„Ich habe nicht locker gelassen“…

…. und so blieb dieser Zebrastreifen erhalten, über den Manfred Krusche, seit 47 Jahren SPD-Stadtrat, und sein junger Kollege Besian Krasniq gehen. klartext sprach mit beiden über die Ratsarbeit.

SPD-Initiative Zebrastreifen erhalten – den hier Manfred Krusche und Besian Krasniq überqueren.

Ein kleiner Zebrastreifen beim Marktplatz in Bersenbrück – den es noch gibt, weil Manfred Krusche nicht locker ließ. Beim Stadtspaziergang mit dem neuen Spitzen-Duo der SPD, dem „Oldie“ Manfred Krusche und dem „Youngster“ Besian Krasniq, zeigt nicht nur der Zebrastreifen, dass Lokalpolitik nichts Abgehobenes ist, sondern zumeist ganz konkret und sichtbar – weil es um handfeste Dinge im eigenen Wohnort geht und damit um die Lebensbedingungen der Bürger.

Neues SPD-Spitzen-Duo. Der 69-Jährige Manfred Krusche wurde in diesem Jahr erneut zum Vorsitzenden der SPD-Stadtratsfraktion gewählt. Der 21-jährige Besian Krasniq zog mit 19 Jahren in den Stadtrat ein, wurde Vorsitzender des Finanzausschusses und ist seit März diesen Jahres der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Bersenbrück.

Die Protokolle der letzten Jahre zeigen: Die SPD-Fraktion hat sich mit vielen Initiativen in die Ratsarbeit eingebracht. Der Zebrastreifen, um den es vor über 10 Jahren ging, ist eine relativ kleine Sache – und steht doch für eine entscheidende Frage. Um die Frage: Wie ist es im Stadtrat um die Bereitschaft der CDU-Mehrheitsfraktion bestellt, sich überhaupt auf Ideen und Initiativen anderer einzulassen?

Fast 44 % haben nicht CDU gewählt. Fast 44 % der Bürger haben bei der letzten Wahl (2016) nicht CDU gewählt. Jede 5. Wählerstimme ging an die SPD (20,58 %). Unabhängige Wählergemeinschaft Bersenbrück (UWG):12,19 %, Bündnis90/Die Grünen: 10,93 %.

SPD-Initiative Bücherschrank: Besian Krasniq hat das Tagebuch der Anne Franck mitgebracht, das er zu Hause in doppelter Ausführung hatte.

 

Haupteigenschaft: Beharrlichkeit.

Was den Zebrastreifen angeht: Nach dem Willen der CDU wären zwischen der Bahnhofsstraße und dem Marktplatz im Rahmen einer damaligen Neuplanung alle Zebrastreifen verschwunden. „Es ging nur um die freie Fahrt für Autos“, so Manfred Krusche. So gehe das nicht, habe die SPD damals gesagt.

Er habe „nicht locker gelassen“ und immer wieder in Ausschusssitzungen „genervt“, erzählt Manfred Krusche, um die eine sichere Fußgängerüberquerung über die viel befahrene Bramscher Straße zu erhalten. Schließlich dann doch ein Ja der CDU zum Zebrastreifen. „Beharrlichkeit“, sagt er, sei die wesentliche Voraussetzung für einen Erfolg in der Sache. Allerdings mache er inzwischen mehr negative als positive Erfahrungen.

 

Diese vier waren für die SPD beim Sammeln von Unterschriften dabei (von links): Besian Krasniq, Kurt Specker, Manfred Krusche und Widu Höckelmann.

Die SPD setzt sich seit Jahren für Aufzüge am Bahnhof ein. Von links: Besian Krasniq, Kurt Specker, Manfred Krusche und Widu Höckelmann.

„Im Rat braucht man gar nichts mehr zur Sprache zu bringen“.

Mitte 2017 sagte der damalige SPD-Fraktionschef Widu Höckelmann im Gespräch mit klartext: „Ich bin neu im Stadtrat, und es ist nicht das erste Mal, dass ich das Gefühl habe, dass die CDU-Mehrheitsfraktion so gut wie keine Bereitschaft zeigt, sich ernsthaft mit Anstößen von anderen zu befassen.“ Neu im Stadtrat ist seit 2016 auch der 21-jährige Besian Krasniq. Wie erlebt er die Situation?

SPD-Stadtrat Manfred Krusche im Gespräch mit einer älteren Reisenden, die sich dringlichst Aufzüge wünscht.

