Dr. Horst Baier: Oberschulen stärken, Plädoyer für eine IGS

Einer der neuen Räume der Ankumer Oberschule.
Die Oberschulen stärken: Samtgemeinde-Bürgermeister Dr. Horst Baier (Bildmitte) feierte in Ankum die neuen Räumlichkeiten der Oberschule. Rechts der Architekt Klemens Hölscher.

Die Oberschulen stärken: Samtgemeinde-Bürgermeister Dr. Horst Baier (Bildmitte) feierte in Ankum die neuen Räumlichkeiten der Oberschule. Rechts der Architekt Klemens Hölscher.

Bis zu 80 von über 300 Schülerinnen und Schüler wandern alljährlich aus der Samtgemeinde Bersenbrück nach der Grundschulzeit ab und gehen außerhalb der Samtgemeinde zur Schule. 30 bis 40 dieser Schüler zieht es Jahr für Jahr zur Intergrierten Gesamtschule (IGS) in Fürstenau. Durch die IGS in Bramsche ist damit zu rechnen, dass die Anzahl der IGS-Abwanderer weiter steigt.

Einer der neuen Räume der Ankumer Oberschule.

Einer der neuen Räume der Ankumer Oberschule. Mehr dazu hier.

Die Zeiten des dreigliedrigen Schulsystems – Gymnasium, Real- und Hauptschule – sind vorbei. Eltern und ihren Kindern steht heute mit den Oberschulen (OBS) und Integrierten Gesamtschulen ein größeres Schulangebot zur Verfügung, und sie dürfen ihre Kinder über die Grenzen einer Samtgemeinde hinaus auf weiterführende Schulen schicken. Die Folge dieser Entwicklung ist, dass Schulen und Schulstandorte zunehmend in Konkurrenz zueinander stehen: Sie gewinnen Schüler oder verlieren Schüler. Verschärfend kommt der Rückgang der Schülerzahlen hinzu, der den Druck auf die Schulen erhöht.
Wie kann die Attraktivität der Oberschulen der Samtgemeinde Bersenbrück gestärkt werden, wie kann Abwanderung verhindert werden, das ist derzeit ein Top-Thema der Politik. klartext sprach darüber mit Samtgemeinde-Bürgermeister Dr. Horst Baier. Für ihn sind auch die im letzten Jahr gescheiterten IGS-Pläne noch nicht vom Tisch.

 

klartext: Herr Dr. Baier, im ersten Anlauf ist es 2014 nicht gelungen, eine IGS in Ankum durchzusetzen. Genehmigt wurde aber eine in Bramsche. Sie haben jetzt ein Diskussionspapier zur Stärkung der Oberschulen vorgelegt. Wie entscheiden sich Eltern und Kinder derzeit, wenn es um weiterführende Schulen geht?

Bersenbrücks Oberschule ist in den Gebäudekomplexen „Nord“ und „Süd“ der Von-Ravensberg-Schule zu Hause.

Bersenbrücks Oberschule ist in den Gebäudekomplexen „Nord“ und „Süd“ der Von-Ravensberg-Schule zu Hause.

In die Grundschule müssen alle Kinder vor Ort gehen. Wenn es dann in die Klasse fünf geht, kann man weiterführende Schulen wählen. Wir haben vor Ort zwei Oberschulen, in Ankum und Bersenbrück, und das Gymnasium in Bersenbrück. Außerhalb der Samtgemeinde gab es bislang die IGS Fürstenau, das Leoninum in Handrup und die Marienschule in Schwagstorf. Jetzt kommt noch die IGS Bramsche hinzu.
70 bis 80 Kinder lassen sich bislang pro Jahr außerhalb der Samtgemeinde Bersenbrück beschulen, und zwar 30 bis 40 an der IGS Fürstenau, 25 an der Marienschule in Schwagstorf und 10 bis 15 am Leoninum in Handrup. An die IGS Bramsche könnten wir weitere Schüler verlieren, zum Beispiel aus Alfhausen und Rieste. 70 bis 80 Kinder, das ist eine hohe Zahl. Sie entspricht etwa drei Klassenzügen.
Die Abwanderungszahlen waren für mich der Anstoß, darüber nachzudenken, warum Eltern eine Schulform außerhalb der Samtgemeinde Bersenbrück wählen. Schließlich sind damit auch weite Weg für die Kinder verbunden. Wer zum Beispiel von Gehrde aus zur IGS nach Fürstenau fährt, braucht pro Strecke eine Stunde. Das ist eine Menge Lebenszeit, die die Kinder für die Fahrtzeiten opfern müssen.

