Alfhausen & Ankum: Bunker-Einblicke

In Alfhausen unter dem Feuerwehrhaus, in Ankum unter dem Rathaus: zwei Bunker, gebaut als Schutzanlagen für den Kriegsfall. Beide entstanden erst Ende der 1980er Jahre.

Michael Wübben in der Eingangsschleuse zum Bunker unter dem Ankumer Rathaus.

In Alfhausen geht es mit Ortsbrandmeister Christian Bohmann und Gerätewart Franz-Josef Siemer hinab in den Bunker unter dem Alfhausener Feuerwehrgebäude, in Ankum schließt Michael Wübben, Verwaltungsvertreter des Bürgermeisters, die Stahltür zum Bunker unter dem Rathaus auf.

Christian Bohmann und Franz-Josef Siemer im Alfhausener Bunker. Gelb: Die Kurbel für den Lüftungs-Handbetrieb.

Über 200 Menschen, die vor Bombenhagel oder Chemiewaffen hierher flüchten, hinter denen die schwere Stahltür zufällt, die Betonsteine vor die Außentür packen, die über Tage und länger ausharren in der Enge, hinter dickem Stahlbeton, ohne Lichtstrahl von außen, die abhängig sind vom Funktionieren der Lüftungsanlage – eine beklemmende Vorstellung, die sich bei der Bunker-Besichtigung in beiden Orten aber erst so nach und nach Bahn bricht.

Lüftungsanlage Ankum: Auch dieser Raum wird als Abstellraum genutzt.

Zunächst dominieren Neugier und der Eindruck, ziemlich normale Kellerräume zu besichtigen. Meterweise Aktenregale stehen in Ankum an den Wänden, in einem kleineren Raum Fahrräder. In Alfhausen lagert die Gemeinde dort Wahlurnen und Infomaterial.

Beide Bunker, offiziell Zivilschutzanlagen genannt, entstanden etwa zur gleichen Zeit: In Ankum wurde 1989 das Rathaus gebaut und mit ihm der Bunker, Alfhausen bekam 1988/1989 ein neues Feuerwehrhaus sowie den Bunker darunter.

 

Zwischen Plausch und „nichts wie raus“.

In Ankum geht es von einem Raum in den nächsten. Viel Normalität, aber mit jedem Schritt weiter fällt nach und nach Ungewöhnliches ins Auge wie ein Stapel Betonsteine und ein Plan, der zeigt, wie diese Steine vor der Tür nach draußen aufgeschichtet werden sollen.

Kein Ernst, darum haben wir heute gut lachen: Im Ernstfall, demonstriert Franz-Josef Siemer, käme vor die vor der Tür aufgeschichteten Betonsteine noch eine Verriegelung.

Ein Raum weiter ein Schild „Krankenstation“. Im nächsten Raum sechs Teile, die wie Urinale aussehen. Es sind, wie die Inventarliste zeigt, Trocken-WCs für die über 200 Menschen, die in diesem Bunker Zuflucht finden sollen. Wasservorratssäcke in Regalen, Raumüberdruck- und andere Kontrollgeräte, unter der Decke überall Lüftungsrohre.

Der Bunker in Alfhausen ist für 112 Personen ausgelegt. Für die Feuerwehr, so Christian Bohmann, erfüllt er einen ganz praktischen Zweck: Dort wird gelegentlich der Einsatz mit schwerem Atemschutzgerät geübt. Und für ihren Karnevalsauftritt trainierte hier das Alfhausener Männer-Ballet. Sich über Nützliches und Lustiges zu unterhalten, lenkt ab, aber auch in Alfhausen stellt sich Bunker-Schrecken ein.

Hier wäre, zeigt das Schild links, im Fall der Fälle die Krankenstation im Bunker in Ankum.

Draußen ein Inferno, drinnen dicht an dicht mit Männern, Frauen, Kindern, angstgeplagt, vielleicht verletzt, die miteinander auskommen müssen. Die Vorstellung, hier unten keine Luft zu bekommen, weil die Lüftungsanlage nicht länger funktioniert, löst bei der Besichtigung endgültig Beklemmung aus und den Reflex „nichts wie raus“.

