Stadt will Ratsarbeit der UWG kontrollieren

Einen wohl einzigartigen Eingriff in die Arbeit einer Ratsfraktion leistete man sich im CDU-regierten Bersenbrück: Die UWG-Fraktion soll seltener tagen bzw. offenlegen, worüber sie berät.

Die drei UWG’ler im Stadtrat Bersenbrück (von links): Steffen Zander, Andrea von der Haar und der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Rathmann.

Ein kommentierender Beitrag von Rita Stiens.

Vor knapp 7 Monaten, im November 2016, saß die frisch gewählte UWG Bersenbrück mit 3 Mitgliedern erstmals in einer Stadtratssitzung. Nur 2 Ratssitzungen nach ihrer allerersten handelte sich die Fraktion nun ziemlich Einzigartiges ein: eine Zurechtweisung von Seiten der Stadt. Das Mail-Schreiben trägt das Datum 11. Mai.

Ein Satz aus dem Schreiben der Stadtverwaltung an die UWG-Fraktion.

 

Man kann über Sitzungen kein Geld „schinden“.

Die Vorhaltung Nr. 1 gegenüber die UWG-Fraktion bezieht sich auf die Anzahl der Sitzungen. Die UWG-Fraktion, so die Stadt, tage „recht häufig“, häufiger als andere, und sie wird gebeten, „im Rahmen der Wirtschaftlichkeit“ ihre „Fraktionssitzungen zeitlich zu strecken“.

Warum diese Aufforderung? Kann eine Fraktion über Sitzungen Gelder „schinden“? Nein, das kann sie nicht, denn es gibt in Bersenbrück – wie anderorts – ein klares Regelwerk: die Satzung zur „Aufwandsentschädigung“.

Die Satzung steht im Netz auf www.bersenbrueck.de.

 

Gravierender Versuch der Beschränkung.

Die Bersenbrücker „Aufwandsentschädigungssatzung“ wurde gerade erst im Dezember in einer Ratssitzung verabschiedet. Die Stadt verweist darauf, die UWG-Ratsmitglieder hätten „als Ratsmitglieder Anspruch auf Sitzungsgeld für Fraktionssitzungen“. Punkt, mehr steht da nicht. Das eröffnet Raum für die Interpretation, man bekäme für jede abgehaltene Sitzung Geld. Dem ist nicht so. In dem Schreiben der Stadt kommt ein entscheidender Punkt nicht vor: Dass es eine Obergrenze gibt.

So steht es in der Satzung, die im Dezember vom Stadtrat beschlossen wurde.

So ist in der „Aufwandsentschädigungssatzung“ geregelt: mehr als durchschnittlich 140 € pro Monat kann kein Ratsmitglied als Entschädigung bekommen – egal, wie viele Sitzungen es gibt (Ausschusssitzungen, Ratssitzungen und Fraktionssitzungen).

Da es so ein Regelwerk gibt: Mit welcher Berechtigung kann dann eine Stadtverwaltung fordern, dass eine Fraktion weniger häufig tagt und in größeren Abständen? Der Handlungsrahmen wird durch die „Aufwandsentschädigungssatzung“ abgesteckt, und die kann nicht von einer Verwaltung ausgehebelt werden. Insofern ist das Schreiben in seinem ersten Punkt zum einen eine überflüssige und vor allem unzulässige Einmischung in die Arbeit einer Fraktion.

Bersenbrück erhöhte die Sitzungsgelder. Was die „Wirtschaftlichkeit“ angeht, von der in dem Schreiben die Rede ist: Wenn die Stadt Geld einsparen will, warum erhöhte die dann im Dezember die Aufwandsentschädigungen für alle, vom Bürgermeister bis zum einfachen Ratsmitglied? Man hätte es auch bei den alten Sätzen belassen können.

Freude bei der UWG am Wahlabend, als klar war, dass sie drei Mandate im Stadtrat Bersenbrück errungen hatte.

