Erstmals eigene Stadt-Verwaltung Bersenbrück

Was Bersenbrücks CDU-Stadtväter nicht mehr wollen – einen Stadtdirektor (Horst Baier) – wurde im November im Stadtrat entschieden. Mit welchen Folgen? Die Entscheidung fiel gestern.

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Die Stadt Bersenbrück bekommt erstmalig eine eigene Stadtverwaltung. Das entschied in seiner gestrigen Sitzung (15. Dezember) der Samtgemeinderat. Der Beschluss, der eine Mehrheit fand, lautet im Wesentlichen, festgehalten im 1. Satz: „Der Stadt Bersenbrück werden zur Erledigung ihrer Aufgaben 3,0 Stellen zur Verfügung gestellt.“

Der Beschlussvorschlag für eine 3-köpfige Stadtverwaltung Bersenbrück stammte von der Gruppe SPD/Bürgerliste Alfhausen, zugleich auch im Namen der Fraktionen UWG Ankum, UWG Samtgemeinde und Bündnis90/Die Grünen.

Dieser Beschluss für eine eigene Stadtverwaltung fiel gegen die Stimmen der Gruppe CDU/FDP. Sie legte eine eigene Beschlussvorlage vor, in der ein anderes Modell für Bersenbrück gefordert wird. Die Debatte über die unterschiedlichen Modelle geriet zu einer über große Fragen wie: Soll es mehr Zentralisierung geben? Soll jede Gemeinde für sich selbst entscheiden können, welche Verwaltung sie will? Zum besseren Verständnis ein kurzer Blick auf die Vorgeschichte.

Das Rathaus der Stadt Bersenbrück in der Hasestraße. Im Parterre vorne: das Büro des Bürgermeisters.

Das Rathaus der Stadt Bersenbrück in der Hasestraße. Im Parterre vorne: das Büro des Bürgermeisters.

Bislang hatte Bersenbrück eine Sonderrolle.

Wirbt auch schon mal per Hemdkragen für HaseEnergie: Dr. Horst Baier, Geschäftsführer HaseEnergie und Samtgemeindebürgermeister.

Dr. Horst Baier.

Seit Gründung der Samtgemeinde im Jahr 1972 wurde die Verwaltungsarbeit für die Stadt Bersenbrück von der Samtgemeinde erledigt. An deren Spitze steht der hauptamtliche Samtgemeindebürgermeister – der bislang zugleich der ehrenamtliche Stadtdirektor von Bersenbrück war. In den letzten Jahren war das Horst Baier, davor der CDU-Samtgemeindebürgermeister Michael Lübbersmann.

Damit soll Schluss sein, entschieden Bersenbrücks Bürgermeister und die CDU-Stadtratsfraktion am 14. November. Die neue Lösung: Der Bürgermeister wurde – wie seine Kollegen von Alfhausen bis Rieste – auch zum Verwaltungschef der Stadt. Aber damit ist es nicht getan. Zur Erledigung der Verwaltungsarbeit braucht es Personal.

In Ankum sitzen z. B. drei für die Ankumer Arbeit zuständigen Verwaltungskräfte im Rathaus – unter einem Dach mit dem Bürgermeister. Sie sind auch Ansprechpartner für die Bürger. Aus Sicht der Gruppe CDU/FDP ist die Ankumer Lösung keine nachahmenswerte. Vor allem Bürgermeister Christian Klütsch wie auch Gruppenchef Gerd Uphoff warben für ein anderes Modell.

Wird das bisherige CDU-Führungstandem – Bürgermeister Christian Klütsch (links) und Fraktionschef Gerd Uphoff – auch weiterhin das Führungstandem im Bersenbrücker Stadtrat sein?

Die Hauptsprecher in Sachen Verwaltung Bersenbrück: Bürgermeister Christian Klütsch (links) und Gerd Uphoff, Sprecher der Gruppe CDU/FDP. Hier vor der Ratssitzung im November in Eggermühlen.

Bersenbrück: Nein zur 3-köpfigen Stadtverwaltung.

