Klaus Wübbolding: „Da muss Leben stattfinden“

Bürgermeister Klaus Wübbolding (CDU): Aufgefordert, Fragen zu beantworten.

Andere Gemeinden bauen für viel Geld eine KiTa, Klaus Wübbolding (CDU), der Bürgermeister von Alfhausen, unterstützt ein Novum – ein privates Kindergartenprojekt. klartext sprach mit ihm über ein ganzes Bündel von Themen und erfuhr Überraschendes: Ginge es nach Klaus Wübbolding, würde das Alfsee-Wasser wieder abgelassen.

Fragebogen – BÜRGERMEISTER – Klaus Wübbolding

Welchen Berufswunsch hatten Sie in Ihrer Jugend?
In der Jugend hat man immer wieder unterschiedliche Berufswünsche. Herauskristallisiert hat sich am Ende der Wunsch Polizist zu werden, und das bin ich dann ja auch zunächst geworden.
Welchen Film würden Sie sich immer wieder ansehen?
Alle Filme von Stan Laurel und Oliver Hardy.
Welches ist Ihre größte Schwäche?
Schokolade.
Welches ist Ihre größte Stärke?
Belastbarkeit, Geduld, ausgleichend zu sein.
Welche Charaktereigenschaften verabscheuen Sie am meisten?
Heuchelei, Unsachlichkeit, überzogener Hang zur Selbstdarstellung (Schaumschlägerei) – also alles, was mit Unehrlichkeit zu tun hat.
Welche Gestalt in der Geschichte bewundern Sie am meisten?
Es gibt da keine bestimmten. Meine Vorbilder sind aber sicherlich mein Vater, die Menschen im Widerstand des 3. Reiches, Ghandi, Thomas Morus, etc.
Ihr Lieblings-Tier?
Da man ja die Menschen zur großen Gruppe der Säugetiere rechnen muss, ist in diesem Sinne der Mensch mein Lieblingstier.
Ihr Lieblings-Buch?
Hier auch kein bestimmtes. Ich mag aber historische Romane, die sich eng an geschichtliche Tatsachen halten.
Wodurch beeindruckt Sie ein Mitarbeiter/Kollege?
Durch Teamfähigkeit und Kreativität.
Wo hätten Sie gerne ein Ferienhaus?
Ich fühle mich zu Hause am wohlsten.

Interview – BÜRGERMEISTER – Klaus Wübbolding

wuebbolding5klartext: Herr Bürgermeister, Alfhausen braucht dringend ein größeres Betreuungsangebot für Kinder. Wie groß ist der Bedarf und wie sehen Ihre Lösungsvorschläge aus?

Da die Drei-, Vier- und Fünfjährigen inzwischen zu fast 100% in den Kindergarten gehen, lässt sich die Anzahl der benötigten Kindergartenplätze relativ gut berechnen. Schwierig zu berechnen ist die Nachfrage nach einem Betreuungsangebot für unter Dreijährige. Wir haben durchschnittlich 49 Geburten pro Jahr. Zu berücksichtigen sind weitere Zuzüge nach Alfhausen durch neue Arbeitsplätze im Niedersachsenpark, und es entstehen 50 neue Bauplätze. Das heißt: Die Zahl der Geburten wird eher steigen als zurückgehen.
Im Moment haben wir 15 Krippenplätze und 10 Plätze über die Großtagespflege und Tagesmütter. Bereits bei den derzeit 49 Geburten summiert sich die Zahl der einjährigen und zweijährigen Kinder auf 100. Ich sehe, dass wir da ein großes Loch beim Betreuungsangebot haben, weil wir nur 25% dieser Kinder auffangen können. Das ist viel zu wenig. Aus der zu erwartenden Geburtenzahl errechnet sich ein Bedarf von zusätzlich mindestens zwei bis drei Krippengruppen.

klartext: Heißt das, dass Alfhausen viel Geld in die Hand nehmen und bauen muss?

