Natur an Straßen und Wegen: „Das soll so sein“

Insekten & Pflanzen schonen: Im Planungsausschuss am 27. März jetzt eine Fortsetzung des Themas mehr insektenfreundliche Natur, z. B. entlang von Straßen und Wegen. Zur Debatte steht im Ausschuss das Vorhaben der Samtgemeinde, eine naturnahe Pflege kommunaler Flächen einführen. 

Wo immer es geht auch entlang von Straßen und Wegen der Natur Raum geben zur freien Entfaltung, um dem zunehmenden Artensterben etwas entgegenszusetzen.

„Von Kettenkamp bis Rieste, von Ankum bis Gehrde grünt und blüht es an Straßen & Äckern“, schrieb klartext bereits vor fast 5 Jahren (mehr dazu hier). Ums Blühen & Grünen entlang von Straßen und Wegen geht es am 27. Mai auch in der Sitzung des Planungsausschusses der Samtgemeinde beim Tagesordnungspunkt „Naturnahe Pflege von kommunalen Flächen“.

Wie so eine naturnahe Pflege ausgestaltet werden soll, dazu hatte die Arbeitsgemeinschaft Biodiversität von ILEK-NOL, eines Zusammenschlusses der Kommunen Artland, Bersenbrück, Fürstenau und Neuenkirchen, Vorschläge erarbeitet. Erklärtes Ziel sei es, „die Vielfalt von heimischer Flora und Fauna zu schützen, zu erhalten und zu fördern“, so in der Beschlussvorlage der Samtgemeinde Bersenbrück zu lesen.

Detert Brummer-Bange (rechts), der mit seinem eigenen Gerät anrückte, und Ralf Gramann machten sich 2019 gemeinsam an die Arbeit, um bei der Siedlung „Im Grunde“ einen Blühstreifen anzulegen.

 

Ein Tandem in Sachen Fachkompetenz.

Zur Realisierung einer insekten- und pflanzenschützenden Pflege der Wegeseitenränder und öffentlichen Grünanlagen legt die Samtgemeindeverwaltung einen Fahrplan vor. Einer der Punkte: Der Bauhof der Samtgemeinde muss mit neuen Arbeitsgeräten ausgestattet werden. Dazu heißt es: „Zum nächstmöglichen Zeitpunkt werden alle gemeindeeigenen insektenschädlichen Schlegel-und Mulchgeräte durch Gerätschaften ersetzt, mit denen Flora und Fauna nach jeweils aktuellem Stand der Technik bestmöglich geschont werden (z.B. Balkenmäher).“

Mai 2015: Detert Brummer-Bange bei dem Artenvielfalt-Ackersaum, den er 2011 angelegt hat.

Dass zwei Samtgemeinderäte aus Ankum besonders viel Sachkompetenz zu den Themen Artenvielfalt und naturnahe Pflege einbringen können, liegt an einer Konstellation, wie es sie so kein zweites Mal in der Samtgemeinde gibt.

Blühstreifen in Ankum.

Ralf Gramann, Gärtnermeister von Beruf und zuständig für die Anlagen der Kirchengemeinde inklusive Friedhof, und Ankums Bürgermeister Detert Brummer-Bange sind nicht nur vom Fach, sondern bildeten zudem das Tandem, das in Ankum bei der ersten ökologischen Aufwertung einer Gemeindefläche mit Hegebusch und Blühstreifen tatkräftig mit zugepackt hat. Detert Brummer-Bange hat zudem bereits 10 Jahre Erfahrung mit der Hege & Pflege von Blühstreifen und -flächen.

 

„Die falsche Pflege ist der Tod jedes artenreichen Saums an Wegen und Straßen“.

Zum Bioland-Hof Brummer-Bange, der gerade erst ausgezeichnet wurde für sein Engagement zum Erhalt der Artenvielfalt (mehr dazu hier), gehört z. B. ein Feld in Richtung Holsten. Den Blühstreifen entlang dieses Stück Ackers legte Detert Brummer-Bange bereits 2011 an, gemeinsam, wie er sagt, mit einem Imker.