Manfred Krusche im Gespräch.

„Vor der Sitzung oder in einer Sitzungspause“, ist sein Eindruck, „kann man mit so manchem aus der CDU-Fraktion durchaus reden. Im Rat ist die Situation dann aber ganz anders.“ „Genau“, hakt an diesem Punkt Manfred Krusche ein. Auch seine Erfahrung ist: „Wenn ich einzelne CDU-Kollegen treffe, gibt es durchaus Gesprächsbereitschaft, im Rat gibt es die nicht.“

Krusche macht einen strikten Fraktionszwang in der CDU dafür verantwortlich, dass im Stadtrat kein Austausch von Argumenten gelingt und die Bereitschaft zum Kompromiss gegen Null tendiert. „Was wollt Ihr eigentlich, wir haben die Mehrheit“, sei ihm mal gesagt worden. „Wenn überhaupt“, so der SPD-Fraktionschef, „kann man in Ausschüssen noch etwas erreichen“. Aber auch da nur bedingt.

Erklärungen vor Ort: Warum der Hastruper Weg bislang ein Risiko für Schüler-Radfahrer und -Fußgänger ist.

 

Hastruper Weg: Eine der erfolgreichen SPD-Initiativen.

Am 12. April tagte der Bauausschuss, in dem auch der neue SPD-Fraktionschef Mitglied ist. Manfred Krusche verbucht auf der Positiv-Seite, dass der Hastruper Weg noch in diesem Jahr zur Fahrradstraße ausgebaut wird.

Aus der Foto-Dokumentation von Franz Wiewel.

Der Hastruper Weg steht schon lange auf der Agenda der SPD-Fraktion. Vor zwei Jahren, im April 2016, hatte SPD-Stadtrat Franz Wiewel eine Foto-Dokumentation vorgelegt, die zeigt, dass vor allem die vielen Schüler-Radfahrer dort in hohem Maße gefährdet sind.

„Die Größe, auch mal zu sagen, das war ein guter Anstoß der SPD-Kollegen, hat man in Bersenbrück nicht“, sagt Manfred Krusche. „Man eignet sich die Ideen an, als wären es die eigenen gewesen, so auch beim Wohnmobilstellplatz, um den es ebenfalls im Ausschuss ging. Nun sind Stellplätze auch aus Sicht der CDU eine gute Idee. Das sah 2017, als die SPD den Antrag stellte, solche Plätze einzurichten, ganz anders aus.“ Widu Höckelmann habe gerade beim Thema Wohnmobilstellplätze viel einstecken müssen. Das habe mit dazu beigetragen, dass er die Ratsarbeit aufgegeben hat, so Manfred Krusche. Die Ratssitzung im Juni 2017 sei niederschmetternd gewesen (mehr dazu hier).

 

„Nicht nur auf sich selber schauen“.

Besian Krasniq.

Besian Krasniq hat feststellen müssen, dass Ratsarbeit mühsamer und auch härter ist, als er anfangs gedacht hat. Motivation sind für ihn jedoch die Menschen, um die es geht. Er erzählt von einer Veranstaltung mit Menschen mit Behinderungen. Dort ging es u. a. um die Robert-Bosch-Straße. Die sei ein großes Problem, weil Rollstuhlfahrer und Menschen mit Dreirädern nur schwer und auf riskante Weise zur Werkstatt der Heilpädagogischen Hilfe gelangen. Die Fußwege seien viel zu schmal und auch noch in einem schlechten Zustand.

Die Straße muss zügig umgebaut werden, sagte sich Krasniq. Und stellte bald fest, dass das nicht so einfach ist. Trotzdem: Der Umbau muss sein, so Krasniq. „Für die Betroffenen ist das sehr wichtig und darum will ich mich dafür einsetzen“. Widu Höckelmann habe mal gesagt, so Krasniq, dass unsere Gesellschaft unsolidarischer geworden ist. „Wir werden immer Ich-bezogener“, meint auch der junge Ratsherr, und handeln nach dem Motto „wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht. Dem ist aber nicht so“.

 

Zunehmend schwieriger: Miteinander ins Gespräch zu kommen.

SPD (in roten Shirts) im Gespräch mit Bürgern.

