Der Praxis-Test zeigt: Zu wenig Bus-Verbindungen

Kostenlose Bus-Tickets für Schüler – das ist eine Idee der Landkreis-CDU. Der klartext-Praxis-Test zeigt: Hier fehlt es am Wesentlichen – an den Bus-Verbindungen.

Ein kommentierender Beitrag von Rita Stiens.

Per Bus Kettenkamp oder Gehrde nach Bersenbrück oder in andere Orte: In der Samtgemeinde kann von einem echten öffentlichen Nahverkehr nicht die Rede sein.

Per Bus von Kettenkamp oder Gehrde nach Bersenbrück oder in andere Orte: Wer’s versucht, stellt fest, dass in der Samtgemeinde von einem echten öffentlichen Nahverkehr nicht die Rede sein kann.

Bürgern Gutes zu tun, kommt gut an, besonders in Wahlkampfzeiten. Martin Bäumer, der Chef der CDU-Fraktion des Landkreises Osnabrück, möchte Gymnasiasten und anderen ermöglichen, während der gesamten schulpflichtigen Zeit kostenlos Bus zu fahren. Sie sollen auch nachmittags mit einer kostenlosen Freizeitkarte den öffentlichen Nahverkehr nutzen können.

Was staatliche Unterstützung angeht, könnte einem natürlich noch so einiges mehr einfallen. Kostenlose KiTa-Plätze zum Beispiel. Oder die kostenlose Nutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel für Rentner. In Ungarn gibt es die bereits. Sind kostenlose Tickets für alle Schüler eine gute Idee? klartext machte den Praxis-Test.

In Ungarn können alle Rentner sämtliche öffentlichen Verkehrsmittel (Busse, U-Bahn, Bahn) landesweit kostenlos nutzen. Zugute kommt diese Vergünstigung nicht nur den ungarischen Rentnern, sonder allen Rentnern aus allen EU-Ländern.

Nachmittags, so Martin Bäumer zu seiner Idee, könnten Schüler zum Beispiel zu Mitschülern per Bus fahren, um gemeinsam an einem Referat zu arbeiten. Wer als Schüler der Oberstufe oder einer Berufsbildenden Schule schon den Führerschein hat, soll also das Auto oder Motorrad (bei schlechtem Wetter das Fahrrad) stehen lassen und den Bus nehmen.

Ziemlich frustrierend: Der Blick auf die Fahrpläne. Das Angebot ist vor allem auf Schüler und Schulzeiten ausgerichtet.

Ziemlich frustrierend: Der Blick auf die Fahrpläne. Das Angebot ist vor allem auf Schüler und Schulzeiten ausgerichtet.

Kettenkamp-Bersenbrück: Wie kommt man zueinander?

Nehmen wir als Beispiel zwei Gymnasiasten aus Kettenkamp und Bersenbrück. Wie sähe die Planung zur gemeinsamen nachmittäglichen Arbeiten am Referat aus? Der 1. Schritt: Hin zur Bus-Haltestelle in Kettenkamp, Abfahrt Kettenkamp 15.05, Ankunft Bersenbrück Bahnhof 15.25. Wie geht’s innerhalb Bersenbrücks weiter, um zum Mitschüler in Hastrup zu kommen? Zu Fuß. Wann wäre man dort? Gegen 16.00 Uhr? Der Rückweg müsste zu Fuß spätestens gegen 18 Uhr angetreten werden – weil der letzte Bus nach Kettenkamp um 18.35 Uhr fährt. Hand aufs Herz: Welcher Schüler, der über ein Auto oder Motorrad verfügt, würde sich durch eine kostenlose Fahrkarte dazu verlocken lassen, sich per Bus und zu Fuß auf den Weg zum Mitschüler in Hastrup zu machen? Von den vier Stunden zwischen 15 Uhr und der Heimkehr um 19 Uhr würden bestenfalls zwei Stunden auf das Zusammensein/die Arbeit entfallen. Welcher Oberschüler tut sich das an, wenn er oder sie ins Auto steigen und sich bequem von A nach B bewegen kann?

 

Das eigentliche Problem: Es gibt hier keinen öffentlichen Nahverkehr.

Der Landkreis ist für die Schülerbeförderung zuständig und die Nahverkehrsplanung (an PlanOS übertragen). Über die Verhältnisse in der Samtgemeinde ist Martin Bäumer aber anscheinend nicht informiert. Keine Erfahrung mit dem Busverkehr scheinen auch Vertreter der CDU Ankum-Eggermühlen-Kettenkamp zu haben, die Herrn Bäumers Idee begrüßen. Hätten sie Erfahrung damit, müssten sie wissen, was der klartext Praxis-Test zeigt: Das Angebot an Bus-Verbindungen ist dermaßen begrenzt, dass auch ein kostenloses Ticket nichts bringen wird.

Wie schlecht es um den Nahverkehr bestellt ist, müsste die CDU Ankum-Eggermühlen-Kettenkamp eigentlich wissen.

