Bürger-Frage: Droht Bersenbrück ein Ghetto?

Das Wort Ghetto fiel in der Frage eines Bürgers in der letzten Ratssitzung in Bersenbrück. In der Sache geht es um geplante 3 Wohneinheiten für Flüchtlinge Im Alten Dorfe – wo jetzt noch eine Grünfläche ist.

In der letzten Sitzung des Stadtrats stellte ein Bürger eine Frage zur Unterbringung von Flüchtlingen und gab zugleich der Befürchtung Ausdruck, dass in Bersenbrück ein Ghetto entsteht. Für diese Kombination aus Frage und Befürchtung gab es zustimmendes Tischeklopfen aus den Reihen der CDU-Fraktion.

Im Alten Dorfe in Bersenbrück, so ein im Bauausschuss vorgestellter Plan, könnten drei Wohnungen in ausgebauten Containern entstehen.

Im Alten Dorfe in Bersenbrück, so ein im Bauausschuss vorgestellter Plan, könnten drei Wohnungen in ausgebauten Containern entstehen.

In der Sache geht es um drei Wohnungen (insgesamt 250 qm) für max. 15 bis 22 Personen. Mehr dazu hier. Festzuhalten ist: Bei der Präsentation des Projekts im Bauausschuss der Samtgemeinde (17. Februar) gab es keine CDU-Kritik. Es wurden auch keine Befürchtungen laut. Zu den CDU-Vertretern im Ausschuss gehörte auch das Bersenbrücker Stadtratsmitglied Michael Strehl (CDU). Ratsherr Wilke (CDU) betonte laut Protokoll, „dass diese Anlage nach dem Wegfall der Aslager Straße 10 in Ankum ein guter Ansatz ist“.

Das Wort Ghetto steht in Deutschland vor allem für ein furchtbares Kapitel Geschichte: Für den staatlich ausgeübten Zwang gegenüber der jüdischen Bevölkerung, in abgeschlossenen Ghettos zu leben – bevor der Massenmord Holocaust begann. Als Ghetto wird heute umgangssprachlich ein Viertel bezeichnet, in dem vorwiegend bestimmte ethnische Gruppierungen leben.

 

Ängsten Vorschub leisen statt Ängste abbauen?

Befürchtungen und Ängste sind in der Flüchtlingsdebatte der Nährboden für vieles – für Abkehr von der Politik bis zu Wut, Hass und Gewalt. Das Tischeklopfen aus den Reihen der CDU-Fraktion war eine Zustimmung zu der Befürchtung, dass in Bersenbrück ein Ghetto entsteht.
Der Bad Essener Kommunikationswissenschaftler Dr. Wolfgang Hesse sprach in einem Vortrag in Alfhausen von einer vielerorts zu beobachtenden „psychologischen Schockwirkung des Fremden“ und forderte von der Politik: „Mehr denn je ist eine Erklärung der politischen Vorhaben und Aktivitäten erforderlich, die bei den Menschen ankommt“.
Im Bauausschuss gab es keine Einwände der CDU gegen die geplante Wohnanlage. Nach dem zustimmenden Klopfen zur Ghetto-Befürchtung hätte man sich in der Stadtratssitzung eine Erklärung der CDU-Fraktion gewünscht. Zum Beispiel eine Antwort auf die Frage, welche Befürchtung geteilt wird: Ob befürchtet wird, dass von der Anzahl der Menschen (15-22) am geplanten Standort eine „Ghetto-Gefahr“ ausgeht oder ob es darum geht, dass Container zu Wohnraum umgebaut werden sollen.

 

Engagierte Bürger holen, wie hier im Dezember in Ankum, Flüchtlinge durch Begleitung und gemeinsame Veranstaltungen in die Mitte der Gesellschaft.

Engagierte Bürger holen, wie hier im Dezember in Ankum, Flüchtlinge durch Begleitung und gemeinsame Veranstaltungen in die Mitte der Gesellschaft.

 

Die Aufgabe der Politik: Lösungen bieten.

Befürchtungen nur zuzustimmen, lässt bei PolitikerInnen das Wichtigste vermissen, das Politik bieten sollte: Lösungen. Die Samtgemeinde sucht bereits seit Monaten in allen Orten nach Wohnraum für Flüchtlinge. Bislang mit gutem Erfolg. Bürger helfen tatkräftig bei Lösungen mit, und das nicht nur dadurch, dass sie Wohnraum für Flüchtlinge an die Samtgemeinde oder direkt an Flüchtlinge vermieten. Viele Bürger leisten zudem einen großen Beitrag dazu, Befürchtungen und Ängste abzubauen. Sie engagieren sich in Helferkreisen und holen durch ihre Aktivitäten Flüchtlinge in die Mitte der Gesellschaft. Sie grenzen sie nicht als „Fremdkörper“ aus. Was die Unterbringung angeht, war bislang der Zeitdruck zu handeln groß. Dass derzeit weniger Flüchtlinge kommen, kann neue Spielräume eröffnen.

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