Ankum: Engagierte Debatte über Wasser

Auch hier Wasserknappheit, dazu das Gesundheitsrisiko Nitrat im Grundwasser: Viola von Cramon, EU-Abgeordnete der Grünen, stand am Dienstag, 27. August, im Heimathaus Ankum im Mittelpunkt einer Veranstaltung zum Thema Wasser – und es wurde lebhaft diskutiert.

Kurz vor Beginn der Veranstaltung im Heimathaus Ankum: Viola von Cramon (links) sowie einige der Teilnehmer.

Wer hätte das in unserer Region für möglich gehalten: Es kommt zu Hause kein Wasser aus dem Hahn, weil auf dem Weg dorthin schon so viel Wasser verbraucht wurde, dass in den Haushalten keines mehr ankommt. So war es Ende Juni in Lohne im Landkreis Vechta.

Bildunterschrift

Die zunehmende Wasserknappheit durch Hitze und Dürre war eines der Themen bei der Veranstaltung, zu der Ralf Gramann für die Samtgemeinde-Grünen ins Heimathaus Ankum eingeladen hatte. Dass Wasserknappheit ein Thema ist, das auf den Nägeln brennt, zeigt auch das am 30. August vom Landkreis Osnabrück verhängte Verbot, zwischen 12 und 18 Uhr private und öffentliche Grünflächen zu beregnen, und zwar bis Ende Oktober. Der Grund dafür sind „historisch niedrige Grundwasserstände“.

Die Ausführungen von Viola von Cramon gaben den Anstoß zu einer intensiven und lebhaften Debatte.

 

Kartoffeln oder Mais: Wer darf bewässern, wer nicht?

„Es wird eng“, war ein Satz von Viola von Cramon. Eng wird es bei der Wasserqualität, aber auch bei der Verfügbarkeit von Wasser. Alle wollen und brauchen Wasser. In Haushalten wird Wasser verbraucht, und das nicht zu knapp (im Schnitt 122 Liter pro Tag und Person); um Ertrags- und Qualitätseinbußen zu vermeiden, bewässern Landwirte vor allem Kartoffeln, Zuckerrüben, Mais, Getreide oder Freilandgemüse; viele Millionen Tiere, die vor allem in Niedersachsen bei Schweine- und Geflügelmästern stehen, brauchen Wasser usw. Was tun, wenn das lebenswichtige Nass nicht mehr in ausreichender Menge vorhanden ist?

Wer darf bewässern, stand da z. B. im Heimathaus zur Debatte? Detert Brummer-Bange sprach sich dafür aus, der Beregnung von Lebensmitteln wie Kartoffeln und Heidelbeeren Priorität einzuräumen vor anderem wie der Beregnung von Mais. Widerspruch kam da aus den Landwirte-Reihen, weil auch Landwirte, die Mais anbauen, einen angemessenen Ertrag erzielen wollen und müssen.

Von links: Viola von Cramon, Moderator Ralf Graman, Christine Gärke und rechts Detert Brummer-Bange.

 

Wassermanagement: Auch beim Hausbau umdenken.

Benötigt werde ein „Wassermanagement“, so Brummer-Bange. Es müsse grundlegend umgedacht werden. So sei derzeit noch alles darauf ausgerichtet, Wasser so schnell wie möglich abzuleiten, so durch Gräben in Wald und Flur, die aber auch ganz anders genutzt werden können – um Wasser zu halten.

Zisternen einrichten für Regenwasser, Trinkwasser oder Abwasser? Die Nutzung von Brauchwasser beim Hausbau vorzusehen, war einer der Hinweise von Viola von Cramon. Vorgeschlagen wurden aus den Reihen der Teilnehmer noch weitere Maßnahmen wie beispielsweise Beregnung mit Zeitschaltung oder eine Einschränkung der Nutzung privater Pools. Der Verteilungskampf ums Wasser, ließ die Debatte ahnen, hat gerade erst begonnen.

 

Gesundheitsrisiko Nitrat im Grundwasser.

Wie die Wasserknappheit sorgt derzeit auch das Thema Wasserqualität – Stichworte Gülle, Nitrat-Belastung des Wassers – bundesweit für Schlagzeilen. Hotspots beim Gesundheitsrisiko Nitrat sind da, durch die hohe Konzentration großer Schweine- und Gefügelmäster, in Niedersachsen vor allem die Landkreise Cloppenburg und Vechta.

