Info-Abend Ankum: Wie klappt das Wohnen und Leben mit Flüchtlingen?

Verständigung mit Händen und Füßen, es wird viel gelacht, syrische Jungs, die gerne, aber am liebsten spät am Abend, kochen: Beim Ankumer Info-Abend erfuhren die Zuhörer aus erster Hand auch viel über das Zusammenleben mit Flüchtlingen – als Nachbarn oder Mitbewohner.

Drei Ankumer Vermieter (stehend) berichteten vom Leben und Zusammenleben mit „ihren“ Flüchtlingen.

Drei Ankumer Vermieter (stehend) berichteten vom Leben und Zusammenleben mit „ihren“ Flüchtlingen.

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit haben in Ankum inzwischen drei Familien aus Syrien und dem Irak ein Zuhause gefunden. Ganz nah dran an den Flüchtlingen sind die Menschen, die Wohnraum für sie an die Samtgemeinde vermietet haben.
Für den einen sind sie die neuen Nachbarn, die in ein Haus einzogen; für andere Mitbewohner, mit denen man auf Tuchfühlung unter einem Dach lebt oder gar in einer Wohngemeinschaft wie auf auf einem Bauernhof in Gehrde.

 

Bohrmaschine und Akkuschrauber: Deutsch-arabische Werkzeugkunde.

Mit Herz und viel Humor berichtete Richard aus Tütingen über das Miteinander mit einer jungen irakischen Familie mit zwei Kindern. Für eines der beiden Kinder, schickte er als Wink in Richtung des Ankumer Bürgermeisters Detert Brummer-Bange, sollte schnellstmöglichst ein Platz in einem Kindergarten gefunden werden. Plätze sind knapp in Ankum, aber der Bürgermeister will’s richten.
Plattdeutscher, hochdeutscher, arabischer Sprachmix: In Tütingen ist die Werkstatt ein Ort der Männer-Begegnung. Richard ist als Sprachlehrer gefragt. Ob Bohrmaschine oder Akkuschrauber: Der junge Iraker möchte jede Werkzeug-Bezeichnung auf Deutsch hören. Da wird geübt, bis der lernbegierige Schüler das jeweilige Wort richtig aussprechen kann. Und der Deutsch-Schüler steuert die arabischen Bezeichnungen bei. „Ich kann nur hoffen“, schmunzelt Richard, „dass bei ihm im Kopf mehr Deutsch hängenbleibt als in meinem Kopf Arabisch hängenbleibt.“

Es gibt ein Netzwerk Ehrenamtlicher – pensionierte Lehrer – die Deutschunterricht erteilen, aber es dauert natürlich seine Zeit, bis eine Verständigung möglich ist. Bis dahin wird mit Händen und Füßen kommuniziert. Solange die Neuankömmlinge noch kein Deutsch sprechen, haben sie es schwer, ohne Unterstützung klar zu kommen.

Bei der Info-Veranstaltung am 5.11. auf dem Podium (von links): Maike Korfage, Sozialarbeiterin der Samtgemeinde, Andreas Schulte, Fachdienstleitung Samtgemeinde, Diakon Olaf van der Zwaan für die Pfarreiengemeindschaft Ankum, Eggermühlen, Kettenkamp (Pfarrer Ansgar Stolte kam wegen eines Gottesdienstes etwas später), Ankums Bürgermeister Detert Brummmer-Bange und Nina Mönch-Tegeder, Jugendreferentin der Kirchengemeinde.

Bei der Info-Veranstaltung am 5.11. auf dem Podium (von links): Maike Korfage, Sozialarbeiterin der Samtgemeinde, Andreas Schulte, Fachdienstleitung Samtgemeinde, Diakon Olaf van der Zwaan für die Pfarreiengemeindschaft Ankum, Eggermühlen, Kettenkamp (Pfarrer Ansgar Stolte kam wegen eines Gottesdienstes etwas später), Ankums Bürgermeister Detert Brummmer-Bange und Nina Mönch-Tegeder, Jugendreferentin der Kirchengemeinde.

 

„Es wird viel gelacht“.

In der Kolpingstraße, berichtet Frau W., wird viel gelacht, und sie wird jeden Tag zum Tee eingeladen. Die Kinder toben durchs Haus, berichtet sie, und sie strahlt aus, dass es klappt mit der guten Nachbarschaft, und dass die Verständigung mit Händen und Füßen durchaus dazu führt, dass man sich versteht.

 

Vom Leben in einer WG mit syrischen Jungs.

