Millionen-Loch bei der Alfsee GmbH

„Bestandsgefährdendes Risiko“ – aber nichts zur Alfsee GmbH und deren prekärer finanzieller Lage im öffentlichen Teil von Ratsgremien wie dem Finanzausschuss und dem Samtgemeinderat.

2020, Pandemie-Krise nach Jahren großer Investitionen: Die kritische Lage der Alfsee GmbH war in Samtgemeindegremien kein Gegenstand einer in öffentlicher Sitzung ausgetragenen Beratung.

Ein kommentierender Beitrag von Rita Stiens.

Anders als in den Jahren zuvor war die Gesellschaft Alfsee GmbH seit dem Amtsantritt von Samtgemeindebürgermeister Michael Wernke (CDU) kein Thema in einem öffentlichen Teil eines Samtgemeindegremiums. Letztmalig wurden die Bilanz und ein Lagebericht in der Baier-Amtszeit im September 2019 im öffentlichen Teil der Sitzung des Ausschusses für Finanzen und Beteiligungen vorgelegt.

Ein Jahr später, im Herbst 2020, standen Gesellschaften im öffentlichen Teil auf der Tagesordnung des Finanzausschusses – nur nicht die Alfsee GmbH. Warum keinerlei Informationen zur Lage der Alfsee GmbH im Pandemie-Jahr 2020 in einem öffentlichen Teil einer Gremiensitzung?

 

„Großer Verlust“, „weitere Kreditbelastungen“.

Beteiligungsbericht des Landkreises Osnabrück.

Was der Öffentlichkeit vorenthalten wurde, ist seit Oktober bzw. November 2020 öffentlich zugänglich nachlesbar. Und zwar im „Beteiligungsbericht 2019“ des Landkreises Osnabrück (1) und ausführlich über bundesanzeiger.de (2). Sichtbar wird da, wie prekär die Lage der Alfsee GmbH ist und mit welchen Millionen-Summen die Samtgemeinde bereits eingreifen musste.

Die beiden Veröffentlichungen zeigen zur Alfsee GmbH bereits für 2019 einen Fehlbetrag von knapp 1,2 Mio. €. Was das Jahr 2020 angehe, sei davon auszugehen, dass das Geschäftsjahr „mit einem großen Verlust und weiteren Kreditbelastungen zur Sicherstellung der Liquidität abgeschlossen werden muss“ (2).

Veröffentlichung des Jahresabschlusses 2019 und des Lageberichts zur Situation in 2020 über bundesanzeiger.de.

 

„Aufnahme eines Gesellschafterdarlehens in Höhe von bis zu maximal 2 Mio. €“.

Pandemiebedingt können Einrichtungen wie z.B. das Langhaus über Monate nicht genutzt werden.

Die auf bundesanzeiger.de einzusehende Veröffentlichung zur Lage der Alfsee GmbH trägt das Datum 26. August 2020. Am 10. September 2020 tagte der Finanzausschuss des Samtgemeinderats. Im öffentlichen Teil der Sitzung erfuhr man nichts von dem, was in diesem Lagebericht mit Datum 26. August zu lesen ist. Dort heißt es unter Punkt 3 (Finanzierung): „Die Liquidität der Gesellschaft ist nach jetziger Finanzierungslage nicht sichergestellt. Das Liquiditätsdefizit ist eine wesentliche Folge der Corona-Pandemie. Die Alfsee GmbH hat nach jetziger Planung in der Spitze im März 2021 einen ungedeckten Liquiditätsbedarf in Höhe von ca. 543 TEUR. Hierbei ist schon berücksichtigt, dass die Gesellschafterin, die Samtgemeinde Bersenbrück, einen genehmigten Kassenkredit von 300 TEUR bei Bedarf zur Verfügung stellt. Der Aufsichtsrat muss in der Sitzung am 15. September 2020 beschließen, dass er der Aufnahme eines Gesellschafterdarlehens in Höhe von bis zu maximal 2 Mio. EUR zustimmt. Die maximale Höhe des Gesellschafterdarlehens ist der nicht abzuschätzenden pandemischen Lage geschuldet. Die Gesellschafterin, die Samtgemeinde Bersenbrück, muss im Samtgemeinderat am 7. Oktober 2020 beschließen, dass die Mittel gemäß § 182 (4) Ziffer 7 NKomVG der Alfsee GmbH in Form eines Gesellschafterdarlehens zur Verfügung gestellt werden.“ (2)

