Der Bürgermeister von Rieste zu adidas, Wohnraum und Alfsee

Ein Magnet am Alfsee: Die Wasserski-Anlage.

Wie sieht der Riester Bürgermeister Sebastian Hüdepohl (CDU) adidas ­– nach der sehr laut gewordenen Kritik an dem Sportartikel-Hersteller? Dessen Logistikzentrum liegt im Niedersachsenpark. Rieste ist Gesellschafter des Niedersachsenparks und wird seine Anteile aufstocken. Außerdem ermöglichte der Riester Rat eine Erweiterung des Niedersachsenparks.

Sebastian Hüdepohl wurde 2011 zum Bürgermeister von Rieste gewählt. Sein Vorgänger war Anton Harms, heute Geschäftsführer der Alfsee GmbH. Im Riester Rat stellt die CDU mit acht Sitzen die Mehrheit.

 

Roma Korytkowska sprach mit klartext über ihre Arbeit bei adidas.

Roma Korytkowska sprach mit klartext über ihre Arbeit bei adidas.

Bei adidas hat sich nichts zum Besseren gewendet.

Das jedenfalls sagt Roma Korytkowska. Sie ist eine der vier Menschen, die den Mut hatten, mit der ZEIT zu sprechen. klartext traf sie bei sich zu Hause und wird in wenigen Tagen über das Gespräch mit ihr berichten.
Die polnische Leiharbeiterin, die weiterhin bei adidas arbeitet, kann von einem zufriedenstellenden Leben oder gar vom Hausbau nur träumen. 824,67 Euro weist ihr monatlicher Gehaltszettel für 182, 21 Stunden Arbeit aus. Ihr Lebensgefährte, der auch bei adidas arbeitete, wurde, wie zahlreiche andere, ohne Angabe von Gründen gefeuert. Das Ergebnis: Hartz IV. Nun drängt ein nächstes Problem: Es muss eine preiswertere Wohnung her. Aber wo eine günstige Mietwohnung finden?

 

Wird adidas erweitert?

Gesprächspartner von klartext berichten, dass adidas erweitert werden soll und muss. Das könnte auf unterschiedliche Weise geschehen: adidas könnte eine weitere Halle bauen, könnte sich aber auch in eine leer werdende Hallen einmieten.

 

Rieste und der Alfsee.

Wirtschaftlich ist die Gemeinde Rieste eng mit adidas – und mit dem Alfsee verbunden. Das Alfsee-Areal liegt in Teilen auf Riester Grund und Boden. Dort befinden sich die großen touristischen Einrichtungen wie das Hotel Piazza, der Campingplatz, die Jugendherberge und das Sport- und Spaßangebot. Mehr zum Alfsee-Tourismus hier.

 

Sebastian Hüdepohl (CDU), Bürgermeister von Rieste

Sebastian Hüdepohl (CDU), Bürgermeister von Rieste

Fragen an den Riester Bürgermeister Sebastian Hüdepohl

klartext: Herr Bürgermeister Hüdepohl, adidas setzt, anders als beim Start in Aussicht gestellt wurde, massiv auf Leiharbeit. Fast 70% Leiharbeiter, vielleicht derzeit sogar schon mehr. Reden wir einmal nicht über die Probleme der Arbeiter von adidas. Viele, viele Leiharbeiter aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern wohnen zwar hier, in Rieste und Umgebung, halten ihr Geld aber zusammen, um es mit nach Hause zu nehmen, sie kommen und gehen. Ist eine Arbeitskräftestruktur, wie sie bei adidas Realität ist, tatsächlich ein Gewinn für Rieste und diese Region?

Antwort: Die Zeitarbeiter sind natürlich nicht nur in Rieste, sondern in der ganzen Region, meines Wissens nach auch in Steinfeld, Wallenhorst oder Ankum untergebracht. Und selbstverständlich arbeiten auch Deutsche, die hier bereits vorher wohnten, bei den Leiharbeitsfirmen.
Grundsätzlich kann man niemandem vorschreiben, wann und wo er wie sein Geld ausgeben soll. Wenn es jemand spart, ist das durchaus auch sinnvoll. Das machen viele Beschäftigte in normaler Anstellung ja auch – wenn denn mal ein Euro über ist!
Wichtig aber ist, dass einem der Job überhaupt noch die Zeit lässt, um sich in seiner Freizeit in sein Umfeld einzubringen, die Umgebung kennen zu lernen und auch Geld auszugeben. Wir freuen uns über jeden, der hier in der Region wohnt, wenn auch nur für kürzere Zeit: Jeder Mensch ist eine Bereicherung!

