Sollen und wollen Bürger mitmischen beim Haushalt?

Horst Baier, der Samtgemeinde-Bürgermeister, hat aus seiner Osnabrücker Zeit Erfahrungen mit dem Bürgerhaushalt.
Horst Baier, der Samtgemeinde-Bürgermeister, hat aus seiner Osnabrücker Zeit Erfahrungen mit dem Bürgerhaushalt.

Horst Baier, der Samtgemeinde-Bürgermeister, hat aus seiner Osnabrücker Zeit Erfahrungen mit dem Bürgerhaushalt.

Die Ankumer CDU sagt ja. Ihre Ratsfraktion forderte die Gemeinde Ankum auf, ein Konzept für einen „Kommunalen Bürgerhaushalt“ zu erarbeiten. Was ist eigentlich ein Bürgerhaushalt und was bedeutet es, ihn einzuführen?

Um Politiker und Bürger mit dem Thema vertraut zu machen, lud Ankums Bürgermeister Detert-Brummer Bange alle 92 Ratsmitglieder von Alfhausen bis Rieste, die Mitglieder des Samtgemeinderats und interessierte Bürger zu einer Informationsveranstaltung am 29. April in die Ankumer Oberschule ein. Der Referent war Dr. Horst Baier, studierter Volkswirt und aus seiner Zeit als Finanzvorstand der Stadt Osnabrück mit der Materie vertraut. Im Dialog mit den Zuhörern sprach dann aus Baier natürlich nicht nur der Bürgerhaushalt-Referent, sondern auch der Samtgemeinde-Bürgermeister.

Gefolgt waren Brummer-Banges Einladung nur knapp 30 Politiker und Bürger. Das spiegelte wider, was Horst Baier im Verlauf seines Vortrages sagte: „Der Haushalt ist ein eher sperriges Thema, das nicht auf Anhieb viele Bürgerinnen und Bürger lockt.“ Eine große Anziehungskraft übte das Thema auch auf Ratsmitglieder nicht aus. Es war nur ein kleiner Teil der eingeladenen Rätinnen und Räte erschienen.

Die Ankumer CDU-Ratsfraktion stellte am 9. Dezember 2014 einen Antrag. Darin heißt es: Die Verwaltung der Gemeinde Ankum wird beauftragt, ein Konzept für einen „Kommunalen Bürgerhaushalt“ für die Haushaltsperiode ab 2016 zu erarbeiten.

Der Bürgerhaushalt: Im Prinzip eine prima Sache.

„Der Bürgerhaushalt ist“, so Horst Baier, „ein Instrument der Bürgerbeteiligung bei Fragen rund um die Verwendung von öffentlichen Geldern. Die Bevölkerung wird dabei aktiv in die Planung von öffentlichen Ausgaben und Einnahmen einbezogen.“ (www.buergerhaushalt.org). Das hat eine Reihe von Vorteilen:

  • Die Einbeziehung schafft Transparenz. Der Haushalt ist nicht länger ein unbekanntes Wesen, sondern wird durchschaubar.
  • Den Bürgerhaushalt einzuführen, erhöht die Akzeptanz von Entscheidungen. Bürger erfahren zum einen, wie Politik funktioniert. Sie erleben, welche Möglichkeiten sie hat, erfahren aber auch mehr über die Grenzen und Zwänge. Das fördert das Verständnis für Politik.

Es kann aber auch frustrierend sein zu erleben, warum was nicht geht, und dass Politik manchmal komplizierter ist als gedacht.

Ein Bürgerhaushalt muss lange vorbereitet werden.

„Mit der Entscheidung, den Haushalt mit der Bürgerschaft zu erörtern“, zitierte Horst Baier einen Projektmanager der Bertelsmann-Stiftung, „lassen sich Politik und Verwaltung auf einen mehrjährigen Prozess ein, der geübt werden muss.“ Der Haushalt „ist ein eher sperriges Thema, das nicht auf Anhieb viele Bürgerinnen und Bürger lockt. Umso wichtiger ist eine attraktive Informationsphase und zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit“. Das alles bedeutet:

  • Die Bürger müssen zunächst einmal durch eine umfassende Information für dieses Projekt gewonnen werden.
  • Die aktive Beteiligung der Bürger muss organisiert werden. Dafür bietet sich das Internet an bzw. eine Kombination aus klassischer Arbeit „vor Ort“ plus Internet. Das alles kostet Zeit, Arbeit, Geld und Personal.

