„Mit Vernunftgründen nicht erklärbar“

Streitkultur verbessern, Lagerdenken aufbrechen – das gehörte zu den Zielen der UWG Bersenbrück, die 3 Sitze im Stadtrat errang. klartext fragte: Wie sieht die Bilanz nach fast 6 Monaten aus?

Die drei UWG’ler im Stadtrat Bersenbrück (von links): Steffen Zander, Andrea von der Haar und der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Rathmann.

Mit Andrea von der Haar, Wolfgang Rathmann und Steffen Zander zogen im November letzten Jahres – nur wenige Monate nach der Gründung der UWG – erstmalig UWG’ler in den Stadtrat ein. Die Feuertaufe der drei Neuen hatte es in sich, denn es gehörten schwierige Themen zum Startpaket wie die neue Kita und die Bebauung an der Bramscher Straße. Dazu kommen die aktuellen Schwierigkeiten rund um den Bebauungsplan Woltruper Wiesen III. Und das alles im Umfeld der „Bersenbrücker Verhältnisse“ sprich‘ eines konfrontativen Klimas im Rat.

Frau von der Haar, Herr Rathmann, Herr Zander, wie ist es nach Ihren bisherigen Erfahrungen um die Streitkultur und das Lagerdenken im Rat bestellt? Besser oder schlechter als Sie dachten?

Andrea von der Haar: Aus meiner Sicht ist es schlimmer, als ich dachte. Ich habe nicht erwartet, dass es in so extremer Ausprägung um das Lagerdenken geht und dermaßen stark um die Parteizugehörigkeit. Ich habe erwartet, dass mehr Bereitschaft besteht, auch aus anderen Gruppierungen Vorschläge anzunehmen; dass gemeinsam überlegt und auch offen diskutiert wird, um vielleicht auch zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen.

Wolfgang Rathmann.

Wolfgang Rathmann: Früher, als ich als Zuschauer in Ratssitzungen war, habe ich oft das Unverständnis anderer Zuhörer darüber erlebt, wie im Rat miteinander umgegangen wird. Darum gehörte es für die UWG zu den wichtigen Zielen, die Streitkultur zu verbessern. Gute Voraussetzungen für eine Verbesserung sah ich z. B. darin, dass sich die CDU-Mehrheitsfraktion in ihrer Zusammensetzung durch die letzten Wahlen sehr verändert hat. Ich habe gehofft, dass mit den jüngeren Leute in den Reihen der CDU-Fraktion auch ein anderer Wind Einzug hält. Dass dadurch vielleicht auch ein offenerer Austausch möglich wäre. Vom heutigen Punkt aus gesehen kann ich aber nur sagen: Ich sehe ich die Gefahr, dass in denselben Mechanismen verharrt wird, wie ich Sie vorher als Zuhörer im Rat erlebt habe.

Steffen Zander: Auch ich war früher regelmäßig als Zuhörer in Ratssitzungen. Das war nicht vergnügungssteuerpflichtig. Dieses Klima des Zoffs zwischen den Parteien hat sich aus meiner Sicht jedenfalls bislang nicht verbessert.

 

Was müsste aus Ihrer Sicht geschehen, um das Klima zu verbessern?

Wolfgang Rathmann: Wichtig wäre zum einen, die „alten Kamellen“ hinter sich zu lassen. Damit meine ich die Altlasten auf Seiten langjähriger Ratsmitglieder der Grünen und auch Altlasten auf Seiten der SPD und der CDU. Es sollte ein Nach-vorne-Schauen stattfinden statt immer wieder zurückzublicken.

Freude am Wahlabend, als klar war, dass die UWG drei Mandate im Stadtrat Bersenbrück errungen hatte.

Wie sehen die Vorstellungen der UWG von einer guten Ratsarbeit aus?

Wolfgang Rathmann: Ich stehe auf dem Standpunkt, Ratsarbeit ist ein Wettkampf um die besten Ideen. Wir als UWG sagen: Egal, von wem ein Vorschlag kommt, ob von schwarz, grün oder rot, wenn wir den gut finden, werden wir den unterstützen. Unserer Meinung nach sollte es nicht darum gehen, dass jemand oder eine Fraktion eine Abstimmung gewinnt, sondern dass wir alle für den Bürger die beste und vernünftigste Lösung finden.

Ich habe nicht das Gefühl, dass sich das im Rat durchsetzt. In diesem Rat geht es um ,wir gegen die‘ entlang der Linie ,wir haben unseren Vorschlag, die haben einen anderen, und wir müssen auf jeden Fall unseren Vorschlag durchbringen‘. So war es z. B. bei der Entscheidung zur Bebauung des Grundstücks an der Bramscher Straße.

