Gymnasialer Zweig: Auf Eskalationskurs?

Stimmten Eltern aus Angst mit Ja? CDU/FDP zweifelt die Korrektheit der Elternbefragung an – das ist nur eine Facette der Auseinandersetzung in den letzten gut 14 Tagen um die Einrichtung eines gymnasialen Zweigs in Ankum.

Das Votum der Eltern von Alfhausen bis Eggermühlen: 222 x ein Eltern-Ja zu einem gymnasialen Zweig. Weiter unten das Bild zu den Ergebnissen aus den anderen Grundschulorten. Die vier Farben stehen für die Klassen (von 1 bis 4).

Ein Kommentar von Rita Stiens.

Haben Eltern mit einem Ja zu einem gymnasialen Zweig gestimmt, weil ansonsten „Nachteile für ihre Kinder“ zu „befürchten“ waren – von Seiten der Grundschullehrer und der Schulleitungen der Grundschulen? Zu lesen ist Entsprechendes in einem Schreiben der CDU/FDP-Gruppe an die Samtgemeinde.

 

Grundschullehrer unter Verdacht?

Mitglieder der CDU-Fraktion, so in dem Schreiben zu lesen, seien „darauf hingewiesen“ worden, dass Fragebögen offen an Schulen zurückgegeben wurden. Einer Person (einer Lehrerin in einer Grundschulklasse in Ankum) wird sogar ein Vorwurf zugeordnet – vom Hörensagen, ohne belastbaren Beweis dafür, dass da etwas dran ist.

Ob der Vorwurf stimmt oder nicht, spielt laut CDU auch gar keine Rolle, denn in dem Schreiben heißt es: „Auch wenn eine solche Befragung in der beschriebenen Form tatsächlich nicht stattgefunden hat, so könnte allein das Wissen der Eltern, dass ihre Fragebögen von Lehrern und Schulleitung einsehbar sind, ihr Abstimmungsverhalten beeinflusst haben, da sie ansonsten Nachteile für die Kinder befürchten.“

Ihre Schulhymne sangen die Schüler am Tag der offenen Tür, und eines wurde an diesem Tag überdeutlich: Sie haben die neue Grundschule mit Begeisterung angenommen.

Vertrauen ist ein wichtiges Gut in einer Schule. Fehlverhalten von Lehrern ohne hieb- und stichfesten Beweis in den Raum zu stellen, erschüttert, was für eine gute schulische Entwicklung der Kinder so wichtig ist: Ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Lehrern, Eltern und Schülern.

Wie kommt die CDU/FDP zu einer solchen Aussage, die unterstellt, dass Eltern Grund zu der Annahme haben könnten, dass Grundschullehrer ihre Pflichten verletzen? So sind Lehrer-Beamte z. B. zur Verschwiegenheit verpflichtet. Besonders vertrauensschädigend, dass mit dem CDU-Satz in den Raum gestellt wird, dass Eltern Grund zu der Befürchtung haben könnten, dass Lehrer ihre Kinder benachteiligen – und sich Eltern deswegen nicht trauten, nach ihrer Überzeugung abzustimmen. Könnte, möglicherweise: Die CDU formuliert im Konjunktiv, was nichts daran ändert, dass mit den Aussagen ein schwer wiegender, pauschal formulierter Verdacht gegenüber Grundschullehrern und Schulleitungen in die Welt kommt.

Deutlicher Hinweis auf dem Fragebogen, dass die Teilnahme eine freiwillige ist.

 

Abwertung des Elternvotums?

Wenn es denn Bedenken bei Eltern gegeben hätte, ist zu fragen, warum sie ein Votum, das gar nicht ihrer Überzeugung entspricht, hätten abgeben sollen? Die Befragung war eine freiwillige: Jeder konnte, aber niemand musste den Fragebogen ausfüllen. 40 % aller Eltern haben auch nicht an der Befragung teilgenommen.

Die CDU/FDP-Gruppe Samtgemeinde stellt in ihrem Schreiben abschließend die Korrektheit der Elternbefragung insgesamt in Frage, weil „von den Eltern keine Zustimmungserklärung zur Verwendung ihrer persönlichen Daten eingeholt wurde“.