Wie schlecht es um den Nahverkehr bestellt ist, müsste die CDU Ankum-Eggermühlen-Kettenkamp eigentlich wissen.

Es gibt in der Samtgemeinde von Montag bis Freitag fast nur Schülertransporte, aber keinen öffentlichen Nahverkehr, der diese Bezeichnung verdient. Die Schülertransporte, die jeder benutzen kann, sind auf die Schulzeiten ausgerichtet. Davon mal abgesehen: Dass die Busse oft überfüllt sind, ist noch ein Thema für sich.

Von Alfhausen nach Bramsche kommen? Von Gehrde nach Bersenbrück? Von Ankum nach Fürstenau? Den Versuch zu unternehmen, per Bus in der Samtgemeinde durchzukommen, führt schnell zu der Erkenntnis: Wer kein Auto hat oder niemanden, die ihn oder sie fährt, ist arm dran. Bevor Steuergelder für kostenlose Tickets ausgegeben werden, bräuchte die Samtgemeinde Bersenbrück vor allem eines: Mittel für den weiteren Ausbau der Bus-Verbindungen.

 

Und was haben die Flüchtlinge mit alledem zu tun?

Man könne sich die Mehrausgaben für die kostenlosen Schüler-Tickets leisten, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Bäumer, weil die geplanten 22 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe nicht anfallen. Das ist, bei allem Respekt, eine schäbige Begründung. Sie klingt nach: Wenn wir Geld für Flüchtlinge ausgeben müssen, haben wir für die Bürger leider kein Geld.

Im Landkreis Osnabrück regiert die CDU seit Jahrzehnten. Wenn einem die Entlastung von Bürgern oder der Kommunen (durch eine niedrigere Kreisumlage) am Herzen gelegen hätte – warum kam sie dann nicht? Flüchtlinge sind erst seit einem Jahr ein Thema. Vorher waren sie es nicht. Man hätte entlasten können, wenn es denn politisch gewollt gewesen wäre. Und man kann es auch heute.

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Sprachen über den öffentlichen Nahverkehr: Die SPD-Landtagesabgeordnete Kathrin Wahlmann und (von links) der stellv. Landrat Werner Lager (SPD), Samtgemeindebürgermeister Dr. Horst Baier, die SPD-Ratsmitglieder Manfred Krusche sowie (in der 2. Reihe von links) Franz Wiewel und Jürgen Schnetlage. Neben ihm der Spitzenkandidat der SPD Alfhausen Siegfried Hüls.

Das Geld sinnvoll zur Verbesserung der Mobiliät einsetzten.

Was Martin Bäumer nicht sagte: Der Landkreis Osnabrück verfügt über zusätzliche Regionalisierungsmittel (über die Landesregierung). Wie diese Mittel einsetzen? In der Samtgemeinde Bersenbrück steht der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs schon seit geraumer Zeit auf der Tagesordnung. Ein Thema war der auch im Juni beim Besuch der SPD-Landtagsabgeordneten Kathrin Wahlmann.

Die Kommunen zahlen aus eigenen Mitteln zusätzliche Angebote. So finanziert die Samtgemeinde Bersenbrück zum Beispiel den Nachtschwärmer und die Randstunden Bahnhof Bersenbrück – Ankum bis 18 Uhr.

Im Rahmen dieses Gesprächs schlug Samtgemeindeübergermeister Dr. Horst Baier vor, „die auf den Landkreis zusätzlich entfallenden Regionalisierungsmittel des Landes für eine Verbesserung der Mobilitätsangebote einzusetzen.“ Kathrin Wahlmann sagte: „Man müsse nun im Landkreis beraten, wie die Investitionen des Landes für den ÖPNV (öffentlichen Personennahverkehr) und den Ausbildungsverkehr am sinnvollsten verteilt werden.“

Dringend geboten: Der Ausbau eines echten Nahverkehrs.

Bus-Haltestellen gibt es so einige, aber das ist keineswegs ein Hinweis auf gute Bus-Verbindungen für die Bürger. Ohne Auto geht hier nur wenig.

Bus-Haltestellen gibt es so einige. Was fehlt sind die guten Bus-Verbindungen für die Bürger.

Und genau das stünde jetzt an: Dass der Landkreis Osnabrück gemeinsam mit den Kommunen berät, was aus deren Sicht nötig ist, um den Nahverkehr zu verbessern. Für die „in der Anzahl überschaubaren“ Oberstufenschüler, so Martin Bäumer, halten sich die Kosten in Grenzen. „Und nachmittags“, sagte er, „werden die Busse genutzt, die sowieso unterwegs sind“. Und genau das ist der Punkt: Hier sind die Busse zwischen Alfhausen und Rieste nicht unterwegs, weil an allen Ecken und Enden die Bus-Verbindungen fehlen. Würde sich der Landkreis ins Zeug legen, um daran etwas zu ändern – das wäre ein echter Gewinn für die Samtgemeinde. Der erste Schritt in die richtige Richtung könnte sein: Die Kommunen einzubinden, wenn der Landkreis jetzt zusätzliche Mittel bekommt.

 

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