 

Zur Bramscher Straße sagten Sie im Vorgespräch, dass Sie sich bei der Abstimmung darüber gar nicht zu einer Entscheidung in der Lage sahen. 

Andrea von der Haar: Wir haben den Antrag gestellt, dass die Entscheidung zurückgestellt wird, konnten uns aber mit unserem Antrag gegen die Mehrheitsfraktion nicht durchsetzen.

 

Wie erklären Sie sich den Ablauf der Dinge und vor allem den Zeitdruck, dass innerhalb weniger Tage entschieden wurde?

Andrea von der Haar.

Andrea von der Haar: Mit Vernunftgründen ist meines Erachtens nicht erklärbar, dass so eine Entscheidung innerhalb weniger Tagen zwanghaft getroffen werden musste. Die offizielle Begründung war: Das Grundstück lag so lange brach, jetzt jetzt haben wir Investoren, jetzt müssen wir sofort entscheiden.

Steffen Zander: Der schwarze Peter wurde so ein bisschen auf die Opposition geschoben. Die Opposition hätte die Sache ja angestoßen, deswegen müsse das jetzt so schnell entschieden werden.

Wolfgang Rathmann: Das Grundstück an der Bramscher Straße war 2 Jahre ein Abstellplatz, was die Stadt in keiner Weise gestört hat. Bewegung kam erst in die Sache, als HaseWohnbau ein gemeinsam mit der Heilpädagogischen Hilfe erarbeitetes Projekt eingereicht hat. Für mich stellen sich die Dinge so da, dass die CDU-Mehrheitsfraktion dadurch in Zugzwang kam.

Streitpunkt: Dieses Grundstück Bramscher Straße.

Meine persönliche Wertung ist: Zum einen hat man aus Sicht der CDU ganz offensichtlich ein zweites Projekt aus dem Hut zaubern müssen. Das gelang dann nur mit jemandem, der überhaupt nicht darauf vorbereitet war, so kurzfristig ein durchdachtes und erklärbares Projekt vorzustellen. Über das sollte dann schnell abgestimmt werden, damit nichts dazwischenkommt wie z. B., dass dieses Projekt bei einer öffentlichen Präsentation im Rat nicht überzeugen kann.

 

Die UWG hat sich dafür ausgesprochen, beide Projekt im Rahmen einer öffentlichen Ratssitzung zu präsentieren.

Wolfgang Rathmann: Ja, weil wir uns für Transparenz einsetzen. Den Bürger interessiert, was dort an der Bramscher Straße gebaut werden soll, ob es sich um eine Spielhalle handelt, ein Ärztehaus oder was auch immer. Ob es berechtigt ist oder nicht, dass ein Investor nicht genannt werden will, ist eine aus Bürgersicht sekundäre Frage. Darum war unser Vorschlag: Eine Vorstellung ohne Namensnennung und ohne Kostenkalkulation. Das wurde nicht akzeptiert.

 

Lassen Sie mich noch einmal zurückkommen auf die Streitkultur und das Lagerdenken. Welche Rolle spielt Transparenz in diesem Zusammenhang?

Wolfgang Rathmann: Mangelnde Transparenz ist ein sehr starkes Hindernis für eine gute Ratsarbeit. Mein Eindruck ist, dass es offensichtlich immer noch darum geht, dass der eine mehr weiß als der andere, dass einige früher etwas wissen als andere. Dass nicht alle Fraktionen gleichermaßen mit Informationen versorgt werden, sind Egoismen, die ich nicht nachvollziehen kann.

 

Haben Sie ein konkretes Beispiel, an dem Sie festmachen können, was Sie damit meinen?

Wolfgang Rathmann: Das jüngste Beispiel dafür ist, dass ich mir vom Bürgermeister gewünscht hätte, dass alle Ratsfraktionen sofort nach dem Eingang den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg zum Bebauungsplan Woltruper Wiesen III bekommen hätten. Wir haben vorher in den Ratsgremien wiederholt über die Sache gesprochen. Jetzt, wo das Gericht eine Entscheidung getroffen hat, sollten die Ratsmitglieder den genauen Text kennen. Nicht zuletzt werden wir ja auch in der Öffentlichkeit darauf angesprochen.

Herr Koop, CDU-Mitglied des Rates, kennt den Beschluss, der Bürgermeister kennt ihn, Herr Uphoff, der CDU-Fraktionsvorsitzende, da bin ich mir sicher, kennt ihn auch. Und wir? Ich weiß, dass die Grünen bis zum heutigen 20. April den Beschluss nicht haben, die SPD nicht und wir haben ihn auch nicht. Wir mussten durch die Presse erfahren, dass das Urteil da ist und wie es lautet. Meiner Meinung nach ist das eine Missachtung von Rechten der Opposition.

Steffen Zander.

