Alfhausen: Druck- oder gar Droh-Szenario?

Anzeigen bei der Staatsanwalts, Ordnungswidrigkeits-Verfahren des Rates: Alles nur Druckmittel, um den Informanten dazu zu bringen, sich selbst zu enttarnen?

Ein Kommentar von Rita Stiens.

Staatsanwaltschaft, eidesstattliche Erklärung: Von diesen Mitteln spricht Alfhausens Bürgermeister Klaus Wübbolding (CDU) im Zusammenhang mit den Vorgängen um das Weßling-Kindergartengrundstück.

Keine Grundstücks-Schenkung zu den ursprünglichen Konditionen: Ist die Sache ein Politikum oder ein Fall für Staatsanwaltschaft, Polizei und eidesstattliche Versicherungen?

Keine Grundstücks-Schenkung zu den ursprünglichen Konditionen: Ist die Sache ein Politikum oder ein Fall für die Staatsanwaltschaft und eidesstattliche Erklärungen?

Wird Alfhausens Bürgermeister Klaus Wübbolding in der kommenden Ratssitzung am Mittwoch (20. April, 19.30 Uhr, Hotel Sauerland) darüber aufklären, wann, wie und warum die „Schenkung“ Kindergartengrundstück geplatzt ist und welche Folgen das für Alfhausen hat? Sehr beschäftigt hat den Bürgermeister bislang der Informant, der öffentlich machte, dass die „Schenkung“  geplatzt ist. Der Bürgermeister spricht von möglichen „Straftatbeständen“, ließ wissen, die Staatsanwaltschaft sei eingeschaltet worden und schickte, so das Ergebnis einer klartext-Recherche, den Entwurf einer eidesstattlichen Erklärung an einige Ratsmitglieder. Die Idee, eine solche Erklärung abzugeben, so der Bürgermeister, hätten andere gehabt. Der Bürgermeister schickte die Erklärung weiter. Warum? Weil Ratsmitglieder der Angst erliegen könnten: Wenn ich eine solche Erklärung nicht unterschreibe, mache ich mich verdächtig, der/ein Informant zu sein?

Per Staatsanwaltschaft Informanten enttarnen? So will es der Bürgermeister.

Per Staatsanwaltschaft Informanten enttarnen und belangen?

 

Aufklärung wäre das Gebot der Stunde.

Schauen wir auf die Anfänge. Ist der Informant das Problem? Für die Gemeinde Alfhausen ist die Sache, die geplatzte „Schenkung“, das Problem, und die Entwicklung der Dinge liegt in erster Linie in der Verantwortung des Bürgermeisters. Er war mit von der Partie, als die „Schenkung“ vor sechs Monaten öffentlich gelobt wurde. Dem anonymen Informanten wirft der Bürgermeister nun vor, „aus einem nicht öffentlichen Teil der Ratssitzung“ berichtet zu haben. Festzuhalten ist: Über die Sache, dass die Schenkung so nicht stattfindet, wurde nur im nicht öffentlichen Teil gesprochen. Ob diese Entscheidung dem § 64 des Kommunalverfassungsgesetzes entsprach – wonach Nicht-Öffentlichkeit nur in begrenzen Einzelfällen und in begrenztem Ausmaß zulässig ist – ist nur eine der Fragen, die sich stellt. Gehörte tatsächlich alles, was nicht öffentlich besprochen wurde, in diesen Teil? Hat der Informant überhaupt „Geheimhaltungswürdiges“ aus der nicht öffentlichen Sitzung berichtet? Wer sich mit Gerichtsurteilen zum § 64 beschäftigt, stellt fest: Es darf durchaus aus dem nicht öffentlichen Teil berichtet werden.

Bürgermeister Klaus Wübbolding schrieb klartext am 13.4.2016 per mail: „Da hier unter Umständen vom Verfasser des anonymen Schreibens mehrere Straftatbestände erfüllt werden, ist die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden.“

 

Im Bersenbrücker Kreisblatt wurde am 20. Oktober 2015 über die Schenkung berichtet. Screenshot: http://www.noz.de/lokales/samtgemeinde-bersenbrueck/artikel/628983/alfhausen-bekommt-kiga-grundstuck-geschenkt

Im Bersenbrücker Kreisblatt wurde am 20. Oktober 2015 über die Schenkung berichtet. Screenshot: http://www.noz.de/lokales/samtgemeinde-bersenbrueck/artikel/628983/alfhausen-bekommt-kiga-grundstuck-geschenkt

Die Grundstückssache Weßling war bereits öffentlich.

