Geheimsache Bramscher Str. – und die Folgen

Bersenbrück hatte zwei Projekte für ein Grundstück und entschied sich für eines. Alles gut? Nein. Bersenbrücks Stadtverantwortliche haben so einiges Vertrauen in die Politik verspielt.

Für dieses Grundstück lagen 2 Projekte vor. Eine offene Vorstellung und Beratung darüber im Stadtrat gab es nicht.

Ein Kommentar von Rita Stiens

Ein anonymer Investor bekam am 20. März im nicht-öffentlichen Teil der Bersenbrücker Stadtratssitzung den Zuschlag für ein Bauprojekt an der Bramscher Straße 17: Das ist das bisherige Ende einer Polit-Geschichte, die nachwirken wird.

Der Hintergrund: Ob Seelmeyer aus Ankum, Schwarzendahl aus Bersenbrück oder andere: Jeder der hiesigen Investoren kannte die Baulücke Bramscher Straße und wusste seit Jahren, dass sie geschlossen werden soll. Das Problem der Stadt: Keiner wollte dieses Grundstück haben und bebauen. Mit einer einzigen Ausnahme: Hettwer aus Ankum legte Anfang 2015 ein Projekt vor und bekam den Zuschlag. Trotzdem liegt das Grundstück weiterhin bracht, denn Hettwer baute schließlich doch nicht.

Vor knapp 2 Monaten dann ein Ereignis, das aus Sicht der Stadt ein Lichtblick gewesen sein müsste: Es gab einen Interessenten – HaseWohnbau –, und der legte, gemeinsam mit der renommierten Heilpädagogischen Hilfe, ein in jeder Beziehung ausgefeiltes Projekt vor (mehr dazu hier).

 

Rechts baut ein Bersenbrücker Investor. Links das Grundstück Nr. 17.

Undurchschaubar – und doch durchschaubar.

Seit dem 24. Januar lag das Projekt von HaseWohnbau auf dem Tisch, und mit diesem Tag begann sie, die „Verschlussache Bramscher Straße 17“. Kein Wort von Bürgermeister Christian Klütsch (CDU) dazu, dass Licht ist am Ende des Tunnels, dass es für die Bramscher Straße nun endlich einen Projektvorschlag gibt. Nichts sollte in dieser Sache an die Öffentlichkeit dringen (mehr dazu hier). Warum nicht?

Durchgedrungen ist nur, dass Bürgermeister Klütsch, wie die CDU selbst bestätigte, nach dem Eingang des Projekts HaseWohnbau Gespräche mit anderen Investoren suchte und führte, „um deren Interesse auszuloten“. Nun hatte sich aber bis zum Auftauchen von HaseWohnbau kein anderer Investor aus eigenem Antrieb für das Grundstück interessiert. Was lief da in den letzten Wochen in Bersenbrück?

Inzwischen gibt es eine Reihe von Indizien, um sich mit Hilfe einer einfachen Rechenübung – zwei + zwei zusammenzuzählen – auf manches einen Reim zu machen. Es sind vor allem drei Indizien, die sich zu einem Bild zusammenfügen. Dieses Bild zeigt: Offenbar musste unbedingt ein 2. Projekt her, dieses Projekt entstand erst in letzter Minute und es ist bislang noch keineswegs ausgereift.

 

Indizien in Sachen Bramscher Straße.

Indiz Nr. 1: Gegenüber klartext äußerte sich Andreas Hettwer für die Hettwer Gruppe aus eigenem Antrieb. Er sagte vor einigen Tagen: Man sei, was die Bramscher Straße angeht, nicht der Investor, sondern sei nur als Architekturbüro für einen Kunden tätig geworden. Das war nicht unbemerkt geblieben: Ratsmitgliedern stach während der Präsentation des Hettwer-Kunden sofort ins Auge: „Das Hauptgebäude zur Bramscher Straße hin, das habe ich doch schon mal gesehen, das ist doch das Gebäude, das Hettwer vor 2 Jahren für dieses Grundstück eingereicht hat“.

Die von Seelmeyer in Ankum präsentierte Alten-WG © CS Immo, Ahrens+ Pörtner.

Indiz Nr. 2: Berichtet wird zudem, dass im Hinterhof des 4-stöckigen Hauptgebäudes, das dem Hettwer-Gebäude von 2015 so sehr gleicht, ein zweites Gebäude entstehen soll. Dessen Bestandteile: unten Parkplätze, darüber, im 1. und 2. Stock, eine Alten-WG, bestehend aus mehreren kleinen Zimmern an einem Flur plus einem Gemeinschaftsbereich. Für Ankumer Ohren klingt die Schilderung dieser Alten-WG sehr vertraut – und zwar nach der Alten-WG, die Clemens Seelmeyer als Teil seines Projekts für die Ankumer Kolpingstraße präsentierte.