Eine KiTa zu bauen, würde rund zwei Millionen Euro kosten. Das bedeutet: eine Zinsbelastung von mindestens 40.000 Euro pro Jahr. Das Geld haben wir nicht so einfach über. Und ich bin auch nicht bereit, das alles alleine zu tragen. Da muss man wirklich sagen, dass da Land und Landkreis ganz groß in der Pflicht sind.
Meines Erachtens kann sich der Landkreis nicht weiter entschulden, und die Gemeinden haben immer mehr Aufgaben, wissen nicht mehr, wie sie es bezahlen sollen und können sich zum Beispiel nicht einmal mehr einen Tag des Ehrenamtes leisten. Es kann nicht sein, dass sich in einer Gemeinschaft von 35 Kommunen – der Landkreis ist dann ja der Zusammenschluss dieser Kommunen – nur einer, und zwar der Landkreis, entschuldet, und alle anderen haben nicht die Chance dazu. Man muss ein gemeinschaftliches Entschuldungskonzept schaffen und es wäre gut, wenn man in dieser Sache an einen Tisch käme.

klartext: Nun braucht Alfhausen aber schon fürs nächste Jahr eine Lösung. Sie sympathisieren mit einem Novum: einem privaten Kindergartenprojekt.

Wir haben alles kreuz und quer diskutiert. Das Konzept des Ehepaars Pier für einen Bauernhof-Kindergarten in Heeke ist sehr, sehr reizvoll und passt gut in unsere Region. Jemanden mit so einer Eigeninitiative zu haben, der den Kindergarten dann auch mit Herzblut führt – da können wir uns glücklich schätzen, das unterstützen wir.
Dieser Kindergarten könnte ab 2016 eine Gruppe aufnehmen. Damit könnten wir die Bedarfsspitze, die wir 2016 haben, abfangen. 2017 könnte dann eine zweite Gruppe hinzukommen. Es würde also in Heeke ein zweigruppiger Kindergarten entstehen. Dann hätten wir im bestehenden Kindergarten Platz für eine zweite Krippengruppe, und wir würden versuchen, das Konzept Tagesmütter und Großtagespflege zu fördern.
Mütter, die Kinder betreuen, werden zu schlecht bezahlt und bekommen das Geld, das sie investieren, zum Teil nicht wieder heraus. Wenn für uns als Gemeinde ein kleinteiliges Betreuungskonzept wirtschaftlicher ist als andere Lösungen, ist es sinnvoll, das finanziell zu unterstützen und damit unsere Bedarfe abzufangen.

wuebbolding4klartext: Und so ein privater Kindergarten hätte eine Chance genehmigt zu werden?

Ja, definitiv. Das Landesjugendamt war vor Ort und sieht die Sache durchaus positiv. Es wäre auch eine zweite Gruppe möglich. Mehr allerdings nicht. Von daher gehe ich davon aus, dass das genehmigt werden kann.
Was noch schwierig ist und was wir mit der Samtgemeinde verhandeln müssen, ist: Wie kriegen wir einen vernünftigen Defizitvertrag und eine vernünftige Gewährleistung hin, dass der Kindergarten auch zumindest für die nächsten 20, 25 Jahre betrieben wird? Was ist, wenn der Betreiber keine Lust mehr hat, krank wird, einen Unfall hat? Wir können ja nicht vor der Situation stehen, dass wir erfahren, innerhalb des nächsten halben Jahres machen wir dicht. Um einen Kindergarten zu bauen, brauchen wir zwei Jahre Vorlaufzeit.

klartext: Könnte es in Heeke Immissionsprobleme geben wegen der dortigen Schweinemastanlage?

Der Bauernhof-Kindergarten läge drei bis dreieinhalb Kilometer vom beantragten Maststall entfernt. Im Moment haben wir keine bekannte Immissionsproblematik. Mit dem Bauamt wurde das grob geklärt, aber das war bislang nur eine summarische Vorprüfung.

klartext: Der Alfsee wurde zum Naturschutzgebiet, was den Tourismus verändert hat. Welche Bedeutung hat eigentlich der Alfsee-Tourismus für Alfhausen?