Die EU dränge Deutschland bereits seit 26 Jahren vergeblich, die Gewässer ausreichend zu schützen, so Viola von Cramon. Vor dem Hintergrund der weiter ansteigenden Nitratwerte habe die EU nunmehr eine letzte Frist bis Ende September gesetzt. Danach drohen Strafzahlungen von bis zu 850.000 Euro – täglich (!).

2017 in Kettenkamp: Voller Saal, als Ralph-Erik Schaffert zum Thema Trinkwasserqualität referierte.

Warum Nitrat ein Gesundheitsrisiko darstellt und wie dringlich es auch in unserer Region ist zu handeln, zeigte schon 2017 eine Veranstaltung in Kettenkamp unter dem Titel „Unsere Trinkwasserqualität – eine tickende Zeitbombe?“ Trotz der 2017 noch positiven Aussagen zur aktuellen Wasserqualität warnte Ralph-Erik Schaffert, Geschäftsführer des Wasserverbands Bersenbrück, eindringlich: „Nicht vertagen, wir müssen heute handeln“. Warum es „fünf vor 12 ist“, würden Messungen im oberflächennahen Grundwasser (10 bis 20 m unter der Oberfläche) signalisieren.

Das oberflächennahe Grundwasser sei um ein Vielfaches höher mit Nitrat und anderen Schadstoffen belastet als das Grundwasser. Beim Oberflächenwasser stiegen die Werte und lägen bereits bei einem Nitratgehalt von 60 bis 120 Milligramm pro Liter. Das sei in hohem Maße besorgniserregend, denn dieses hoch belastete Wasser sickere – mitsamt der Schadstoffbelastung – nach unten durch. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis es dort ankomme, von wo das Trinkwasser gefördert wird. Damit auch die nächsten Generationen noch gutes Trinkwasser bekommen können, bestehe dringender Handlungsbedarf. Mehr dazu hier.

Wie gelangt Nitrat ins Grundwasser? Vor allem über die auf die Felder aufgebrachte Gülle. Aber auch über künstlichen Dünger oder durch Gär-Reste aus Biogasanlagen, wenn diese Reste auf Äckern landen. Niedersachsen liegt bei der Nitrat-Belastung auf einem Spitzenplatz, denn hier werden besonders viele Tiere gehalten.

Ein nach wie vor drängendes Problem: zu viel Gülle.

 

 

Gülle-Problem. Tierzahlen senken. Faire Preise.

Zuviel Gülle auf den Äckern, Tierzahlen senken, das war Stoff für einen auch kontroversen Austausch mit Landwirten unter den Veranstaltungsteilnehmern. Man habe nicht zu viele Tiere, sondern zu wenig Fläche, um Gülle auszubringen, so ein Einwand. Also nichts am hohen Tierbestand ändern? Gülle wegschaffen in andere Regionen? Ein solcher „Gülle-Tourismus“ wird auch deswegen kritisiert, weil er weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll ist und weil es, was die Tierbestände angeht, nicht zuletzt auch um das Tierwohl geht.

Faire Preise, weg vom Billig-Fleisch, war ein gemeinsamer Nenner. So sagte einer der jüngeren Landwirte: Man müsse weg von den Subventionen. Er wolle als Landwirt kein Bittsteller sein, sondern wolle von den Produkten leben können, die er erzeuge. Er regte eine Tierwohl-Umlage auf Fleischprodukte an, um die höheren Einnahmen für die Verbesserung der Tierhaltung zu nutzen.

Es waren vor allem die Landwirte, die zum engagierten Austausch beitrugen.

 

„Weniger Vieh – teureres Fleisch – dann ist allen geholfen“.

Deutschland als Billig-Fleisch-Land, das stieß rundum auf Kritik. Viola von Cramon war gerade erst, wie sie sagte, zu einem Französisch-Kurs in Frankreich und erlebte dort, was Qualität und Preise angeht, eine andere Mentalität und Wertschätzung. Auch Günther Voskamp machte in Frankreich eine interessante Beobachtung. Da habe es einen Discounter-Markt und einen Laden mit regionalen Produkten gegeben. Er habe erlebt, dass die meisten Menschen nicht die Discounter-Billig-Produkte kauften, sondern lieber im – teureren – Regional-Laden einkaufen gingen. „Weniger Vieh – teureres Fleisch – dann ist allen geholfen“, sagte ein Teilnehmer der Ankumer Runde.

Vor dem Hintergrund des Klimawandels und den damit sich immer schärfer abzeichnenden Problemen, bedarf es großer Anstrengungen, um sie zu bewältigen. Grünen-Kreisgeschäftsführer Johannes Bartelt verwies da auf ein 9 Punkte umfassendes Maßnahme-Papier des Landkreises Osnabrück. Zu den darin verankerten möglichen Maßnahmen gehöre z. B. die Senkung der Tierzahlen und die technische Aufbereitung von Gülle.