Indiz Nr. 3: Während der Präsentation, sagen Ratsmitglieder außerdem, sei zu dem 2. Projekt immer wieder der Satz gefallen: „So weit sind wir noch nicht“. Die Liste der Fragen, auf die es keine Antworten gab, sei lang gewesen. Welches Bild ergeben die Indizien nach der Rechenübung zwei + zwei zusammenzählen?

 

Das Projekt HaseWohnbau (©).

Alles – nur nicht HaseWohnbau?

Inzwischen ist es ein offenes Geheimnis, dass Clemens Seelmeyer den Zuschlag für die Bramscher Straße bekam. Bürgermeister Christian Klütsch, Andreas Hettwer und Clemens Seelmeyer verbindet eines: die politische Heimat CDU. Zwei + zwei zusammenzuzählen, kann sich somit zu folgendem Bild fügen: Nachdem HaseWohnbau am 24. Januar ein Projekt vorlegte, musste eine Alternative her. Wäre HaseWohnbau das einzige Projekt geblieben, wäre es für die CDU-Stadtverantwortlichen so gut wie unmöglich geworden, ein solches, gemeinsam mit der Heilpädagogischen Hilfe entwickeltes Projekt nicht zu akzeptieren.

Aus eigenen Antrieb hat sich Clemens Seelmeyer in all‘ der Zeit, die es brach lang, nicht für das Grundstück Bramscher Straße interessiert. Dann plötzlich ein Angebot in letzter Sekunde, bestehend aus einer Kombination aus einem modifizierten Teil Hettwer (von 2015) und einem Teil-Element, angelehnt an die Seelmeyer-Alten-WG, wie sie in Ankum vorgestellt wurde. Dass aus so einer unter Zeitdruck zusammengestellten Kombi keine runde Sache wird und viele Fragen offenbleiben, ist wenig verwunderlich. Erreicht wurde mit diesem Projekt aber eines: Die Stadt konnte sich gegen HaseWohnbau entscheiden. Warum sollte es HaseWohnbau nicht werden?

Horst Baier (rechts), Christian Klütsch. © Foto: Samtgemeinde.

Wie es um das politische Klima zwischen CDU und hier vor allem der CDU Bersenbrück und Horst Baier bestellt ist, konnte keinem Politik-Beobachter verborgen bleiben. HaseWohnbau ist die im letzten Jahr gegründete Wohnungsbaugesellschaft der Samtgemeinde Bersenbrück. Gegründet wurde sie bei der Abstimmung im Samtgemeinderat gegen den dezidierten Willen und die Stimmen der CDU-Fraktion. In Bersenbrücker Stadtrat setzte die CDU-Mehrheit vor wenigen Monaten die Abschaffung des Stadtdirektors durch. Abgeschafft wurde damit Horst Baier als Stadtdirektor. Horst Baier ist der Initiator der HaseWohnbau und er ist ihr Geschäftsführer…

 

Das Misstrauen in die Politik verstärkt.

Wenn Bersenbrücks Bürgermeister und CDU-Fraktion so sehr davon überzeugt sind, dass das Projekt ihrer Wahl besser ist als das Projekt HaseWohnbau-Heilpädagogische Hilfe – warum scheute man dann eine öffentliche Debatte über die beiden Projekte? Warum sollte der Urheber des 2. Projekts unbedingt anonym bleiben?

Eine Erklärung, die sich anbietet: Nach der langen Liste der offenen Fragen, die die Opposition nach der nicht-öffentlichen Präsentation auf dem Zettel hatte, wäre bei einer öffentlichen Präsentation sichtbar geworden, dass einem ausgereiften Projekt von HaseWohnbau ein noch keineswegs ausgereiftes 2. Projekt gegenüberstand. Bei dieser Lage wäre wohl kaum vermittelbar gewesen, warum ein nicht ausgereiftes Projekt das Bessere sein soll, und warum man sich trotz vieler offener Fragen sofort für dieses Projekt entscheiden will.

Die Geschehnisse in Bersenbrück in Sachen Bramscher Straße riechen nach vielem, nur nicht nach einem: Nach einer sachorientierten Politik, die das Vertrauen der Bürger in die Kommunalpolitik stärkt. In den letzten Wochen blieb in Bersenbrück zudem mehr auf der Strecke als nur ein Bauprojekt.

 

SPF-Fraktionschef Widu Höckelmann.

Im Rat Vertrauensporzellan zerschlagen.

