Gönnen Bersenbrück nicht „die Butter auf dem Brot“

Ein gigantischer Markt, der andere Geschäfte verdrängen wird: Kaufland wird in wenigen Wochen eröffnet.

Ein gigantischer Markt, der andere Geschäfte verdrängen wird: Kaufland wird in wenigen Wochen eröffnet.

Der CDU-Stadtverband Bersenbrück-Gehrde kündigte für den gestrigen Abend eine Besichtigung des Kaufland-Marktes an, der in wenigen Wochen eröffnet wird. Bringt dieser Markt Bersenbrück „die Butter auf dem Brot“? Die Ansiedlung eines Unternehmens kann Butter auf dem Brot einer Gemeinde sein – wenn dieses Unternehmen die Stadt voranbringt, zum Beispiel durch mehr Arbeitsplätze, mehr Steuerkraft, durch mehr Lebensqualität. Was mit Kaufland kommt, nimmt inzwischen Gestalt an, auch in Sachen Arbeitsplätze.

Richtung Quakenbrück richtet der Vorsitzende des CDU-Stadtverbands Bersenbrück-Gehrde den Vorwurf, man gönne Bersenbrück „nicht die Butter auf dem Brot“ – weil die Samtgemeinde Artland weiterhin juristisch gegen den Bau des Kaufland-Markts vorgeht.

 

Teilzeit, Geringfügigkeit.

Kritik an der Samtgemeinde Artland per Facebook: „Wir gönnen euch die Butter auf dem Brot nicht“. Screenshot www.facebook.com/CDU.BSB.Gehrde/

Kritik an der Samtgemeinde Artland per Facebook: „Wir gönnen euch die Butter auf dem Brot nicht“. Screenshot www.facebook.com/CDU.BSB.Gehrde/

Die Stellenausschreibungen zeigen: Gesucht werden für Kaufland vor allem Mitarbeiter auf der Basis Teilzeit und Geringfügigkeit, spricht 450-Euro-Kräfte. Auch für Teamleiter werden 450-Euro-Teilzeit-Stellen ausgeschrieben. Qualitativ hochwertige Arbeitsplätze sind eine Rarität bei Kaufland.
Kaufland will 80 Arbeitsplätze schaffen. In Vollzeit-Arbeitsplätze umgerechnet sind das, bei den vielen Teilzeit-Stellen, bedeutend weniger, vielleicht nur 20 bis 25. Die Lohnsumme, die bei Kaufland zusammenkommt, ist gering. Ein Gewinn für die Stadtkasse Bersenbrück ist ein Unternehmen mit einer solchen Mitarbeiterstruktur nicht. Unüblich ist auch keineswegs, dass Unternehmen wie Kaufland Mittel und Wege finden, gar keine Gewerbesteuer in der jeweiligen Kommune zu zahlen. Hat Bersenbrück durch Kaufland wenigstens mehr Arbeitsplätze als ohne die Ansiedlung von Kaufland?

 

Über 50% der Bersenbrücker Kaufkraft nur für Kaufland.

Die Bersenbrücker Kaufkraft im Bereich Lebensmittel liegt, nachzulesen im „Einzelhandelskonzept für die Stadt Bersenbrück“* vom Oktober 2014, bei etwa 14 Millionen Euro. Im Lebensmittelbereich hat Bersenbrück schon jetzt ein großes und keineswegs ein zu kleines Angebot an Märkten. Nun tritt mit Kaufland ein Gigant als Mitbewerber auf den Plan.

Mit 2.950 qm ist die Verkaufsfläche unter dem Kaufland-Dach (2.700 qm allein für Kaufland) größer als die Verkaufsflächen des Combi-Markts (ca. 1.800 qm) und des K+K-Markts (1.000 qm) zusammen.

Ein Markt wie der Kaufland-Markt will, nach den branchenüblichen Standards (siehe DIWG/STIWA, Trendreport Discounter), 12 bis 13 Millionen Euro Umsatz auf sich ziehen. Über 50% des Kaufland-Umsatzes, das wären etwa 7 Millionen Euro, sollen allein aus Bersenbrück kommen – sagt der Investor, und so will es die CDU im Bersenbrücker Stadtrat. Die CDU muss von Gesetzes wegen wollen, dass es so kommt. Der Grund: Kämen weniger als 50% Umsatz aus Bersenbrück, hätte der Markt nicht genehmigt werden dürfen.

