Ankum: Nachwuchs für eine seltene Pferderasse

Gestatten: Die Fohlen Darwin und Rubina mit Luisa, der amtierenden Vize-Meisterin Weser-Ems im Einspänner-Fahren! Eine faszinierende Geschichte gab es in Ankum-Kunkheide zu entdecken: Die der Familien Bosse und deren Begeisterung für Schwarzwälder und für den Fahrsport.

Doppelter Nachwuchs mit dem kleinen Darwin (rechts) und der älteren Rubina: Das freut auch die begeisterte Kutschen-Fahrerin Luisa.

Zu schön, wie der gerade einmal zwei Wochen junge Darwin schon einen auf großer Hengst macht, strotzend vor Selbstbewusstsein, Bewegungslust und Neugier. Rubina, die sieben Wochen ältere, ist im Vergleich zu dem Jungspund die ruhigere.

Bei Petra ist gut Kraulen und Beschnuppern ist auch ein Fohlen-Plaisir.

Eines haben aber beide gemeinsam: Die Nähe zur jeweiligen Mama wird immer wieder gesucht, und beide können von den Zweibeinern auf der Weide gar nicht genug Streicheleinheiten bekommen.

Nachwuchs erfreut wohl immer das Herz. Für die Familien Bosse sind die beiden Fohlen jedoch eine doppelte Freude. Rubina und Darwin sind nicht nur quietschfidel, sie haben auch Seltenheitswert, denn sie sind Schwarzwälder – und damit Angehörige einer Rasse, die auf der roten Liste der vom Aussterben bedrohten Nutztierarten steht.

Als „Kleinod“ des Schwarzwaldes“ wurden die Schwarzwälder bezeichnet, aber dann wurden sie als Arbeitspferde auf den Feldern und in den Wäldern nicht mehr gebraucht und mit dem Bestand ging es in Baden-Württemberg rapide bergab: von einst über 1.200 Stuten auf nur noch 163 im Jahr 1980.

Rika: Super Platzierung für die Stute aus Ankum bei der Bundeskaltblutschau in Berlin © Bosse.

Dass es wieder aufwärts geht mit den Schwarzwäldern, dazu haben auch die Familien Bosse beigetragen, denn sie haben sich der Zucht dieser Tiere verschrieben. Und das mit beachtenswertem Erfolg. Dafür stehen die Mütter von Darwin und Rubina.

Darwins Mutter ist Rika, Rubinas Mutter ist Romy. Diese beiden Stuten sind die größten Erfolge der Ankumer Züchter. So wurde Rika 2009 sechste bei der Bundeskaltblutschau in Berlin – und war damit das bestplatzierte Pferd außerhalb Baden-Württembergs. Romy war 2016 die Landessiegerstute bei der Landesstutenschau.

Weltweit wieder ca. 1.000 Stuten. Baden-Württemberg ist mit großem Abstand das Haupt-Nachzuchtgebiet für Schwarzwälder. Dort gibt er wieder etwa 500 der weltweit etwa 1.000 Stuten. Auf Platz 2 Niedersachsen mit um die 80 Stuten. Schwarzwälder gibt es außer in Deutschland auch in anderen europäischen Ländern sowie vereinzelt in Australien, den USA und in Kanada.

Können sich ganz offensichtlich gut riechen: Die Fohlen Darwin und Rubina.

Aus bestem Stall ist mit Dachs auch die väterliche Seite der beiden Fohlen. Der Dunkelfuchs-Hengst gehört zum traditionsreichen Haupt- und Landgestüt Marbach, das 2014 seinen 500. Geburtstag feierte. Dachs kam als Frischsamen per Post. Bis auf eine Ausnahme gehen alle Fohlen, die in Ankum geboren wurden, auf Hengste aus dem renommierten Gestüt in Baden-Württemberg zurück. Die Ausnahme ist Rapunzel, und mit der hat es eine besondere Bewandtnis: Mit Rapunzel fuhr Luisa ihren bislang größten Erfolg ein.

Wie alles begann. 1995 erwarb die Familie Bosse vier Schwarzwälder Absetzer (Fohlen). Ein Jahr später hatte sie ihr Herz endgültig an Schwarzwälder verloren und in die Kunkheide-Ställe zogen Vreni und Evi aus dem Schwarzwald ein. Mit diesen beiden Stuten begann 2002 die Schwarzwälder-Zucht.

