Kaufland kein Krake?

Käme der größte Teil des Kaufland-Umsatzes aus dem Bersenbrücker Umland, hätte Kaufland nicht genehmigt werden dürfen.
Käme der größte Teil des Kaufland-Umsatzes aus dem Bersenbrücker Umland, hätte Kaufland nicht genehmigt werden dürfen.

Käme der größte Teil des Kaufland-Umsatzes aus dem Bersenbrücker Umland, hätte Kaufland nicht genehmigt werden dürfen.

Ein Zwischenruf von Rita Stiens.

Kaufland sei kein Krake, war auf der Eröffnungsfeier zu hören. Dieses Bild kommt, was das Kaufland Einzugsgebiet angeht, einem Kraken allerdings sehr nahe: In der Mitte der Kopf Kaufland, in alle Richtungen ausgestreckt die Fangarme.

Kaufland will ein „Nahversorger“ sein, also den größten Teil seines Umsatzes aus Bersenbrück holen. Stimmt das? Nach dieser Anfahrtsskizze greift Kaufland weit um sich: In der Mitte der Kopf Kaufland, die Fangarme ausgerichtet nach Badbergen/Quakenbrück, Gehrde/Holdorf/Hastrup, Alfhausen, Ankum, Nortrup.
Mit der Eröffnung des Kaufland-Markts ist die mehrjährige kontroverse Debatte, die diese Ansiedlung begleitete, nicht beendet. Die Themen, um die es ging, sind so aktuell und drängend wie eh und je: Es geht um den Erhalt lebendiger Ortskerne, um den lokalen Einzelhandel, um den wohnortnahen Einkauf. Die Fragen und Probleme von gestern sind die Fragen und Probleme von heute.

 

Punkt 1: Niemand hinterfragte das vom Investor in Auftrag gegebene Gutachten.

Die Entscheidung für den Kaufland-Markt basiert auf einem vom Investor in Auftrag gegebenen Gutachten. Ein weiteres Gutachten gab es nicht.

Die Entscheidung für den Kaufland-Markt basiert auf einem vom Investor in Auftrag gegebenen Gutachten. Ein weiteres Gutachten gab es nicht.

In Bersenbrück zogen der Investor und die CDU-Mehrheitsfraktion in Sachen Kaufland über Jahre, selbst gegen Gerichtsurteile, an einem Strang. Dass ein Investor alle Register zieht, um sein Vorhaben durchzubekommen, ist ihm im Prinzip nicht vorzuwerfen. Macht sich die Politik die Sicht eines Investors ungeprüft zu eigen, weckt das Zweifel an ihrer Unabhängigkeit.
So basierte die Entscheidung für die Genehmigung des Kaufland-Markts auf einem einzigen Gutachten und den darin genannten Zahlen – und dieses Gutachten wurde vom Investor in Auftrag gegeben. Ein paar Prozentpunkte weniger auf der einen und ein paar Prozentpunkte mehr auf der anderen Seite hätten das Aus für den Kaufland-Markt im Gewerbegebiet bedeutet.
Bei dieser Sachlage und bei einem solchen Großprojekt, das weit reichende Folgen für die Stadt und das Umland hat, wäre es geboten gewesen, ein weiteres Gutachten einzuholen. Das taten weder die Stadt Bersenbrück noch der für die Genehmigung zuständige (CDU-regierte) Landkreis. Warum nicht?

Wie richtig oder falsch sind die Zahlen in dem vom Investor beauftragten Gutachten? Die GMA, die Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung, kam Anfang 2014 zu dem Schluss: „Das eingereichte Gutachten ist zur Bewertung der Zulässigkeit des Bauvorhabens (BauNVO 1968) aufgrund nicht plausibler bzw. fehlender Angaben nicht geeignet.“

 

Punkt 2: An geltendem Recht & Gesetz vorbei.

