Ein Kommentar von Rita Stiens
…, das erlebten die Besucher am Tag der offenen Grundschul-Tür in Ankum. Diese Schule ist für die ganze Samtgemeinde ein Lehrstück in Sachen Transparenz und Beteiligung.
Dass Rektor Josef Gäbken wie auch die beiden hauptbeteiligten Politiker – Samtgemeindebürgermeister Dr. Horst Baier und Ankums Bürgermeister Detert Brummer-Bange (UWG) – am Einweihungstag der Grundschule in ihren Reden einige Jahre zurückschauten, hatte einen guten Grund: Ankum erlebte damals eine Zerreißprobe.
2012, als Horst Baier sein Amt antrat, sah er, wie er in seiner Rede sagte, einen „großen Leidensdruck“. Diese Äußerung bezog sich auf den beklagenswerten Zustand der alten Grundschule an der Kolpingstraße. Wie der Grundschule eine bessere Zukunft eröffnen? Ankum stand vor der Frage, ob die Schule am bisherigen Standort bleibt, dort saniert bzw. neu gebaut wird, oder ob sie umzieht ins Schulzentrum am Kattenboll.
Die Schule bleibt, wo sie ist. Das wünschten sich viele Ankumer, inklusive Rektor, Lehrer, Eltern der Grundschulkinder. Wenn Bürgerwünsche und -bedenken groß sind, wenn die Stimmung emotional aufgeladen ist und die Wellen hoch schlagen, geraten Politiker in schweres Fahrwasser.
„Was macht man in einer solchen Situation?“
Horst Baier geriet nach seinem Wahlsieg in dieses Fahrwasser. „Was macht man in einer solchen Situation?“, fragte er in seiner Rede bei der Einweihung. Da die Samtgemeinde für Grundschulen zuständig ist, lag die Entscheidung über die Zukunft der Grundschule bei der Samtgemeinde.
„Es gab“, beschrieb Baier die Ausgangslage „in Ankum ein leer stehendes Schulgebäude am Kattenboll, das auch bereits energetisch saniert war“. Und es gab den Wunsch vieler Ankumer nach einem Grundschul-Neubau am alten Standort Kolpingstraße. Was tun? Es ging um viel: Um starke Emotionen (ein traditionsreicher Standort), um Kostenunterschiede in mehrfacher Millionenhöhe, um eine optimale moderne Pädagogik.
Horst Baier war mit dem Versprechen „offener, transparenter Politikstil“ in den Wahlkampf gezogen. In der Grundschul-Frage stand dieses Versprechen ab dem ersten Tag des Amtsantritts auf dem Prüfstand und vor einer Bewährungsprobe.
Die Bürger einbeziehen und beteiligen.
Umbau, Neubau, Umzug: Nachdem die Zahlen für die unterschiedlichen Möglichkeiten auf dem Tisch lagen, ging Baier im November 2012 gleich in große Öffentlichkeit. Er lud zu einem Informationsabend, um die Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungsmöglichkeiten darzulegen. Hunderte Bürger nahmen daran teil und zeigten, was sie favorisierten: den Erhalt des bisherigen Grundschulstandorts.
Im Bersenbrücker Kreisblatt war zu diesem Info-Abend zu lesen: „Ankums Bürgermeister Deter Brummer-Bange (UWG) erklärt, bislang habe es ,ein klares Votum für den Erhalt der Grundschule an Kolpingstraße gegeben‘. Demonstrativ kräftiger Applaus folgt. Dann dankt er Baier, dass er so früh an die Öffentlichkeit geht und die Diskussion sucht: ,Das hatten wir noch nie.‘ Wieder Applaus, aber verhalten.“
Mit der Wahl von 2011 veränderte sich die politische Landschaft: Erstmalig seit 40 Jahren verlor die CDU in Ankum und in der Samtgemeinde ihre Mehrheit. In Ankum gewann die UWG, in der Samtgemeinde stellt ein Bündnis aus SPD, Grünen und UWGs die Mehrheit.
Statt „Basta“ ein breiter „Beteiligungsprozess“.
„Es begann“, sagte Baier in seiner Einweihungsrede mit Blick auf diese Zeit „ein Beteiligungsprozess“ – und beschrieb damit eine Herkulesaufgabe und ein in der Samtgemeinde bis dahin nie dagewesenes politisches Handeln: Kein Basta, sondern der mühsame wie auch spannende und am Ende fruchtbare Weg, den unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden. Mit dem Beteiligungsprozess, den Baier eröffnete, mit dem Zusammenkommen aller, begannen für die Beteiligten intensive, anstrengende Monate und Jahre. Das gute Ende: In Ankum entstand ein Vorzeigeprojekt, eine Grundschule, die ihresgleichen sucht.
Der Rektor als engagierter „Sparringspartner“.
Die Schule, so Ankums Bürgermeister zu diesem ganz entscheidenden Partner des Beteiligungsprozesses, habe sich konstruktiv, kritisch und mit vielen Forderungen eingebracht. „Das“, so Brummer Bange, „war richtig“. Horst Baier sprach davon, dass Rektor Gäbken das Projekt Grundschule „engagiert begleitete und intensiv für die Schule kämpfte“. „Schade“, so Baier zum anstehenden Ruhestand des Rektors, „dass Sie gehen“. Als „Sparringspartner“ in dem Beteiligungsprozess sah sich der Rektor selbst.
Der Lohn der Transparenz: Statt Zerrissenheit eine herausragende Schule.