 

Wow! Sechspännig auf der Kunkheide unterwegs. © Bosse.

Einspännig, Einhorn, sechsspännig: „Schon alles gefahren, was die Fahrkunst hergibt“.

Die Familien Bosse, das sind Senior Joachim Bosse und seine Frau Maria, der Sohn Jens, dessen Ehefrau Petra und die vier Kinder, darunter die fahrkunstbegeisterte Luisa. Luisas Passion ist eine, die Jens wie auch Joachim Bosse bestens verstehen. Jens machte 1994 seinen Kutschenführerschein und Vater Joachim meldete sich gleich mit ihm an.

„Über das Fahren kamen wir an die Schwarzwälder und über die Schwarzwälder kamen schließlich Petra und ich zusammen“, packt Jens einen Zeitraum von einigen Jahren in einen Satz. Petra hatte auch schon mal vor, einen Fahrkurs zu machen, aber sie ließ den Töchtern Theresa und Luisa den Vortritt.

Traute Zweisamkeit: Petra mit Fohlen Darwin, der jüngsten Schwarzwälder-Generation.

Sechs Kutschen und einen Planwagen gibt es bei den Bosses. Zweispänner, Troika, Einhorn, umgekehrtes Einhorn, Vierspänner, Jucker-Zug, Sechsspänner: „Alles, was die Fahrkunst hergibt, haben wir schon gefahren“, sagt Jens – und freut sich über Luisas Händchen fürs Fahren. Bei ihr fing, wie sie erzählt, alles „gemeinsam mit Freundin Celina in ganz kleinem Rahmen an, eher aus Jux und Dollerei“. Dann sei „doch ein bisschen mehr draus geworden“. Ein sympathisches Understatement, denn es wurde – für so manchen überraschend– schon viel daraus.

Familienidylle mit Fohlen Darwin (vorne), seiner Mutter Rika (rechts) sowie Romy mit Tochter Rubina.

 

„Anfangs belächelt“. „Gar nicht ernst genommen“.

Sie sei „anfangs belächelt worden“, erzählt Luisa. Wegen ihres Pferdes, denn außer ihr tritt niemand mit einem Schwarzwälder bei Fahr-Turnieren an. „Die haben Dich gar nicht für voll genommen“, wirft Mutter Petra ein. Mit einem Schwarzwälder schien Luisa auf verlorenem Posten zu stehen, denn Pferde dieser Rasse sind kleiner, kürzer, kompakter als die normalerweise bei Fahrturnieren vertretenen Sportpferde.

Von wegen behäbige Schwarzwälder: Hier geben Rowena (rechts) und vor ihr Fiorino ordentlich Gas.

Kaltblüter „sind ja auch eher gemächlich und lassen sich auch schon mal bitten“, bestätigt Luisa. Die Bosse-Pferde muss man allerdings nicht bitten. „Unsere Pferde“, sagt Luisa, „gehen durchweg freiwillig und sie wollen gehen“. Und so wurde Luisa mit Rapunzel 2019 nicht nur Vize-Meisterin Weser-Ems im Einspänner-Fahren, sondern wurde in diesem Jahr auch in den Jugendkader Weser-Ems aufgenommen. Damit gehört sie zu einem Kreis von Fahr-Talenten, die gefördert werden und die auch an der Deutschen Jugendmeisterschaft teilnehmen dürfen.

 

Rasant: Luisa mit Rapunzel beim Einspänner-Fahren. © Bosse.

Dressur, Kegelfahren, Gelände. „Eine Bestzeit nach der anderen“.

Allerdings bremste das Corona-Virus in diesem Jahre auch den Pferdeport aus. Und so hofft Luisa auf das kommende Jahr. Im Februar gab es aber noch ein Jugendkader-Training in Vechta, und Luisa war mit Rapunzel dabei.

Wenn es denn wieder Turniere gibt, wie laufen die ab? Los geht es zumeist an einem Samstag, erklärt Luisa, manchmal auch schon freitags. Die erste Lektion, die zu bewältigen ist, ist die Dressuraufgabe. Sie wird in einem Viereck gefahren und besteht z. B. aus Hufschlagfiguren, die in verschiedenen Gangarten wir Schritt oder Trab absolviert werden müssen.