 

klartext: adidas plant, zumindest nach klartext-Informationen, eine Erweiterung, weil das Werk bei Hochbetrieb schon seit längerem aus allen Nähten platzt. Zudem soll das adidas-Logistikzentrum Rieste das Konzernwachstum vorantreiben. Auch das könnte für eine Erweiterung sprechen. Wissen Sie von Erweiterungsplänen? Wurde schon eine Erweiterung beantragt und welche Flächenoptionen hätte adidas für eine Erweiterung?

Antwort: Die laufenden, operativen Geschäfte regelt die Geschäftsführung. Fakt ist aber, dass aktuell bei der Gemeinde Rieste kein Antrag auf einen Erweiterungsbau von adidas vorliegt. Flächen sind im Niedersachsenpark noch vielfältig vorhanden, und wir freuen uns auf interessante neue Firmen. Sinnvoll wäre natürlich produzierendes Gewerbe, aber auch andere Sparten sind grundsätzlich willkommen.
Generell sehe ich es so, dass wir als Gesellschafter im Niedersachsenpark im Vorfeld von neuen Firmenansiedlungen – intensiver als in der Vergangenheit – Gespräche führen müssen:
Wir müssen meines Erachtens im Rahmen unserer Möglichkeiten konkreter hinterfragen, was für Stellen geschaffen werden sollen, woher die Arbeitnehmer kommen, wo sie wohnen, wie sie untergebracht werden können und wer das alles organisiert.

 

Die Arbeits- und Lebensbedingungen der adidas-Leiharbeiter stehen weiterhin in der Kritik.

Die Arbeits- und Lebensbedingungen der adidas-Leiharbeiter stehen weiterhin in der Kritik.

klartext: Wie schätzen Sie die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt ein? Die Arbeiter von adidas sollen und wollen zum Beispiel möglichst nahe am Arbeitsplatz wohnen. Hat Rieste schon seine Grenze erreicht? Könnten Hunderte weiterer Arbeitnehmer bei adidas bzw. im Niedersachsenpark überhaupt noch Wohnraum finden?

Antwort: Da schließen wir an die vorangegangene Frage an: Wo können die Arbeitskräfte vernünftig untergebracht werden? Diese Vermittlungstätigkeiten für Arbeitnehmer von adidas übernimmt aktuell die Alfsee GmbH. Kurzfristig ist das in Ordnung. Auf Dauer und in zunehmenden Umfang kann dieses meines Erachtens aber sicher auch nicht die Lösung sein, da die GmbH einen ganz anderen Aufgabenbereich hat.
Für mich sind es keine Arbeitskräfte, sondern neue Bürger. Denn wir wollen, dass die Leute hier arbeiten, aber insbesondere auch wohnen und leben. Die Gemeinde Rieste hält Baugebiete vor, die aktuell sehr stark nachgefragt werden. Hier entstehen aber Einfamilienhäuser oder Häuser mit vielleicht zwei oder drei Mietwohnungen.
Es soll auch in Zukunft in unserer Gemeinde keine Siedlungen mit Mega-Wohnblöcken geben. Aber wir müssen uns Gedanken machen, wie weiterer Wohnraum geschaffen werden kann. Wir wollen ein gesundes, urbanes Wachstum. Und wenn man sich die Einwohnerzahlen ansieht, stellt man fest, dass diese in Rieste in den letzten 25 Jahren schon von knapp über 2000 auf aktuell rund 3400 Einwohner gestiegen sind.
In Zeiten des demographischen Wandels sind das natürlich positive Werte. Aber auch dieses muss erst einmal bewerkstelligt und verkraftet werden, denn die Infrastruktur muss ja auch mitwachsen. Daher ist es gut, dass auch umliegende Gemeinden sich darauf einstellen und von der Entwicklung profitieren. Auch sie weisen neue Baugebiete aus, und das ist auch gut und notwendig.

