Bezahlbare Wohnungen: Wir brauchen Taten!

Ein Kommentar von Rita Stiens.

Immer mehr Menschen finden keine bezahlbare Wohnung mehr – prangert die Caritas an. Damit es hier gelingt, das Problem anzupacken, braucht es die Mitwirkung aller politischen Kräfte.

War noch vor kurzer Zeit auf dem Markt: Dieses Wohnungsangebot für Ankum.

 

Deutlicher als der Caritasverband für die Diözese Osnabrück hätte man kaum werden können.* Er stellt fest: „Insbesondere Haushalte mit mehreren Kindern, Alleinerziehende, Arbeitslose, Geringverdiener, Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten, behinderte Personen, Personen im Transferleistungsbezug, Migranten“ hätten „erhebliche Schwierigkeiten, bezahlbaren Wohnraum zu finden oder ihn zu halten“. „Die Kommunen sind gefordert“, redet die Caritas der Politik ins Gewissen, „durch zeitgemäße Konzepte Wohnraum für alle benachteiligten Personengruppen zu sichern.“

Bezahlbarer Wohnraum: Sozialer Sprengstoff.

Meine Nöte und Sorgen nimmt keiner Ernst; ob ich eine Wohnung bezahlen kann oder nicht interessiert die nicht; mir wurde vom Amt nur gesagt, ich müsse mit meiner Familie aus Ankum wegziehen, weil es für uns und unsere Kinder in Ankum keine bezahlbare Wohnung gibt: Das sind Erfahrungen, die bei Menschen, die sie machen, die Stimmung kippen lassen und die sie nur zu leicht in die Arme von Pegida und AfD treiben. Wer in Ankum und andernorts mit Menschen mit geringem Einkommen spricht, erlebt Sorgen, Nöte, Enttäuschung, Frust – und zunehmend auch Wut.

Über die Eigenheime sollten die Sorgen anderer nicht aus dem Blick geraten.

In der Samtgemeinde waren die Gruppen, von denen die Caritas spricht, ein zentrales Thema – als es um die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft (HaseWohnbau) ging. Das Konzept von HaseWohnbau ist darauf ausgerichtet, Wohnraum für Geringverdiener schaffen zu können. Die CDU-Fraktion stimmte gegen die Gründung. Dass man die Dinge aus christdemokratischer Sicht auch anders sehen kann, zeigt das folgende Beispiel.

Eine andere CDU-Sicht.

Im Landkreis Harburg stellt die CDU mit Rainer Rempe den Landrat. Liest man die Argumente des gebürtigen Cloppenburger CDU-Mannes, hört man unwillkürlich diejenigen reden (UWGs, SPD, Grüne), die im Juni letzten Jahres im hiesigen Samtgemeinderat für die Gründung von HaseWohnbau stimmten.

Screenshot: www.landkreis-harburg.de.

Rainer Rempe sagte nach einer Veranstaltung mit Experten: „Die Referenten haben mich in meiner Überzeugung bestärkt, dass es der private Wohnungsbaumarkt hier alleine nicht richten wird“ – und so machte er sich für die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft stark: „Um den Wohnungsmarkt im Landkreis“, so Rempe, „nachhaltig im Interesse von jungen Auszubildenden oder alleinerziehenden Müttern ebenso wie für ältere Menschen mit geringen Renten zu verbessern.“

„Unsere Initiative soll nicht in Konkurrenz zu privaten Investoren stehen“, fügte Rempe hinzu. „Mit einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft würden wir jedoch über ein Steuerungsinstrument verfügen, um über einen Mix aus sozialen und freifinanzierten Wohnungen bezahlbaren Wohnraum im Landkreis zu schaffen“. (**) Genau das schrieb sich die Samtgemeinde mit der Gründung von HaseWohnbau auf die Fahnen. Ist eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft ein sinnvolles Instrument, kann sie auch preisgünstiger als andere bauen? Die CDU des Landkreises Harburg beantwortete diese Frage mit Ja. Die CDU-Fraktion in der Samtgemeinde Bersenbrück sah das anders und sagte Nein.

Der Markt richtet es auch hier nicht.