Steffen Zander: Wer muss aktiv werden, um zu Informationen zu kommen, besteht eine Bring-Schuld oder eine Hol-Schuld? Das ist das Thema zwischen uns und der Verwaltung. Wir sehen die Verwaltung da auch in der Bring-Schuld. Etwas holen kann man sich ja nur, wenn man weiß, dass es etwas abzuholen gibt. Wenn man das gar nicht weiß wie im Fall des Gerichtsbeschlusses, kann man sich auch nichts holen.

Wolfgang Rathmann: Wir haben auch im Rahmen eines Treffens aller Fraktionsvorsitzenden, zu dem wir eingeladen haben, eingefordert und deutlich gemacht, dass ein wesentlicher Gesichtspunkt für ein besseres Miteinander im Rat Vertrauen ist. Und Vertrauen kann nur mit Transparenz erreicht werden. Wenn wir als Opposition ständig das Gefühle haben, dass man uns beim Informationsfluss am ausgestreckten Arm verhungern lässt, kann kein Vertrauen entstehen und damit auch keine gute Streitkultur.

Steffen Zander: Misstrauisch zu werden und zu sein, zerstört eine gute Ratskultur.

 

Vor den Wahlen: Umfrageaktion der UWG. Foto: Andrea von der Haar.

Apropos Streitkultur. Die UWG hat, wie Sie gerade erwähnten, zu einem Treffen der Fraktionsvorsitzenden eingeladen, um zu einem besseren Klima im Rat zu kommen. Was ist dabei herausgekommen?

Wolfgang Rathmann: Nach Äußerungen eines Ratsmitglieds, die aus unserer Sicht inakzeptabel waren, haben wir zu dem Treffen geladen. Wie sollten Ratsmitglieder miteinander umgehen? Was geht nicht? Was muss sich ändern? Das waren die Fragen. Wir waren erfreut, dass alle diese Einladung angenommen haben.

Aus unserer Sicht haben wir an diesem Abend eine Übereinkunft erzielt. Wir sind mit dem Eindruck aus dem Gespräch herausgegangen, dass wir uns alle einig waren in dem Punkt: Wir bauen eine vernünftige Streitkultur auf. Ab jetzt soll es weder im Rat noch außerhalb des Rats wie z. B. bei Schützenfest-Frühschoppen inakzeptable persönliche Angriffe geben. Leider ließ die Rolle rückwärts nicht lange auf sich warten.

Andrea von der Haar: Ein Beispiel dafür ist die Ratssitzung am 20. März. Das war ein Schritt in die altbekannte falsche Richtung. Es gab in dieser Sitzung keinen Grund dafür, dass aus Richtung der CDU-Fraktion ausfällige Bemerkungen zitiert und darauf reagiert wurde. Wir hatten ja bei dem Treffen besprochen, dass wir das ruhen lassen, dass wir nach vorne und nicht nach hinten gucken. Keine 4 Wochen später war dann in dieser Ratssitzung schon wieder alles vergessen, was wir dort vereinbart hatten. Das alles war sehr, sehr unglücklich. Wir haben uns das Ziel gesetzt, dass wir bei zukünftigen Vorfällen dieser Art darauf hinweisen wollen, dass wir ein „gentlemen’s agreement“ getroffen haben und uns darin einig waren, dass sich alle daran halten.

Für die ganze UWG: Viel Arbeit vor der Wahl, noch mehr Arbeit nach der Wahl.

Herr Zander, ist Ihnen im Verlauf die letzten Monate angesichts der Widrigkeiten schon mal der Gedanke gekommen, den Stuhl im Rat wieder zu räumen?

Nein, der Gedanke aufzuhören ist mir nie gekommen. In keinster Weise. Ich trotze den Widrigkeiten, mit denen wir es zu tun haben, und lasse mich davon nicht unterkriegen.

 

Wie steht es darum, dass Sie auch eigene Themen setzten und auf die Tagesordnung des Rates bringen?

Andrea von der Haar: Wir sind im Moment noch sehr damit beschäftigt, in Erfahrung zu bringen, wie der Hase Ratsarbeit läuft, wie die Mechanismen sind und wie das Vorgehen, um von der Verwaltung Informationen zu generieren. Wir haben entsprechende Gespräche mit der Verwaltung geführt. Manche sind in unserem Sinne gelaufen, andere weniger.

Wir werden in naher Zukunft dazu übergehen, auch selber unsere Punkte zu setzen und Themen auf die Tagesordnung zu bringen. Weil uns bei so manchem noch der Background fehlte, sind wir bislang nicht vorgeprescht, sondern haben uns noch etwas Zeit gegeben. Wir haben Ideen, die wir anbringen werden. Das ist das Ziel und das muss es auch sein.

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