 

Der Combi-Markt liegt – für viele Bersenbrücker wohnortnah – am Eingang zur Lindenstraße. Kann er gegen Kaufland bestehen?

Der Combi-Markt liegt – für viele Bersenbrücker wohnortnah – am Eingang zur Lindenstraße. Kann er gegen Kaufland bestehen?

Wie gewonnen, so zerronnen.

Tragen die Bersenbrücker tatsächlich so viele Millionen Euro in den Kaufland-Markt, werden sie viel weniger Geld in den Geschäften ausgeben, in denen sie bislang eingekauft haben. Das wird Folgen haben. Welche, ist im „Einzelhandelskonzept für die Stadt Bersenbrück“ nachzulesen. Dort heißt es: „Sofern man die Ansiedlung eines neuen Supermarktbetreibers annimmt, werden erhebliche Umsatzumverteilungen zu Lasten bestehender Betreiber ausgelöst.“ Als das geschrieben wurde, war noch nicht bekannt, dass in Bersenbrück tatsächlich ein neuer Supermarktbetreiber – nämlich Kaufland – angesiedelt werden soll. Nun ist er da. Zu wessen Lasten wird er gehen?

Beispiel K + K: Ob der bestehende Mietvertrag verlängert wird oder nicht, wird sich bald zeigen.

Beipiel Lidl. Lidl gehört zum gleichen Konzern wie Kaufland. Auch Lidl hatte eine Erweiterung beantragt – setzte sie aber nicht um. Wird Lidl, direkt neben Kaufland gelegen, weiter bestehen können?

Beispiel Combi. Combi hat das Markt-Gebäude gemietet. Würde der Markt schließen, wäre Leerstand in einer zentralen Lage die Folge. Der Combi-Markt ist ein so genannter „Frequenzbringer“. Das heißt: Er zieht viele Kunden an. Würde er wegfallen, wäre das auch ein Verlust für andere städtische Geschäfte.

Das breite Kaufland-Sortiment wird Lebensmittelgeschäfte in der Stadt Bersenbrück verdrängen, aber auch Geschäfte wie Getränkemärkte, Toto/Lotto/Schreibwaren, Spielwaren oder Blumen werden zu den Kaufland-Verlierern gehören.

Die Schwarz-Gruppe um Lidl und Kaufland steigerte ihren Umsatz 2014 auf über 79 Milliarden Euro. Davon entfielen über 20 Milliarden Euro auf Kaufland.

 

Warum wollte und will die CDU Bersenbrück den Kaufland-Markt?

Getränke Hoffmann liegt in Sichtweite des Kaufland-Markts. Viele Geschäfte haben Umsatzverluste durch Kaufland zu befürchten, die die Existenz bedrohen.

Getränke Hoffmann liegt in Sichtweite des Kaufland-Markts. Viele Geschäfte haben Umsatzverluste durch Kaufland zu befürchten, die die Existenz bedrohen.

Die CDU, einst traditionell an der Seite des lokalen Handels und der kleineren mittelständischen Betriebe, gab grünes Licht für den Kaufland-Markt. Dass dieser Markt für den Bersenbrücker Investor ein Gewinn ist, liegt auf der Hand. Allein ein langfristiger Mietvertrag bringt gutes Geld. Was aber wollte die CDU-Stadtratsfraktion, als sie für die Ansiedlung des Kaufland-Markts stimmte?
Der Online-Handel wird die städtische Geschäftswelt ohnehin zerstören, ist das Argument der CDU, Zukunft habe nur der großflächige Einzelhandel à la Kaufland. Von einem Siegeszug des Online-Handels im Lebensmittelbereich kann aber nicht die Rede sein. Warum also ein Kaufland-Markt, der Lebensmittelmärkte in der Stadt verdrängt?
Ob Lebensmittel, Lotto, Blumen, Zeitschriften, Spielzeug – Bersenbrück hat ein entsprechendes Angebot, eine vor Kaufland durchaus noch lebensfähige Geschäftswelt. Wenn es durch Kaufland unter dem Strich keine zusätzlichen Arbeitsplätze geben wird, da andere Anbieter wegfallen werden und damit Arbeitsplätze, und wenn keine zusätzliche Steuerkraft für die Stadt zu erwarten ist, bleibt die eine Frage: Warum? Warum die Ansiedlung eines Kaufland-Marktes?