Besian Krasniq hat das Gefühl, „dass wir kaum mehr richtig miteinander ins Gespräch kommen“. Nicht in den Ratsgremien und auch nicht außerhalb des Rats. Wenn die SPD auf dem Marktplatz steht, zum Beispiel. „Nun muss niemand die SPD gut finden“, so Krasniq, „aber dass Menschen gleich wieder abdrehen mit einem ach, SPD oder mit einem verächtlichen ach, ein Politiker“, das beschäftigt ihn. Der offene Austausch ist für Krasniq wichtig, gerade auch mit Andersdenkenden. Nicht weniger wichtig für ihn: Sich in andere hineinversetzen, sich als Menschen wahr nehmen, auch bei allen politischen Unterschieden. „Das alles fehlt uns immer mehr“, findet er.

 

„Die CDU macht, was sie will“.

Kommunalverfassungsgesetz.

Ein weiteres Thema beim Gespräch mit klartext: Dem Bürger zu vermitteln, worum es eigentlich geht. „Nach außen“, so Manfred Krusche, „standen wir von der SPD bei so mancher Kontroverse im Rat als diejenigen da, die einfach etwas verhindern wollen, so den Kaufland-Markt. Tatsächlich ging es jedoch um Rechtsfragen.“ Sich an Recht und Gesetz zu halten, dazu sei schließlich jedes Ratsmitglied verpflichtet. Sein Eindruck sei jedoch, so Krusche, „dass die CDU macht, was sie machen will.“

„Wenn die CDU-Mehrheit nicht will, dass etwas öffentlich zur Debatte steht, werden Themen einfach in den nicht-öffentlichen Teil gelegt oder Anträge kommen nicht auf die Tagesordnung“, nennt er als Beispiele. „Dann stehen wir auf und sagen, die Öffentlichkeit hat aber ein Recht auf die öffentliche Debatte bzw. der Antrag muss behandelt werden – siehe Kommunalverfassungsgesetz“. „Wenn uns dann ein Gericht oder, wie jüngst im Juni 2017 geschehen, die Kommunalaufsicht Recht gibt, wird das vom Bürger nur bedingt wahrgenommen“, so Manfred Krusche, „da bleibt eher hängen: Die sind dagegen und sorgen für Ärger und Streit.“

 

Aktiver werden, mehr auf Menschen zugehen.

Sich austauschen, dem anderen zuhören, für den neuen SPD-Ortsvorsitzenden Besian Krasniq ist das eine zentrale Voraussetzung dafür, zurückzugewinnen, was seiner Meinung nach zu sehr verloren ging: Zusammenhalt, Solidarität, Gemeinschaft, ein sachlicher und fairer Umgang miteinander. Er will sich für mehr Begegnung zwischen Bürgern und seiner Partei einsetzen. Die SPD müsse aktiv werden, müsse zu den Menschen gehen, um zu ergründen, was ihnen auf den Nägeln brennt, müsse aktiv Menschen zusammenbringen.

2017: Inklusives Sommerfest der SPD.

Eine tolle Erfahrung war für Krasniq im letzten Jahr das inklusive Sommerfest der SPD. „Bei diesem Fest“, so Krasniq, „sind die Besucher miteinander ins Gespräch gekommen – untereinander, wenn Eltern z. B. zusahen, wie ihre Kleinen geschminkt wurden, und auch mit den anwesenden Abgeordneten, während die Kinder auf dem Trampolin hüpften usw.“

Krasniq findet auch die Saubermach-Aktionen des Heimatvereins hervorragend. Sinnvolles tun, danach gemütlich zusammensitzen und grillen… Geselligkeit sei wichtig, so Krasniq, und es gebe „gar nicht so wenig Leute, die durchaus Lust hätten, unter Leute zu kommen und neue Leute kennenzulernen.“ Diese Möglichkeiten will er mit seiner Partei bieten. Geselligkeit, weiß Manfred Krusche zu berichten, gab es auch mal unter Ratsmitgliedern, aber damit ist es vorbei.

 

Kein persönlicher Umgang mehr: „Das ging von der CDU aus“.

Geben den CDU-Ton im Rat an (v. l): Johannes Koop, Gerd Uphoff, Christian Klütsch.

„Natürlich hat man sich politisch immer beharkt“, blickt Manfred Krusche zurück, „aber der persönliche Umgang miteinander, der war früher besser. Meinungsverschiedenheiten in politischen Fragen seien nicht auf die Person übertragen worden. „Die persönliche Seite, der persönliche Umgang war mit allen in Ordnung.“ Mit dem früheren CDU-Bürgermeister Walter Sandbrink trinke er heute noch gerne ein Bier.

