Drei Stunden dauerte die Veranstaltung zum Stromtrassen-Verfahren. Durch Auftritt und Haltung erwies sich Udo Biemann („Hackemoor unter Strom“) als starker Bürgervertreter.
Fünf Experten saßen in Ankum auf dem Podium und trafen auf etwa 80 Menschen, die der Einladung der Gemeinde Ankum gefolgt waren. Wer auf Signale gehofft hatte, dass die Stromtrasse von Conneforde nach Merzen noch gekippt werden kann, wurde enttäuscht. Alle Experten, einschließlich des Vertreters der Bürgerinitiative, ließen wissen: Es ist davon auszugehen, dass die Trasse kommt. Die Frage ist nur noch: Wo genau wird sie verlaufen?
Egal wo, es wird „Betroffenheit“ geben.
Das Wort Betroffenheit fiel in den drei Stunden immer wieder. Dass Orte und damit Bürger in Ankum und andernorts in der Samtgemeine von der Stromtrasse betroffen sein könnten, hat die Bürgerinitiativen und auch die Politik auf den Plan gerufen. Es wird Betroffenheiten geben, stellten alle, die auf dem Podium saßen, fest – egal wo die Trasse verläuft. Das Ziel des anstehenden Verfahrens könne nur sein, dass am Ende dort „ein Strich auf der Karte gezogen wird“, so Bernhard Heidrich (Amt für regionale Landesentwicklung Weser Ems), wo die geringste Betroffenheit ist. „Wir suchen“, so Heidrich für seine Behörde, die sich auf einen Korridor festlegen wird und muss, „einen möglichst konfliktarmen Korridor“.
Ob Merzen, Gehrde, Alfhausen oder Ankum: Es gibt mehrere Bürgerinitiativen, die seit einigen Monaten gegen den Bau einer Stromtrasse mobil machen. Teilen sie das Ziel, dass die Trasse gebaut wird, wo die geringste Betroffenheit ausgemacht wird oder dominiert das St.-Florians-Prinzip „Hauptsache weg vom eigenen, von meinem Ort“?
„Betroffenheit nicht woanders hinschieben“.
Udo Biemann, der Vorsitzende der Merzener Bürgerinitiative „Hackemoor unter Strom“, übte sachliche Kritik und legte ein Bekenntnis ab. Biemann sagte: „Wir wollen die Betroffenheit nicht woanders hinschieben. Wenn Hackemoor der Standort mit der geringsten Betroffenheit ist, dann akzeptieren wir das. Dann kann man auch die Leute aus unserem Verein mitnehmen.“ Entscheidend für Biemann ist jedoch, dass die Prozesse transparent und nachvollziehbar sind. Und da sieht er Defizite.
Der Verein „Hackemoor unter Strom“ hat um die 800 Mitglieder, darunter nicht wenige aus Ankum. Ein starker Rückhalt, so der Vorsitzende, ermöglicht der Bürgerinitiative Verhandlungen „auf Augenhöhe“. Die Mitgliedschaft ist kostenlos. Der Verein finanziert sich durch Spenden. Wer ihn unterstützen möchte: www.hackemoorunterstrom.de
„Transparent und nachvollziehbar prüfen“.
Udo Biemann formulierte unmissverständlich, was von Amprion erwartet wird: Man will nicht glauben, sondern wissen. Transparenz, so Biemann, sei bei Amprion „nicht in jedem Fall gegeben“. Als ein Beispiel nannte er: „Niemand konnte uns wirklich erklären, warum über ein Umspannwerk in Merzen in einem schnellen Verfahren entschieden wird, in Cloppenburg aber anders verfahren wird“. Er forderte zudem die Prüfung von Alternativstandorten für ein Umspannwerk (z. B. Militärgelände in Neuenkirchen-Vörden, Niedersachsenpark).
„Warum sollten wir uns gegen einen Standort Industriegebiet sperren“, hielt Arndt Feldmann (Amprion) dagegen, und wollte damit wohl ausdrücken, man habe sich aus gutem Grund für Merzen entschieden. Die Bürgerinitiative fordert mehr als Beteuerungen. Sie will überprüfbare Fakten sehen. Merzen, machte Biemann deutlich, wird ein Umspannwerk nur akzeptieren, wenn alle Alternativen, die in Frage kommen könnten, geprüft werden und „nachvollziehbar“ dargelegt wird, dass und warum die Betroffenheiten in Merzen geringer sind als anderswo. Er begrüßte, dass ein runder Tisch zum Thema Umspannwerk eingerichtet wird.
Runder Tisch. Kreisrat Winfried Wilkens verwies darauf, dass auch der Landkreis sich dafür einsetzte, dass über ein Umspannwerk in Merzen nicht in einem schnellen Verfahren wird. „Das wurde angelehnt“. Durchgesetzt werden konnte, dass ein runder Tisch eingerichtet wird. Viel Zeit bleibt dem nicht: „In einem halben Jahr“, so Wilkens, „werden wir schlauer sein, was die Umspannanlage angeht.“
Mensch, Natur, Geld: Was gibt am Ende den Ausschlag?
