Wahlkampf: Die Herren und die Frauen-Frage

Sagt viel: Dieses Bild von 2016. Warum? Das zeigte Rieste, wo die 3 Kandidaten für das Amt des Samtgemeindebürgermeisters auch darüber redeten, wie mehr Frauen für Politik begeistert werden können.

Ramona Giese personifiziert einen Großteil dessen, worüber die Kandidaten in Rieste redeten. Die UWG Ankum beschloss 2016 einstimmig, sie auf den ziemlich sicheren Listenplatz 3 zu setzen.

Ein kommentierender Beitrag von Rita Stiens.

Mit dem CDU-Kandidaten Michael Wernke, mit Zeljko Dragic und mit Klaus Menke redeten in Rieste am 22. Januar drei Männer über Frauen in der Politik. Das Bild von 2016 zeigt Ramona Giese, die in dem Jahr für die UWG Ankum in den Samtgemeinderat einzog. Sie personifiziert einige Themenaspekte, die zur Sprache kamen. Dazu später mehr. Wie äußerten sich die drei Kandidaten zu Frauen in der Politik?

 

„Weibliche Themen“.

In Rieste (v. l.): Die Kandidaten Wernke (CDU), Dragic und Menke.

Der CDU-Kandidat Michael Wernke war der einzige, der das Thema mit einer geschlechterspezifischen Komponente verband. Sein erster Satz zur Frage, wie Frauen für Politik begeistert werden können, war der Satz: „Das ist relativ einfach, sehr viele Themen, die im Samtgemeinderat besprochen werden, sind eigentlich „weibliche Themen“. „Wir kümmern uns um Kindertagesstätten“, sagte er da z. B., aber auch der „ganze Bereich Senioren, Teilzeit, Homeoffice“, das seien „Frauenfragen“.

Auch Küche für beide: Jungs + Mädels.

Kinder, Soziales, Teilzeit, Homeoffice = „weibliche Themen“ und „Frauenfragen“? Dass Frauen zuständig sind für das, was Gerhard Schröder, damals Bundeskanzler, mal „Familie und Gedöns“ nannte, ist eine noch weit verbreitete Zuordnung. Aber es gibt auch anderes: Partnerschaften und Familien, in denen die Berufs- und Familienangelegenheiten ebenso eine Männer- wie eine Frauensache sind. Weg von Stereotypen, wäre da mein Wunsch. Frauenfragen sind immer auch auch Männerfragen und umgekehrt. Und so sollten hier Frauen in der Lokalpolitik auch mit derselben Selbstverständlichkeit in einen Finanzausschuss einziehen wie Männer.

 

Frauen nach vorne bringen: Die UWG Ankum tat’s.

Die einzige Frau wollte und schaffte es – weil die Männer Ernst machten mit der Frauenfrage.

Wenn sich denn Frauen finden würden, die kandidieren: Wie kämen sie in den Rat? Vor allem über sichere Listenplätze. Michael Wernke sagte da: „Ich wäre der erste, der die Parteien auffordern würde, bitte, bitte setzt Frauen auf die Liste und nicht nur Männer. Denkt mal über euer Listenprinzip nach“.

Die UWG Ankum tat das bereits 2016. Klaus Menke stand da auf Platz 1 im Wahlbereich 1 und eine Frau – Ramona Giese – auf Platz 3, vor Bürgermeister Detert Brummer-Bange. Das erhoffte Ergebnis stellte sich ein: Vorher hatte man 5 Männer im Samtgemeinderat, ab 2016 saßen dann 4 Männer und eine Frau für die UWG Ankum im Rat. Die Stimmenbringer waren Detert Brummer-Bange mit 1.562 Stimmen und Klaus Menke mit 1.050 Stimmen. Ramona Giese schaffte es über den guten Listenplatz.

Es sei „beschämend“, fand Kandidat Zeljko Dragic, dass so wenige Frauen im Samtgemeinderat sitzen. Wie sah die SPD-Liste im Wahlbereich von Zeljko Dragic aus? Er stand auf Platz 2 – und die einzige Frau auf dem allerletzten Platz.

