„Da kippe ich vor Langeweile vom Stuhl“

Dirk Raming gehört mit 32 Jahren zur seltenen „Spezies“ der jungen Leute in der Politik. Warum gibt es so wenige? Was hat ihn zur Politik gebracht? Hier Einblicke in ein Jungpolitiker-Leben.

Wer in die Politik geht, verbringt viel Zeit in Sitzungssälen.

Wer in die Politik geht, verbringt viel Zeit in Sitzungssälen.

 

klartext: Herr Raming, wer oder was hat Sie für Politik begeistert? Und wie alt waren Sie, als Sie anfingen, sich für Politik zu interessieren?

Das ging los, als ich so 16 war. Da habe ich mich schon für alles interessiert, was in der Welt und der politischen Welt vor sich ging. Zunächst vor allem im Urlaub, weil ich da Zeit hatte. Ich habe die unterschiedlichsten Zeitungen und Magazine gelesen wie zum Beispiel die Frankfurter Allgemeine, Spiegel, Focus, den Stern. Aktiv geworden in der Politik bin ich erst einige Jahre später, Ende 2009.

 

Und warum? Wie kamen Sie vom viel lesen zum politischen Tun?

Der Business-Look eines Politikers.

Der Business-Look eines Politikers.

Durch einen Freund, zur Zeit des großen Krachs im Ankumer Gemeinderat. Dieser Freund sagte mir, dass in Ankum etwas Neues entstehen soll. Das hat mich interessiert. In die CDU einzutreten, und das hat nichts mit den Aktiven vor Ort zu tun, war für mich nie eine Option. Der SPD war ich von meiner Überzeugung her schon näher, aber aus der SPD kannte ich niemanden.
Über den Freund bin ich dann doch zur Politik und damit zur UWG gekommen. Ich wollte mich engagieren. Mit den Leuten, die ich bei der UWG kennengelernt habe, mit denen zusammen konnte ich mir das gut vorstellen. Es gab auch schon bald richtig viel zu tun. Ich habe mich 2011 als Teil eines Teams um den Wahlkampf gekümmert und mir war auch immer klar, dass ich in der Samtgemeinde was machen wollte, weil ich da zunächst mehr Themenschwerpunkte gesehen habe als in der Gemeinde.

 

klartext: Warum ist es Ihrer Meinung nach so schwer, Jüngere für Politik zu begeistern? Sie waren damals ja so 27, 28 Jahre alt.

Das hat, meine ich, eine Reihe von Gründen. Zum einen gehen viele nach der Schule zum Studium weg. Dann muss man erst einmal im Beruf Fuß fassen, dann kommt vielleicht noch die Familiengründung dazu. Und diejenigen, die nicht zum Studium weggehen, interessieren sich vielfach für anderes, engagieren sich zum Beispiel in der Jugendarbeit, im Fußball, in anderen Vereinen, bei der Feuerwehr. Das kostet alles Zeit.
Nicht wenige Menschen arbeiten im Schichtdienst. Wenn ich Schichtarbeiter wäre, würde ich mich politisch auch nicht engagieren können, weil die Abend, die ich dann frei habe, auch freie Abend sein sollen. Da würde ich dann auch nicht Politik machen wollen. Ich bin selbständig im Außendienst tätig. Da kann ich mir meine Zeit einteilen. Bei einer Krankenschwester und ihren Dienstzeiten sieht das anders aus. Die kriegt nicht mal eben zwei oder drei Stunden frei für Politik.
Kurz und gut: Aufbau der beruflichen Existenz, Familiengründung usw. – wer damit durch ist, ist locker 35, 36. Und dann muss der- oder diejenige auch noch die nötige Zeit haben und Lust auf Politik. So mancher schreckt davor schon wegen der Öffentlichkeit zurück: Sobald man im Rat ist, steht man der Öffentlichkeit, selbst wenn man sich gar nicht sonderlich exponiert.

 

Dirk Raming: Action & Fun beim Extrem-Hindernislauf „Tough Mudder“.

Dirk Raming: Action & Fun beim Extrem-Hindernislauf „Tough Mudder“.

 

klartext: Kann der Nachwuchsmangel auch daran liegen, dass die Materie nicht selten eine ziemlich „dröge“ Materie ist, nicht gerade spannend?

Meines Erachtens sind eher die eingefahren Strukturen ein Problem. Ich hatte das Glück, dass ich bei der Gründung einer neuen Truppe dabei war. Da war viel Schwung, da war viel Arbeit, und ich konnte mir aussuchen, was ich machen wollte. Die UWG Ankum hat damals diverse Arbeitskreise gegründet und es war noch vieles offen.
Wer unter normalen Bedingungen in eine Partei kommt, trifft auf ein bestehendes Gerüst. Wenn jemand neu in die UWG käme und mir sagen würde, was Du da machst, Dirk, das würde ich jetzt gerne machen – da würde ich auch nicht sagen hurra, dann übernimm das mal, ich suche mir andere Aufgaben.