 

Wählerauftrag: Gute Arbeit leisten.

Jede Fraktion zieht mit dem Wählerauftrag in den Rat ein, dort eine gute Arbeit zu leisten, und dazu bedarf es einer gründlichen Befassung mit den Themen, mit denen man es zu tun hat. Von diesem grundsätzlichen Faktor einmal abgesehen, bestimmt auch die Politik den Zeitplan einer Fraktion. Pikanterweise moniert die Stadtverwaltung gegenüber der UWG ausgerechnet eine sehr spezielle und von Kontroversen geprägte Zeitspanne.

 

Umstritten: Die „Geheimsache“ Bramscher Straße. 

Bebauung Bramscher Straße: In wenigen Tagen nicht öffentlich durchgezogen.

Zwischen dem 16. März und dem 20. März habe die UWG-Fraktion drei Fraktionssitzungen abgehalten, moniert die Stadt. Was war zu dem Zeitpunkt? In der Woche zwischen dem 14. März und dem 20. März zeigte sich, dass die CDU-Ratsmehrheit mit Bürgermeister Klütsch an der Spitze die Entscheidung über die Vergabe des Grundstücks Bramscher Straße a) innerhalb weniger Tage – und zwar unter Ausschluss jeder öffentlichen Debatte in Ratsgremien – durchziehen wollte, und b) dass ein Investor den Zuschlag bekommen soll, dessen Bauprojekt nicht nur aus Sicht der UWG bei der erstmaligen (nicht öffentlichen) Präsentation am 14. März alles andere als ausgereift war (mehr dazu hier). Von „Durchpeitschen“ kann bei einer solch‘ kurzen Zeitspanne mit Fug und Recht die Rede sein.

 

Die Stadt moniert 3 Sitzungen in einer sehr speziellen Woche.

Viele Fragen, großer Beratungsbedarf.

Wie damit umgehen? Wie politisch Position beziehen angesichts der aus UWG-Sicht vielen offenen Fragen zu dem Projekt? Zu den Aspekten, mit denen sich die Fraktion befasste, gehörte auch, so die UWG, sich darüber zu informieren, ob das geplante Vorgehen – eine Entscheidung in rein nicht-öffentlichem Rahmen herbeizuführen – rechtlich überhaupt vertretbar ist. 2 x traf sich die UWG-Fraktion in dieser besonderen Woche, und dann noch einmal einige Stunden vor der Ratssitzung am 20 März.

Dass sich eine Verwaltung anmaßt, das zu monieren und davon spricht, die UWG solle ihre Sitzungen zeitlich strecken, ist grundsätzlich ein inakzeptabler Vorgang und geradezu Hohn in Bezug auf diese spezielle Woche. In der besagten Woche war zeitlich gar nichts zu strecken, denn der Zeitdruck kam von Seiten der regierenden CDU: Es waren die CDU-Stadtverantwortlichen, die nur 7 Tage zwischen die erstmalige Präsentation des Projekts Bramscher Straße und die Entscheidung im Rat legten (mehr auch hier, in einem Interview mit der UWG). Wann hätte die UWG-Fraktion beraten sollen? Zeitlich gestreckt – erst nach der Entscheidung in Sachen Bramscher Straße?

 

Tagesordnungen vorlegen: von Vorteil für wen?

Verletzung der Rechte der Fraktion.

Von besonderer Brisanz ist der letzte Satz in dem Schreiben der Stadt. „Um die Abrechnung zu erleichtern“, heißt es da, „wäre es von Vorteil, die Tagesordnungen ihrer Fraktionssitzungen zur Kenntnis zu erhalten“. Die Stadtverwaltung wüsste also gerne, über welche Themen die UWG-Fraktion spricht. Das steht in eklatantem Gegensatz zu den grundlegenden Spielregeln der Demokratie.