Das von der Gruppe CDU/FDP favorisierte Modell: Die Verwaltungsarbeit für die Stadt soll weiterhin von der Samtgemeindeverwaltung erledigt werden. Der Unterschied zur bisherigen Praxis (solange es den Stadtdirektor gab): Es soll die Stelle eines „Koordinators“ eingerichtet werden – der im Rathaus der Samtgemeinde sitzen soll. Der CDU/FDP-Beschlussvorschlag lautet im Wesentlichen: „Der Stadt Bersenbrück werden zur Erledigung ihrer Aufgaben 1,0 Stellen zur Verfügung gestellt. Die Aufgaben werden durch eine/n Koordinator/in wahrgenommen. Der Sitz der/des Koordinators/in ist im Rathaus der Samtgemeinde Bersenbrück.“ Den Vorstellungen der Stadt Bersenbrück folgend, kann sich dieser in der Samtgemeinde sitzende Koordinator dann direkt an die anderen Mitarbeiter der Samtgemeinde zur Erledigung der Verwaltungsarbeit der Stadt wenden.

Die anstehende Frage: Soll die "Verwaltungspower" im Rathaus der Samtgemeinde in Bersenbrück konzentriert sein oder sollen die Gemeinden, wie bislang, ihre verwaltungskräfte vor Ort behalten?

Kontrovers diskutiert: Soll die Verwaltung im Rathaus der Samtgemeinde in Bersenbrück konzentriert sein oder sollen die Gemeinden, wie bislang, ihre Verwaltungskräfte vor Ort behalten?

Bersenbrück: Für Zentralität.

Eigenes Verwaltungspersonal vor Ort, im direkten Umfeld des jeweiligen Bürgermeisters – das ist Ausdruck einer dezentralen Organisation der Verwaltung. Gerd Uphoff sprach sich dagegen für „Zentralität“ aus. „Eine Verwaltung bleibt schlank“, so Uphoff, „wenn vieles zentral erledigt wird.“ „Mehr Zentralisierung“, so Uphoff, „wird kommen“. Die fortschreitende Digitalisierung, nahm er als Beispiel, laufe auf eine Zentralisierung der Verwaltung hinaus. Er sprach von einer „Erhöhung der Zentralität“ und sagte „wir fangen mit Bersenbrück an“. Christian Klütsch formulierte als Ziel des Koordinator-Modells, das „Beste aus der Samtgemeindeverwaltung herauszuholen“.

Widerspruch gegen mehr Zentralisierung.

Lädt zum Bürgerdialog in Sachen B 214 ein: Ankums Bürgermeister Detert Brummer-Bange.

Detert Brummer-Bange.

Alle Sprecher der übrigen Fraktionen des Samtgemeinderats machten deutlich, dass sie eine „Erhöhung der Zentralität“ ablehnen. „Ich will nicht darauf verzichten“, so Ankums Bürgermeister Detert Brummer-Bange (UWG), „dass ich Mitarbeiter direkt im Haus habe und direkt auf diese Verwaltungsmitarbeiter zugreifen kann“. Er zog auch einen ganz anderen Schluss als Gerd Uphoff aus der zunehmenden Digitalisierung. Für ihn habe die Digitalisierung den Vorteil, dass sie eine Chance für Dezentralisierung sei, so Brummer-Bange, und er verwies auf den Trend zum „Home office“, dem Arbeiten von zu Hause aus. Das Riester SPD-Ratsmitglied Reinhold Waldhaus sprach sich gegen eine verstärkte Zentralisierung aus, weil die ein erster Schritt zu einer Einheitsgemeinde sein könne, „die niemand wolle, die die Bürger nicht wollen“.

In allen Orten werden am Sonntag die Gemeinderäte neu gewählt und auch der Rat der Samtgemeinde Bersenbrück.

Die Samtgemeinde Bersenbrück hat sieben Mitgliedsgemeinden.

„Schlanke Verwaltung“, Chaos in der Verwaltung?

Ein weiterer Diskussionspunkt: Was bedeutet die von Bersenbrück favorisierte „Koordinator-Lösung“ für die Samtgemeindeverwaltung? Nach Meinung von Frank von der Haar (UWG Samtgemeinde) würde ein Koordinator-Modell „im Chaos enden“. Wie von der Haar und andere ging auch Detert Brummer-Bange der Frage nach den Folgen nach. Da gehe dann ein Koordinator zu einem Mitarbeiter der Samtgemeinde, weil der etwas für ihn erledigen soll. Nun habe aber dieser Mitarbeiter noch andere Arbeit auf dem Tisch. Wie soll er sich verhalten? Anderes liegen lassen? Das Ansinnen ablehnen? In welchen Schwierigkeiten könne enden, wenn das geschieht? Wenn z. B. ein Investor, mit dem die Stadt Bersenbrück etwas zu regeln hat, abspringt, weil ein Samtgemeindemitarbeiter sich wegen anderer Arbeit nicht schnell genug der Bersenbrücker Sache angenommen hat. „Man habe“, so Detert Brummer-Bange, eine „Verantwortung für die Mitarbeiter und eine Verwaltung brauche vor allem Klarheit“.