Die Grundstücksangelegenheit Weßling war bereits öffentlich, inklusive der Summe, die die Gemeinde für die damit verbundenen Konditionen ausgeben muss. Dass es eine „Schenkung“ war, war ja ein wesentliches Argument für die Entscheidung für dieses Grundstück. Die Beteiligten hefteten sich die „Schenkung“ öffentlich als Glück für die Gemeinde ans Revers. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hätte die Tatsache, dass die „Schenkung“ zu den im Oktober 2015 genannten Konditionen geplatzt ist und die Gemeinde Alfhausen vor einer neuen Situation steht, bereits in der Ratssitzung im März oder früher – je nachdem, seit wann der Bürgermeister es wusste – in die Öffentlichkeit gehört. Die geplatzte „Schenkung“ wurde aber in den nicht öffentlichen Teil gezogen. Außerdem stellt sich der Bürgermeister auf den Standpunkt, Teilnehmer nicht öffentlicher Beratungen unterlägen einem generellen Schweigegebot. Dem ist nach der Rechtssprechung zum § 64 nicht so.

 

Grundsätzlich ist alles öffentlich – bis auf wenige Ausnahmen.

Warum der Öffentlichkeitsgrundsatz des § 64 so wichtig ist, haben Gerichte immer wieder dargelegt: Weil wir in einer Demokratie leben. Demokratische Legitimation, demokratische Kontrolle und demokratische Teilhabe sind nur unter der Voraussetzung Öffentlichkeit möglich. In einer Demokratie ist es gewollt und gesetzlich vorgeschrieben, dass Bürger der Politik – in Ausschuss- und Ratssitzungen – auf die Finger schauen. Weil dem so ist, darf Politik nur in Ausnahmefällen in eine nicht öffentliche Sitzung verlagert werden.
Auch Personal- und Grundstücksangelegenheiten sind nicht pauschal ein Fall für den nicht öffentlichen Teil. Zu prüfen ist jeder Einzelfall. Ausgeschlossen werden kann die Öffentlichkeit z. B., wenn die wirtschaftliche Situation eines Betroffenen erörtert werden muss oder wenn eine Bodenspekulation ausgelöst werden könnte. Der Kaufvertrag kann zu den Angelegenheiten gehören, gehört aber nicht zwangsläufig dazu. Auch in dem Punkt ist eine Einzelfallentscheidung zu treffen.

Die Leitlinie des Handelns ist das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz. § 64 schreibt als Grundsatz vor, dass Sitzungen öffentlich sind.

Die Leitlinie des Handelns ist das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz. § 64 schreibt als Grundsatz vor, dass Sitzungen öffentlich sind.

Was nicht der Geheimhaltung unterliegt, darf berichtet werden.

Dringt aus einer nicht öffentlichen Sitzung etwas nach draußen, ist schnell von „Vertrauensbruch“ oder gar „Straftat“ die Rede. Ist dem überhaupt so? Nein, denn die Verschwiegenheitspflicht ist keineswegs so umfassend wie von denjenigen, die auf Verschwiegenheit pochen, oft behauptet wird. Auch aus nicht öffentlichen Sitzungen dürfen bestimmte Dinge berichtet werden. Es darf sogar alles berichtet werden, wenn eine Sache zu Unrecht in nicht öffentlicher Sitzung beraten wurde. So haben jedenfalls Gerichte entschieden.

  • Auch Grundstücksgeschäfte gehören nicht generell in den nicht öffentlichen Teil, sondern nur, wenn bestimmte Voraussetzungen dafür vorliegen. Eine Neuausgabe dieses Kommentar-Buchs erscheint im 2. Quartal 2016.

    Auch Grundstücksgeschäfte gehören nicht generell in den nicht öffentlichen Teil, sondern nur, wenn bestimmte Voraussetzungen dafür vorliegen. Eine Neuausgabe dieses Kommentar-Buchs erscheint im 2. Quartal 2016.

    Keine Verschwiegenheitspflicht und auch kein Recht zur Geheimhaltung besteht bei einer nicht öffentlichen Sitzung im Hinblick auf jene Elemente der Beratung, die für sich genommen nicht geheimhaltungsbedürftig sind und auch keine Rückschlüsse auf geheimhaltungsbedürftigte Elemente zulassen. Die Nichtöffentlichkeit dient nur der Wahrung der Geheimhaltungsinteressen und nicht etwa auch, wie zuweilen angenommen wird, dem Zweck, der Vertretung die Möglichkeit einzuräumen, frei vom Druck der öffentlichen Meinungen Gewissensentscheidungen treffen zu können (zit. Nach Blum, NkomVG-Kommentar, Seite 339). Und weiter: Der Vorsitzende hat deshalb über den nicht geheimhaltungsbedürftigen Teil alsbald in öffentlicher Sitzung zu berichten.

  • Keine Pflicht zur Verschwiegenheit über die in der nicht öffentlichen Sitzung bekannt gewordenen Tatsachen besteht ferner dann, wenn die Vertretung zu Unrecht in die nicht öffentliche Sitzung übergegangen ist (OVG Koblenz, VGH München).