Was einst mit der Planung für einen Markt auf dem LNK-Gelände begann, wurde schließlich – mit Kaufland – am jetzigen Standort realisiert. Beirren ließen sich die politischen Kaufland-Befürworter auf diesem Weg auch nicht von Gerichtsurteilen. Diese Urteile besagten: Der Bau eines großen Lebensmittelmarkts auf dem LNK-Gelände ist „nicht rechtmäßig“.
Wissend, dass die Kaufland-Ansiedlung nicht mit der seit 1990 geltenden Rechtslage zu vereinbaren ist, bereitete die CDU-Ratsmehrheit dem Investor weiterhin den Weg. Das geltende Gesetz wurde umschifft: mit dem Bau des Markts an einer anderen Stelle, auf einem Areal, für das noch ein Bebauungsplan nach altem Recht galt (von 1968).
War es zulässig, dass Bersenbrück die seit 1990 geltende Bauverordnung nicht berücksichtigte und nach der alten Rechtslage von 1968 verfuhr? Die Bersenbrücker Opposition – SPD und Bündnis90/Die Grünen – sagt nein. Die Frage nach der Zulässigkeit ist auch Gegenstand der Klage der Samtgemeinde Artland und der Stadt Quakenbrück gegen die Genehmigung des Markts.

Die Schwarz-Gruppe, zu den Kaufland und Lidl gehören, brachte es 2014 auf einen Umsatz von über 79 Milliarden Euro. Davon entfielen über 20 Milliarden auf Kaufland.

Die Schwarz-Gruppe, zu den Kaufland und Lidl gehören, brachte es 2014 auf einen Umsatz von über 79 Milliarden Euro. Davon entfielen über 20 Milliarden auf Kaufland.

 

Zweifelhafte Nähe Investor – Politik?

In Sachen Kaufland stand die CDU konsequent an der Seite des Investors. Gute Voraussetzungen für Investitionen zu schaffen, Unternehmen für den Standort zu gewinnen, sie umfassend und professionell zu beraten und zu begleiten, ist eine wichtige Aufgabe einer Stadt. Professionalität und ein professionelles Maß an Distanz sind jedoch entscheidende Voraussetzungen dafür, sich nicht zum Erfüllungsgehilfen von Investoren zu machen.
Jeder Investor handelt im Sinne seiner ureigenen Interessen. Das ist legitim. Es ist allerdings Sache der Politik, den ihr gestellten Aufgaben gerecht zu werden: Politik ist dem Gemeinwohl, dem ganzen Gemeinwesen, verpflichtet, den Buchstaben und dem Geist bestehender Gesetze.

 

SPD und Grüne fordern weiterhin ein Ja zum Einzelhandelskonzept.

Welche Geschäfte wird Kaufland verdrängen? Kaufland gilt als aggressiver Wettbewerber im Markt.

Welche Geschäfte wird Kaufland verdrängen? Kaufland gilt als aggressiver Wettbewerber im Markt.

Und die Moral von der Kaufland-Geschicht‘? Die CDU-Ratsmehrheit lässt keinerlei Bereitschaft erkennen, dem seit 1990 geltenden Recht umfassend Geltung zu verschaffen. Im Amtsdeutsch heißt das: Anpassung der Bauleitplanung an die Raumordnung, beginnend mit dem B-Plan 29. Eine solche Anpassung nicht vorzunehmen, macht Einzelhandelsansiedlungen im Gewerbegebiet möglich, die nach dem Recht von 1990 nicht möglich wären. Warum wird nicht angepasst? Sind bereits weitere Investoren-Projekte à la Kaufland in der Pipeline?
Kurz nach der Kaufland-Eröffnung äußerte sich die CDU Bersenbrück-Gehrde zur Politik der Opposition, in dem Fall der Grünen, und schrieb: „…wird von Seiten der Grünen alles unternommen, um den Markt zu verhindern“. Weil die Markt-Kritiker an einer Kaufland-Phobie leiden?
Es geht um anderes und es geht um mehr. Wer sich die Einlassungen und Anträge der Opposition – der SPD wie der Grünen – zur Kaufland-Ansiedlung anschaut, stellt fest: Diese Politik zielt darauf ab, dem seit 1990 geltenden Recht auch in Bersenbrück Wirksamkeit zu verschaffen. Sie zielt darauf ab, die Einzelhandelsentwicklung auf der Basis der gültigen Gesetze zu steuern – mit einem Einzelhandelskonzept, um den lokalen Einzelhandel zu stützen und einer Verödung der Innenstädte entgegenzuwirken. Wie sich jüngst erst wieder zeigte, steht die Stadtrats-Opposition mit ihrer Forderung, das Einzelhandelskonzept in Bersenbrück endlich in Kraft zu setzen, auch nicht alleine. Mehr dazu hier.

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