesunde Menschenverstand, auch unter einer Million Menschen aus vieler Herren Länder einen Anteil Kriminelle. Ist das eine Rechtfertigung für Wut, Hass, gar Anschläge? Sind Wut, Hass, Anschläge eine Lösung? Wollen wir zulassen, dass Wut und Hass zum Flächenbrand werden?
Jeder möge sich für das, was er oder sie für richtig hält, engagieren. Die Frage ist: wie und wo. In der AfD? Realität ist: Solange sich die AfD nicht klar und deutlich von Fremdenfeindlichkeit distanziert und verbale Brandbeschleuniger ausgießt, um sich dieses Wählerpotential zu sichern, leistet sie Hass und Gewalt Vorschub.
Man macht bei der AfD mit, auch wenn man nicht fremdenfeindlich ist, weil es keine Alternative gibt? Weil alle anderen Parteien einfach alle Schleusen für Flüchtlinge öffnen wollen? Schwarz-Weiß-Malerei wird niemandem gerecht: Nicht der AfD und ihren Wählern noch den anderen Parteien. Dass alle anderen Parteien nur die Schleusen öffnen wollen, davon kann keine Rede sein. Der alles entscheidende Punkt ist: Es gibt keine einfachen Antworten und keine einfachen Lösungen. Wem an einer guten Entwicklung für Deutschland gelegen ist, der sollte vor allem zweierlei wiederentdecken: Nachdenklichkeit und Mäßigung in Worten und Taten.

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