Andi ist Ankums erstes Flüchtlings-Baby

Andi macht es seiner Mutter Abir leicht: Er ist ein sehr zufriedenes und ruhiges Baby.

10 Tage war Andi alt, als dieses Foto am 21. Februar entstand. Mutter Abir ist, wie die ganze Familie, überglücklich über den gesunden Sohn. Nach 45 Flüchtlingen ist Andi der 46. und jüngste Neu-Bürger in Ankum.

Andi macht es seiner Mutter Abir leicht: Er ist ein sehr zufriedenes und ruhiges Baby.

Andi macht es seiner Mutter Abir leicht: Er ist ein sehr zufriedenes und ruhiges Baby.

3.350 Gramm brachte Andi bei seiner Geburt auf die Waage, und er musste im Marienhospital per Kaiserschnitt auf die Welt geholt werden. Nach der Erleichterung darüber, dass Mutter Abir und das Baby wohlauf sind, ging es turbulent zu im Haus der Vermieter, die mit der jetzt vierköpfigen Familie unter einem Dach leben. Andis Eltern sind nicht die einzigen, die aus Syrien nach Deutschland flohen. Vor ihnen kamen schon Schwestern seiner Eltern mit ihren Familien an, die sich sofort nach der Geburt auf den Weg nach Ankum machten, um Andi zu begrüßen. Das bedeutete „full house“.

Treffen zu Kaffee und Kuchen bei den Vermietern: Die syrische Familie mit Töchterchen Angela und Baby Andi.

Treffen zu Kaffee und Kuchen bei den Vermietern: Die syrische Familie mit Töchterchen Angela und Baby Andi.

Praktischer Kulturaustausch am Beispiel Windeln wechseln.

Windeln wechseln bei Angela: Für Vater Mohammed eine neue Erfahrung.

Windeln wechseln bei Angela: Für Vater Mohammed eine neue Erfahrung.

Ankumer und die syrische Familie unter einem Dach, das ist zugleich ein ständiger und interessanter, wie die Vermieter erzählen, kultureller Austausch – bei dem sich die Ankumer manchmal ein Lachen kaum verkneifen können. Wer wechselt bei der gut anderthalbjährigen Angela die Windeln, ist so eine kleine Alltagsgeschichte, solange Mutter Abir im Krankenhaus ist? Deutsche Väter sind aufs Windelwechseln in der Regel genauso gut trainiert wie die Mütter. Vater Mohammed war es nicht, tastete sich inzwischen aber an die ungewohnte Aufgabe ran.
Mit Andi hat Ankum einen neuen Bürger – und die Religionsgemeinschaft der Jesiden ein neues Mitglied. Mitglied dieser Religionsgemeinschaft kann nur sein, wer einen jesidischen Vater und eine jesidische Mutter hat. Andis Vater Mohammend hat mit seiner Frau Abir eine Jesidin geheiratet. Anders als zum Beispiel in der katholischen Kirche, wo es der Taufe bedarf, um Mitglied der Kirche zu sein, ist Andi allein per Geburt Jeside, erklärt Vater Mohammed.

Die Jesiden sind eine zumeist nordkurdisch sprechende religiöse Minderheit. Sie waren in ihrer Geschichte durchweg Verfolgungen und Völkermord ausgesetzt. Gnadenlos verfolgt – versklavt und ermordet – werden sie in jüngster Zeit vom sogenannten Islamischen Staat. In Deutschland werden Jesiden seit Anfang der 1990er Jahre als Gruppenflüchtlinge anerkannt.

 

Trotz lebhafter Stimmung an der großen Kaffeetafel: Der kleine Andi schlummert selig vor sich hin.

Trotz lebhafter Stimmung an der großen Kaffeetafel: Der kleine Andi schlummert selig vor sich hin.

Mohammed möchte nicht „vom Sozialgeld“ leben.

Vater Mohammed sucht nach einer beruflichen Perspektive, um aus eigener Kraft für seine Familie zu sorgen.

Vater Mohammed sucht nach einer beruflichen Perspektive, um aus eigener Kraft für seine Familie zu sorgen.

Nach Tochter Angela nun Sohn Andi: perfekt, findet der Vater. Er hadert allerdings, bei allem Glück über den Nachwuchs, mit einem Problem: Mohammed möchte arbeiten und nicht „vom Sozialgeld“, wie er sagt, leben. An der Geduld, die ihm seit seiner Ankunft in Deutschland abgefordert wird, hat er schwer zu tragen. Mohammed möchte seine Familie durch Arbeit ernähren und würde am liebsten mit Hochdruck deutsch lernen.
Drei Monate lang war er tagtäglich in einem Deutschkurs, aber der läuft Ende Februar aus. Im Haus Kirchburg erteilt ein ehrenamtlicher Helfer Deutschunterricht, aber der kann natürlich nicht ersetzen, was mit dem Ende des Deutschkurses wegfällt. Mohammed übt den Spagat zwischen großer Dankbarkeit für all‘ die Unterstützung, die der Familie zuteil wird, und seinem ungeduldigen Streben danach, den Lebensunterhalt selbst zu verdienen.

Mutter Abir ist ebenfalls dabei, Deutsch zu lernen. Sie nahm vor der Geburt an einem Mutter-Kind-Programm teil. Da wurde Töchterchen Angela im kommunalen Kindergarten betreut, während die Mutter am Deutschunterricht teilnahm.

 

Die Familie möchte in Ankum bleiben.

Angela soll mit anderen Kindern in Kontakt kommen und darum bald in die KiTa gehen.

Angela soll mit anderen Kindern in Kontakt kommen und darum bald in die KiTa gehen.

Der Vermieter ist von Mohammeds Elan begeistert – und fast überfordert. Mohammed ist es gewohnt, die Dinge praktisch anzugehen. Im Moment möchte er Friseur werden. Mit der Begründung: Da habe er jeden Tag Kontakt mit deutschen Kunden und wird dadurch auch schneller die Sprache lernen. In Syrien ist er durchs praktische Tun zum Bäcker geworden. An diese Berufserfahrung könnte er anknüpfen, wenn er nach einer Tätigkeit in einer Bäckerei suchen würde. Bei einer Arbeit in der Backstube, meint Mohammed, hat er aber nur wenig Kontakt mit Menschen und kommt, was die Sprache angeht, nicht so schnell voran.
„Alles nicht so einfach, Mohammed“, wendet sein Vermieter öfter mal ein. Aber immerhin: Mohammed kann bald ein Praktikum in einem Friseursalon absolvieren. Eine Chance auf einen Berufswechsel? Welchen Weg Mohammed gehen wird und kann, wird erst die Zukunft zeigen. Will die Familie in Ankum bleiben? Anfangs plante man noch, eines Tages zu Verwandten nach Hannover zu ziehen. Inzwischen sieht Mohammed seine Zukunft und die seiner Familie eher in Ankum. Töchterchen Angela soll, sobald sich ein Platz findet, in die KiTa gehen.

Autor
Schlagwörter

Verwandte Beiträge

*

Top