Ankum ist bei Wohnungen ein besonders teures Pflaster.

Der Markt – sprich der bisherige Wohnungsbau der privaten Investoren – hat es auch in der Samtgemeinde Bersenbrück im Segment Wohnraum für Geringverdiener nicht gerichtet. Vorzuwerfen ist das den Privaten nicht. Jeder Investor hat das Recht auf seine eigenen Entscheidungen und die Verfolgung seiner Interessen. Politik hat jedoch das Ganze im Blick zu behalten und nicht zuletzt den sozialen Zusammenhalt. Mit Blick auf den Wohnungsmarkt heißt das, für eine Balance zu sorgen: Zwischen Investoreninteressen einerseits und dem Recht der Bevölkerung auf bezahlbaren Wohnraum – denn Wohnen, so die Caritas, ist ein „Grundbedürfnis“ des Menschen.

Jede günstigere Mietwohnung zählt.

HaseWohnbau basiert auf einem Konzept, das auf zwei Säulen beruht, und setzt dieses – inzwischen nachlesbar – um. Ein Beispiel dafür ist das Projekt, mit dem sich HaseWohnbau am Ankumer Bieterverfahren beteiligte. Teile dieses Projekts sind: 12 frei finanzierte Wohnungen sowie 14 deutlich günstigere Zwei-Zimmer-Seniorenwohnungen (45-67 qm) zum Mietpreis von 5,60 € pro qm.

Mit 5,60 € liegt HaseWohnbau beträchtlich unter dem Ankumer Neubau-Mietniveau von inzwischen über 7 erzielbare Euro für kleinere und mittlere Wohnungen und auch unter dem in Eggermühlen, wie das Beispiel zeigt. Eine Neubau-Wohnung von über 100 qm gibt’s in Ankum auch für 6 €, aber in der am meisten nachgefragten Größenordnung zwischen 50 und 80 qm liegen die Preise längst deutlich darüber.

Gibt es ein bessere Konzept?

HaseWohnbau hat ein Konzept. Wer ein besseres hat, hätte es präsentieren sollen bzw. sollte es präsentieren. „Der Markt wird es schon richten“ ist zumindest keine ausreichende Antwort, die der Problematik gerecht wird. Für die Menschen ist z. B. jede Ankumer Wohnung, die 5,60 € statt 7,20 € kostet, ein Gewinn, und es ist auch ein Gewinn für jeden Geringverdiener mit einen Wohnberechtigungsschein (WBS oder B-Schein), wenn Wohnungen für diese Gruppe von Menschen gebaut werden. Wer dringend eine erschwingliche Wohnung braucht, fragt nicht danach, wer sie gebaut hat. Hauptsache, er findet eine!

Geringer Verdienst, nach einem Zeitvertrag Hartz IV:  So mancher Arbeitnehmer hat inzwischen Probleme, eine bezahlbare Wohnung zu finden.

Erschwinglichen Wohnraum zu schaffen ist zudem ein wirtschaftliches Gebot, so für die Weiterentwicklung des Niedersachsenparks. Wer Unternehmen wie adidas, die nun einmal in hohem Maße mit Zeitarbeitern und Geringverdienern arbeiten, als Investoren begrüßt, ist gefordert, sich der Problematik Wohnraum für Geringverdiener zu stellen.

Es braucht Taten, um das Problem zu lösen.

HaseWohnbau wurde, nebenbei bemerkt, nicht von Horst Baier gegründet, sondern durch einen Mehrheitsbeschluss im Samtgemeinderat. Die bei der Kritik an HaseWohnbau immer wieder zu beobachtende Baier-Personalisierung ist aus Sicht der Menschen, um deren Wohnungsprobleme es geht – Haushalte mit mehreren Kindern, Alleinerziehende, Arbeitslose, Geringverdiener usw. – ein Affront. Warum? Weil es nicht um Baier-Sympathie oder Baier-Antipathie geht, sondern um wirklich Wichtiges: Um Lösungen für eine drängende soziale Frage.

Der Bedarf an Wohnungen ist groß.