So hielt man es über viele Jahre auch nach Ratssitzungen: Nach getaner Ratsarbeit wurde gemütlich zusammengesessen. „Wenn einer Geburtstag hatte“, erinnert sich Manfred Krusche, „wurde eine Runde ausgegeben usw.“ Inzwischen gehe nach einer Ratssitzung jeder seiner Wege und es werde gar nicht mehr miteinander gesprochen.

Der Grund dafür? Manfred Krusche erinnert sich an eine Situation im Rat, als die CDU-Fraktion an den Punkt gelangte: „Das machen wir nicht mehr mit, wir gehen nach Hause“. In der Situation habe er die Reaktion der CDU nachvollziehen können, so Manfred Krusche, denn es gab phasenweise „sehr unsachliche Beiträge im Rat“ sowie eine „aggressive Stimmung“. Dennoch, so Manfred Krusche: „Dass wir hinterher gar nicht mehr zusammengesessen haben, das ging von der CDU aus.“ Dass es vor einigen Jahren Ausfälle Einzelner gab, kann aus Sicht von Manfred Krusche nicht als Rechtfertigung dafür herhalten, wie es um die Dinge im Bersenbrücker Rat bestellt ist.

 

Gelandet im „harten Geschäft der Kommunalpolitik“.

Was es bedeutet, in die Bersenbrücker Kommunalpolitik einzusteigen, hat Besian Krasniq unterschätzt. Als „nette Veranstaltung, wo man konstruktiv gearbeitet hat“, bezeichnet er seiner Erfahrungen im Schulvorstand. Kommunalpolitik machen, dachte er sich „das wird schon werden.“

2016, zeigt seine Unterschrift auf dem Stier, ist der Abitur-Jahrgang von Besian Krasniq.

Besian Krasniq spricht vom „harten Geschäft der Kommunalpolitik“. Seine Erfahrung: Seitdem er im Rat sitzt, höre er außerhalb des Rats Sachen über sich, bei denen er sich fragt, „hey, warum ist das auf einmal so persönlich geworden?“ „Nur weil ich SPD-Mitglied bin, bin ich bitterböse Opposition, die nur Schlechtes für Bersenbrück will“ – in dieser Weise abgestempelt zu werden, damit hat das mit Abstand jüngste Mitglied im Bersenbrücker Stadtrat nicht gerechnet.

Er sei noch jung, sagt Krasniq und erst seit kurzer Zeit im Rat, aber er habe bereits eine Vorahnung davon bekommen, „dass Kommunalpolitik ganz schön an die Substanz gehen kann“. Mit nicht einmal 20 Jahren Ratsmitglied, mit 21 Vorsitzender des Finanzausschusses und SPD-Ortsvorsitzender: „Das ist schon viel Zeit, die man da investieren muss“, sagt Besian Krasniq. Er ist dazu bereit. Stärker als alle negative Erfahrung ist bei ihm der Optimismus, dass er „etwas bewirken kann“. Er habe die Menschen vor Augen, um die es geht und für die er sich einsetzen will.

 

Bald nicht mehr da, lange Stammlokal der SPD.

Ratsarbeit ist ehrenamtliche Arbeit.

Das Klima, das in einem Rat herrscht, hat auch Besian Krasniq bereits erlebt, wirkt über den Sitzungssaal hinaus – in die jeweilige Stadt und den jeweiligen Ort hinein. Ratsmitglieder leisten eine ehrenamtliche Tätigkeit – im Dienste der Demokratie. Besian Krasniq gehört zu den sehr wenigen jungen Leuten, die dieses Ehrenamt ausüben.

Für klartext ein Fazit aus diesem Gespräch: Dass Krasniq Kommunalpolitik in Bersenbrück als „hartes Geschäft“ erlebt und ihm schwant, dass das an die Substanz gehen kann, sollte – im Interesse der Demokratie – mehr als nachdenklich stimmen. Das Gegenmittel: mehr konstruktiver Austausch in der Sache, mehr Sachlichkeit und Fairness im Umgang miteinander, mehr Respekt vor den Positionen und der Person des Gegenübers. Im April brachte es Armin Laschet, CDU-Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, so auf den Punkt: „Das Persönliche muss stimmen, in der Sache kann man streiten.“

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