Wechsel – oder weiter so?

Mehr Bus & Bahn: Nichts als „grüne Träumereien“, wie bei der CDU Bersenbrück-Gehrde zu lesen? Und vom amtierenden Landrat, zeigen sein Reden und sein Tun, ist herzlich wenig aktives Handeln beim Natur- und Klimaschutz zu erwarten.

Anna Kebschull, Kandidatin der Grünen, oder der CDU-Kandidat Dr. Michael Lübbersmann: Darüber entscheiden die Wählerinnen und Wähler bei der Landrats-Stichwahl am 16. Juni.

Ein kommentierender Beitrag von Rita Stiens.

Klimaschutz und Umwelt sind inzwischen bei den Menschen die mit deutlichem Abstand wichtigste Aufgabe, so das ZDF-Politbarometer vor wenigen Tagen (6. Juni). Tut da endlich mehr – ist die Botschaft. Hat der Landrat sie gehört? Hat die hiesige CDU sie gehört? Nein, zeigen Fakten.

Was Anna Kebschull mit über 30 % in die Landrats-Stichwahl katapultierte, wird von der CDU Bersenbrück-Gehrde z. B. abgetan als „grüne Träumereien“.

Es sind nicht nur die Jungen (hier bei Fridays for Future in Bersenbrück), die mehr Umwelt- und Klimaschutz fordern.

 

Wahltag: Sonntag, 16. Juni. Wahlalter: 16 Jahre. Es reicht der Personalausweis. Wer 16 Jahre alt ist, kann am 16. Juni an der Landrats-Stichwahl teilzunehmen. Wer die Wahlkarte nicht mehr hat: Sie wird nicht benötigt. Es reicht die Vorlage des Personalausweises.

 

Nicht ein konkretes Landrats-Projekt für mehr Klimaschutz.

Die Klimaziele erreichen, das heißt nicht anderes als: Die Zukunft unserer Lebensqualität sichern, unserer Wirtschaft, unserer Arbeitsplätze. Wer da nicht bei allem – ob Wirtschaft oder Verkehr – konsequent ökonomisch und zugleich ökologisch denkt und handelt, hat den Kern des Problems nicht begriffen.

Eine eindeutige Botschaft.

Der Landrat wird den Klimaschutz in seinem ureigenen Zuständigkeitsbereich nicht tatkräftig voranbringen. Das zeigen die Antworten von Michael Lübbersmann auf die Fragen (noz 14. Juni), welche Ideen er habe und welche Projekte der Landkreis konkret anstoßen wolle.

Konkret anstoßen: Da nennt der amtierende Landrat nicht ein einziges Projekt, das über das Bisherige hinausgeht wie z. B. Beratungsangebote für Bauherren. Auch bei der Frage nach seinen Ideen für eine Co2-Einsparung zeigt der Landrat auf Wohngebiete und deren Co2-Ausstoß. Und der Landkreis selbst, der für viele Gebäude die Verantwortung trägt: Was ist der bereit zu tun? Kein Wort dazu vom Landrat.

In die Zuständigkeit des Landkreises fällt auch ein fürs Klima entscheidender Bereich: der öffentliche Nahverkehr. Welche Bedeutung dem öffentlichen Nahverkehr zukommt – für den Klimaschutz, weil gerade der Autoverkehr dem Klima kräftig einheizt, und zugleich als Stärkung des gesamten Landkreises – liegt z. B. schon seit Jahren schwarz auf weiß auf dem Tisch. Entsprechend gehandelt wurde vom Landrat und vom Landkreis nicht.

 

Mehr Nahverkehr – das ist Wirtschaftspolitik und Klimaschutz.

Dass ein besser ausgebauter öffentlicher Nahverkehr den gesamten Landkreis und seine Wirtschaft stärken würde, erfährt, wer in den derzeit noch gültigen 3. Nahverkehrsplan der PlaNOS (Planungsgesellschaft Nahverkehr Osnabrück) schaut. Der amtierende Landrat plakatierte ein „Stark für den Landkreis“ für sich. Stark geworden beim öffentlichen Nahverkehr ist der Landkreis nicht.

Schon 2013 eine eindeutige Botschaft im Nahverkehrsplan  – es fehlte jedoch am tatkräftigen Handeln. © PlaNOS.

Mehr Bus & Bahn will Anna Kebschull.

Die schon 2013 im PLANOS-Plan aufgestellte These ist unmissverständlich: Im Interesse der Wirtschaft und der Arbeitskräfte (Stärkung des Standortsfaktors) wie auch im Interesse des Klimaschutzes ist ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) zu einem innovativen System  unbedingt erforderlich.

Wurden aus diesen Erkenntnissen Konsequenzen gezogen während der 8-jährigen Amtszeit von Landrat Lübbersmann? Hat sich z. B. auf dem Gebiet der Samtgemeinde Entscheidendes verbessert? Sind wir hier inzwischen spürbar auf dem Weg, prima mit Bus und Bahn fahren zu können; zeichnet sich ein so guter öffentlicher Nahverkehr ab, dass Familien in absehbarer Zeit z. B. ohne den Zweitwagen auskommen könnten? Nein.

 

Mehr öffentlicher Nahverkehr = große Chance für die Region. 

Michael Lübbersmann (links) in Bersenbrück.

Er habe, sagt Michael Lübbersmann, das Jahr 2019 zum Mobilitätsjahr erklärt. Ein großes Wort. Ist daraus zu schließen, dass der Landrat den öffentlichen Nahverkehr deutlich ausbauen will? Nein. Lübbersmann spricht nur von Digitalisierung des Nahverkehrs, davon, eine „neue Struktur aufzusetzen“ – aber dafür müsse es Fördermittel geben. Und wenn es die nicht gibt? Geht dann nichts voran?