Unter den Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen, sind zahlreiche junge Männer. Ihnen gegenüber ist die Skepsis besonders groß. In Gehrde leben zwei von ihnen auf einem Bauernhof, in einer Wohngemeinschaft mit Rene und seiner Familie. 17 und 21 Jahre sind die Brüder alt, und sie haben in Gehrde eine Art „Gasteltern“ gefunden.
Die beiden jungen Männer haben, wie viele Flüchtlinge aus den Kriegsregionen, ihr Ohr auch immer wieder am Telefon, um zu erfahren, wie es Verwandten und Bekannten in der Heimat geht. So verständlich das ist: Es macht das Leben und Ankommen in Deutschland nicht leichter. Nachrichten vom Tod von Verwandten wühlen auf, und die Kontakte mit Syrien erinnern an Schreckliches, das die Brüder mit ansehen mussten.
Im Alltag erleben Rene und seine Familie mit ihren Mitbewohnern, was WG-Erfahrene kennen: Man muss sich zusammenraufen. Die Jungs kochen zum Beispiel gerne. Aber, wie das in Syrien üblich ist, erst spät am Abend und natürlich mit kräftigen syrischen Gewürzen. Da zieht der Duft dann durchs ganze Haus – und das ist nicht Jedermann’s Sache.

Viele Menschen, darunter auch viele der geflohenen Jugendlichen, haben nicht nur das „normale“ Elend des Krieges wie Bombenangriffe und Heckenschützen erlebt, sondern auch unvorstellbare Exzesse von Gewalt.

Yazan, Rene und Moaz starten: Have Fun! Learn German – per YouTube. Dieses Projekt initiierte der Gehrde Rene für zwei junge syrische Brüder. Als Ziel formulieren sie: „Wir möchten allen, die Deutsch lernen wollen, helfen, die deutsche Sprache zu erlernen.“ Screenshot: https://www.youtube.com/watch?v=aVQ_fpI5rXI

Yazan, Rene und Moaz starten: Have Fun! Learn German – per YouTube. Dieses Projekt initiierte der Gehrder Rene für zwei junge syrische Brüder. Als Ziel formulieren sie: „Wir möchten allen, die Deutsch lernen wollen, helfen, die deutsche Sprache zu erlernen.“ Hier das Video: https://www.youtube.com/watch?v=aVQ_fpI5rXI

Dass die Jungs Langschläfer waren, kam ebenfalls nicht so gut. Weil sie traumatisiert sind? Rene erfuhr über Kontakte, dass die Brüder immer schon schwer aus den Betten kamen. Inzwischen ist ihr Rhythmus ein anderer: Sie sind schon frühmorgens auf den Beinen.
Um die beiden zu motivieren, schnell deutsch zu lernen, hat sich der Programmierer Rene etwas Besonders einfallen lassen: Die jungen Syrer sind per YouTube präsent und motivieren andere zum Deutschlernen unter der Ansage „Have Fun! Learn German“. Die Idee kam bestens an und sie zeigt Wirkung: Die jungen Männer haben in kurzer Zeit so viel gelernt, dass schon Diskussionen möglich sind.

 

„Mohammed möchte sich nützlich machen“.

Ralf und Anja aus Ankum haben eine junge syrische Familie in einer Einliegerwohnung in ihrem Haus aufgenommen. Man lebt nahe beieinander, und das heisst auch, sich vorzutasten zur richtigen Balance zwischen Nähe und Distanz.
Wie alle Flüchtlinge wird auch diese Familie von einer ehrenamtlichen Integrationshelferin, von Anette G., betreut und von Maike Korfage von der Samtgemeinde, aber im Alltag gibt es trotzdem tagtäglich Fragen und Orientierungsschwierigkeiten.
Ralf berichtet zudem, was viele, die Kontakte zu Flüchtlingen haben, berichten. Zum Nichtstun verurteilt zu sein, ist für die Männer kaum zu ertragen. Sie möchten sich nützlich machen. So greift Mohammed nur zu gerne zum Besen, um den Hof zu fegen und würde am liebsten noch sehr viel mehr tun.

 

Andreas Schulte, Fachdienstleiter, berichtete ausführlich über das Thema Flüchtlinge in der Samtgemeinde Bersenbrück.

Andreas Schulte, Fachdienstleiter, berichtete in Ankum ausführlich über das Thema Flüchtlinge in der Samtgemeinde Bersenbrück.

Viele Fragen, Vorschläge, Ideen.

Bei der Ankumer Info-Veranstaltung wurde auch Andreas Schulte, der zuständige Fachdienstleiter der Samtgemeinde, gefragt, ob es nicht mehr Möglichkeiten gibt, dem Wunsch der Flüchtlinge nach Arbeit und Beschäftigung nachzukommen. Da die meisten Menschen noch keine anerkannten Flüchtling sind, zieht das Gesetz enge Grenzen. Nachbarschaftshilfe wäre möglich, anderes nicht.
Der Saal in Ankum war bis auf den allerletzten Platz besetzt. Zu den über 100 interessierten und engagierten Zuhörern gehörten u.a. auch einige Mitglieder des Heimatvereins. Flüchtlinge in einen Chor einladen, zum gemeinsamen Backen zusammenkommen und so manches mehr: An Vorschlägen, Flüchtlinge von Anfang an gut zu integrieren, fehlte es nicht.
Noch gibt es erst wenige Asylbewerber in Ankum. Im nächsten Jahr werden es mehr werden. Da ist es gut zu wissen, dass bereits ein Netzwerk existiert, und dass dieses Netzwerk durch die Veranstaltung in Ankum noch größer und engmaschiger wurde.

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