Dem Geschäftssterben Tür und Tor geöffnet?

Der neue Verbrauchermarkt: Sinnbild der Zukunftsorientierung der Bersenbrücker CDU?
Der neue Verbrauchermarkt: Sinnbild der Zukunftsorientierung der Bersenbrücker CDU?

Der neue Verbrauchermarkt: Sinnbild der Zukunftsorientierung der Bersenbrücker CDU?

Ein Kommentar von Rita Stiens.

In der Stadtratssitzung am 2. Juli 2015 legte die Bersenbrücker CDU-Ratsmehrheit das Einzelhandelskonzept ad acta: Es wurde nicht verabschiedet, sondern nur „zur Kenntnis genommen“. Die Innenstadt stärken, einem Geschäftssterben entgegenwirken, eine wohnortnahe Versorgung sicherstellen: In den letzten zwei Jahren hat man sich in Bersenbrück intensiv mit diesem Thema befasst.
2014 wurde über Monate – unter Mitarbeit aller Ratsfraktionen, also auch der CDU, der Fördergemeinschaft, der IG-Innenstadt und der Industrie- und Handelskammer (IHK) – ein Einzelhandelskonzept für Bersenbrück entwickelt. Es war das Ergebnis eines langen Ringens um Kompromisse zwischen der CDU auf der einen Seite und SPD und Grünen auf der anderen Seite. Schließlich stand ein gemeinsames Papier. Es liegt seit Ende 2014 auf dem Tisch. Nun wurde es kurzerhand von der CDU einkassiert.
Monatelang nur Theater, monatelanges Liegenlassen, damit still und leise Gras über die Sache wächst, dann vom Tisch wischen? War das die Strategie der CDU, um sich vor einer klaren Offenlegung der eigenen Position zu drücken?
Ein Einzelhandelskonzept ist ein Kompass für wirtschaftspolitisches Handeln. Ein Kompass, den die CDU Bersenbrück ganz offensichtlich nicht will. Ist sie mit der Ablehnung eines solchen Konzepts auf der richtigen Spur? Dann wären zahllose andere Städte Geisterfahrer. Delmenhorst zum Beispiel. Auf der Webseite der Stadt Delmenhorst ist zu lesen, dass bereits 2008 ein Einzelhandelskonzept verabschiedet wurde. Dort heißt es: „Durch das Einzelhandelskonzept der Stadt Delmenhorst können die Ziele der Revitalisierung der Innenstadt und der Sicherung der wohnortnahen Versorgung besser umgesetzt werden.“
Auch Meppen hat ein Einzelhandelskonzept „als Leitfaden für eine wirtschaftlich tragfähige und städtebaulich verträgliche Einzelhandelsentwicklung“. Meppen, Delmenhorst, Greven und und und. Die Liste der Städte mit Einzelhandelskonzepten könnte ins Endlose fortgesetzt werden.

Samtgemeindebürgermeister Dr. Horst Baier, zugleich Bersenbrücks Stadtdirektor, sprach sich im Interview mit klartext für ein Einzelhandelskonzept aus (hier ): „Ein Einzelhandelsentwicklungskonzept halte ich auf der Gemeindeebene für wichtig. Ich hoffe, dass es in der Stadt Bersenbrück letztendlich auch beschlossen wird“.