 

Ratssitzung 7. Oktober 2020: Unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Obwohl in den Baier-Jahren jährlich Bilanzen und Lageberichte der Samtgemeinde-Gesellschaften und der Gesellschaften, an denen sie beteiligt ist, auf eine öffentliche Tagesordnung kamen, forderte die Fraktion FDP/CDU im September 2019 öffentlich eine noch intensivere Befassung mit den Gesellschaften, die „wirtschaftlich nicht problemfrei laufen“. Wo, wenn nicht bei der Alfsee GmbH, besteht aktuell ein dringender Bedarf, dass sich die Ratsgremien mit der kritischen Entwicklung der Dinge befassen, und zwar – wie in den Jahren zuvor – in öffentlicher Sitzung?

 

„Bestandsgefährdendes Risiko“.

Krisenlage am Alfsee durch die Virus-Pandemie.

Für die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Falk GmbH & Co. KG mit Datum 26. August 2020 deuten die unter Punkt 3 des Lageberichts genannten „Gegebenheiten sowie der Hinweis auf die nicht abzuschätzende, künftige pandemische Lage auf das Bestehen einer wesentlichen Unsicherheit hin, die bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit der Gesellschaft zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen kann und die ein bestandsgefährdendes Risiko im Sinne des § 322 Abs. 2 Satz 3 HGB darstellt.“ (2)

In der Samtgemeinderatssitzung am 7. Oktober 2020 erkundigte sich CDU-Ratsherr Uphoff im öffentlichen Teil „inwieweit in den nächsten Jahren mit weiteren Verlusten der HaseWohnbau GmbH zu rechnen ist“, und Michael Wernke antwortet. Kein Wort dagegen zu den Verlusten der Alfsee GmbH. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurde dann offensichtlich ein Lagebericht zur Alfsee GmbH gegeben und beschlossen, dass die Samtgemeinde Bersenbrück der Alfsee GmbH ein Gesellschafterdarlehen in Millionenhöhe zur Verfügung stellt.

 

Konfliktthema „Mangel an Transparenz“.

Streitpunkt ö = öffentlich oder nö = nicht-öffentlich.

Das Thema Alfsee GmbH wurde vollständig in den nicht-öffentlichen Teil verlegt, das Thema Rathaus (Lindenstraße 18/Markt 7) sollte komplett in den nicht-öffentlichen Teil verlegt werden, was dann ein Antrag der Fraktion SPD/Bürgerliste Alfhausen verhinderte: Das sind nur zwei Beispiele für Transparenz-Konflikte, die seit dem Amtsantritt von Michael Wernke köcheln und die in der Ratssitzung am 19. Januar 2021 aufflammten. Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht sollen da u.a. von Michael Wernke moniert worden sein (3).

Mal abgesehen davon, was überhaupt der Verschwiegenheitspflicht unterliegt und was nicht: Sollte aus der Tatsache, dass die Lage der Alfsee GmbH nur im nicht-öffentlichen Teil von Ratsgremien zur Sprache kam, eine Verschwiegenheitspflicht abgeleitet werden, so würde das bedeuten: Die Ratsmitglieder dürften nicht über einen Sachverhalt reden, den jeder Bürger und jede Bürgerin öffentlich nachlesen kann.

Verpflichtung zur Veröffentlichung. Bei einer Gesellschaft wie der Alfsee GmbH besteht eine Verpflichtung zur Veröffentlichung über den Bundesanzeiger. Die Beteiligungsberichte des Landkreises Osnabrück erscheinen jährlich und sind öffentlich einsehbar. Gemäß. § 1 Abs. 2 Nr. 10 KomHKVO sind von Kommunen entsprechende Berichte zu erstellen.