Diese Datenschutzhinweise standen direkt über dem Fragebogenteil.

Der Fragebogen beinhaltet zum einen Datenschutzhinweise, die Samtgemeinde hat einen Datenschutzbeauftragten, die Eltern entschieden sich mit ihrem Kreuz ausdrücklich dafür, ihren Wahlzettel, den Fragebogen, abzugeben: Es wäre verwunderlich, wenn das zu beanstanden wäre. In einer der nächsten Sitzungen dürfte die Angeschriebene, die Samtgemeinde, dazu Stellung nehmen.

55 Interessenbekundungen zum gymnasialen Zweig kamen aus Gehrde, Kettenkamp und Rieste. Die vier Farben stehen für die Ergebnisse in der jeweiligen Klassen (von 1 bis 4).

Man könnte das Schreiben von CDU/FDP als Ausdruck dafür werten, dass die Absender damit hadern, dass das Elternvotum nicht dem entsprach, was man sich davon erhofft hatte. Statt eines Nein zum gymnasialen Zweig gab es ein sehr deutliches Ja. Dieses deutliche Ja-Votum der Eltern z. B. dadurch abzuwerten, dass so etwas wie Einschüchterungsgefahr bestanden habe, ist ein Affront gegen die vielen, die sich an der Befragung beteiligten.

Hunderte Eltern sahen eine Gefahr, dass ihre Kinder benachteiligt werden könnten, ganz offensichtlich nicht – so z. B. die gut 460, die Fragebögen abgaben, die aber nicht Ja sagten zu einem gymnasialen Zweig.

 

Am Donnerstag, 22. November, Debatte im Bildungsausschuss.

Am 22. November befasst sich der Bildungsausschuss der Samtgemeinde mit dem Votum der Elternbefragung – und da könnten die Zeichen nach den Ereignissen der letzten gut 14 Tage auf Sturm stehen.

Ort & Zeit. Der Samtgemeindeausschuss für Bildung, Familie, Jugend und Sport tagt am Donnerstag, 22. November, um 17 Uhr im Rathaus der Samtgemeinde Bersenbrück, Lindenstraße 2, 49593 Bersenbrück, Hermann-Rothert-Saal (Ebene 7).

Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Bersenbrück gingen der Frage nach „Wer war Wernher von Braun“.

Die CDU-Ablehnung zu einem gymnasialen Zweigs in Ankum war bereits in Gremiensitzungen vor der Elternbefragung erkennbar. In teils sehr emotionalen Beiträgen scharrten sich da CDU-Vertreter vor allem um das Gymnasium Bersenbrück – mit der Befürchtung, das Gymnasium könne Schüler verlieren.

Bei den Abstimmungen sagten die CDU-Vertreter dann aber nicht mehrheitlich Nein, sondern enthielten sich der Stimme. Das ließ einiges offen. Inzwischen wurde jedoch mehr als deutlich: Enthaltung ist nicht die Position der CDU-Samtgemeinde – sie ist gegen einen gymnasialen Zweig in Ankum, im Gleichschritt mit Vertretern des Gymnasiums. Die Belege dafür: Mehrere Wortmeldungen der CDU innerhalb weniger Tage über die Zeitung.

 

Deutliche CDU-Positionierung gegen den gymnasialen Zweig.

Die erste dieser Wortmeldungen, zu lesen am 1. November: „CDU-Fraktion informiert sich“ – bei der Schulleitung und der Elternratsvorsitzenden des Gymnasiums. Da als gemeinsame Linie zwischen Politik und Schulvertretern zu lesen, was CDU-Vertreter zuvor auch schon in Gremiensitzungen vorgebracht hatten: Es bestehe „die Gefahr, dass das Gymnasium zu viele Schüler verliert und Kursangebote eingeschränkt werden“.

Zwei Tage später in der Zeitung zu lesen: Die Junge Union der CDU sieht „das Gymnasium in Gefahr“ (noz 3.11.2018). Wenige Tage danach dann eine ähnliche Warnung des CDU-Samtgemeindeverbands (Noz 8. Nov.). Dass solcherart geballte Warnung nicht als Nein zum gymnasialen Zweig zu werten ist, dürfte kaum vermittelbar sein.

