Treibjagd Richtung höhere Verschuldung?

Ein Zwischenruf von Rita Stiens.

Teure Projekte unkoordiniert durchzupeitschen, treibt die Schulden in die Höhe.

Teure Projekte unkoordiniert durchzupeitschen, treibt die Schulden in die Höhe.

Die Grundschule Kettenkamp hat das Zeug zum Aufhänger für einen „Showdown“ im Samtgemeinderat. Der Blick zurück zeigt: Am Anfang der Geschichte steht ein Sündenfall – mit gravierenden Folgen. Die am Sündenfall Beteiligten sind: Die CDU-Fraktion und zwei Kettenkamper SPD-Ratsmitglieder. Sie drückten in einer Blitzaktion zusätzliche 630.000 Euro in den Haushaltsplan 2015. Aus diesem Kuckucksei im Haushalt wurde ein 1,4 Millionen-Euro-Problem.

 

Investitionsstau in der Samtgemeinde.

Michael Johanning, CDU-Samtgemeinderat aus Kettenkamp, rutschte am 7. Juli im Eifer der Debatte über die Schule Kettenkamp ein Wort über die Lippen, das in CDU-Kreisen eigentlich als Unwort gilt: das Wort „Investitionsstau“. Vom Investitionsstau spricht Samtgemeindebürgermeister Dr. Horst Baier seit seinem Amtsantritt im Jahr 2012. Dass er bestand und besteht, ist überprüfbar.
Die CDU regierte die Samtgemeinde 40 Jahre lang, bis 2012. Nach dem Wechsel von Samtgemeindebürgermeister Dr. Lübbersmann (CDU) zu Dr. Baier bot sich allein bei den Grundschulen folgendes Bild: Nicht eine war in jeder Beziehung ­– wie zum Beispiel baulicher Zustand, Voraussetzungen für eine zeitgemäße Pädagogik, Ganztagsbetrieb ­– auf einem zukunftsfähigen Stand.

 

22 Jahre Stiefkind: Die Schule Kettenkamp.

Gehrde nutzt seit Kurzem die alte Turnhalle (links) als Pausenraum.

Gehrde nutzt seit Kurzem die alte Turnhalle (links) als Pausenraum.

Kettenkamp ließ die CDU-regierte Samtgemeinde über Jahrzehnte links liegen. Die größte Summe, die innerhalb von 22 Jahren in die Grundschule investiert wurde, waren etwa 140.000 Euro (280.000 DM) im Jahr 1992.
In einem Zeitraum von 22 Jahren, zwischen 1991 und 2012, wurden insgesamt nur gut 492.000 Euro in die Grundschule investiert. Bei der aktuellen Diskussion geht es um 1,4 Millionen Euro für Kettenkamp. Das ist fast das 3-fache dessen, was in 22 Jahren dort investiert wurde.

 

CDU-Zustimmung für die Projekte.

An allen Grundschulen herrschte ein Millionen Euro verschlingender Nachholbedarf. Der beste Beweis dafür ist die CDU-Zustimmung im Samtgemeinderat zu den bislang realisierten Maßnahmen. Seit 2012 wurden folgende Summen in Grundschulen investiert:

Alfhausen, CDU-regiert: 798.000 Euro
Bersenbrück, CDU-regiert: 2,5 Millionen
Rieste, CDU-regiert: 780.000
Ankum, UWG-regiert: 1,84 Millionen
5.918 Millionen – nur für Grundschulen

 

Zwischen 2012 und 2015: Klare Prioritätensetzungen in den Haushalten.

Da der Investitionsstau groß ist, und das nicht nur bei Grundschulen, bedarf es einer sorgfältigen Finanzplanung. Und es braucht einen geordneten zeitlichen Ablauf, um den Stau abzuarbeiten.
In den Haushaltsplänen der Samtgemeinde wird Jahr für Jahr festgeschrieben, was sie sich an Investitionen wie z. B. Schulneu- oder -umbauten leisten kann und will. Ganz oben auf der Liste stehen die Projekte mit besonderer Dringlichkeit. Hier der Text aus dem Haushaltsplan 2014 (Seite 55 und 56). So ein Text steht auch im Haushaltsplan 2015 (Seite 60-63).

Die Aula Kettenkamp stand bereits 2015 im Prioritätenkatalog des Haushaltsplans. Ohne den „Coup“ wären Beratungen und Entscheidungen in geordneten Bahnen verlaufen.

Die Aula Kettenkamp stand bereits 2015 im Prioritätenkatalog des Haushaltsplans. Ohne den „Coup“ wären Beratungen und Entscheidungen in geordneten Bahnen verlaufen.

 

Normalerweise wird jedes größere Projekt, das in der Samtgemeinde ansteht, ausführlich vorbereitet und ausgiebig in Ausschüssen beraten – unter Beteiligung von CDU-Ratsmitgliedern. Auch Haushaltspläne werden im Vorfeld – bevor sie dem Rat zur Abstimmung vorgelegt werden – beraten. So lief es auch beim Haushaltsplan 2015.