 

klartext: Was ist das Ergebnis Ihres Nachdenkens?

Eltern wählen zum einen konfessionsgebundene Schulen. Dies hat besondere Gründe, die wir nicht beeinflussen können. Die Zahlen zeigen aber nicht zuletzt, dass die Gesamtschule als Schulform sehr attraktiv ist und in den letzten Jahren größeren Zulauf bekommen hat. Vor allem die Kinder, die sich Richtung IGS orientieren, möchte ich gerne hier halten. Ich halte auch persönlich sehr viel von der Schulform Gesamtschule, weil sie sehr gut geeignet ist, durch eine andere Art des Lernens und individuelle Angebot die Fähigkeiten der Schüler und die sozialen Kompetenzen zu fördern. Es gibt sehr viele Schüler, die sich ein Gymnasium nicht zutrauen, aber viel Potential haben.
Ein starkes Argument für die Gesamtschule ist für mich auch die hier geringe Anzahl der gymnasialen Empfehlungen in der Grundschule. Sie liegt bei ca 35 %, in Großstädten dagegen bei 50-60%. Angesichts dieser Zahlen habe ich den Eindruck, dass wir viel Potential bei Schülern haben, das nicht zur Entfaltung kommt und das durch ein integriertes Schulsystem besser gefördert wird. Mir geht es darum, Schülerinnen und Schüler so zu fördern, dass sich mehr Kinder zutrauen, das Abitur erreichen zu können.
6% der Kinder verlassen derzeit die Schule ohne einen Abschluss. Die sammeln sich auf den Oberschulen. Ich möchte mich damit nicht zufrieden geben. Gesamtschulen arbeiten anders und schaffen es durch ihre Unterrichtsmethode, mehr Kindern Wege zu einem Schulabschluss zu eröffnen.
Dies soll aber keine Kritik an Gymnasien sein. Ich habe nach der Realschule selber ab Klasse 11 ein Gymnasium besucht und die Schulform sehr schätzen gelernt. In der Klasse 11 hatte ich persönlich aber erst einige Schwierigkeiten mit der neuen Schulform. Heutzutage werden die Schüler sehr viel besser auf die gymnasiale Oberstufe vorbereitet. Das Bersenbrücker Gymnasium macht im Übrigen eine hervorragende Arbeit und wird durch G9 wieder mehr Zulauf erhalten.

 

klartext: Schülerinnen und Schüler zu verlieren, kostet die Samtgemeinde auch bares Geld. Über welche Summen reden wir da?

Mit jedem Schüler, der nicht in der Samtgemeinde zur Schule geht, stehen 500 Euro weniger zur Verfügung. Das kann sich für die Samtgemeinde auf einen Betrag von 200.000 Euro summieren. Hinzu kommen Gastschulgeldzahlungen an die Samtgemeinde Fürstenau und demnächst an den Landkreis für die IGS in Bramsche.

 

klartext: Der Landkreis und die Samtgemeinde Bersenbrück haben inzwischen ein Diskussionspapier zur Stärkung der Oberschulen erarbeitet. In diesem Papier wird auch darauf verwiesen, dass die Schulform Oberschule nicht ausreichend bekannt ist. Sie waren gerade zur Feier des Anbaus und der neuen Mensa an der Oberschule Ankum. Die bietet sehr viel. Was sollte und muss getan werden, um Eltern vom guten Angebot der Oberschulen zu überzeugen?