In einem Beitrag der Bundeszentrale für politische Bildung ist nachzulesen: In einer parlamentarischen Demokratie komme der „Opposition vor allem die Aufgabe zu, die Regierung zu kontrollieren und Argumente für und gegen deren politischen Programme öffentlich zu kommunizieren.“

In Bersenbrück wird der Spieß umgedreht: Dort will man die UWG-Fraktion kontrollieren und einschränken – über Einblicke in die Tagesordnungen der Fraktionssitzungen und darüber, dass man Einfluss darauf nimmt, wie oft eine Fraktion tagt.

Das Klima im Stadtrat verbessern, ist eines der Ziele der UWG. Ein aussichtsloses Unterfangen? Bildmitte: die Ratsmitglieder Andrea von der Haar und Wolfgang Rathmann.

 

Für die Abrechnung wird keine Tagesordnung benötigt.

Abgerechnet wird nach Sitzungen, und da ist, wie oben bereits ausgeführt, bei durchschnittlich 140 € pro Monat und Ratsmitglied Schluss. Warum sollen dann Tagesordnungen vorgelegt werden? Will die Verwaltung darüber urteilen, ob die UWG-Fraktion sich mit diesem oder jenem Thema überhaupt hätte befassen sollen oder ob die Fraktion zu häufig über dieses oder jenes Thema beraten hat?

Man stelle sich für einen Moment einmal vor, die Ankumer CDU-Fraktion würde mit dem Ansinnen konfrontiert, gegenüber der Verwaltung und damit gegenüber ihrer Spitze, dem UWG-Bürgermeister, per Tagesordnungen offen zu legen, was sie auf ihren Fraktionssitzungen bespricht…

 

„Ohrfeige“ statt vernünftige Zusammenarbeit.

Im Bersenbrücker Stadtrat sitzen vier Parteien/Fraktionen: CDU, SPD, UWG und Grüne. Idealerweise sollen und wollen sich alle einbringen zum Nutzen der Stadt – durch ihre jeweilige Arbeit und ihre jeweilige Sicht auf die Dinge. Besteht die Bereitschaft zuzuhören, andere mit einzubeziehen? Das hängt in entscheidendem Maße von der Mehrheitsfraktion ab – und die stellt in Bersenbrück die CDU.

Engagierte Mitarbeit setzt Sachkenntnis voraus. Je intensiver sich eine Fraktion in eine Materie einarbeitet, desto besser. Die UWG-Fraktion handelte sich für ihren Arbeitseinsatz gerade von Seiten der Stadt eine „Ohrfeige“ ein. Alles andere als ein gutes Omen für die weitere Zusammenarbeit.

 

Bürgermeister Christian Klütsch (CDU).

Einmischung im Rang eines Eklats.

Das Schreiben der Bersenbrücker Stadtverwaltung ist eines mit politischer Sprengkraft. Es ist der Versuch, die Arbeit der UWG-Fraktion zu kontrollieren und sich Einblicke in deren inhaltliche Arbeit zu verschaffen. Das hat den Rang eines Eklats. Ist vorstellbar, dass ein Schreiben von solcher Brisanz ohne Wissen der Verantwortlichen – von Bürgermeister Christian Klütsch und seinem Verwaltungsvertreter Johannes Koop – auf den Weg gebracht wurde?

Wäre dem so, gäbe es einen eklatanten Mangel an Kommunikation zwischen Bürgermeister, seinem Verwaltungsvertreter und Verwaltung sowie einen Mangel an Wahrnehmung der Kontroll- und Aufsichtspflicht.

In seinen ersten Bürgermeisterjahren war Christian Klütsch ein Bürgermeister nach § 106 und damit nur der politische und repräsentative Kopf der Stadt. Im November ließ er sich jedoch nach § 105 zum Bürgermeister wählen. Und das heißt: Er ist seitdem auch der Gemeindedirektor und steht damit in der Verantwortung für die gesamte Verwaltung der Stadt. Mit in der Verantwortung: sein Verwaltungsvertreter Johannes Koop.