 

Mit Kettenkamp wurde der Pfad einer seriösen Finanzplanung verlassen.

Und dann der „Coup“: Die CDU-Fraktion und die Kettenkamper SPD-Ratsmitglieder stimmten für eine zusätzliche Geldausgabe von 630.000 Euro für die Grundschule Kettenkamp im Haushalt 2015. Wie finanzieren, reicht das Geld überhaupt? Keine Antworten darauf. Die Folgen dieser Schnellschuss-Aktion wurden Monate später sichtbar: Das Projekt Kettenkamp wird statt 630.000 Euro wohl 1,4 Millionen Euro verschlingen.
Gerade nach Jahren mit sehr großen Investitionen wie den Jahren 2013 bis 2015 ist eine sorgfältige Finanzplanung das Gebot der Stunde. Mit dem Schnellschuss in Sachen Kettenkamp wurde der Pfad einer verantwortungsbewussten Finanzplanung verlassen. Nicht weniger schlimm: Es wurde der Nährboden bereitet für ein Gegeneinander der Gemeinden. Mehr dazu hier: Politikstil Hauen und Stechen?

Jetzt eine Prioritätenliste zu fordern, wie es die CDU-Fraktion in der Ratssitzung am 15. Juli tun wird, spottet den realen Gegebenheiten, denn es war der Schnellschuss Kettenkamp, mit dem eine bestehende Prioritätenliste gesprengt wurde

 

Nicht erbaulich, aber interessant: Viele Jahre Haushaltspläne durchzugehen.

Nicht erbaulich, aber interessant: Viele Jahre Haushaltspläne durchzugehen.

Die Gegeneinander-Saat geht bereits auf.

Durch den Schnellschuss in Sachen Kettenkamp erhielt ein in der Samtgemeinde schwelender Konflikt neue Nahrung: eine Gemeinde gegen die andere auszuspielen. In anderen Gemeinden wie Ankum, so eine CDU-Aussage am 7. Juli im Bauausschuss, wurde ja auch in einem Rutsch ausgebaut. Da dürfe Kettenkamp nicht benachteiligt werden.

Das angefachte Gegeneinander spiegelt auch ein Leserbrief des Elternrats und des Fördervereins der Schule Kettenkamp wider (Bersenbrücker Kreisblatt, 13. Juli). Auch in diesem Brief werden Gegeneinander-Rechnungen aufgemacht. Dabei bleibt der entscheidende Punkt auf der Strecke: Alle bislang angepackten Grundschulprojekte wurden im Rahmen umfassender Vorberatungen und einer ordentlichen Finanzplanung auf den Weg gebracht. Zur Grundschule Kettenkamp gab es weder das eine noch das andere.

  • Als die ersten 630.000 Euro durchgedrückt wurden, lag kein Finanzierungskonzept vor. Für die jetzigen 1,4 Millionen für eine Sanierung in einem Rutsch, die die CDU durchdrücken möchte – wieder im Hau-Ruck-Verfahren, eine Woche nach Vorlage des Vorschlags –, liegt ebenfalls kein belastbares Finanzierungskonzept vor.

Hätte es zu Kettenkamp ausführliche Vorberatungen gegeben, hätte sich gezeigt, dass die Kosten um über 120% (!) über der veranschlagten Summe liegen. Diese Steigerung liegt um ein Vielfaches über dem, was es bislang an Kostensteigerung gab. Bei der Oberschule Ankum lag sie bei 15% bis 20% (Niederschrift Bauausschusssitzung 27. Mai 2013).

Konflikte vor Ort gibt es immer wieder. Die Frage ist nur, wie Meinungsverschiedenheiten gelöst werden. In Ankum wurde zum Beispiel alles daran gesetzt, Spaltung zu überwinden. In Ankum gab es viel Widerstand gegen den Umzug der Grundschule. Favorisiert wurde ein um viele Millionen Euro teurerer Neubau am alten Standort.
Dieser teure Neubau wäre zu Lasten aller Gemeinden der Samtgemeinde gegangen – weil das Geld dann für Projekte anderer Gemeinden gefehlt hätte. Über eine umfassende Information der Bürger, mit intensiver Beteiligung von Samtgemeindebürgermeister Dr. Baier, ist es gelungen, die Ankumer für den viel preiswerteren Umzug zu gewinnen. Information statt Emotionalisierung war das Erfolgsrezept in Ankum.

 

Rückkehr zur Finanzverantwortung und zum fairen Miteinander.