 

Konflikt nicht öffentlich: Michael Wernke äußert sich öffentlich zum Nicht-Öffentlichen per Zeitung.

Durch die Verlegung der Angelegenheit Alfsee GmbH in den nicht-öffentlichen Teil wurde hier nur eines verhindert: Dass die im Rat vertretenen Fraktionen und Gruppen sich für die Bürger öffentlich wahrnehmbar zu den Zahlen und zur Lage der Alfsee GmbH äußern können.

Bersenbrücker Kreisblatt, 8. Oktober 2020.

Mit der Verlegung von Themen in den nicht-öffentlichen Teil ist die Forderung verbunden, dass darüber nicht-öffentlich geredet werden soll. Aber genau das tat Samtgemeindebürgermeister Michael Wernke im Oktober 2020. Er teilte am Tag nach der Ratssitzung mit, so im Bersenbrücker Kreisblatt zu lesen, der Samtgemeinderat habe in nicht öffentlicher Sitzung am Donnerstag in Ankum beschlossen, bei ungefähr fünf Enthaltungen, aber ohne Gegenstimme, dass die Samtgemeinde Bersenbrück die Vertriebssparte ihrer Hase-Energie GmbH zum Jahresende auflöst und zwei Mitarbeiter ihren Job verlieren (4). Michael Wernke berichtete gemeinsam mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Menke (UWG Ankum) ausführlich über HaseEnergie und geplante Veränderungen.

Behandlungen im nicht-öffentlichen Teil von Sitzungen statt im öffentlichen, ist einer der Konfliktpunkte zwischen Ratsmitgliedern anderer Fraktionen und der CDU-Fraktion sowie Michael Wernke.

Angesichts dieses Berichts stellt sich die Frage: Warum stand HaseEnergie dann im Samtgemeinderat im nicht-öffentlichen Teil auf der Tagesordnung und nicht im öffentlichen Teil? Über die Zeitung wird die Sicht der Samtgemeinde transportiert. Nicht öffentlich vernehmbar ist dagegen, was Vertreter anderer Ratsfraktionen dazu sagten. Hätte das Thema im öffentlichen Teil auf der Tagesordnung gestanden, wären auch die Redebeiträge anderer und damit auch Gründe für Enthaltungen und eine Gegenstimme öffentlich geworden.

 

„Entwicklungen, die ich bedenklich finde“.

Wenn Michael Wernke nun in der Ratssitzung am 19. Januar von Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht spricht: Worauf bezieht er sich da und für wen und was genau gilt die Verschwiegenheitspflicht?

Detert Brummer-Bange.

Im Interview mit klartext hatte Detert Brummer-Bange (UWG Ankum) Anfang Januar gesagt, er sehe seit einigen Monaten Entwicklungen in der Samtgemeinde, die er bedenklich finde. Seine grundsätzliche Forderung: Beratungen müssten „in dem dafür zuständigen Ausschuss des Samtgemeinderats stattfinden und damit in einem öffentlich zugänglichen Rahmen“ (mehr dazu hier). Mit seinen Äußerungen vom 20. Januar zum Zeitungsbericht zur Ratssitzung vom Vortag bringt Brummer-Bange auf den Punkt, was nach klartext-Gesprächen für eine Reihe von Ratsmitgliedern eine zentrale Ursache ist für Konflikte im Samtgemeinderat.

Werden alle Ratsmitglieder ausreichend und verlässlich informiert, ist eine der strittigen Fragen?

Quellen:
(1) www.landkreis-osnabrueck.de/sites/default/files/2020-12/beteiligungsbericht-2019-digital.pdf
(2) www.bundesanzeiger.de, www.unternehmensregister.de
(3) Bersenbrücker Kreisblatt, gedruckte Ausgabe 21. Januar 2021
(4) Bersenbrücker Kreisblatt, 8. Oktober 2020

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