Auf Abruf Busse zur Verfügung haben, erwähnt der Landrat da noch. Da müssten, sagt er, die „Mobilitätsteilnehmer motiviert werden“. Was immer das heißen soll: Was konkret gedenken in dieser Sache Landrat und Landkreis zu tun, ist die entscheidende Frage. Wie sehr ein besserer öffentlicher Nahverkehr daran hängt, dass der Landkreis mehr Geld in die Hand nimmt, zeigt beispielhaft der aktuelle Plan für einen besseren Busverkehr in der finanzschwachen Gemeinde Gehrde (mehr dazu hier).

Ein „wir haben verstanden“ und nun lasst uns darüber reden, wie wir die notwendigen Klima- und Naturschutzmaßnahmen anpacken und finanziert bekommen – das war und ist weder aus der hiesigen CDU noch vom Landrat zu hören. Anders als bei der Pflege und bei Fachkräften, wo der Landkreis nur sehr begrenzte Handlungsmöglichkeiten hat, gehören der öffentliche Nahverkehr wie auch der Umweltschutz zu seinen ureigenen Aufgaben.

Landrat & Landkreis schaffen keine Pflegeplätze. „Wir haben 1.000 Plätze über den Bedarf geschaffen“, war ein Satz des amtierenden Landrats im Wahlkampf, und er kündigte an, dass „wir“ weitere Langzeit- und Kurzeitpflegeplätze schaffen. Richtig ist: Landrat und Landkreis schaffen keine Pflegeplätze. Pflegeplätze werden von anderen geschaffen, hier z. B. von der Caritas, vom ASD, den Niels-Stensen-Kliniken, dem Roten Kreuz.

 

Blühwiesen: Null Quadratmeter angelegt.

Schon jetzt 200.000 qm Blühwiesen im Landkreis, postete Landrat Lübbersmann z. B. Wer bei diesem Satz dachte, der Landkreis wäre aktiv geworden und hätte diese 20 ha Blühwiesen angelegt, der irrte.

Eine Anfrage der Kreistags-UWG, gerichtet an den Landrat, brachte am 27. Mai ans Licht: „Der Landkreis als Untere Naturschutzbehörde legt nicht selbstständig artenreiche Säume oder Grünflächen an“. Der Landkreis schuf also nicht einen einzigen Quadratmeter Blühflächen. Die wurden allesamt von anderen wie z. B. Landwirten oder dem BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz) angelegt. Wegrandstreifen hat der Landkreis auch keine geschaffen, geht aus der Antwort hervor. Aus eigenem Antrieb tut der Landkreis da also nichts.

 

1 m, 5 m: Heute hü, morgen hott. Nur auf Druck?

Und der Naturschutz im Schutzgebiet Else-obere Hase? Es ist gerade einmal 3 Monate her, dass Landrat Lübbersmann einkassierte, was seine Untere Naturschutzbehörde wollte: Einen 5 m breiten Streifen als Gewässerschutz in geschützten Gebieten wie dem Gebiet Else. 1 m, so der Landrat, sei ausreichend – wenn man kontrolliere. Er pries das als Paradigmenwechsel.

Nach der 1-m-Entscheidung des Landrats schaffte es das Schutzgebiet Else-obere Hase am 28. Mai in die Sendung Panorama. © Panorama.

Nun die Kehrtwende, die in der noz am 8. Juni u.a. mit dem Satz kommentierte wurde: „Eine Woche vor der Stichwahl beugt sich der Landrat dem Druck“. Nun will der Landrat also doch einen 5-m-Schutzstreifen – und ist damit bei dem angekommen, was die Grünen-Kandidatin Anna Kebschull schon lange forderte: Ein breiterer Schutzstreifen sowie Entschädigung für Landwirte.

Wenn schon in so einer recht überschaubaren Angelegenheit nur auf Druck gehandelt wird, statt aus eigenem Antrieb eine zukunftsweisende Lösung anzupacken: Was ist dann erst bei noch größeren Problemen zu erwarten wie z. B. der tickenden Zeitbombe Nitrat im Grundwasser (mehr dazu hier)?

 

Wir haben am Sonntag die Wahl. Wählen wir.

Über 70 Jahre CDU sind es inzwischen im Landkreis Osnabrück. CDU-Kandidat Michael Lübbersmann will nach eigener Aussage (noz, 28. Mai) bei der anstehenden Stichwahl „mit der Politik, die wir gemacht haben, überzeugen“. Bei der anstehenden Stichwahl geht es um die Zukunft des Landkreises! Weiter so reicht da nicht, sagte schon im ersten Wahlgang die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger.

Aus dem Kreis der SPD ruft auch der SPD-Samtgemeindeverband mit seinem Vorsitzenden Zeljko Dragic zur Wahl von Anna Kebschull auf – u.a. wegen ihres Engagements für mehr öffentlichen Nahverkehr.

56,6 % der Wählerinnen und Wähler stimmte am 26. Mai nicht für Michael Lübbersmann. Sie entschieden sich für Kandidaten, die einen Wechsel, die Umdenken und deutlich mehr Tatkraft forderten, weil z. B. ohne entschlossenes Handel beim Natur- und Klimaschutz weder Wohlstand noch Wettbewerbsfähigkeit noch Arbeitsplätzen eine gute Zukunft haben. Ebenfalls ein großes Thema: ein anderes Miteinander, ein anderer Politikstil.

Auf eines kann sich bei dieser Landrats-Stichwahl nach den großen Debatten der letzten Wochen niemand mehr zurückziehen: Nämlich darauf, man habe nicht gewusst, was die Stunde in Sachen Natur- und Klimaschutz geschlagen hat. Wir haben am 16. Juni die Wahl. Wählen wir.

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