Die SPD Kettenkamp steht vor der Entscheidung, ob sie sich weiter treiben lassen will nach dem Strickmuster „wenn wir nicht bei den CDU-Forderungen mitmachen, stehen wir als Verräter an Kettenkamper Interessen da“. Die Grundschule Kettenkamp war als „sachlich erforderlich“ bereits Teil des Prioritätenkatalogs der Samtgemeinde. Die nächsten Schritte hätten sach- und fachgerecht beraten werden müssen. Im Ziel waren und sind sich alle einig: viel Geld in die Schule zu investieren.
Wenn der CDU an einer geordneten Entwicklung gelegen ist, dürfte der ersten Blitzaktion keine zweite, in der Ratssitzung am 15. Juli, folgen. Gemessen an den Worten des CDU-Antrags, müsste nachgeholt werden, was vor dem Schnellschuss hätte geschehen müssen: Kettenkamp im Rahmen einer Prioritätenliste zu beraten.
Kettenkamp und Gehrde sind die beiden Grundschule-Projekte, die noch realisiert werden müssen. Auch Gehrde hat einen dringenden Bedarf. Ginge es nach sachlichen Kriterien, müssten sich die CDU-Politiker der Samtgemeinde mit der gleichen Intensität für Gehrde engagieren wie für Kettenkamp bzw. für ein Konzept, das die Grundschule Gehrde mit einbezieht. Eine solide Finanzplanung müsste ein wesentlicher Aspekt eines solchen Konzeptes sein.

In einem CDU-Antrag zur Ratssitzung 15. Juli heißt es, einige Gemeinden hätten den Eindruck, „durchs Sieb“ zu fallen, und dies führe „dann zu weiteren spontanen Entscheidungen“, die einen geordneten Ablauf verhindern. Kettenkamp war also die erste „spontane Entscheidung“. Da stellt sich die Frage: Ist Spontaneität – statt sorgfältiger Finanzplanung und Abwägung der Dringlichkeiten – die Leitlinie des Handels der CDU-Fraktion? Ohne ihre (spontan abgegebenen?) Stimmen wäre es nicht zum Schnellschuss Kettenkamp gekommen.

 

Die Wahl 2016 wirft ihre Schatten voraus.

Baier und Ankums UWG-Bürgermeister Brummer-Bange (rechts): In Ankum führten viele Info-Versammlungen, mit Bürgern und auch eine mit der UWG, zu einer Entscheidung für den Umzug der Grundschule.

Baier und Ankums UWG-Bürgermeister Brummer-Bange (rechts): In Ankum führten viele Info-Versammlungen, mit Bürgern und auch eine mit der UWG, zu einer Entscheidung für den Umzug der Grundschule.

Jetzt sofort alles Geld für Kettenkamp, ist die derzeitige Forderung der CDU. Wer die dazugehörigen Einsparvorschläge unter die Lupe nimmt, dem stellt sich die Frage: Geht es um eine abgestimmte und gute Entwicklung von Grundschulen oder geht es um anderes – um Baier und seine Politik?
Jetzt sofort alles Geld allein für Kettenkamp „zusammenzukratzen“, läuft unter anderem darauf hinaus, die finanziellen Spielräume der Samtgemeinde – ohne Rücksicht auf andere Belange und ohne sorgfältige Gesamtberatung – zu verplanen und selbst bereits laufende Projekte einzukassieren wie die 500.000 Euro für den Vereinssport.
Die derzeitige Offensive der CDU in Sachen Kettenkamp und ihre Finanzierungsvorschläge legen eigentlich nur einen erklärenden Schluss nahe: Die Kommunalwahl 2016 wirft ihre Schatten voraus. Schließlich geht es für die CDU um nicht weniger als darum, die Macht zurückzuerobern, die sie 2011, nach 40 Jahren, erstmals abgeben musste.

 

Treibjagd Richtung höhere Verschuldung?

Wer sich anschaut, wie im Samtgemeinderat in den letzten Jahren abgestimmt wurde, stellt fest: Die CDU-Fraktion stimmte – bis auf wenige Ausnahmen – den großen Investitionen in Schulen, KiTas usw. zu. Sie wurden über Kredite finanziert, erhöhten also den Schuldenstand der Samtgemeinde. Zur CDU-Politik drängen sich seit dem Schnellschuss Kettenkamp eine ganze Reihe von Frage auf.

  • Eine ist zum Beispiel: Wenn die CDU ein Gegner spontaner Entscheidungen ist, wie im Antrag zum Ausdruck gebracht wird, warum war sie dann in Sachen Kettenkamp der Hauptakteur einer „spontanen“ Entscheidung?
  • Weitere Fragen, die sich stellen: Wem nützen der Kettenkamp-Schnellschuss und ein ungeordneter Ablauf? Und wem würde es nützen, die bisherige Verschuldung der Samtgemeinde auf den letzten Metern dieser Legislaturperiode durch ungeordnete Abläufe in eine kritische Höhe zu treiben? Der Druck in Sachen 1,4 Millionen Euro für Kettenkamp ist ein Schritt in diese Richtung. Nur ein erster Schritt? Fragen über Fragen.

 

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