„Als Ratsmitglied ist man daran beteiligt, Politik umzusetzen.“

„Als Ratsmitglied ist man daran beteiligt, Politik umzusetzen.“

Ich war recht schnell nach meinem Einstieg in die Politik im Samtgemeinderat und im Ankumer Gemeinderat. Als Ratsmitglied ist man daran beteiligt, Politik umzusetzen. Es gibt einen Graben zwischen Ideen entwickeln und Umsetzung. Damit meine ich: Die UWG ist z. B. mit sehr aktiven Arbeitskreisen gestartet. Wenn man dann aber erlebt, dass so manches gar nicht umgesetzt werden kann oder nur sehr langsam umgesetzt wird, kann das schon ziemlich frustrierend sein. Bei uns sollten in den Arbeitskreisen möglichst auch Mandatsträger wie Gemeinde- und Samtgemeinderatsmitglieder mit drin sein, sozusagen als Verbindung zwischen Theorie und Praxis, aber das war für die Mandatsträger zeitlich einfach nicht zu schaffen.

 

klartext: Die Ratsarbeit selber ist also spannend?

Ich sag‘ mal so: Es gibt viele Leute, die sich für ganz bestimmte Themen interessieren. In der Politik muss ich mich im Prinzip für alles interessieren. Das wird manchen zuviel, und das kann ich auch verstehen. Spannend ist für mich auch nicht alles. Bebauungspläne sind zum Beispiel eine wichtige Sache, aber da kippe ich vor Langeweile vom Stuhl, um es mal überspitzt zu sagen.
Aber man muss ja auch nicht in jedes Thema tief einsteigen. Ich habe in der UWG Kollegen, die sich auf Gebieten, die mir nicht so liegen, gut auskennen. Die können einem das dann in kurzen Sätzen vermitteln. Wenn ich mich bei jeder Thematik bis in die Tiefe einarbeiten müsste, würde ich vielleicht nicht die Brocken hinwerfen, aber begeistert davon wäre ich nicht.

Weitblick kann in der Politik nicht schaden. Die Ballonfahrt war ein Dankeschön für die Organisatoren des Ankumer Turmfests.

Weitblick kann in der Politik nicht schaden. Die Ballonfahrt war ein Dankeschön für die Organisatoren des Ankumer Turmfests.

 

klartext: Was begeistert Sie denn?

Meine Leidenschaft ist zum Beispiel das Veranstaltungsmanagement. Dafür muss man nicht zwingend im Rat sein. Aber wenn man Ratsmitglied ist, ist das einfacher. Da hat man zwangsläufig viele Kontakte und weiß, wen man ansprechen muss. Ich war beispielweise mit im Organisations-Team Turmfest in Ankum. Die Organisation des Weihnachtsmarkts haben Klaus Buschermöhle und ich von Ralf Gramann übernommen und weitergeführt. Wenn man sieht, dass gut wird, wo man viel Arbeit reingepackt hat – das ist dann schon ein Riesenpunkt.
Eine weitere Sache ist der Abenteuerspielplatz am Ankumer See. Da stand Maren von der Heide am Anfang der Entwicklung und später haben dann Felix Kruse und ich das weiter vorangetrieben. Zu sehen, dass was passiert, das macht Spaß an der Politik. Der Jugendtreff ist auch so ein Beispiel dafür.

 

klartext: An zwei Oberschulen – in Ankum und Bersenbrück – läuft ein Projekt „Schüler und Kommunalpolitik“. Da sollen die Schüler auch an einer Sitzung teilnehmen. Was meinen Sie? Törnt so eine Sitzung an oder eher ab?

Dirk Raming als Darsteller beim Turmfest: Darstellerisches Talent kann auch in der Politik nicht schaden.

Dirk Raming als Darsteller beim Turmfest: Darstellerisches Talent kann auch in der Politik nicht schaden.

Ich sag‘ mal so: Wenn mich ein Headhunter für einen Job gewinnen will, wird er mir den in den schönsten Farben schildern. Ich bin begeistert, fange an und stelle fest: Ist ganz und gar nicht so toll – und werfe die Brocken vielleicht nach einem Jahr wieder hin. Die Schülerinnen und Schüler werden einen realistischen Einblick bekommen und können erleben, ob das was für sie ist oder nicht.
Wichtig finde ich aber vor allem, dass sie während des begleitenden Schulunterrichts gut aufpassen. Da könnte zum Beispiel aufgezeigt werden, das und das ist durch Politik umgesetzt worden wie zum Beispiel der Skater-Park. Kommunalpolitik, und das ist das Gute daran, ist anschaubar.