Die Samtgemeinde hat 7 Mitgliedsgemeinden. Würde das Koordinator-Modell zum Modell für alle, gäbe es 7 Koordinatoren, die sich direkt an die Verwaltungsmitarbeiter der Samtgemeinde wenden könnten.

Manfred Krusche (Gruppe SPD/Bürgerliste Alfhausen) warf den Bersenbrück-Verantwortlichen vor, man habe viel früher – vor der Entscheidung, den Stadtdirektor abzuschaffen – über die Folgen nachdenken und darüber mit anderen wie z. B. dem Samtgemeindebürgermeister – dem Chef der Samtgemeindeverwaltung – sprechen müssen.

Soll jede Gemeinde für sich selbst entscheiden?

Der Beschlussvorschlag der CDU-Fraktion zur „Koordinator-Lösung“ schließt mit dem Satz: „Die übrigen Mitgliedsgemeinden der Samtgemeinde können selbst entscheiden, ob sie ihre Aufgaben auch durch eine/n Koordinator/in erledigt haben wollen, oder ob sie bei der bisherigen Handhabung bleiben.“ Auch die Frage, ob die Möglichkeit eröffnet werden soll, dass jede Gemeinde für sich ein bestimmtes Modell wählen kann oder nicht, wurde kontrovers diskutiert – im Hinblick darauf, welche Folgen das hat.

„Alle oder gar nicht“.

Markus Frerker (CDU), Bürgermeister in Eggermühlen, sagte, in einer Runde aller Bürgermeister habe Einvernehmen darüber bestanden, „wenn Bersenbrück das so wolle, solle Bersenbrück das so machen“. Dem widersprach Klaus Menke (UWG), stellv. Bürgermeister von Ankum, der an dieser Runde teilnahm. „6 der 7“, sagte er, „wollten keinen Koordinator, und Ankum und Gehrde hätten nicht gesagt, wenn die Stadt Bersenbrück das so will, solle sie es machen.“

Auch Gehrdes Bürgermeister Günther Voskamp (Bündnis 90/Die Grünen) widersprach und sagte, er habe den Eindruck, dass die Mitarbeiter der Samtgemeinde keine „Vermischung“ verschiedener Modelle wollen, sondern Klarheit. „Alle oder gar nicht“, so Günther Voskamp. „Wenn sich jeder aussuchen kann, was er an Verwaltung haben will, dann kann ich das ja auch bestimmen und hätte für Ankum dann gerne zwei Verwaltungskräfte mehr“, trug Detert Brummer-Bange zu diesem Thema bei.

„Klare Verhältnisse schaffen“.

Ratsältester: Manfred Krusche.

Manfred Krusche.

Manfred Krusche plädierte für die Gruppe SPD/Bürgerliste Alfhausen für klare Verhältnisse auf jeder Ebene. Er lehnte das Koordinatoren-Modell u. a. mit der Begründung ab, dass nicht Einzelne in der Verwaltung „rumwuseln“ könnten. Für die Mitarbeiter müssten stattdessen klare Verhältnisse bei Zuständigkeiten und Verantwortung bestehen. Um klare Verhältnisse zu schaffen, sollten auch die Verwaltung der Samtgemeinde und die Verwaltung der Stadt Bersenbrück voneinander getrennt werden – durch die Schaffung einer eigenen Stadtverwaltung. „Wer A sagt muss auch B sagen“, meinte Markus Revermann für die UWG Samtgemeinde in Richtung Bersenbrück. Auch er lehnte eine Sonderrolle für die Stadt Bersenbrück ab.

 

Samtgemeinderat (37 Sitze)

 

Ein „Start Null“ für Bersenbrück.

Bersenbrücks Bürgermeister Christian Klütsch kommentierte, was schließlich beschlossen wurde, mit dem Satz: „Wenn wir trennen, wird Bersenbrück nicht untergehen.“ Er sprach von einem „Start Null“ und davon, dann „einen neuen Weg zu gehen“. Die Entscheidung fiel in zwei geheimen Abstimmungen. Der Beschlussvorschlag der Gruppe CDU/FDP wurde mit 18 Ja- gegen 19 Nein-Stimmen abgelehnt. Der Beschlussvorschlag der übrigen Fraktionen mit 19 Ja- und 18 Nein-Stimmen angenommen. Damit wird nun Bersenbrück eine eigene Stadtverwaltung bekommen und, wie es der Bürgermeister sagte, „einen neuen Weg gehen“.

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