Jugendliche Unfalltote: Beklemmend krass

Das Bühnenprogramm „Abgefahren, wie krass ist das denn“ geht an die Nieren. Die Schülerinnen und Schüler hörten u. a. die Schilderungen der Polizistin Sabrina.

Über 1 ½ Stunden kein Mucks in einer Aula mit etwa 200 Schülerinnen und Schülern – und am Ende bei nicht wenigen Tränen: In Quakenbrück erlebten Jugendliche ein nur schwer auszuhaltendes Projekt der Polizei zum Unfalltod Jugendlicher.

Das Bühnenprogramm „Abgefahren, wie krass ist das denn“ geht an die Nieren. Die Schülerinnen und Schüler hörten u. a. die Schilderungen der Polizistin Sabrina.

Das Bühnenprogramm „Abgefahren, wie krass ist das denn“ geht an die Nieren. Die Schülerinnen und Schüler hörten u. a. die Schilderungen der Polizistin Sabrina.

Ob tagsüber, abends oder nachts: Der Tod junger Menschen ist Alltag auf unseren Straßen. Wie jungen Autofahrern und Mitfahrern vermitteln, welch‘ verheerende Folgen ein Unfall haben kann; was es bedeutet, unwiderruflich aus dem Leben gerissen zu werden, tot zu sein.

 

Jung und tot: Der tägliche Alptraum für Betroffene und Helfer.

Vier Jugendliche starben bei 2013 bei einem Unfall in Dissen.

Vier Jugendliche starben 2013 bei einem Unfall in Dissen.

Man musste nicht nah am Wasser gebaut sein, um mächtig zu schlucken und gegen aufsteigende Tränen zu kämpfen: Was die Schülerinnen und Schüler aus Quakenbrück, Bersenbrück und Fürstenau in der Aula des Artland Gymnasiums zu hören und zu sehen bekamen, ging unter die Haut. „Abgefahren, wie krass ist das denn“ heißt das Bühnenprogramm der Polizei, konzipiert für 16- bis 19-Jährige, das erstmals im Nordkreis und damit im Einzugsgebiet des Polizeikommissariats Bersenbrück gezeigt wurde.

Am 26. Januar findet eine weitere Veranstaltung statt. Die Polizei rechnet insgesamt mit einer Teilnahme von 400 bis 500 Jugendlichen. Zu den Eingeladenen gehören Schülerinnen und Schüler der Gymnasien Quakenbrück und Bersenbrück, der Berufsbildenden Schule Bersenbrück und der IGS Fürstenau.

Zum beklemmenden Erlebnis macht das Projekt die Verbindung von Bildern und Menschen – von Polizisten, Rettungssanitätern, Notfallseelsorgern und den Eltern eines Unfallopfers, die auf die Bühne kommen und minuziös ein Unfallgeschehen schildern. Der Unfall, über den sie sprechen, geschah am 18. September, 20.53 Uhr, in Dissen. Die grauenvolle Bilanz dieses Unfalls: vier tote Jugendliche zwischen 17 und 19 Jahren, eine jugendliche Schwerverletzte und zwei Leichtverletzte.

 

Die Rettungssanitäter hofften, einen der Jugendlichen zu retten. Aber er starb auf dem Weg ins Krankenhaus.

Die Rettungssanitäter hofften, einen der Jugendlichen zu retten. Aber er starb auf dem Weg ins Krankenhaus.

„Nichts wird mehr so sein wie immer“.

Unfalltod und schwere Verletzungen sind grausames Ereignisse. Wie grausam für alle Beteiligten, machten die eindringlichen Schilderungen deutlich. Die Füße noch im Fahrzeug, der Körper, der aus der Tür heraushing, tot, das war eines der Bilder, das sich der Polizistin Sabrina bot, als sie an den Unfallort kam. Sie beschreibt detailliert, wie sie die toten Jugendlichen vorfand und welches „Schlachtfeld“ die Unfallstelle bot.
„Eine geballte Faust, eine kleine weiße geballte Faust, die aus dem Laken herausragte, das den toten Körper bedeckte“, ist ein Bild, dass sich einem Pastor unauslöschlich ins Gedächtnis eingebrannt hat, der als Notfallseelsorger im Einsatz war. Am Ende spricht die Mutter des 17-jährigen Marvin, der bei dem Unfall getötet wurde. „Nichts wird mehr so sein wie immer“, ist einer ihrer Sätze. Während sie spricht, fließen bei so manchem Zuhörer die Tränen.
Die Schuldfrage spielt bei dem Bühnenprogramm keine Rolle. Es ging allein darum, bewusst zu machen, welche Schneise der Verwüstung der Tod reißt. „Ein Leben, das eigentlich kein Leben mehr ist“, sagte die Mutter über das Leben nach dem Unfalltod ihres Sohnes.