Werden sich private Investoren zurückziehen, weil es HaseWohnbau gibt? Warum sollten sie? Der Bedarf an Wohnungen ist groß. Etwa 113 Wohnungen müssten pro Jahr in der Samtgemeinde Bersenbrück neu gebaut werden, so der CDU-geführte Landkreis Osnabrück. Das macht 1.130 Wohnungen in den nächsten 10 Jahren.

Die in Alfhausen ansässige „Baugenossenschaft Landkreis Bersenbrück“ ist der große Mitspieler im Wohnungsmark. Günstigen Wohnraum schuf sie bislang nicht.

Sitzt in Alfhausen: Die  Baugenossenschaft Landkreis Osnabrück.

Zum Vergleich: Die Baugenossenschaft Landkreis Osnabrück ist ein großer privater Mitspieler im Wohnungsmarkt. Gegründet wurde sie 1901. Ihr Wohnungsbestand beläuft sich nach Aussage von Werner Hesse, geschäftsführendes Vorstandsmitglied, in der Samtgemeinde Bersenbrück auf 177 Wohnungen (von 830 im gesamten Landkreis). Gemessen an dem zukünftigen Bedarf von 113 Wohnungen, die pro Jahr neu entstehen müssen, sind das nur wenige Wohnungen. Die gute Nachricht: Die Baugenossenschaft will zulegen.

Ein Gewinn: 6,50 €, 5,60 € – mehr Ehrgeiz, günstiger zu bauen.

Zwei Gebäude mit 16 Wohnungen will die Baugenossenschaft in Kettenkamp errichten. Zeichnung: Architekturbüro Wolfgang Frye.

Das Projekt der Baugenossenschaft in Kettenkamp. Zeichnung: Architekturbüro Wolfgang Frye.

Aktuell will die Baugenossenschaft in Bersenbrück 22 Wohnungen und in Kettenkamp 16 Wohnungen bauen. Und zwar, so Werner Hesse, zu einem Kaltmietpreis von 6,50 € bei einem KFW 40 Standard (niedrige Heizkosten). „Ziemlich einzigartig“ nennt er diesen Preis, und es ist in der Tat ein sehr guter Preis. Geht’s noch günstiger?

Seit der Gründung von HaseWohnbau rückte der Preis, zu dem vermietet wird, verstärkt in den Fokus der Aufmerksamkeit. HaseWohnbau will an der Aslager Straße in Ankum Wohnraum für 5,60 € pro qm schaffen – ebenfalls nach KFW 40 Standard. Ein solcher Preis ist nur möglich, wenn lange Anlaufverluste hingenommen werden bzw. auf der Basis einer langfristig angelegten Mix-Kalkulation aus Projekten, die erst einmal Zuschussgeschäfte sind, und solchen, die etwas einbringen.

Bei privaten Investoren ist davon auszugehen, dass sie anders kalkulieren und keine Anlaufverluste in Kauf nehmen. Das müssen sie auch nicht. Das Streben nach einem höheren oder möglichst hohen Gewinn ist nicht verwerflich. Politisch verwerflich wäre jedoch, würden sich die Akteure überwiegend im Gegeneinander verstricken statt sich konstruktiv einzubringen, um auch der Wohnraumnot der von der Caritas genannten Menschen entgegenzuwirken.

Das Führungsteam der Samtgemeinde.

Ob HaseWohnbau gefällt oder nicht: Es gab eine demokratische Entscheidung in dieser Sache. Im Interesse der Bürger wäre zu wünschen: Eine breite politische Unterstützung für alle, die sich dem Ziel verschreiben, Wohnraum und speziell auch Wohnraum für Geringverdiener zu schaffen. Es braucht alle Mitspieler im Wohnungsbau-Markt – und ein gesteigerter Ehrgeiz, möglichst günstig zu bauen, ist auf jeden Fall ein Gewinn für die Mieter in der Samtgemeinde.

* siehe „Resolution der Mitgliederversammlung des Caritasverbandes für die Diözese Osnabrück e. V zur Wohnraumversorgung“ vom 12. November 2016.

** nachzulesen auf: https://www.landkreis-harburg.de/portal/meldungen/bezahlbarer-wohnraum-im-landkreis-harburg-901001906-20100.html

 

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