Beteiligungsprozesse sind keine gemütlichen Kaffeekränzchen, und das war auch der Ankumer Beteiligungsprozess nicht. Von einer spannenden und unruhigen Zeit sprach Rektor Gäbken. „Es war nicht einfach“, sagte auch Bürgermeister Detert Brummer-Bange, aber „wir haben es mit einem breiten Bündnis geschafft“.
Geschafft wurde zweierlei: Zum einen, was Brummer-Bange am Tag des Umzugs der Grundschule zum Kattenboll so beschrieb: „Ich meine, dass alle, die die Schule erleben, zu dem Eindruck gelangen, dass wir Wort gehalten haben, als wir versprachen, dass Ankum eine herausragend gute Schule bekommt“.
Geschafft wurde aber auch Entscheidendes auf der politischen Ebene: An die Stelle der weiteren emotionalen Aufheizung trat mehr und mehr ein sachorientiertes, auf umfassende Informationen gestütztes Ringen um die beste Lösung – um die beste Lösung für die Schule und ihre Kinder. „Dass es um die Sache“ geht – für die UWG Ankum, stark geprägt von den jahrelangen politische Querelen und persönlichen Angriffen innerhalb der CDU Ankum, in deren Folge 2011 sogar der CDU-Bürgermeister und sein Stellvertreter zurücktraten, ein hohes Gut. Im Interview mit klartext nannte Dirk Raming als entscheidenden Grund für die Gründung der UWG, „dass es so, wie es damals gelaufen ist nicht weitergehen kann und soll. Es sollte wieder deutlich mehr um die Sache gehen“. Die Sache, um die es bei der Grundschule ging, war der verantwortliche Umgang mit Steuergeldern in Kombination mit dem Ziel, so Detert Brummer-Bange, eine „herausragend gute Schule zu bekommen“.
„Nun kommt einer daher und sucht das offene Gespräch“.
Im März 2013 fiel im Samtgemeinderat die Entscheidung darüber, dass die Grundschule Ankum zum Kattenboll umzieht und dass dort eine Grundschule entstehen soll, die hohen pädagogischen Anforderungen entspricht. Einige Monate später, im Dezember 2013, war im Bersenbrücker Kreisblatt über die seit dem Amtsantritt geleistete Arbeit von Dr. Horst Baier zu lesen: „Der offene Politikstil des Samtgemeindebürgermeisters und das Tempo, mit dem er Ideen einbringt, sind gewöhnungbedürftig“. Baier, so das BKB, „sucht das offene Gespräch mit den Betroffenen“, „die Prozesse sind offener geworden“.
Eine Erkenntnis des offenen Prozesses zur Ankumer Grundschule war, dass selbst ein teurer Neubau hinter dem zurückgeblieben wäre, was der im Gebäude am Kattenboll vorhandene Platz an pädagogischen Möglichkeiten eröffnete. Wie viel Platz in dieser Schule ist, davon konnten sich die vielen Besucher am Tag der offenen Tür überzeugen. Eine Schule dieser Größenordnung neu zu bauen, wäre unfinanzierbar gewesen.
Die Ankumer CDU-Räte gingen den Weg nicht mit. Der Ankumer CDU-Ratsherr Günther Kosmann erklärte im Samtgemeinderat, dass er und Ratsfrau Bergen sich bei der Abstimmung für den Erhalt des Standorts an der Kolpingstraße aussprechen werden“.*
„Offener Politikstil“: Nach wie vor ein Thema.
Das Projekt Grundschule Ankum ist ein Paradebeispiel für einen Beteiligungsprozess, für einen offenen und transparenten Politikstil. Dass das Ziel – eine top Grundschule – erreicht wurde, daran ließ bei der Einweihungsfeier niemand einen Zweifel. Die neue Schule sei, so Rektor Gäbken, „eine Gemeinschaftsleitung“: der Politiker, der Lehrer, Eltern, Architekten und Handwerker.“ Der Weg hin zu dieser Gemeinschaftsleistung begann mit der Eröffnung des Beteiligungsprozesses im November 2012, als Horst Baier zur Bürgerversammlung in Ankum einlud.
Transparenz im politischen Alltagsgeschäft: Das praktiziert die Samtgemeinde mit dem von Baier eingeführten Ratsinformationssystem. Interessierte können sich dort umfassend über Beschlussvorlagen und anderes informieren. Bersenbrück, Ankum und Gehrde sind auch mit dabei, die anderen Gemeinden weiterhin nicht. Mehr dazu hier.
Transparenz und Bürgerbeteiligung sind nach wie vor ein großes Thema. Defizite wurden auch in jüngster Zeit sichtbar. Die nicht-öffentliche Ratssitzung ist zum Beispiel ein Instrument der Politik hinter verschlossenen Türen. Um nur zwei Beispiele zu nennen: In Rieste hätte zum Beispiel über die jüngsten Umgestaltungspläne zum Ehrenmalplatz in öffentlichen Sitzungen verhandelt werden müssen und nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit. In Alfhausen schlug die intransparente Behandlung der Angelegenheit „Kindergarten-Grundstück“ hohe Wellen.
Wie groß die Bereitschaft zur Transparenz ist, zu einer umfassenden Information der Bürger und dazu, sie an Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen, zeigen nicht Worte, sondern nur Taten – im Kleinen wie im Großen. Wie groß diese Bereitschaft ist, zeigt sich nicht zuletzt auch am Umgang mit der jeweiligen Opposition – mit ihrem Recht auf Information, auf zügige Behandlung ihrer Anträge usw.
*Niederschrift über die Sitzung des Samtgemeinderats am Montag, 11. März 2013.