Zum Projekt „Abgefahren“ gibt es Module für eine Vorbereitungs- und eine Nachbereitungsphase in den Schulen. Alleingelassen wurden die Schüler in Quakenbrück während der aufwühlenden Veranstaltung nicht. Wer die Präsentation nicht ertragen konnte, konnte rausgehen und wurde von Betreuern aufgefangen.

Vor der Aula eine Ausstellung mit Kreuzen, die an den Straßen an Unfalltote erinnern.

Vor der Aula eine Ausstellung mit Kreuzen, die an den Straßen an Unfalltote erinnern.

Facebook, Whats App: „Zeigt Verantwortungsbewusstsein“.

Bilder vom Unfallort zu verschicken, kann sehr viel Leid bereiten.

Bilder vom Unfallort zu verschicken, kann anderen viel Kummer bereiten.

Handyfotos vom Unfallort verbreiten, auch das war ein Thema des Programms. Die Polizei braucht Zeit, um Unfallopfer eindeutig zu identifizieren. Frühe Facebook/Whats App-Nachrichten, die „Zuschauer“ vom Unfallort verschicken, können viel Leid bereiten. Sie sorgten auch in Dissen dafür, dass Eltern, Verwandte, Freunde in unerträgliche Unruhe versetzt wurden. Eltern, deren Kinder am Ende tatsächlich betroffen waren, aber auch Unbeteiligte, deren Kinder in der Gegend unterwegs waren. Tut es nicht, appellierte die Polizei an die Zuhörer, bedenkt, was ihr damit anrichten könnt, „zeigt Verantwortungsbewusstsein und Reife“.

Vor der Veranstaltung wurden einige Schülerinnen und Schüler gebeten, ihre Lebensträume auf einen Zettel zu schreiben. Warum, zeigte das Schlussbild.   Die Zettel mit den Lebensträumen klebten auf einem Ballon. Einige Träume wurden vorgelesen – dann unvermittelt ein Knall. Der Ballon zerplatzt. Jeder Unfalltod, so die Botschaft, ein zerplatzter Lebenstraum.

Jeder Unfalltod eines Jugendlichen ein zerplatzter Lebenstraum.

Jeder Unfalltod eines Jugendlichen ein zerplatzter Lebenstraum.

 Die zentrale Botschaft: Verkehrsregeln schützen Leben.

„Fahrt vorsichtig“, war die eindringliche Botschaft von Marvins Eltern an die Schülerinnen und Schüler. Die Polizei verfolgt mit ihrem Projekt das Ziel, jungen Menschen zum einen deutlich zu machen, welch‘ schreckliche Folgen ein Unfall haben kann. Deutlich werden soll durch die Vor- und Nachbereitung aber auch, dass Verkehrsunfälle nicht einfach so passieren. Sie haben eine Ursache.

25% aller tödlichen Verkehrsunfälle werden von jungen Fahranfängern verursacht. 2013 verunglückten 66.997 junge Männer und Frauen. 493 starben. Im Vorraum der Aula des Artland Gymnasiums mahnte eine Ausstellung des Landkreises Osnabrück zu Vorsicht im Straßenverkehr.

Bei jungen Fahrern sind häufig Unerfahrenheit, Risikobereitschaft, Alkoholkonsum und der sprichwörtliche jugendliche Leichtsinn die Hauptrisikofaktoren. Reifen soll bei den jugendlichen Adressaten die Erkenntnis, dass Regeln im Straßenverkehr Leben schützen – wenn diese Regeln eingehalten werden. Regeln zu übertreten, kann den Tod bedeuten. Den eigenen Tod, den der Freundin, den des besten Freundes und den anderer Menschen.

Das Erlebte ging auch an den Erwachsenen, darunter Vertreter der Samtgemeinden, nicht spurlos vorbei. Zu den Gästen gehörte auch der Bürgermeister von Quakenbrück (Bild rechts, 2. von rechts). Bild links: Rechts Oliver Voges, Leiter des Polizeikommissariats Bersenbrück und Andreas Schulte, einer der Vertreter der Samtgemeinde Bersenbrück.

Das Erlebte ging auch an den Erwachsenen, darunter Vertreter der Samtgemeinden, nicht spurlos vorbei. Zu den Gästen gehörte auch Paul Gärtner, der Bürgermeister von Quakenbrück (Bild rechts, 2. von rechts). Bild links: Oliver Voges (rechts), Leiter des Polizeikommissariats Bersenbrück, und Andreas Schulte, einer der Vertreter der Samtgemeinde Bersenbrück.

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