Jugendkader-Training im Februar 2020 in Vechta: Luisa und ihr Turnierpferd Rapunzel. © Bosse.

Der Dressur folgt das Kegelfahren. Da werden auf einem Parcours Kegelpaare aufgestellt, die möglichst schnell durchfahren werden müssen – ohne dass ein Kegel umfällt oder ein auf dem Kegel platzierter Ball herunterfällt. Am Turnier-Sonntag geht es dann ins Gelände, wo teils sehr enge und kurvenreiche Wege gepackt werden müssen.

Auch die Mutter von Rapunzel: Rika, die Mutter des kleinen Darwin, ist auch die Mutter von Luisas Turnierpferd Rapunzel.

Im Gelände schlägt die Stunde von Rapunzel. Warum, erzählt Jens mit Begeisterung. Eben weil sie kleiner, kürzer, kompakter ist, hat die Schwarzwälder-Stute bei der Geländeprüfung, beim Fahren durch sehr enge Wendungen, gegenüber den großen, schweren und nicht so wendigen Warmblütern die Nase vorn. „Da holt Luisa dann eine Bestzeit nach der anderen“.

Auf geht’s Richtung Weide. Hund Silas, ein Flat Coated Retriever, macht brav kehrt. Sein Terrain sind Haus und Hof.

 

Ein Herz für Waisen-Tiere: „Nehmen alles, was ein Fläschchen braucht“.

Petra fährt zwar auch gerne Kutsche, aber lieber gemächlich und am liebsten in Begleitung der Hunde. Die laufen hinterher oder sitzen auch mal mit ihr auf der Rückbank. Außer für Pferde und Hunde schlägt Petras Herz in besonderer Weise für Katzen und den Katzentierschutz.

Aufpäppeln. © Bosse.

Sie päppelt schon seit Jahren mutterlose Kleinkatzen mit dem Fläschchen auf. Je kleiner die Kätzchen und je schwieriger die Aufzucht per Flasche, desto öfter wird nach Petra gerufen. Auch von Tochter Luisa, denn die arbeitet in der tierärztlichen Klinik Dr. Markus & Dr. Börgel in Bersenbrück.

Ob Kätzchen oder Hunde-Welpen: Bei Nachwuchs in Not ist Petra die Rettung. In den letzten drei Jahren, erzählt sie, hatte sie auch Waisen-Fohlen, die aus der Klinik kamen, und zog sie jeweils über 4 Monate mit der Flasche auf. „Wir nehmen alles, was ein Fläschchen braucht“, bringt es Petra auf den Punkt. Und zu alledem kommen natürlich auch noch die Pferde, die Arbeit bereiten.

Kein Zuckerschlecken: Bei 6 Schwarzwäldern plus zwei Fohlen fällt Tag für Tag eine Menge Arbeit an. Ausmisten gehört da zum Pflichtprogramm.

 

Offen-Ställe. Dressur und viele andere Lektionen.

Für die Versorgung der Pferde, so auch fürs „Misten“, ist größtenteils Petra zuständig. Die Schwarzwälder sind sommers wie winters auf der Weide, aber es gibt natürlich auch Ställe – Offen-Ställe, bei denen eine der 4 Wandseiten offen ist, sodass die Tiere jederzeit rein und raus können.

Dressurtraining: Luisa mit Rapunzel. © Bosse

„Luisa ist sehr dahinter her, dass die Pferde bewegt werden und dass mit ihnen gearbeitet wird“, sagt die Mutter über die Tochter. Bei Turnierpferden, erklärt Luisa, „gehören schon Muskulatur und Ausdauer dazu“ – und beides muss trainiert werden.

Die Fohlen Rubina und Darwin tollten beim Fototermin Ende Mai nach Lust und Laune herum. Mit zunehmendem Alter werden sie dann vieles lernen, angefangen damit, sich führen zu lassen. Auch das Laufen vor einer Kutsche will gelernt sein. Die Ankumer Schwarzwälder beherrschen sogar zirkusreife Kunststückchen, wie Luisa und Rapunzel schon öffentlich gezeigt haben, so bei einem Showauftritt bei der Weihnachtsfeier des Reitvereins.

