Gedenken und Mahnung am 26.01. in Bersenbrück

Am 26. Januar um 11.35 Uhr wird Bernhard Mecklenfeld zum 12. Mal die Gedenkfeier zum Internationalen Holocaust-Gedenktag in Bersenbrück eröffnen.

Die diesjährige Erinnerung an die Opfer der Judenverfolgung, an den Holocaust, reicht mit dem Thema „Flucht und Flüchtlinge“ vom Gestern bis ins Heute. klartext sprach mit Bernhard Mecklenfeld über das Gedenken am Mahnmal beim Bersenbrücker Bahnhof.

Am 26. Januar um 11.35 Uhr wird Bernhard Mecklenfeld zum 12. Mal die Gedenkfeier zum Internationalen Holocaust-Gedenktag in Bersenbrück eröffnen.

Am 26. Januar um 11.35 Uhr wird Bernhard Mecklenfeld zum 12. Mal die Gedenkfeier zum Internationalen Holocaust-Gedenktag in Bersenbrück eröffnen.

 

Viele Bürger der Samtgemeinde haben das Mahnmal zur Erinnerung an die Vernichtung der Juden während des Nationalsozialismus vielleicht noch gar nicht am Bersenbrücker Bahnhof entdeckt. Einmal im Jahr steht es jedoch im Mittelpunkt eines öffentlichen Gedenkens. Bernhard Mecklenfeld, von 1992 bis 2015 Schulleiter in Bersenbrück, zuletzt als Oberschuldirektor der von-Ravensberg-Schule, ist der Sprecher des Arbeitskreises „Judenverfolgung in der Samtgemeinde Bersenbrück“. Er wird auch in diesem Jahr die Teilnehmer der Holocaust-Gedenkfeier begrüßen.

Am Dienstag, 26. Januar, 11.35 Uhr findet die Feier am Bahnhof Bersenbrück statt. Der eigentliche Holocaust-Gedenktag ist weltweit der 27. Januar, der Tag der Befreiung des KZs Auschwitz-Birkenau im Jahr 1945 durch die Rote Armee. In diesem Jahr ist der 27. jedoch der Tag der Schulzeugnisse. Weil die Feier immer von einer Schule gestaltet wird, diesmal erneut von der Grundschule Gehrde, findet sie bereits einen Tag früher statt.

 

Ermordet: Adolf und Paula Wexseler aus der Ankumer Straße.

Auch die Namen der Bersenbrücker Adolf und Paula Wexseler leben.

Auch die Namen der Bersenbrücker Adolf und Paula Wexseler leben weiter.

Warum steht das Holocaust-Mahnmal am Bahnhof und warum trifft man sich dort um 11.35 Uhr? Dass das Mahnmal am Bahnhof stehen soll, sagt Bernd Mecklenfeld, „war für uns von Anfang an schnell klar. Weil Deportation, Flucht, Immigration bedeuten, sich von der Heimat zu entfernen oder mit Waffengewalt dazu gezwungen zu werden, wie das bei den Bersenbrücker Geschwistern Adolf und Paula Wexseler im Dezember 1941 passiert ist.“
Die Geschwister Wexseler lebten 30 Jahre im Bersenbrücker Haus ihrer Eltern an der Ankumer Straße. Bis sie geholt wurden, den Schlüssel abgeben und den Weg zum Bahnhof antreten mussten. Deportiert wurden sie nach Riga, wo sie den Tod fanden und irgendwo verscharrt wurden. „Der Bahnhof ist der Ort“, so Bernhard Mecklenfeld, „der einen Zugang schafft zum Schicksal der Menschen, einen Zugang zum Schicksal Deportation per Zug – in Viehwaggons.

Die etwa 1,80 Meter große Stele ist vom Bersenbrücker Steinmetz- und Bildhauermeister Uwe Ross aus dunkelgrünem Anröchter Kalksandstein modelliert worden. Dabei wird der Stein von einer Knospe durchbrochen, die oben aus der Stele heraustritt.

 

Gestaltet wurde das Mahnmal vom Steinmetz Uwe Ross.

Gestaltet wurde das Mahnmal vom Steinmetz Uwe Ross.

Sich auf das Leid einlassen, am Ort des Geschehens.

„Die Geschwister Adolf und Paula Wexseler sind mit Waffengewalt gezwungen worden, in den Zug zu steigen, und sie waren sich meiner Einschätzung nach ziemlich sicher, dass sie nie wiederkommen würden“, sagt Bernhard Mecklenfeld. Wie auch nur im Ansatz erahnen, was das für die Menschen bedeutet hat?
Der Zeitpunkt der Gedenkfeier, das erleben die Teilnehmer alle Jahre wieder, bewegt, denn die Uhrzeit 11.35 ist bewusst gewählt, abgestimmt auf den Zugverkehr. Kurz vor der Feier das Geräusch ein- und ausfahrender Züge zu erleben, geht unter die Haut. Dann herrscht auf einmal eine große Stille. „Diese Atmosphäre, diese Dichte des Orts, die Geräusche, das bewirkt“, so Bernhard Mecklenfeld, „dass man sich tatsächlich zumindest im Ansatz vorstellen kann, was den Menschen widerfahren ist.“

 

Gestern wie heute: Angst, Krieg, Flucht, Vertreibung.