Im „Einzelhandelskonzept für die Stadt Bersenbrück“ wird ausdrücklich angeraten, kein Unternehmen wie einen Kaufland-Markt im Gewerbegebiet anzusiedeln. Begründung: „Um den zentralen Versorgungsbereich in dessen Strukturen nicht zu beeinträchtigen.“

 

Die Entscheidung für Kaufland: Legal, nicht legal?

Nach diesem Gutachten ist der neue Verbrauchermarkt eine Belastung für bestehende Geschäfte.

Nach diesem Gutachten ist der neue Verbrauchermarkt eine Belastung für bestehende Geschäfte.

Grünes Licht für den Kaufland-Markt zu geben, war eine Entscheidung auf einem schmalen Grat. Das Gutachten, auf dem die Entscheidung beruht, wurde vom Investor in Auftrag gegeben.
Kommen tatsächlich über 50% des Umsatzes aus Bersenbrück, durfte der Markt genehmigt werden.
Ist dem nicht so – kommen mehr als 50% des Umsatzes aus der Umgebung – hätte der Kaufland-Markt nicht genehmigt werden dürfen.
Soll nach dem Kalkül der Befürworter des Kaufland-Marktes der größte Teil des Kaufland-Umsatzes tatsächlich aus Bersenbrück kommen – mit den skizzierten Folgen für die Stadt – oder vielleicht doch aus den Nachbargemeinden? Die Nachbar-Samtgemeinde Artland hat Zweifel an den vom Bersenbrücker Investor vorgelegten Zahlen zum Kaufland-Umsatz (Bersenbrück – Umland). Weiterhin den Rechtsweg zu beschreiten, ist das gute Recht der Samtgemeinde. Es geht nicht um Neid („gönnen Bersenbrück nicht die Butter auf dem Brot“), sondern um die Prüfung der Rechtsmäßigkeit einer Entscheidung. Dafür sind Gerichte im Rechtsstaat Deutschland da.

 

Alle sitzen in einem Boot.

Der Kaufland-Markt kann weit über Bersenbrück hinaus Wirkung zeigen. Hier der Eggermühlener Lebensmittelmarkt.

Der Kaufland-Markt kann weit über Bersenbrück hinaus Wirkung zeigen. Hier der Eggermühlener Lebensmittelmarkt.

Letztes Endes sitzen alle in demselben Boot, die Bersenbrücker wie die Bürger der Nachbargemeinde Artland und die Bürger in Bersenbrücks Nachbarorten. Selbst wenn nur 45% des Kaufland-Umsatzes aus Bersenbrück kämen und 55% aus den Nachbargemeinden, würde der Kaufland-Markt in Bersenbrück bestehenden Geschäften die Existenzgrundlage entziehen. Die Wege zum Einkauf würden länger, weil Geschäfte aufgeben werden.
Das gleiche droht Bürgern in Bersenbrücks Nachbargemeinden, die jetzt noch einen Lebensmittelladen haben und den durch die Kaufland-Ansiedlung verlieren könnten. Das könnte Bersenbrück egal sein, wenn denn mit der Kaufland-Ansiedlung ein Gewinn für die Stadt verbunden wäre – aber genau der, ein Gewinn an Arbeitsplätzen und Steuerkraft – ist nicht erkennbar. Und so stellt sich wieder die Frage nach dem „Warum?“. Die Frage, ob die Entscheidung für den Kaufland-Markt rechtmäßig war, muss das mit der Sache befasste Gericht entscheiden.

*„Einzelhandelskonzept der Stadt Bersenbrück“, GMA (Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbH)

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