Erfahrungsbericht im Oktober 2020, nach 9 Jahren Pflege dieses Beitrags zur Artenvielfalt.

Vor wenigen Monaten, im Oktober 2020, teilte er per Facebook mit, was sich seiner Erfahrung nach an naturnaher Pflege bewährt hat. „Die falsche Pflege ist der Tod jedes artenreichen Saums an Wegen und Straßen“, bringt er die Sache auf den Punkt. Die richtige Pflege setzt Wissen voraus, und so gehört zu dem, was sich die Samtgemeinde vornehmen will, auch eine entsprechende Schulung von Bauhof-Mitarbeitenden.

 

„Mulchen ist eine besonders tierschädliche Art der Pflege“.

Wo es blüht, simmt und brummt es.

Warum müssen im Zuge der Umstellung auf eine naturnahe Pflege beim Bauhof der Samtgemeinde sogar Geräte ausgemustert und neue angeschafft werden? Was hat es mit insektenschädlichen Schlegel-und Mulchgeräten auf sich? klartext fragte.

„Um es mal ganz salopp auszudrücken“, so Ralf Gramann, „insektenschädliche Mulcher mähen z.B. mit sehr schnell rotierenden Schlegeln und hacken zugleich alles kurz und klein“. Das laufe auf den Tod vieler Insekten hinaus, denn die hätten keine Chance zu flüchten. „Darum ist Mulchen eine besonders tierschädigende Art der Pflege“, so der Ankumer Gärtnermeister.

Ralf Gramann und Helfer bei der Arbeit im März 2019: Gepflanzt wurden auf einer Gemeindefläche bei der Siedlung „Im Grunde“ Hunderte Sträucher und viele Bäume, wo zuvor nur Rasen war.

Als besonders tierschonend gilt die Mahd mit Messerbalken. Warum eigentlich? Zu den Vorteilen von Balkenmähern sagt Detert Brummer-Bange: „Balkenmäher haben ein horizontal liegendes Schneidwerk, eine geringen Mähgeschwindigkeit, und es gibt keine Ansaugwirkung. Aus diesen Gründen werden Tiere kaum geschädigt und durch die geringe Mähgeschwindigkeit haben z. B. Insekten auch Zeit zu flüchten. Ein weiterer Vorteil: „Bei Balkenmähern werden die Pflanzen durch einen sauberen Schnitt kaum verletzt, erholen sich besser und wachsen auch wieder schneller.“

Ökologisch wertvoll. Randstreifen an Wegen und Gewässern liefern mit ihren Wildblumen Nektar für Insekten, deren Samen sind im Herbst und im Winter Nahrung für Vögel wie Rebhuhn, Fasan, Birkenzeisig, Feldsperling und Goldammer. Die Kräuter und Blattpflanzen werden von Hasen, Kaninchen und Schmetterlingsraupen verzehrt.

2016 waren in Kettenkamp auf Wegestreifentour (v. links): Klaus Schlüwe, Ludger gr. Holthaus, Bernd Schwietert, Dr. Horst Baier und Hendrik Lohbeck, der Leiter des Bauhofs der Samtgemeinde.

 

Schon Beschlüsse gefasst? „Im Ankumer Gemeinderat haben wir uns noch nicht mit der Sache befasst“.

Die Samtgemeinde unterhält laut ihrer Beschlussvorlage nur „ca. 70 km Straßen in eigener Verantwortung“. In die Verantwortung der Mitgliedsgemeinden fallen über 900 km Straßen.

Der Samtgemeinderat hat im Oktober 2020 einen Beschluss gefasst, wonach die Verwaltung beauftragt wird, „die beabsichtigte Umstellung der Arbeit des Bauhofs an Wegseitenrändern und öffentlichen Grünanlagen mit den Mitgliedsgemeinden abzustimmen und entsprechende Arbeitsprogramme aufzustellen“.

„In den einzelnen Gemeinden bereits durchgeführt…“? Laut klartext-Nachfrage in Ankum und Bersenbrück jedenfalls noch nicht. (Ausschnitt aus der Beschlussvorlage, aus dem Ratsinformationssystem heruntergeladen am heutigen 26. April, 13.50 Uhr).