Inzwischen rief die Schülervertretung des Gymnasiums Bersenbrück per Facebook „alle Eltern“ dazu auf, „sich gegen einen gymnasialen Zweig in Ankum auszusprechen“ und forderte indirekt dazu auf, im Bildungsausschuss zu erscheinen (Wortlaut: „Selbstverständlich ist es auch Ihnen möglich an der Sitzung teilzunehmen und ihre Meinung öffentlich zu bekunden“).

 

Möchte sich weiter entwickeln: Die Ankumer Oberschule.

Satt Sachdebatte aufgeheizte Stimmung.

Bei der in jüngster Zeit einseitigen Fokussierung der CDU auf das Gymnasium und dem Heraufbeschwören negativer Folgen für diese Schule, blieb wesentliches Anderes auf der Strecke. So z.B. auch, dass keinerlei Berechtigung besteht, eine andere Schule in ihrer Entwicklung zu behindern. Die August-Benninghaus-Schule ist eine „eigenverantwortliche Schule“.

Die „eigenverantwortliche Schule“ wurde 2007 von der CDU eingeführt. Was Eigenverantwortlichkeit bedeutet, dazu sagte der damalige niedersächsische Kultusminister Bernd Busemann (CDU) 2006: Mit dem Gesetz zur eigenverantwortlichen Schule „sollen die Schulen eigene Wege zur Erreichung der Unterrichtsziele und Schulabschlüsse gehen“. „Je freier die Schule im Erreichen ihrer Ziele ist, desto besser sind die Ergebnisse“, so Busemann weiter.

Auch die Einführung der Oberschule – mit der Möglichkeit, einen gymnasialen Zweig anzubieten – ist eine „Erfindung“ der CDU bzw. einer CDU/FDP-Regierung, ist die aus CDU-Sicht bessere Alternative zur IGS. Umso erstaunlicher, dass die hiesige CDU auch so weit geht, die Qualität des gymnasialen Zweigs in Frage zu stellen („eingeschränktes Fächerangebot“, noz 2. Nov.). Wie genau der Unterricht im gymnasialen Zweig aussehen muss und ab wann in welchem Umfang nach dem Kerncurriculum des Gymnasiums unterrichtet werden muss, ist im niedersächsischen Schulgesetz festgelegt. Wie sehr bei so manchem, das zum gymnasialen Zweig zu lesen ist, Emotionen mit im Spiel sind, zeigt der folgende Facebook-Post.

Guter Weg zum Abi nur übers Gymnasium? Da stellt sich die Frage, warum die CDU/FDP-Regierung 2011 die Oberschule mit der Möglichkeit gymnasialer Zweig überhaupt eingeführt hat?

Das eine (gymnasialer Zweig) gegen das andere (Gymnasium) auszuspielen, ist insofern nicht zielführend, als es die Eltern sind, die über die Schullaufbahn ihrer Kinder entscheiden. Bei der Einführung eines gymnasialen Zweigs an der Oberschule Ankum hätten Eltern in der Samtgemeinde die Wahl zu entscheiden, welcher Weg zum Abitur derjenige ist, der ihrem Kind am meisten entspricht: Der Weg über den gymnasialen Zweig oder der Weg über das Gymnasium.

Ob im Bildungsausschuss, der am 22. tagt, eine sachgerechte und sachliche Debatte gelingt, bleibt abzuwarten. Dem Ausschuss liegt als Beschlussvorlage vor:

„Die Samtgemeinde Bersenbrück als Schulträger der August-Benninghaus-Schule in Ankum stellt gemäß § 106 Abs. 3 NSchG bei der Niedersächsischen Landesschulbehörde den Antrag, die August-Benninghaus-Schule Ankum um ein gymnasiales Angebot ab dem Schuljahr 2019/2020 zu erweitern. Die Zustimmung des Landkreises Osnabrück, als Träger des Gymnasiums in Bersenbrück, ist im Antragsverfahren einzuholen.“

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