Derzeit wird überall, wo eine Trasse entstehen könnte, zusammengetragen, was einer Trassenführung entgegenstehen könnte. „Die Gemeinde Ankum“, so Bürgermeister Detert Brummer-Bange am Rande der Veranstaltung, „erarbeitet ein Papier, in dem alle Raumwiderstände geltend gemacht werden, die gegen eine Trassenführung über Ankumer Gebiet sprechen“. Aber wie – nach welchen Kriterien – entscheiden die Entscheider?
Ob Vogel oder Käfer: Streng geschützte Tierarten sind, wie streng geschützte Pflanzen, mächtige Gegenspieler vieler Projekte und können sie kippen. Gerät der Mensch darüber ins Hintertreffen? Welchen Stellenwert, fragte das UWG-Ratsmitglied Holger Bokeloh und erntete dafür viel Zustimmung, hat der Mensch? Mensch und Natur, antwortete Heidrich, seien ausschlaggebende Kriterien bei der Entscheidung über einen Trassenverlauf. Es sei die schmale Schneise zu finden, wo man zwischen Mensch und Natur durchkomme. „Der Mensch“, stellte Heidrich fest, „wird hoch gewichtet“.
Ebenfalls ein Faktor: Die Kosten.
Dass auch die Kosten ein Faktor sind, kam ebenfalls zur Sprache. „Die Energiewende“, so Arndt Feldmann, „wird vom Bürger bezahlt.“ Er verwies im Zusammenhang mit dem Umspannwerk in Merzen zudem auf eine mächtige und zumeist unsichtbare Instanz: die Bundesnetzagentur: „Die Bundesnetzagentur macht Druck.“
Bestätigung für seine Worte kam aus Berlin. Dort fand am 31. Mai, dem Tag der Ankumer Info-Veranstaltung, ein Spitzentreffen von Bund und Ländern zum Stand der Energiewende statt. Die Botschaft: Stetig steigende Strompreise sollen verhindert werden, und es sollen schleunigst mehr Leitungen zur Verfügung stehen, damit es mit der Energiewende vorangeht.
Erdverkabelung. Kreisrat Wilkens verwies auf das Engagement des Landkreises für eine teilweise Erdverkabelung („der Einsatz des Landkreises war erfolgreich“). Konfliktfrei sei aber auch die nicht, so der Kreisrat, denn da stellen Landwirte die Frage „was macht das Kabel mit meinem Acker?“.
Trasse und Umspannwerk Merzen sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Kein Umspannwerk in Merzen, sondern woanders – damit war und ist die Hoffnung verbunden, dass die Trassenvariante D (entlang der Autobahn) kommen wird, und dass die Orte der Samtgemeinde dadurch kaum noch von der Trassenführung betroffen sein werden. Ist dem so?
Bernhard Heidrich stellte fest: „Die Umspannanlage hat mit der Leitung nichts zu tun“. In Merzen gebe es, so Heidrich, anders als in Cloppenburg, ein „T-Stück“. Mit der Folge: Selbst wenn eine Umspannanlage in Neuenkirchen-Vörden stünde, müsse die 380kv-Leitung zum T-Stück Merzen geführt werden.
Ein weiterer Punkt: In Merzen muss der von den zahlreichen Windkraftanlagen produzierte Strom aufgenommen werden. Der könne nicht auf „Landstraßen“ (110kv-Leitungen) transportiert werden. Im Merzen gibt es bereits eine „Autobahn“ (380kv-Leitung), sodass man den Strom dort „hochtransformieren“ kann und will. Alles sehr kompliziert…
Dass im Publikum weitestgehend Schweigen herrschte und sich nur wenige zu Wort meldeten, ist mehr als nachvollziehbar. So anschaulich Bernhand Heidrich auch formulierte: Wer nicht über Fachwissen verfügt und Berge von Material durchgearbeitet hat – für Bürger ist das gar nicht zu leisten –, ist bei Vielem nicht in der Lage zu beurteilen oder kritisch zu hinterfragen, was von Expertenseite gesagt wird.
Zu ahnen war jedoch: Auch wenn sich der Vertreter der Bürgerinitiative und andere, die auf dem Podium saßen, darin einig waren, dass es um das Ziel „geringstmögliche Betroffenheit“ geht – wer da was wie bewertet, da können die Positionen wohl noch sehr weit auseinandergehen. Zu erwarten ist, dass sich das auch am demnächst startenden runden Tisch zum Umspannwerk Merzen zeigen wird. Das abschließende Wort hatte Ankums Bürgermeister Detert Brummer-Bange. Er machte deutlich, dass Ankum alles in die Waagschale werfen wird, was gegen einen Trassenverlauf über Ankumer Gebiet spricht.