Frauen vorne: Bei den Grünen Gesetz. Was Frauen und Listenplätze angeht, unterscheiden sich die Grünen grundlegend von allen anderen. Da geht’s nach dem Reißverschluss-Prinzip: immer abwechselnd, Frau, Mann usw.

 

2016: Die damals einzige CDU-Frau kam als „Ersatzperson“ in den Rat.

Ratsvorsitzende: Agnes Droste.

Abtreten zugunsten von Frauen sollen, so Zeljko Dragic in Rieste, vor allem die „Platzhirsche“. Ein SPD-Platzhirsch ist Werner Lager. Er holte die mit großem Abstand meisten Stimmen für die SPD. Lager kam auf 1.242 Stimmen, Zeljko Dragic auf 308. Ohne „Platzhirsch“ Werner Lager hätte die SPD möglicherweise einen Sitz weniger im Samtgemeinderat. So einfach ist das eben alles nicht – nicht mit den Frauen, nicht mit den „Platzhirschen“.

Das Samtgemeinderats-Wahlergebnis 2016 lautete bei CDU und SPD: Gewählt waren 17 Männer, keine Frau. Bei der SPD: 6 Männer, keine Frau. Dass auf Seiten der CDU mit Agnes Droste, die auf der CDU-Liste auf Platz 12 stand, dann doch eine Frau bei der konstituierenden Sitzung im Rat saß, lag daran, dass ein Mann, der viele Stimmen holte (1.017), sein Mandat nicht antrat: Dr. Hermann Meyer. Für ihn kam Agnes Droste, die an der ersten Stelle der Liste der „Ersatzpersonen“ stand. Und sie wurde zur Ratsvorsitzenden gewählt – einstimmig.

Die Wahlergebnisse von 2017 für den Wahlbereich 1 (Alfhausen, Ankum, Eggermühlen, Kettenkamp).

 

„Kein ganz einfaches Thema“.

Frauen in der Politik, das sei „kein ganz einfaches Thema“, waren erste Worte von Klaus Menke. Warum, zeigt seine UWG-Ratskollegin Ramona Giese. 2016 schaffte sie es in den den Samtgemeinderat und zog auch in den Gemeinderat in Ankum ein.

Ramona Giese 2017 im Samtgemeinderat.

Exemplarisch steht Ramona Giese nicht nur für die Bedeutung eines sicheren Listenplatzes, sondern auch dafür, dass Frauen oft vor großen Problemen stehen. So war sie 2016 die 1. Vorsitzende des Schulelternrats der Ankumer Grundschule, sie arbeitete halbtags, zwei Kinder, zum Berufsleben ihres Mannes gehören auch häufig Dienstreisen. Ehemann, Kindermädchen, Großeltern: Um politisch aktiv zu sein, brauchte sie – und bekam – viel Unterstützung. 2018 ließ sich das Leben dann doch nicht länger mit der Arbeit in zwei Räten vereinbaren. Im April 2018 schied Ramona Giese aus dem Samtgemeinderat aus. Ausschusssitzungen zumeist um 17 Uhr, Ratssitzungen um 19 Uhr: Für Frauen mit Kindern besonders schwierig, selbst wenn sie zu Hause Unterstützung haben.

 

Wenige Frauen auch da, wo die Atmosphäre im Rat gut ist.

Wenn man guten Umgang miteinander schaffe, spräche sich auch wieder herum, dass Politik Spaß macht, sagte CDU-Kandidat Michael Wernke in Rieste. Nun sitzen aber auch da, wo der Umgang durchweg gut ist, nur wenige Frauen im Rat. In Ankum war klartext z. B. in den letzten Jahren in nahezu allen Ratssitzungen. Durchweg gut war da der Umgang miteinander. Trotzdem sind nur 4 der 21 Ratsmitglieder Frauen.

Vor wenigen Wochen – am Tag nach der Ratssitzung am 12. Dezember – postete Detert Brummer-Bange dieses Bild mit „Mentee“(links) und der Gleichstellungsbeauftragten der Samtgemeinde.