Die Oberschulen sind eine relativ neue Schulform, die Haupt- und Realschule in sich vereinen. Die Eltern kennen aus ihren Erfahrungen meist nur Haupt-, Realschule und Gymnasium. Es muss daher viel stärker vermittelt werden, was Oberschulen können und wie sie arbeiten. Unsere Oberschulen sind sehr gut aufgestellt, wie die Schulinspektionen und diverse Preise zeigen. Auch baulich sind beide Schulen jetzt auf einem Top-Standard, in der das Lernen Spaß macht. Die technische Ausstattung kann sich Vergleich zur IGS in Fürstenau und dem Gymnasium sehen lassen. Die Kollegien sind sehr engagiert. Den Eltern muss noch mehr vermittelt werden, dass beim Besuch einer Oberschule hinterher alle Wege zum Abitur offen stehen. Weiterhin haben Oberschulen den Vorteil einer starken Berufsorientierung. Die Schüler kommen sehr früh mit Unternehmen in Kontakt.

 

klartext: In dem Diskussionspapier geht es auch um die Größe und den Zugang zu den Integrierten Gesamtschulen in Fürstenau und Bramsche.

Die August-Benninghaus Oberschule in Ankum. Dr. Horst Baier könnte sich eine Umwandlung in eine IGS vorstellen.

Die August-Benninghaus Oberschule in Ankum. Dr. Horst Baier könnte sich eine Umwandlung in eine IGS vorstellen.

In dem Diskussionspapier wird vorgeschlagen, die Zügigkeit der IGS Fürstenau im Sekundarstufe-I-Bereich von derzeit acht Züge auf sechs Züge zu begrenzen. Der Landkreis finanziert die IGS Fürstenau in erheblichem Umfang und sollte darum seinen Einfluss auf die Samtgemeinde Fürstenau geltend machen.
An der Finanzierung durch den Landkreis ist ja auch die Samtgemeinde Bersenbrück beteiligt, und zwar über die jährliche Kreisumlage. Für dieses Jahr rechnen wir mit einer zu zahlenden Summe von 3,15 Millionen Euro.
Ein weiterer Vorschlag in diesem Papier ist: Die Zügigkeit der IGS in Bramsche ist auf den örtlichen Bedarf zu begrenzen – um eine Abwanderung von Schülern aus Rieste und Alfhausen zu verhindern.

 

klartext: Oberschulen sollen einerseits durch ein großes Maßnahmepaket gestärkt werden, andererseits soll der Zugang zu den Integrierten Gesamtschulen erschwert werden, um eine weitere Abwanderung in diese Richtung zu verhindern. Die letztgenannte Maßnahme hätte zur Folge, dass der Wille von Eltern und Kindern ausgehebelt wird. Sie könnten – ohne ein entsprechendes Angebot in der Samtgemeinde Bersenbrück – ihre Kinder nicht auf eine IGS schicken.

Bei der Begrenzung von Zügigkeiten geht es um eine ausgewogene Verteilung von Schülern auf die Schulstandorte und um einen Schutz der Schulen vor einer Überlastung. In der Stadt Osnabrück gibt es regelmäßig mehr Anmeldungen an Gesamtschulen als Plätze vorhanden sind. Wenn auf Dauer die Nachfrage so hoch ist, müssen halt weitere Schulen, z.B. in Ankum, in eine IGS gewandelt werden. Ich stehe für ein wohnortnahes Angebot und glaube, dass den Kindern keine Möglichkeiten verbaut werden, wenn die Oberschulen vor Ort angewählt werden oder alternativ das Gymnasium.
Bisher erreichen in unseren Oberschulen 40-50 % eines Jahrganges den erweiterten SEK I- Abschluss, der den Zugang zur gymnasialen Oberstufe ermöglicht. Die Schulleitung der OBS Ankum hat berichtet, dass die Schüler aus Ankum, die nach der 10. Klasse zur IGS Fürstenau gehen, ohne Probleme dort Abitur machen. Dies gilt es aber glaubhaft zu vermitteln. Dazu ist auch eine enge Kooperation der Oberschulen mit der IGS und dem Gymnasium notwendig. Hier gibt es schon viele gute Ansätze, die noch ausgebaut werden könnten.

 

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