Auf der Strecke blieb auch, was laut Kommunalverfassung geboten gewesen wäre. So wurden Anträge der SPD wie auch der Grünen zur Bramscher Straße vom Bürgermeister nicht auf die öffentliche Tagesordnung gesetzt. Ein gravierender Vorgang. Ein Ratsmitglied bzw. eine Fraktion darf in seinen bzw. ihren Rechten nicht beschnitten werden. Setzt ein Bürgermeister angemeldete Punkte nicht auf die Tagesordnung, kann dagegen beim beim Verwaltungsgericht mit einer kommunalverfassungsrechtlichen Klage vorgegangen werden.

War es ein Verstoß, die ganze Angelegenheit hinter verschlossenen Türen zu beraten und zu entscheiden? Dafür spricht einiges. Ob gegen das Öffentlichkeitsgebot verstoßen wurde – die Prüfungsinstanz in einer solchen Sache ist die Kommunalaufsichtsbehörde.

Wenn einer Opposition nur der Klageweg bleibt, um ihre Rechte geltend zu machen, kann von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit im Rat keine Rede mehr sein. SPD und Grüne erwägen derzeit, diesen Weg zu gehen. Bei den Bersenbrücker Verhältnissen ist dann die Neuauflage eines Spiels zu erwarten, das dort schon früher gespielt wurde: Schwarzer Peter. Da kann dann denjenigen, die klagen, der Schwarze Peter zugeschoben werden, schuld zu sein am schlechten Klima im Rat…

 

Wie entwickelt sich das politische Klima im Stadtrat? Hier das CDU-Führungstandem Christian Klütsch (links) und Fraktionschef Gerd Uphoff.

Ein hohes Gut: Die Glaubwürdigkeit von Politik.

Grundsätzlich ist eines festzuhalten: Intransparenz befördert nur eines – dass Politik an Glaubwürdigkeit verliert. Die Geschehnisse rund um die Bramscher Straße sind weiterhin von Intransparenz geprägt. So sprach Bürgermeister Christian Klütsch, wie zu lesen ist, in der Ratssitzung von zwei „wunderbaren Projekten“, die man beide in Bersenbrück realisieren wolle. Der Bürgermeister, war zu hören, habe HaseWohnbau alternative Möglichkeiten angeboten. Welche? Die Bramscher Straße zur Geheimsache zu machen, hat für die, die es tun, den entscheidenden Vorteil, dass nichts öffentlich sichtbar wird, auch kein Graben zwischen Reden und Handeln.

Gab es ein für HaseWohnbau akzeptables Alternativangebot? Nach klartext-Informationen wurde als Vorschlag in den Raum gestellt, HaseWohnbau könne doch ein ihr gehörendes Gebäude abreißen und dort das Projekt Bramscher Straße realisieren. Dabei handelt es sich um ein Haus, das die Samtgemeinde zur Unterbringung von Menschen nutzt, die sie unterbringen muss wie Obdachlose und Flüchtlinge… Zu den alternativen Vorschlägen des Bürgermeisters gehörte eines zumindest bislang nicht: Ein freies, unbebautes Grundstück in guter Stadtlage, auf dem mit dem Bau begonnen werden könnte.

 

Noch nicht das Ende der Geschichte.

Das letzte Wort in Sachen Bramscher Straße ist noch nicht gesprochen. So muss sich z. B. erst noch zeigen, welchen Vertrag die Stadt mit dem Investor schließt usw. Bei HaseWohnbau hatte die Stadt die Gewissheit, dass mit dem Bau des ausgearbeiteten Projekts begonnen wird. „So weit sind wir noch nicht“, war dagegen der Satz bei der nicht-öffentlichen Präsentation des Seelmeyer-Projekts, der für eines steht: Wenn an der Bramscher Straße gebaut wird – was genau dort entstehen wird, dahinter steht ein großes Fragezeichen. Nach dem Scheitern des Hettwer-Projekts von 2015 und angesichts der Umstände, unter denen es zu einem Seelmeyer-Projekt kam, darf auch ein Fragezeichen dahinter gesetzt werden, ob überhaupt gebaut werden wird.

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Ein Kommentar

  1. Torsten Cramer

    Frau Stiens, Sie haben vollkommen Recht.Dieser Stil der Politik schafft Verdrossenheit und untergräbt das
    Vertrauen in die Kommunalpolitik.In Köln gibt es einen Begriff dafür: „Klüngel“ , und in Bayern waren es die
    „Amigos“. Anscheinend begreift die heimische CDU nicht, weshalb sie in Ankum die Mehrheit verloren hat.
    Ob Klüngel oder Amigos, ich nenne es Korruption.

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