Eine der Frauen wurde über das Mentoring-Programm, aufgelegt vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, für die Politik gewonnen, kandidierte und wurde in den Rat gewählt, berichtete Klaus Menke in Rieste. Den Weg Mentoring will er weitergehen, und er verwies auch auf die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragen Regina Bien. Über das Mentoring-Programm kamen Frauen in die Politik. Aber auch dieses Programm greift nur, wenn sich interessierte Frauen finden. Im laufenden Programm ist nur eine Frau, deren Mentor Detert Brummer-Bange ist.

 

Zeljko Dragic versprach, was er gar nicht versprechen kann.

Zeljko Dragic reichte in Rieste zum Schluss des Themas Frauen noch einen Satz nach. „Ich kann Ihnen zusichern“, rief er in den Raum, „wenn ich Samtgemeindebürgermeister werde, wird meine erste Vertreterin eine Frau sein“. Das kann er nicht zusichern.

Die derzeitigen Stellvertreter Werner Lager (SPD), Michael Johanning (CDU) und Klaus Menke (UWG Ankum) wurden am 8. November 2016 gewählt.

Die Stellvertreter des Samtgemeindebürgermeisters werden vom Rat gewählt. 37 Personen sind da stimmberechtigt, und der Samtgemeindebürgermeister hat nur eine Stimme. Das Vorschlagrecht liegt auch nicht beim Samtgemeindebürgermeister, sondern bei den Fraktionen. Was die bisherigen Stellvertreter angeht: Die sind für die gesamte Legislaturperiode gewählt, also bis Ende 2021. Ein Platz frei würde nur, wenn jemand zurücktritt oder wenn Klaus Menke, derzeit einer der drei Stellvertreter, Samtgemeindebürgermeister würde.

Auch beim Thema Frauen zeigte sich in Rieste, dass schöne Sätze leicht gesagt sind – dass die Realität dahinter aber zumeist weitaus komplexer und schwieriger ist. Mehr Frauen für die Lokalpolitik begeistern: „Kein ganz einfaches Thema“, wie Klaus Menke sagte, und vor allem eines, bei dem es auf die ankommt, über die geredet wurde – auf die Frauen.

Die Gehrder Frauen-Power: Hintere Reihe Elke Hölscher-Uchtmann, Elke Schnetlage, Jutta Mulan; vordere Reihe Ingrid Thesing, Tanja Pfaffenrot.

Echte Frauenpower im Rat gibt es nur in Gehrde. So sah sie 2015 aus (hintere Reihe Elke Hölscher-Uchtmann, Elke Schnetlage, Jutta Mulan; vordere Reihe Ingrid Thesing, Tanja Pfaffenrot). Aktuell sind 6 von 13 Ratsmitgliedern Frauen.

 

Sich genauso viel zutrauen wie Männer sich zutrauen. Wird mit Wasser gekocht.

Was ist los mit uns Frauen? Warum überlassen wir mehr und mehr Männern das politische Geschäft? Was wäre, wenn diese Fragen zum festen Bestandteil von Verbänden und Vereinen würde, in denen Frauen aktiv sind? Ratsfrauen könnten zum Erfahrungsaustausch eingeladen werden.

Wie Männer können auch Frauen Rat ohne vorherige Lehrzeit.

Dass es Ratsfrauen sind und keine Ratsmänner, ist da von großer Bedeutung.

„Das kann ich doch nicht“, sagt so manche Frau, wenn sie auf ein Mitwirken im Rat angesprochen wird. Zahlreiche Frauen trauen sich noch immer viel weniger zu, als Männer sich zutrauen. Vor diesem Hintergrund wäre ein Austausch mit Ratsfrauen wichtig, die die Botschaft übermitteln, dass in einem Rat auch nur mit Wasser gekocht wird. Mit beiden Beinen im Leben stehen – das ist schon einmal eine gute Qualifikation. Alles andere ist Lerning by doing. Es wurde noch nie für nötig gehalten, dass Männer, die in den Rat einziehen wollen, vorher eine Lehre wie das Mentoring-Programm durchlaufen. Mentoring ist zweifellos ein gutes Angebot, aber es geht auch für Frauen ohne so eine Lehrzeit.

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