 

Per Handkurbel für Luftzufuhr sorgen.

Christian Bohmann hat eine Handkurbel aus ihrer Verankerung geholt und demonstriert, wie bei Luftproblemen per Hand für Luft gesorgt werden kann. Keine leichte Sache. Christian Bohmann muss sich mit voller Kraft ins Zeug legen, um die Kurbel zu bewegen. Quarzsand sorgt für das Filtern der Luft. Er lagert hinter einer schweren Luken-Tür in einem tiefen Schacht und wird per Taschenlampe sichtbar.

Luft filtern: Eine Handvoll Quarzsand im Licht der Taschenlampe von Christian Bohmann.

Nichts wie raus aus dem Bunker, wenn die Gefahr vorüber ist, hätte im Ernstfall vielleicht gar nicht geklappt, ist den beiden Feuerwehr-Männern aufgefallen. Es scheint sich um einen Konstruktionsfehler zu handeln. In Alfhausen wie auch in Ankum geht die Eingangstür nach außen auf und davor liegt das Treppenhaus. Wäre das im Kriegsfall in sich zusammengebrochen, wären die Menschen im Bunker erst einmal eingesperrt gewesen.

Beim Wort Bunker denken viele wohl zunächst an Überbleibsel aus dem 2. Weltkrieg, aber kaum daran, dass zwischen 1955 und 2007 viele neue Bunker in Deutschland gebaut wurden. Etwa 1.000 sind noch nicht aus der Zweckbindung entlassen, müssen also weiterhin als Zivilschutzanlage vorgehalten werden.

 

Wasservorratssäcke in Ankum.

Krankentragen, Handleuchten, Werkzeug.

Nur mit dem Allernötigsten, zeigt die Inventarliste, waren die Bunker ausgestattet. Dazu gehörten z.B. zwei Kochplatten, Krankentragen, batteriebetriebene Handleuchten, Ersatzbeutel für die sechs Trockenaborte, Desinfektionsmittel, Einmalhandschuhe, Verbandskasten, Eimer für die Wasserverteilung und diverses Spezialwerkzeug.

In Ankum lagert noch vieles im Bunker, in Alfhausen gibt’s noch fest installiertes Inventar. Anderes wurde inzwischen ausgelagert, denn die Bunker-Politik hat sich grundlegend verändert, vor allem in Bezug auf die kleineren Anlagen.

 

10 Bunker gab es in der Samtgemeinde.

Zuständig für die Zivilschutzanlagen ist der Bund, und der hat sich seit 2007 nicht länger um die Bunker gekümmert. Die Schutzanlagen wurden für verzichtbar gehalten und man sparte sich die Millionenbeträge für die Instandhaltung und Betreuung.

Ralf Gramann zog als Mann der Verwaltung nach der Fertigstellung mit ins Ankumer Rathaus um. Er erinnert sich, dass eine Zeitlang in jedem Jahre Kontrolleure den Bunker inspizierten. Die schauten sich alles an und stellten die Lüftung an, um zu sehen, ob sie noch funktioniert. Eines Tages kam dann niemand mehr. Einfach so. Eine Benachrichtigung, dass es keine Kontrollen mehr geben wird, bekam die Gemeinde nicht.

Alle Ausrürstung ist, wie hier bei dieser Notlampe vermerkt, Bundeseigentum.

10 Zivilschutzanlagen gab es in der Samtgemeinde: 2 in Alfhausen, 5 in Ankum, 1 in Bersenbrück und 2 in Kettenkamp. Drei davon unter öffentlichen Gebäuden. Außer unter dem Rathaus in Ankum und dem Feuerwehrhaus in Alfhausen auch noch unter dem Feuerwehrhaus in Kettenkamp.

Auf der Webseite geschichtsspuren.de gibt es eine Datenbank mit den Zivilschutzanlagen. Darin sind aber auch noch Anlagen erfasst, die bereits aus der Zweckbindung entlassen wurden.

Eine Schleusenverriegelung.