Viertklässler der Grundschule Gehrde haben sich in diesem Jahr wochenlang im Unterricht mit dem düstersten Kapitel deutscher Gesichte befasst und mit Unterstützung der Lehrer und der Schule ein Programm zur Gestaltung der Feier ausgearbeitet. Wie viel kann Kindern diesen Alters zugemutet werden?

2015 verabschiedeten sich Schüler und Schule von ihrem „Chef“ Bernhard Mecklenfeld. „Seine“ von-Ravensberg-Schule gehört ebenfalls zu den Schulen, die schon den Holocaust-Gedenktag gestalteten.

2015 verabschiedeten sich Schüler und Schule von ihrem „Chef“ Bernhard Mecklenfeld. „Seine“ von-Ravensberg-Schule gehört ebenfalls zu den Schulen, die schon den Holocaust-Gedenktag gestalteten.

„Ich kann nicht die Gegenwart verstehen, wenn ich nicht weiß, was in der Vergangenheit war“, das ist, so Bernhard Mecklenfeld ein didaktischer Grundsatz des Geschichtsunterrichts. „Ein zweiter Aspekt sind die Parallelen. Und das heißt: Auch in der Lebenswelt der Kinder sind Dinge zu beobachten, die, zwar nicht in dieser Dramatik, aber doch in ähnlicher Form gelaufen sind wie damals.“
Bernhard Mecklenfeld: „Angst, Krieg, Flucht, Vertreibung, diese Dinge passierten in den Jahren des Nationalsozialismus und sie passieren heute. Zwar nicht in Bersenbrück, aber woanders. Dass Menschen, die über Waffen verfügen, die Macht ausüben, andere Menschen zwingen können, die Heimat zu verlassen – das passiert auch heute. Dass die Not dermaßen groß wird, dass Menschen keine andere Alternative sehen, als die, ihre Heimat zu verlassen, dass sie ein menschenwürdiges Leben nur führen können, wenn sie die Heimat verlassen – das passierte früher, und es passiert heute. Die Leiderfahrung, die die Kinder machen, wenn sie sich mit dem Thema beschäftigen, verbindet die Geschichte in Deutschland mit den Geschehnissen in der Welt.“

Die musikalischen Beiträge steuern der Chor der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde (EFG), „Wort des Lebens“ aus Gehrde unter der Leitung von Adina Müller bei und der Chor der Grundschule Gehrde unter der Leitung von Henrik Meyer.

 

Das Mädchen Madshan und der Junge Agam.

Das Gestern und das Heute: Die Textbeiträge, die die Schüler der Grundschule Gehrde erarbeitet haben, werden in eindrucksvoller Weise deutlich machen, dass Leiderfahrung das Leben vieler Menschen vergangener Generation bestimmt hat und auch heute das Leben von Millionen von Menschen bestimmt. Die Viertklässler aus Gehrde rufen zum Beispiel mit wenigen Sätzen Namen und Schicksale von Kindern und Erwachsenen auf, die in jüngster Zeit geflüchtet sind: vor Krieg und Gewalt wie Rehan aus Syrien, vor Naturkatastrophen wie Agam – weil der steigende Meeresspiegel ihren Lebensraum verschluckt –, vor Armut und Kinderarbeit, vor Diskriminierung und Ausgrenzung wie das Mädchen Madshan aus Afghanistan.

 

Die Buchautorin Maria von Borries berichtete als Zeitzeugin auch in Berenbrück vom Schrecken des Vernichtungsfeldzug gegen die jüdischen Mitbürger.

Die Buchautorin Maria von Borries berichtete als Zeitzeugin auch in Berenbrück vom Schrecken des Vernichtungsfeldzug gegen die jüdischen Mitbürger.

Euer Name lebt: Die Fackel der Erinnerung weiterreichen.

„Euer Name lebt“ steht als Inschrift auf dem Mahnmal in Bersenbrück. Das ist ein Bibelzitat und zugleich der Titel des Buchs von Maria von Borries über die Geschichte der Juden im Kreis Bersenbrück. Sie ruft zum Beispiel die Geschichte der Familie van Pels in Erinnerung, die nach Amsterdam floh und im selben Haus untertauchte wie Anne Frank und ihre Familie – in der Prinsengracht 263. Wie Anne Frank überlebte auch der erst 19jährige Sohn Peter Pels den Verrat des Verstecks nicht. Er starb im KZ Mauthausen.
Über sich selbst und seine Mitstreiter im Arbeitskreis Judenverfolgung sagt Bernhard Mecklenfeld: „Wir betrachten es als unseren Auftrag, den jungen Menschen zu zeigen, was damals passiert ist. Wir möchten wachrütteln, Impulse setzen, damit das nie wieder passiert. Um bei jungen Menschen das Bewusstsein für demokratische Grundüberzeugungen zu wecken und zu stärken, müssen sie wissen, was Menschen Leidvolles erlebt haben und erleben.“ Hass, Gewalt, Vorurteilen, Ausgrenzung und jedem Anflug von Rassismus entgegenzutreten – im Interesse eines menschlichen und friedlichen Miteinanders – ist heute, vor dem Hintergrund der Bewältigung der Flüchtlingsaufgabe, aktueller denn je.

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