Auf Seite 4 der Beschlussvorlage ist der Satz zu lesen: „In den einzelnen Gemeinden wurden diese Diskussionen bereits durchgeführt und es liegen hier entsprechende Beschlüsse der Gemeinderäte vor“. Ein Satz, der Ralf Gramann irritiert. „Im Ankumer Gemeinderat“, sagt er, „haben wir uns jedenfalls noch nicht mit der Sache befasst und folglich gibt es auch noch keinen Beschluss dazu.“ Irritation auch bei zwei Stadträten in Bersenbrück. Dort habe es ebenfalls noch keine Beratungen und einen Beschluss in dieser Sache gegeben.

Fortsetzung der ökologischen Aufwertung von Flächen in Ankum im November 2020: Ralf Gramann und ein Mitarbeiter des Bauhofs der Samtgemeinde.

 

In den Gemeinden beraten, um es den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber gut vertreten zu können.

Laut Beschlussvorschlag sollen im Zuge der Umstellung auf eine naturnahe Pflege z. B. Karten/Steckbriefe (analog oder digital) erarbeitet werden, um „den umsetzenden Mitarbeiter*innen des Samtgemeinde-Bauhofs eine konkrete Handlungsanleitung“ zu geben.

Foto vom 22. März diesen Jahres: rabiat gestutzt.

Zu den Dingen, die erarbeitet werden sollen, gehört u.a., Bereiche festzulegen, die aus Gründen der Verkehrssicherheit intensiv bearbeitet werden müssen. Schließlich brauchen Verkehrsteilnehmer eine freie Sicht. Und so kann sich Natur nicht überall frei entfalten. In den Karten vermerkt werden sollen nach und nach auch Wege, die nicht mehr gemäht werden.

Wo wird wie gemäht, wo gar nicht mehr und vieles mehr: Natur bietet schnell mal Zündstoff, so jüngst in Ankum, wo eine Eiche gefällt und Bäume drastisch beschnitten wurden. Was die Ausgestaltung der naturnahen Pflege von kommunalen Flächen angeht und die Umstellung der Arbeit des Bauhofs der Samtgemeinde, ist es Ankums Bürgermeister Brummer-Bange „sehr  wichtig, dass der dafür zuständige Ausschuss der Gemeinde und der Ankumer Gemeinderat sich damit ausführlich beschäftigen, damit am Ende die getroffene Entscheidung auch gut gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern vertreten werden kann“.

Dass es am Feldrand blüht: Was früher normal war, ist heute die Ausnahme.

 

Verena Kastner ist passionierte Hobby-Imkerin. © privat.

„Das soll so sein“. Bei Bürgerinnen und Bürgern Überzeugungsarbeit leisten.

Bäume, Gemüseanbau und Bienenstöcke bei Ralf Gramann und Verena Kastner in Holsten. Obst und Gemüse frisch aus dem Garten auf den Teller, Honig aus eigener Ernte –  Naturliebhaber und Beförderer der Artenvielfalt gibt es so einige in den Orten der Samtgemeinde, aber die Kontraste sind teils groß.

Wie der z. B. auch in Ankum ausgeprägte Trend zu Schottergärten zeigt, haben zahlreiche Bürgerinnen und Bürger mit Natur auf ihrem eigenen Grundstück nicht mehr viel am Hut (mehr dazu hier).

Je ordentlicher, sprich gestutzter alles aussieht, desto besser – damit halten’s immer noch zahlreiche Bürgerinnen und Bürger. Um das Blatt zu wenden, will die Samtgemeinde die Umsetzung der Maßnahmen zur naturnahen Pflege der Wegeseitenränder und der öffentlichen Grünanlagen durch eine „breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit“ begleiten. werden. Dabei gelte es, „den Ordnungsbegriff für Natur und Landschaft unter dem Motto ,Das soll so sein‘ im Sinne der Landschaftspflege neu zu definieren“.

Schottergärten statt blühende und grünende Pflanzenvielfallt: So wird das Artensterben befördert.

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