Der Staat trug mit finanziellen Anreizen zum Bau solcher Anlagen bei. Und so entstanden sie auch als Keller oder Garage unter oder bei privaten Häusern. Vorhanden sind die Bunker noch, aber sie wurden und werden nach und nach „entwidmet“, was bedeutet, dass sie wieder frei genutzt werden können.

Anlagen in privatem Umfeld gab es in Ankum in der Bippener Straße (für 90 Pers.), in der Hauptstr. 15 ( 299 Pers.), in der Hauptstr. 35 (für 116 + 299 Pers.) und Am Brunning (Bunker für 299 Pers.); in Bersenbrück unter einem Haus in der Straße Im Dorfe (113 Pers.), in Alfhausen unter einem in der Thiener Straße (123 Per.) und in Kettenkamp in der Ankumer Straße 15 (132 Pers.).

Problem Rauskommen: Die Bunkertür geht nach außen auf und wäre beim Einsturz des Treppenhauses blockiert.

 

Seit Jahrzehnten: Die Welt im Krisenmodus.

In Ankum für 219 Personen.

Wir leben in Zeiten, in denen die Welt aus den Fugen gerät, denkt heute so mancher. Allerdings gab es seit dem Ende des 2. Weltkriegs fast fortwährend gefährliche Krisen. Schon 1955 und 1956 nahmen die Atomtests der Großmächte stark zu. 1961 der Mauerbau, als sich amerikanische und sowjetische Panzer in Berlin – nur wenige Meter voneinander entfernt – gegenüberstanden; die Kuba-Krise 1962, als die ganze Welt den Atem anhielt aus Angst vor einem Atomkrieg und gebannt auf John F. Kennedy in den USA und Nikita Chruschtschow in der Sowjetunion schaute; 1968, als die Sowjetunion und ihre Verbündeten mit einer halben Million Soldaten in die Tschechoslowakei einmarschierten und mit ihren Panzern den „Prager Frühling“ niederrollten: Nur drei Ereignisse des kalten Kriegs, der auf den 2. Weltkrieg folgte.

 

Bedienungsanleitung Lüftung.

Erinnerung an den Wert des Friedens.

Jahrzehnte des Wettrüstens in diesem „kalten Krieg“ hätten jederzeit auch wieder in einen heißen Krieg führen können. Dann, ab Ende der 1970er Jahre, für einige Jahre eine große Friedensbewegung, die sich der Logik der Aufrüstungsbefürworter entgegenstellte. So protestierten im Oktober 1981 im Bonner Hofgarten mehr als 300.000 Menschen friedlich gegen Atomwaffen. Noch größer – mit 550.000 Menschen – 1983 eine Friedens-Demo in Den Haag. Gute Gründe für eine Friedensbewegung gab es nicht nur damals, die gibt es auch heute.

Ein Luftrohr führt, in Ankum wie hier in Alfhausen, vom Bunker nach draußen.

Menschen, die vor dem Kriegsgrauen in die Bunker drängen, Menschen, denen jemand die Tür vor der Nase zuschlagen muss, weil der Bunker voll ist: Bei der Begehung der Räume in Ankum und Alfhausen mischen sich die Bunker-Eindrücke im Kopf mit aktuellen Kriegsbildern aus Syrien und anderen Ländern. Haben uns die Bunker noch etwas zu sagen? Ja: Sie erinnern an den Wert des Friedens.
Hier noch einige weitere Bild-Impressionen:

Wie in den meisten privaten Kellern sammelt sich auch im Ankumer Bunker-Keller so manches an.

Im Bunker an der Wand: Der Grundriss der Ankumer Zivilschutzanlage.

Stillleben in Alfhausen: Karnevalsjacke und links die Luke zum Quarzsand.

Was im Bunker vorhanden sein soll, zeigt in Ankum eine Inventarliste.

Im Bunker-Raum unter dem Feuerwehrhaus in Alfhausen: Wahlzubehör wie Wahlurnen und Broschüren.

Stillleben in Ankum: Betonsteine für die Eingangstür mit Wäschetrockner.

In Ankum: Im Stockdunkel leuchten grüne Markierungen zur Orientierung.

Nach diesem Plan sollten die über 90 Betonsteine vor der Eingangstür aufgeschichtet werden.

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