 

„Ich habe keine Inhalte des nichtöffentlichen Teils der Sitzung des Rates der Gemeinde Alfhausen am 17.03.2016 an Dritte weitergegeben“, steht in dem Entwurf der eidesstattlichen Erklärung, die Bürgermeister Wübbolding schickte. Würde ein Ratsmitglied das unterschreiben, würde es auch besiegeln, dass grundsätzlich nichts weitergegeben werden darf. Dem ist aber nicht so.

„Da ich ansonsten Repressalien fürchte“. 

klartext muss zunächst einmal Abbitte leisten. In dem Bericht unter dem Titel „Grundstücks-Schenkung geplatzt“ (mehr dazu hier) habe ich geschrieben, es wäre zu erwarten gewesen, dass das Ratsmitglied „offen Farbe bekennt und nicht anonym agiert“. Der anonyme Informant hatte in seinem Text geschrieben: „Leider kann ich mich an Sie nur unter einem Pseudonym wenden, da ich ansonsten Repressalien fürchte“. Repressalien in Alfhausen?
Dass der Mann mit seiner Befürchtung, massiv unter Druck zu geraten, nicht falsch lag, bestätigt die Entwicklung der Dinge. Mit Staatsanwaltschaft und eidesstattlicher Erklärung wird ein Druck- oder gar Droh-Szenario aufgebaut, das den Boden bereitet für ein Klima von Angst und Misstrauen. In Ankum weiß man aus der Zeit, als sich dort die CDU zerstritt, ein Lied davon zu singen, denn dort eskalierte ein Mix aus Verdächtigungen, Misstrauen und persönlichen Angriffen über die Zeit immer mehr.

Wer nicht unterschreibt, macht sich verdächtig – Sinn und Zweck des von Bürgermeister Wübbolding an Ratsmitglieder verschickten Entwurfs einer eidesstattlichen Versicherung?

Bürgermeister Wübbolding schickte den Entwurf einer eidesstattlichen Erklärung an einige Ratsmitglieder.

Was bezweckt der Bürgermeister?  Im letzten Oktober hatten die Vertragsparteien – Weßling und die Gemeinde Alfhausen – kein Interesse an Nicht-Öffentlichkeit, sondern gingen in die Öffentlichkeit. Warum jetzt Maßnahmen wie Einschaltung der Staatsanwaltschaft und eidesstattliche Erklärungen? Warum jetzt wiederholt Verweise auf ein „berechtigtes Interesse am Ausschluss der Öffentlichkeit“? Was genau wäre als vertraulicher Inhalt einzustufen?
So manches an dieser Angelegenheit erinnert an eine Hinterzimmer-Politik alten Stils. Wer sich nicht ins Schweigen einbinden lässt, wenn geschwiegen werden soll, muss mit Sanktionen rechnen, ist ein Merkmal einer solchen Politik. Politikstil Druck-Szenario statt Transparenz und Aufklärung? In der Grundstückssache Kindergarten geht es um ein wichtiges Projekt der Gemeinde und um das Geld der Alfhausener Steuerzahler. Rat und Bürger haben ein Recht auf Transparenz, auf eine umfassende Information: Über den Ablauf der Sache, über die Mehrausgaben aufgrund der veränderten Lage und über alle weiteren Folgen. Sie haben auch ein Recht darauf, über die Aktivitäten des Bürgermeisters informiert zu werden. Aktivitäten eines Bürgermeisters wie das Schicken einer eidesstattlichen Erklärung und Aussagen wie die Staatsanwaltschaft sei eingeschaltet worden sind keine Geheimsache.

 

Große Unsicherheit bei Ratsmitgliedern.

klartext-Gespräche mit Ratsmitgliedern zeigen eine weit verbreitete Unsicherheit in Sachen „was gehört in eine nicht öffentliche Sitzung, was nicht“ und auch in Sachen Verschwiegenheit. Weit verbreitet ist die Befürchtung, als Störenfried dazustehen, wenn hinterfragt wird, ob eine Sache überhaupt in den nicht öffentlichen Teil gehört.
Besondern groß ist die Furcht davor, als „Geheimnisverräter“ gebrandmarkt zu werden. Ihre Rechte wahr nehmen und ihrer Verpflichtung nachkommen, dem § 64 gerecht zu werden, können nur umfassend informierte Ratsmitglieder. So manches Beispiel aus Orten der Samtgemeinde zeigt, dass auch die Opposition zu wenig hinterfragte und sich zu sehr in den „Verschwiegenheitssog“ mit hineinziehen ließ. Es bedarf allerdings auch eines positiven, sachlichen Klimas, damit Ratsmitglieder ihrer Arbeit engagiert und angstfrei nachkommen können. Das Thema neuer, transparenter Politikstil ist weiterhin ein höchst aktuelles Thema.

 

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