 

„Widerspricht jeglichen Grundsätzen parlamentarischer Fraktionsarbeit“.

Wolfgang Rathmann (UWG).

Das Schreiben der Verwaltung beantwortete der UWG-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Rathman. Er schrieb: „Namens der Fraktion der UWG im Stadtrat der Stadt Berenbrück nehme ich zu Ihrer Anfrage vom 11.05.2017 wie folgt Stellung:

  1. Mir ist keine gesetzlich vorgeschriebene Festschreibung bzw. Begrenzung der Anzahl von Fraktionssitzungen bekannt. Weder im NKomVG, noch in anderen Gesetzen oder Verordnungen habe ich entsprechende Regelungen gefunden.
  2. Auch einen Ratsbeschluss des Stadtrates der Stadt Bersenbrück, der die Anzahl der Fraktionssitzungen der im Stadtrat vertretenen Fraktionen von Parteien bzw. politischen Gruppierungen festschreibt oder begrenzt, habe ich nicht gefunden.
  3. Die Aufgabe der Verwaltung besteht m. E. nach in der objektiven, umfassenden und neutralen Beratung aller im Stadtrat vertretenen Parteien und politischen Gruppierungen.

Zu Ihrer Anfrage nach Übersendung von Tagesordnungen unserer Fraktionssitzungen an die Verwaltung der Stadt Bersenbrück stelle ich fest, dass m. E. nach alleine schon Ihre Anfrage jeglichen Grundsätzen parlamentarischer Fraktionsarbeit in einem demokratischen Rechtsstaat widerspricht! So eine Anfrage steht der Verwaltung der Stadt Bersenbrück m. E. nach nicht zu! Sollte ich mich irren, bitte ich Sie um kurzfristige Information mit ausführlicher Quellenangabe. Ihnen ein sonniges Wochenende. Mit freundlichen Grüßen. Wolfgang Rathmann“

 

Nach gut 2 Wochen noch keine Antwort.

Seitdem die UWG-Fraktion das Schreiben der Verwaltung am 12. Mai beantwortete, sind gut 2 Wochen vergangen. Eine Reaktion der Stadt auf die UWG-Replik gab es zumindest bis zur Mittagszeit am 30. Mai noch nicht.

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4 Kommentare

  1. Torsten Cramer

    Einer Verwaltung steht es grundsätzlich überhaupt nicht zu, sich in politische Angelegenheiten
    einzumischen oder diese zu kommentieren.Bekanntlich beruht unsere Demokratie auf drei Säulen:
    Legislative, Exekutive, Judikative. Jeder Verwaltungsmitarbeiter hat sich daran zu halten.
    Da das in Bersenbrück offensichtlich anders ist, muß die Aufsichtsbehörde eingeschaltet werden.
    Was sind das für Mitarbeiter, die sich für politische Ränkespielchen mißbrauchen lassen, wird etwa
    Druck auf sie ausgeübt.
    Abgesehen davon sollte Klartext den Urheber des Schreibens entlarven.

  2. Franz Wiewel

    Die Bersenbrücker CDU sollte mal an einen Grundkurs über DEMOKRATIE teilnehmen.

  3. Lagodny

    Die cDU hört es nicht gerne, aber Erdogan geht mir bei soetwas nicht aus dem kopf. Und der Briefträger.

  4. Alfred Roemer

    Frage: Wer hat das Schreiben an die UWG Fraktion unterzeichnet? Wer glaubt hier, grundlegende
    demokratische Regeln außer Kraft setzen zu können.
    Es ist doch schon länger zu beobachten, wie die Bersenbrücker CDU nach Gutsherrenart unter Herrn
    Klütsch „regiert“. Möglicherweise kann Herr Klütsch in seinem Kleinunternehmen so agieren, als
    Bürgermeister der Stadt Bersenbrück ist er anscheinen nicht ausreichend qualifiziert.

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