Alfhausen partizipiert vom Alfsee-Tourismus relativ wenig, was aber auch daran liegt, dass wir unsere Chancen zu wenig nutzen. So haben wir bei der Gastronomie und bei den Übernachtungsmöglichkeiten starke Defizite.
Ich bin der Meinung, dass der Wassersport am Alfsee nie eine ganz große Bedeutung gehabt hat. Meinetwegen hätte man den ganzen Alfsee als große Naturschutzfläche ausweisen können. Meine Idealvorstellung wäre ­ ohnehin – was natürlich nicht möglich ist –, das Alfsee-Wasser wieder abzulassen. Die Deiche würden bleiben, ansonsten würde die alte Wiesenlandschaft mit Feuchtbiotopen, so wie sie früher waren, wiederhergestellt. Man würde dort für Wiesenbrüter etwas machen, Pollen, Hecken und Fluchtmöglichkeiten schaffen, wenn man dort extensiv Tiere halten will… Für mich wäre das ein – leider nicht realisierbarer – Idealzustand.

klartext: Ist Alfhausen vielleicht gar nicht so sehr am Alfsee-Tourismus interessiert?

Ein zentraler Punkt am Alfsee ist natürlich der Badesee mit dem Campingplatz und den Einrichtungen, die da sind. Darum gruppiert sich in Rieste ja auch alles. Das haben wir in Alfhausen nicht. Die Alfsee GmbH hat zudem nur in Rieste investiert, nicht in Alfhausen. Es gab zwar Pläne, aber daraus wurde nichts. Aus wirtschaftlicher Sicht ist das auch vernünftig so. Ich habe auch in der Alfsee GmbH immer gesagt: Seht zu, dass Rieste vernünftig läuft, dann können wir auch in Alfhausen vielleicht etwas entwickeln. Wichtig ist erst mal, dass die Alfsee GmbH stabil steht.

klartext: Müssten perspektivisch nicht weitere Ideen her und eine bessere Vernetzung?

Ja, das muss passieren. Rieste und Alfhauen sind ja eine Dorferneuerungsregion, und da stellen wir uns auch die Frage, was im Bereich Tourismus geschehen muss. Wir müssen die Aktivitäten bündeln.
Ich weiß nicht, ob wir die Alfsee GmbH da mit ins Boot kriegen. Die Alfsee GmbH ist sehr dominant. Die interessiert wenig, was die anderen machen. Es gibt außer der Alfsee GmbH aber auch noch den Tourismusverband Osnabrücker Land (TOL). Der hat auch viel Know-how, ist sehr eng vernetzt und kann eine gute Beratung anbieten. Auf jeden Fall müssen wir uns in dieser Region mehr vernetzen.
Wir sollten aber keine parallelen Strukturen aufbauen, sondern vorhandene Strukturen nutzen und die weiter verästeln und weiter ausbauen. Da müssen wir meiner Meinung nach alle – inklusive TOL und Alfsee GmbH – enger zusammenarbeiten. Und zwar samtgemeindeweit. Da liegt noch ein großes Arbeitsfeld vor uns.

wuebbolding6klartext: Stichwort Dorferneuerung. Wie zufrieden sind Sie mit der Beteiligung der Bürger?

Überwiegend sehr zufrieden. Es ist uns aber noch nicht in ausreichendem Maße gelungen zu transportieren, was mit Dorferneuerung gemeint ist. Viele gehen noch davon aus: Wir bekommen Geld, um zum Beispiel den Hof neu zu pflastern oder die Scheune zu streichen. In erster Linie geht es beim Projekt Dorferneuerung aber um anderes: um den demographischen Wandel; darum, dass Arbeitsplätze immer mehr außerhalb der Dörfer liegen und nicht innerhalb, dass Dörfer immer mehr zu Schlafdörfern werden; es geht um den sterbenden Einzelhandel und darum, wie wir unser Vereinsleben organisieren, wie wir weiterhin Leute dafür gewinnen können, sich zu engagieren. Vereinsvorsitzende zu finden, ist mittlerweile das Schwierigste, dass es gibt. Diese Dinge – die eigentliche Thematik der Dorferneuerung – müssen wir den Menschen noch stärker näher bringen. Wir sind aber auf einem ganz guten Weg, und es ist gut, dass wir das Dorferneuerungsprojekt gemeinsam mit Rieste machen.

klartext: Werfen wir einen Blick auf den alten Friedhof der katholischen Kirchengemeinde St. Johannis. Da wurde 2010 bereits ein Plan vorgestellt, den zu einer Art Friedhofspark umzugestalten.