Einzelhandelskonzepte sind die Antwort auf leidvolle Erfahrungen vieler Städte, deren Innenstädte verödeten, weil Gegenzentren auf der grünen Wiese der innerstädtischen Geschäftswelt der Garaus machten. Was zahllose Städte wie auch Experten seit vielen Jahren für unabdingbar halten – ein Einzelhandelskonzept – hält CDU-Fraktionschef Gerd Uphoff für „nicht zukunftsorientiert“. Er spricht von „Flexibilität erhalten“ und davon, man wolle „keine Glocke über den Handel stülpen“.
Was meint Bersenbrücks CDU-Fraktion mit „Zukunftsorientierung“? Meint sie ein Projekt wie den riesigen neuen Verbrauchermarkt? Welche Geschäfte in Bersenbrücks Innenstadt diesem Markt zum Opfer fallen werden und welche Auswirkungen er auf Geschäfte in den umliegenden Orten hat, wird erst die Zukunft zeigen.
„Nichts bleibt so, wie es ist“, sagte Gerd Uphoff, und meinte die Bersenbrücker Geschäftswelt. Daran, dass nichts bleibt, wie es ist, wirkt die CDU Bersenbrück kräftig mit. Die Folgen, die zum Beispiel die Eröffnung des neuen Verbrauchermarktes haben wird, gehen auf ihr Konto.
Dieses Konto könnte sich weiter füllen, denn konsequenterweise lehnte die CDU-Ratsfraktion auch den Antrag von Bündnis90/Die Grünen ab – für den auch die SPD stimmte – die Bauleitplanung in bestimmten Bereichen an die aktuelle Raumordnung anzupassen. Wird diese Planung nicht, wie in diesem Antrag gefordert, angepasst, sind am Stadtrand weiterhin Genehmigungen für Projekte wie den Verbrauchermarkt oder ähnlich gelagerte Projekte möglich.
Bestimmte bestehende Geschäfte unter Artenschutz zu stellen oder künstlich am Leben zu erhalten, ist nicht Sinn und Zweck eines Einzelhandelskonzepts. Es geht bei einem solchen Konzept schlicht und ergreifend um Rahmenbedingungen dafür, dass Handel und Wandel überhaupt noch in Innenstädten eine Lebens- und Überlebenschance haben und Bürger eine Chance auf eine wohnortnahe Versorgung.

Die Stadt Quakenbrück klagt gegen den neuen Verbrauchermarkt. Dort ist man sich der Sogwirkung solcher Märkte bewusst. Wenn schon Quakenbrück negative Auswirkungen befürchtet, um wie viel größer werden sie dann in Bersenbrück und Umgebung sein?

Die Bersenbrücker CDU, das ließen die Ausführungen Gerd Uphoffs erkennen, sieht eigentlich keine Zukunft mehr für die innerstädtische Geschäftswelt. Er verwies auf den Online-Handel und darauf, dass sich schon jetzt nur schwer Nachfolger für bestehende Geschäfte finden. Die Ausführungen Gerd Uphoffs haben allerdings das Zeug zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung: Je mehr Konkurrenz zur Innenstadt im Gewerbegebiet angesiedelt wird, desto schneller geraten Innenstadt-Geschäfte an den Rand ihrer Möglichkeiten und desto schwerer finden sich Nachfolger für bestehende Geschäfte.
„Einzelhandel“, so Gerd Uphoff, „stellt sich heute großflächiger auf“. Er stellt sich nicht nur auf – er wird auch aufgestellt. Von der Politik. Mit einem Einzelhandelskonzept hätte man Entwicklungen steuern können. Nun ist der Weg frei für jede Art weiterer Ansiedlung in Bersenbrücker Gewerbegebieten. Um den Preis einer toten Innenstadt? Um den Preis eines sterbenden Einzelhandels in anderen Orten der Samtgemeinde?

Autor
Schlagwörter

Verwandte Beiträge

Ein Kommentar

  1. difu

    Es ist unfassbar, dass die CDU im Stadtrat Bersenbrück, das Einzelhandelskonzept, welches auf aktuellen Erfahrungen anderer Städte aufgebaut ist ablehnt. Wer aufmerksam durch die Super- und Discountmärkte geht, dem müsste längst aufgefallen sein, dass wir schon jetzt ein Überangebot in unserer Stadt haben und die Märkte anscheinend nicht mehr voll ausgelastet sind. Täglich sind in der Presse Berichte über den demografischen Wandel in unserer Republik zu lesen, viele Städte und Gemeinden arbeiten an Konzepten um für die Zukunft gerüstet zu sein und älteren Mitbürgern das Leben in den Innenstädten wieder Lebenswert zu machen. Können sich den so viele Fachleute, die sich seit Jahren mit Innenstadtkonzepten beschäftigen Irren? Ich mache mir große Sorgen um den Einzelhandel in unserer Innenstadt und befürchte dass viele Einzelhändler durch die Entscheidung der CDU in Ihrer Existenz gefährdet sind. Für mich habe ich entschieden, nicht in einem Kaufland einzukaufen und hoffe dass es viele genauso machen, denn nur so können wir zeigen, dass wir diesen Markt nicht brauchen!

*

Top