 

klartext: Rieste, das ist auch und nicht zuletzt der Alfsee. Wenn Sie an die Entwicklung des Alfsee-Tourismus denken, an das touristische Angebot am Alfsee: Was ist aus Ihrer Sicht gut, was könnte noch besser werden?

Naturschutz und Spaßangebote sind am Alfsee unter einen Hut zu bringen.

Naturschutz und Spaßangebote sind am Alfsee unter einen Hut zu bringen.

Antwort: Rieste ist ein staatlich anerkannter Erholungsort. Da haben wir vielfältige touristische Angebote und Aufgaben wie auch Radtourismus oder Bootstourismus auf der Hase. Rund um den Erholungspark Alfsee hat die Alfsee GmbH natürlich die Aufgabe, die Erholung nach besten und modernsten Möglichkeiten auszugestalten und modern aufzustellen. Wir müssen unseren Gästen auch dort immer wieder etwas Neues bieten und uns neu erfinden.
Der jetzt begonnene Bau des Vitalparks, eines Sauna- und Wellness-Bereichs, basiert grundsätzlich auf Plänen aus dem Jahr 2007. Damals war dieses noch integriert in eine Badelandschaft in den ebenfalls zu der Zeit angestoßenen Planungen für das Germanenland. Im Laufe der Jahre sind die Pläne weiter gereift, man hat sinnigerweise auf ein Bad verzichtet und den Wellness-Bereich eher in den Bereich des Hotels verlegt.
Die Realisierung des Germanenlandes ist nun der nächste Schritt, der umgesetzt wird. Der Bebauungsplan der Gemeinde Rieste steht, aktuell muss allerdings noch die Finanzierung des Projektes gesichert werden.
Doch all’ dieses sind Highlights, die notwendig sind, damit die Gäste immer wieder neue Gründe haben, nach Rieste zu kommen – ob als Tagesgäste oder als Camper, ob sie saunieren oder sich als Event in die Germanenzeit zurückversetzen lassen wollen. Und die Alfsee GmbH ist hier nur ein Teil des Ganzen, denn mittlerweile sind rund um den Erholungspark eine ganze Palette von Aktivitäten und Firmen entstanden. Dieses wird insgesamt von den Urlaubern als „Erholungspark Alfsee“ wahrgenommen.
Mir persönlich ist allerdings auch wichtig, dass man jetzt, nach der Klärung der naturschutzrechtlichen Problematik auf dem Alfsee, einerseits die Möglichkeiten des Naturschutzes nutzt und auf der anderen Seite endlich wieder daran geht, die dafür noch zur Verfügung stehende Fläche des großen Sees wieder für den Wassersport zu nutzen.
Hier wünsche ich mir mehr Einsatz der Alfsee GmbH, denn besonders der Wassersport ist immer noch das Kerngeschäft. Wirtschaftlich war und ist das natürlich weiterhin kein großer Pluspunkt. Aber es ist wichtig, dass wieder Leben auf dem See stattfindet, dass Surfer, Tret- oder Ruderboote auch dem auf der Deichkrone vorbeifahrenden Gast schon von Weitem die Aktivität und Attraktivität des Erholungsparks vermitteln. Auch hiervon lebt das Image der gesamten Region.

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Ein Kommentar

  1. Sophie

    So dramatisch ist die Lage bei adidas nicht. Denke Frau Roma Korytkowska ist einfach frustriert und verärgert. Ich finde adidas ist guter Arbeitgeber, der sich auch um ihre Mitarbeiter kümmert. Spreche aus Erfahrung., weil ich auch da arbeite. Was das Gehalt angeht, das Problem liegt bestimmt an ihrer Steuerklasse ☺(6?) oder die Miete wurde schon abgezogen ,.? Ich würde mich an ihrer Stelle genau informieren. Und ich verstehe die Aufregung nicht, wenn ihnen bei adidas nicht gefällt, dann kann man nach was anderem Ausschau halten und Stundenlohn steht immer im Arbeitsvertrag, wenn Sie damit nicht einverstanden sind, warum haben sie unterschrieben ?

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