 

klartext: Manche schrecken vor dem politischen Engagement zurück, weil sie der Meinung sind, ich weiß nicht genug.

Das sollte kein Hinderungsgrund sein. Sich einzuarbeiten ist nicht schwer. Man steht ja nicht allein auf weiter Flur, sondern hat Kollegen an seiner Seite. Die Verwaltung hilft einem da in der Regel auch gut weiter. Da wächst man rein.

 

klartext: Sie sprachen anfangs davon, dass Sie über eine Gruppe in die Politik kamen, in der eine große Aufbruchstimmung herrschte. Nun geht in diesem Jahr die erste Legislaturperiode, in der die UWG in Ankum „am Ruder“ und auch im Samtgemeinderat vertreten ist, zu Ende. Wie viel Aufbruchstimmung gibt es noch?

Im Kreis seiner UWG-Kolleginnen und Kollegen fühlt sich Dirk Raming gut aufgehoben.

Im Kreis seiner UWG-Kolleginnen und Kollegen fühlt sich Dirk Raming gut aufgehoben.

Wichtiges hat bis heute Bestand. Gestartet ist die UWG Ankum ja als eine Truppe unterschiedlichster Leute, die eines verbunden hat: Dass es so, wie es damals gelaufen ist, zum Beispiel mit persönlichen Angriffen, nicht weitergehen kann und soll. Es sollte wieder deutlich mehr um die Sache gehen und nicht um persönliche Befindlichkeiten. Das hat bis heute Bestand.
Wir können uns sehr offen und deutlich die Meinung sagen – und uns trotzdem nach jeder Sitzung die Hand geben. Wir kommen auch nicht bei allen Themen zusammen. Das führt auch schon mal zu unterschiedlichen Abstimmungen der UWG-Mitglieder in den Räten, aber das wird in der UWG respektiert. Das ist für mich ein ganz entscheidender Punkt.
Verändert hat sich, dass nicht mehr mit so einem zeitlichen Aufwand wie anfangs an der Entwicklung von Projekten und Ideen gearbeitet wird. Aber das ist normal. Was da in der Anfangsphase abging, war auf Dauer nicht durchzuhalten. Politik kann ja nicht über Jahre jede freie Stunde, die man überhaupt hat, bestimmen.

 

klartext: Wie groß ist denn Ihr Arbeitsvolumen, was kommt da zusammen?

Unterm Strich habe ich, grob überschlagen, ein bis zwei Termine pro Woche. Man muss das politische Geschäft aber nicht so intensiv betreiben wie ich. Bei mir sieht das Arbeitspensum so aus: Auf Samtgemeindeebene treffen wir uns einmal im Monat zu einer Fraktionsvorsitzendenrunde unseres bunten Bündnisses. Dann bin ich in der Alfsee GmbH, das sind so 4 Sitzungen im Jahr. Dazu kommen die 4 oder auch mehr Sitzungen des Samtgemeinderats pro Jahr. Dazu die Ausschusssitzungen. Dann bin ich ja auch im Ankumer Gemeinderat mit dem entsprechenden Pensum an Sitzungen. Aber wie gesagt: Soviel muss man ja nicht machen. Wer nur im Gemeinderat ist, ist mit zwei bis drei Terminen im Monat locker durch.

 

klartext: Welche Eigenschaft braucht man, wenn man sich den Spaß an der Politik erhalten will? Vor allem Sitzfleisch und Geduld?

Dirk Raming eilt nicht nur zu Terminen ins Ankumer Rathaus. Er sitzt für die UWG Ankum auch im Samtgemeinderat.

Dirk Raming eilt nicht nur zu Terminen ins Ankumer Rathaus. Er sitzt für die UWG Ankum auch im Samtgemeinderat.

Sitzfleisch braucht man, und das habe ich. Geduld braucht man auch. Bei Samtgemeinderatssitzungen habe ich schon öfter mal das Problem, geduldig zuzuhören – wenn alles, was ich aus den Ausschusssitzungen rauf und runter kenne, dort wiederholt wird. Das ist dann teilweise schon dröge und langweilig.
Ganz wichtig finde ich: Wenn man in die Politik geht, muss man unterscheiden können: Wenn man sich in einer Sitzung zofft, das kann in der eigenen Fraktionssitzung sein oder im Rat, darf man das nicht persönlich nehmen. Da muss man, wenn die Glocke klingelt, eine klare Linie ziehen können. Streit in der Sache bedeutet nicht Streit mit der Person. Das klappt aber auch nur, wenn in der Sache gestritten wird und keine persönlichen Angriffe gestartet werden.

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