Das „Ankumer Bauernpatent“. Viele Gruppen, Vereine, Kegelclubs haben bei Joachim Bosse schon das Vergnügen gehabt, das „Ankumer Bauernpatent“ zu erwerben. Eine Mordsgaudi mit Wettkämpfen in Disziplinen wie Hufeisenwerfen, Mistkarren-Hindernisrennen, Treckerrennen usw. Macht auch unter Einhaltung der Corona-Regeln Spaß. Infos: www.schwarzwaelderzucht-bosse.de

Volle Konzentration bei Darwin, aufmerksam die Lage peilen.

 

„Alles hobbymäßig“.

Mit Rika und Romy beste Zuchterfolge, Luisa als Vize-Meisterin Weser-Ems auf dem Siegertreppchen, dazu im Jugendkader: Gewinnt da der Ehrgeiz immer mehr die Oberhand? „Alles nur hobbymäßig“, sagen Jens, Petra und Luisa – hobbymäßig und mit viel Herzblut. Was der Weidenbesuch und die Gespräche bestätigen: An allererster Stelle stehen sicht- und hörbar die Begeisterung und die Leidenschaft für die Schwarzwälder und der Spaß an allem, was die Tiere an sportlichen und sonstigem Freizeit-Vergnügen ermöglichen – wenn denn mal Schnee liegt auch Pferdeschlittenfahren.

 

Darwin und Rubina: Die 5. Generation.

Bosse-Fohlen 14 und 15: Darwin (links) und Rubina.

Das allererste Fohlen kam auf der Kunkheide 2002 auf die Welt. Darwin und Rubina sind die Fohlen Nummer 14 und 15 und damit die fünfte Generation selbst gezogener Schwarzwälder bei den Familien Bosse.

„Bei R gehen uns bald die Ideen für Namen aus“, scherzt Petra. Die Regeln für die Namensgebung gibt der jeweilige Zuchtverband vor. Danach musste Rubina einen Namen mit R bekommen, denn ihre Mutter heißt Romy. Die Regel dazu lautet: Bei weiblichen Fohlen muss der Name mit dem ersten Buchstaben des Namens der Mutter beginnen. Bei männlichen Fohlen gibt die väterliche Seite den Ausschlag. Darwin stammt von Dachs ab, und so musste sein Name mit D beginnen.

Und zwischendurch Milch tanken bei der Mama, um ein starker Hengst zu werden.

 

Farbwechsel. Blickfang Mähne und Schweif.

Welche Fellfarbe Rubina und Darwin haben werden, wird sich erst später zeigen. Schwarzwälder werden alle in derselben Farbe – als helle Füchse – geboren, erklärt Jens. Erst nach Verlust des Fohlenfells komme die richtige Farbe; erst dann sei zu sehen, wie hell oder dunkel die beiden sind.

Der erste Fellwechsel kündigt sich bei Rubina an. Unter den Augen von Jens Bosse und Luisa genießt das Fohlen die große Freiheit auf der Weide.

Fellwechsel sind ein Dauerbegleiter. Im Herbst folgt dem Sommerfell ein dickes Winterfell, das im Frühjahr ausfällt und dem Sommerfell Platz macht. Was die Farbe angeht, kann das Pferd nach einem Fellwechsel schon einmal etwas heller oder etwas dunkler sein, vor allem in jüngeren Jahren. „Je älter das Pferd wird, desto konstanter wird die Farbe“, so Jens.

Macht was her: Rowenas stattliche helle Mähne (links) und der helle Schweif von Fiorino.

Viel wallende helle Mähne, viel heller Schweif: Das macht Schwarzwälder zum Hingucker und Rowena und Fiorino glänzen da mit typischer Schwarzwälder-Pracht. Man darf gespannt sein, wie Rubina und Darwin als ausgewachsene Stute bzw. Hengst aussehen werden. Und hier noch ein paar weitere Impressionen vom Besuch bei den Familien Bosse:

Fohlen-Duo vor naturschöner Landschaft.

Synchronfressen: Rowena und Fiorino lassen es sich in aller Ruhe schmecken.

Oh-là-là: Früh übt sich, wer der Stutenwelt als Hengst imponieren will.

Naturidylle für Mensch & Tier. Links neben der Weide wurde ein großer Kornblumen-Streifen angelegt.

Der Gras-Tisch ist reich gedeckt für Rapunzel (vorne) und Mirco.

Wer ist denn die da mit der Kamera? Darwin macht sich auf, die Besucherin zu checken.

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