Hesepe-Samtgemeinderat: Zwei Welten, ein Thema

Der nasskalte Herbst ist da – und bringt den Asylbewerbern in Hesepe schier unerträgliche Unterbringungsverhältnisse.

Der nasskalte Herbst ist da – und bringt den Asylbewerbern in Hesepe schier unerträgliche Unterbringungsverhältnisse.

12.00 Uhr mittags, Erstaufnahmestelle Hesepe: 6 Grad kalt, es regnet und regnet, triefnasse Menschen im Matsch. 19.00 Uhr: Im Samtgemeinderat spricht der Bürgermeister zur Flüchtlingslage und nennt Zahlen.

Kurz vor 19.00 in der Gaststätte Klaus in Kettenkamp: Ein paar Scherze unter den Ratsfrauen und -herren, ein paar lockere Sprüche nach rechts und links, die Bedienung nimmt Bestellungen auf – der ganz normale Auftakt einer Samtgemeinderatssitzung.

Szenenwechsel, fünf Stunden zuvor, im strömenden Regen in Hesepe: Dijwar steht tief im Matsch und verzieht das Gesicht zu Faxen: „Ich mache gute Laune“, sagt er, „gute Laune machen muss sein, weil sonst viel Stress im Zelt.“ Und er weist auf eines der weißen Zelte hinter sich. Dijwar ist syrischer Kurde und 29 Jahre alt. Ob es 10 oder 20 bunt zusammengewürfelte Männer in seinem Zelt sind, wird nicht eindeutig klar. Auch 10 wären auf Dauer unerträglich viele.
D wie Delta, i wie Ida usw: Dijwar buchstabiert seinen Namen fließend nach der Buchstabiertafel. Er spricht deutsch, arabisch, kurdisch, sagt einige Sätze auf Italienisch und Englisch. Dijwar schlottert erbärmlich vor Kälte, sagt zum Wetter aber nur „das macht nichts“. Er ist erst seit sieben Tagen in Hesepe und stammt aus Qamishli, aus der Stadt, aus der auch die kurdisch-syrische Familie in Alfhausen stammt. Mehr dazu hier.
Über 4.400 registrierte Flüchtlinge sind an diesem Tag in Hesepe. Dazu kommt eine große Zahl nicht registrierter Menschen. 1000, gar mehr? Genaue Zahlen dazu gibt es nicht. Ursprünglich sollten in Hesepe nur 600 Menschen untergebracht werden. Heute müssen viele der Menschen in kleineren Zelten ausharren, Hunderte gemeinsam in den Großzelten. Wie lange er noch im Zelt bleiben muss, weiß Dijwar ebenso wenig wie die anderen Betroffenen. Sie alle hoffen auf uns.

Welten liegen zwischen der Unterbringung in Hesepe und dieser Flüchtlings-Wohnung in Ankum.

Welten liegen zwischen der Unterbringung in Hesepe und dieser Flüchtlings-Wohnung in Ankum.

Derzeit 110 Asylbewerber in unseren Orten.

In der Samtgemeinderatssitzung in Kettenkamp, im natürlich wohltemperierten Saal, berichtet Bürgermeister Dr. Horst Baier an diesem Tag über die Zahl der Flüchtlinge in der Samtgemeinde. Danach verteilen sich die derzeit 110 Personen wie folgt:

 

Bersenbrück
46 Personen im Asylverfahren
9 anerkannte Flüchtlinge
insgesamt: 55 Personen

 

Alfhausen
23 Asylverfahren
2 anerkannte Flüchtlinge
insgesamt: 25 Personen

 

Ankum
22 Asylverfahren
0 anerkannte Flüchtlinge
insgesamt: 22 Personen

 

Gehrde
8 Asylverfahren
0 anerkannte Flüchtlinge
insgesamt: 8 Personen

 

Der derzeitige Stand der Dinge, so Dr. Baier: zu den bisherigen Asylbewerbern und den 40 Asylsuchenden in 2015 könnten im Jahr 2016 weitere 167 Personen hinzukommen. Diese Zahl wird steigen, denn der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund teilte am 12.10. mit, dass die Aufnahmequote der Kommunen gegenüber dem jetzt laufenden Zeitraum wohl verdoppelt wird.

 

Die dringlichste Aufgabe: Die Beschaffung von Wohnraum.

In der Samtgemeinderatssitzung am Donnerstag, 15. Oktober, informierte Bürgermeister Dr. Horst Baier über die Flüchtlingslage.

In der Samtgemeinderatssitzung am Donnerstag, 15. Oktober, informierte Bürgermeister Dr. Horst Baier über die Flüchtlingslage.

Samtgemeindebürgermeister Dr. Baier berichtete, dass die Akquirierung von Wohnraum für Asylsuchende sehr gut läuft. Im Augenblick werden noch viele Mietwohnungen angeboten. Die Samtgemeinde, so Baier, ist weiterhin ständig auf der Suche nach privatem Wohnraum und ist für jede Unterstützung dankbar.
Er informierte auch darüber, die Samtgemeinde habe „angesichts der absehbaren weiteren Entwicklung einen Notfallplan mit weiteren öffentlichen und privaten Immobilien erarbeitet. In den nächsten Wochen sollen Gespräche mit Besitzern geeigneter Immobilien geführt werden.“

 

Der Eingang der Aufnahmestelle Hesepe: Tag für Tag kommen Menschen hier an.

Der Eingang der Aufnahmestelle Hesepe: Tag für Tag kommen Menschen hier an.

„Wir schaffen das, weil wir es können – wenn wir es wollen!“

Das schrieb Ankums Bürgermeister Detert Brummer-Bange (UWG) auf seiner Facebook-Seite. Mit den Hesepe-Bildern im Kopf bekommt vieles einen anderen Klang. Zum Beispiel ein Satz wie „die Stimmung könnte kippen, weil das alles für uns nicht verkraftbar ist.“
Nicht verkraftbar ist die derzeitige Lage in Hesepe; nicht verkraftbar für die Asylbewerber und nicht verkraftbar für die Mitarbeiter. Und doch schaffen es beide Gruppen – Mitarbeiter wie Bewohner – in bewundernswerter Weise zu ertragen, was eigentlich unerträglich ist; schaffen es, trotz aller Schwierigkeiten und Widrigkeiten. Hesepe braucht dringend eine Rückkehr zu einer geringeren Belegung.
Sind wir in unseren Orten tatsächlich bald am Ende unserer Möglichkeiten? Das Beispiel Ankum hat gezeigt, wieviel mehr möglich ist, wenn ein Ruck durch Menschen geht. Ankum hat keinen Wohnraum, hieß es lange. In Ankum findet sich Wohnraum – hat sich inzwischen gezeigt.
Nach den von Horst Baier vorgelegten Zahlen gibt es bislang keine Asylbewerber in Eggermühlen, Kettenkamp und Rieste. Ließe sich nicht auch dort Wohnraum finden? „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, sagen sich schon jetzt viele, und diese Redensart könnte weiterhin ein Ansporn sein. 11 Jahre alt ist ein syrisches Mädchen, das sich einem Mitarbeiter in Hesepe ins Gedächtnis eingebrannt hat. Eine Bombe zerstörte das Elternhaus des Kindes und löschte seine Familie aus. Das Mädchen überlebte, weil es bei der Tante war. Heute muss das Kind, zusammen mit der Tante und der Großmutter, seit Wochen Tag für Tag die qualvollen Zustände in Hesepe ertragen.

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