Wer sich ein Bild davon machen möchte, wie so ein Haushalt derzeit aussieht, kann zum Beispiel im Ankumer Haushalt blättern. Der steht, wie alle Haushalte der Samtgemeinde, auf der entsprechenden Webseite der Samtgemeinde: www.bersenbrueck.de/staticsite/staticsite.php?menuid=2843&topmenu=4

Die Kosten erläuterte Dr. Baier am Beispiel Osnabrück. Hier einige Zahlen: Softwarelizenz 6.700 Euro. Eine Vollzeitstelle zur Betreuung des Bügerhaushalts EG 8/A9 (ca. 45.000 Euro pro Jahr). Beratungsleistungen für Konzeption und Umsatz ca. 18.000 Euro. Es kann preiswertere Lösungen geben, aber ein Bürgerhaushalt erfordert in jedem Fall qualifiziertes Personal und Personalkapazitäten.

Interessiert waren so einig, aktiv beteiligt nur wenige.

Ankums Bürgermeister Detert Brummer-Bange (rechts) und Dr. Horst Baier.

Ankums Bürgermeister Detert Brummer-Bange (rechts) und Dr. Horst Baier.

Das sind zum Beispiel die Erfahrungen der Samtgemeinde Artland. Dort wurde ein Forum zur Beteiligung der Bürger bei Einsparungen eingerichtet. Es gab 74 registrierte Diskussionsteilnehmer. Das sind nicht sehr viele. Interessiert waren mehr Bürger: Es wurden 5.469 Zugriffe auf die Themen registriert und 523 Bürger gaben Bewertungen zu Vorschlägen.

Bürger für eine kontinuierliche aktive Beteiligung zu gewinnen, gelingt nur schwer. Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass das Interesse am Anfang recht groß ist und dann stagniert. In Osnabrück wurde der Bürgerhaushalt inzwischen wegen der zunehmend schwächer werdenden Beteiligung der Bürger eingestellt.

Für kleinere Gemeinden ist der Aufwand sehr hoch.

Steht der Aufwand, der für einen echten Bürgerhaushalt erforderlich ist, in einem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen? Diese Frage prägte die Aussprache über den Vortrag. Tendenz: Skepsis bis Ablehnung. Und so dominierten vor allem Vorschläge, Bürger in anderem Rahmen zu beteiligen. Sie könnten sich zum Beispiel bei Teilen des Hauhalts einbringen.

Würde eine Gemeinde den Bürgerhaushalt einführen wollen, sagte Horst Baier, wäre es sinnvoll, dies zugleich mit der Einführung eines Bürgerhaushalts in der Samtgemeinde zu tun. Die Samtgemeinde verfüge bereits über eine Software, die zu diesem Zweck nur um ein Modul erweitert werden müsse. Allerdings sei die Kämmerei derzeit stark überlastet. Als möglichen Zeitpunkt nannte er 2017.

Bisheriges Haushalts-Latein: Ein Bürgerhaushalt soll besser verständlich sein.

Bisheriges Haushalts-Latein: Ein Bürgerhaushalt soll besser verständlich sein.

Sascha Dewitz, CDU-Ratsherr und Vorsitzender des CDU-Gemeindeverbandes Ankum-Eggermühlen-Kettenkamp, verwies darauf, dass es der CDU um mehr Dialog mit dem Bürger gehe. Den Haushalt lesbarer zu machen, damit er vom Bürger besser verstanden wird, ist zum Beispiel ein Aspekt eines Bürgerhaushalts. Für Sascha Dewitz gehört der lesbare Haushalt zum Spektrum der Möglichkeiten, mehr Transparenz zu schaffen. Ein „Bürgerforum“, so Dewitz, wäre ebenfalls eine Möglichkeit, „mit dem Bürger ins Gespräch zu kommen“.

Die CDU, erklärte Sascha Dewitz nach der Informationsveranstaltung, wird an ihrem im Dezember 2014 gestellten Antrag festhalten. Sollte der im Gemeinderat keine Mehrheit finden, werde man sich mit Alternativen beschäftigen.

Ankums Bürgermeister Detert Brummer-Bange hatte zum Abschluss der Info-Veranstaltung bereits angekündigt: Der CDU-Antrag werde zunächst in den Fraktionen und dann im Gemeinderat beraten und diskutiert. „Ergebnis vollkommen offen“, so der Bürgermeister.

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