Ja, es gibt einen fertigen Plan. Das ist auch ein recht teuerer Plan. Da hätten die Kirchengemeinde und die politische Gemeinde jeder 100.000 Euro in die Hand nehmen müssen. Geld ist aber nicht das einzige Thema. Im Rahmen der Dorferneuerung überlegen wir inzwischen, ob die Pläne von 2010 noch allen Anforderungen entsprechen, die wir jetzt haben. Der bisherige Entwurf war stark von Pietät geprägt. Pietät ja, aber auch Offenheit – das sollte erreicht werden. Da arbeiten wir jetzt dran.
Es geht darum, in dieser zentralen Ortslage einen Bereich mit einer hohe Aufenthaltsqualität zu schaffen. Dort, in der Alten Schulstraße, liegen ja auch die Eisdiele und die Gaststätte Zum Alten Pauker. Ein Spielplatz, ein Treffpunkt für Mütter mit Kindern, eine Ruheoase für ältere Leute – das ist das, was man da sicherlich schaffen muss. Da muss Leben stattfinden. Nachts darf das allerdings nicht zum Problem werden. Jugendliche, die Randale machen, die die Kirche oder Häuser beschmieren, das geht natürlich nicht. Da müssen wir als Gemeinde aufpassen und Lösungen finden.

klartext: Der Mietwohnungsmarkt ist eng und wird zunehmend enger, auch durch den Niedersachsenpark. Werden in Alfhausen genug Mietwohnungen gebaut?

Am Bahnhof werden etwa 50 neue Bauplätze entstehen. 20%, also zehn Grundstücke, sollen dort für Mietwohnungen zur Verfügung stehen. 10 x 4 Wohneinheiten pro Haus, das wären 40 Mietparteien, die entstehen könnten. Ich glaube, das ist schon ein ganz guter Anfang. Wir möchten das Baugebiet nicht durch Mietwohnungsbau überfrachten.
Es wird sich ja sicherlich auch so entwickeln, dass Leute, die hierhin gezogen sind und vielleicht jetzt zur Miete wohnen, versuchen, sich ein eigenes Häuschen zu bauen.

klartext: Welchen Stellenwert hat für Sie die weitere Ausweisung von Gewerbeflächen?

Wir müssen sehen, dass wir weitere Gewerbeansiedlungen tätigen. Im jetzigen Gewerbegebiet haben wir alles verkauft, bei der Erweiterung ist die Hälfte weg. Wir müssen jetzt wieder neue Flächen schaffen. Wenn die nächste Fläche, die wir ins Auge nehmen, besetzt ist, dann sind wir wirklich knapp dran. Dann müssen wir gucken, dass wir uns ganz andere Standorte aussuchen. Das wird noch eine große und sehr wichtige Aufgabe werden für die nächsten Jahre.

klartext: Wieviel Spaß macht es Ihnen eigentlich, Bürgermeister zu sein?

Spaß macht, dass man gestalten kann. Spaß macht, mit den Alfhausern und den Ratsmitgliedern zusammenzuarbeiten. Wir haben, so empfinde ich das, im Gemeinderat ein sehr gutes, harmonisches Verhältnis. Belastend ist natürlich, dass das Bürgermeisteramt nicht hauptberuflich ausgeübt wird. Ich stehe im Hauptberuf beim Landkreis im Geschirr und zu Hause ist ja auch so einiges zu tun. In der Freizeitgestaltung ist man als Bürgermeister sehr fremdbestimmt. Nun ist die Belastung aber nicht immer gleich groß. Es gibt ruhigere Phasen, und Phasen, in denen sehr viel los ist.

 

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Kurz-Portrait Klaus Wübbolding

Geboren: 1966 in Alfhausen

Ausbildung/Beruf: 1985 Ausbildung im Polizeivollzugsdienst Niedersachsen, 1990 Studium zum Diplomverwaltungswirt in Hannover, 1998 Studium Verwaltungsmanagement mit dem Abschluss zum Dipl. Kaufmann (FH).

Einige berufliche Stationen: Bereitschaftspolizei Oldenburg, Ausländerbehörde, Sozialamt, Leiter Controlling der MaßArbeit kAöR.

Seit 2001 Bürgermeister in Alfhausen.

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