 

„Die Leute werden irgendwann die Soja-Transporte stürmen“.

Zur technischen Aufbereitung von Gülle stellte die Kettenkamperin Christine Gärke eine Lösungsmöglichkeit vor: Eine „Biogaserzeugung auf der Basis von Güllevergärung mit Totalnährstoffaufbereitung“ (mehr dazu unter www.agv-ug.de). Dieses Projekt der Firma „AGV“ in Voltlage solle im Sommer 2022 in Betrieb gehen. Man wolle mit diesem Projekt „Übermengen an Gülle verarbeiten“, die sonst in andere Regionen abtransportiert werden müssten.

Zahlen aus dem Soja-Report (Angaben zu diesem Report: siehe unten).

In großem Stil auf Gülle-Verarbeitung setzen – um bei Tierhaltung und Billig-Fleisch weiterzumachen wie bisher? So soll es aus Sicht von Christine Gärke nicht sein und dagegen sprachen sich auch andere aus. Schließlich geht es beim Thema Tierhaltung auch um das ganz große Ganze, Stichwort Regenwald-Zerstörung – um beispielsweise Platz zu schaffen für den Soja-Anbau und damit für Futtermittel für die hiesige Landwirtschaft. Waldvernichtung wie im Amazonas für die Fleischproduktion – das könne so nicht weiter gehen, sagte Viola von Cramon. Das werde in weiten Teilen der Gesellschaft nicht länger akzeptiert. „Die Leute werden irgendwann die Soja-Transporte stürmen“, so die grüne EU-Abgeordnete.

Nach dem Motto wenn nicht jetzt (wo der Regenwald die ganze Welt beschäftigt), wann dann?, riet Detert Brummer-Bange der Landwirtschaft-Interessenvertretung Landvolk, aus eigenem Antrieb, eine „180-Grad-Kehrwende“ zu machen, umweltverträgliche Strategien zu entwickeln, keine Soja-Futtermittel mehr zu importieren – und zugleich faire Preise zu fordern.

Zahlen aus dem Soja-Report (Angaben zu diesem Report: siehe unten).

 

„Wir brauchen finanzielle Anreize“.

Die Landwirtschaft unterstützen, damit sie eine umweltverträglichere wird, dafür sprach sich Viola von Cramon aus. Was die Gülle angeht, wolle z. B. keiner „von heute auf morgen einschneidende Veränderungen“, man sehe aber, was die Nährstoff-Überschüsse anrichten. Sie verwies auf die Niederlande, wo man eine „Minimierungsstrategie“ verfolge. Dort bekämen Landwirte bei weniger Gülle Geld – mit der Folge, dass weniger Nitrat in die Böden gelangt. Für die grüne Europaabgeordnete ist ein Projekt wie das für Voltlage geplante eine Lösung „für den Übergang“. Es sei ein Baustein, um Gülle-Einträge zu mindern.

Wie ihr Fazit der Veranstaltung in Ankum aussah, twitterte Viola von Cramon am Tag danach.

Insgesamt bedürfe es eines umfassenden Veränderungsprozesses. „Wenn eine Biogansanlage mehr bringt als eine Kuh, dann ist das pervers“, so Viola von Cramon, die eine „Gesamtstrategie“ forderte und sich dafür aussprach, „finanzielle Anreize für Landwirte zu bieten, die bereit sind, auf Tiere zu verzichten“.

 

Viola von Cramon und Ralf Gramann.

„Jeder will doch gutes Wasser trinken“.

Ob Wasserknappheit, Grundwasser- und Gewässerbelastung durch Gülle/Nitrat und andere Schadstoffe: Wer ist schuld? Dass gerne mit dem Finger auf andere gezeigt wird und nicht primär auf die eigene Verantwortung geschaut wird, wurde auch in Ankum sichtbar.

Der ist schuld und der ist schuld, das sei „alles Quatsch“, sagte Ralf Gramann. Jeder wolle doch gutes Wasser trinken, ob er nun politisch ein Grüner, ein Roter oder ein Schwarzer sei. Ein Plädoyer dafür, sich angesichts der großen Herausforderungen gemeinsam auf den Weg zu machen, um die Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben zu bewältigen.

Quelle: Soja-Report, Januar 2019, von BUND (Friends of the Earth Germany) und Friends of the Earth Europe. www.bund.net

Autor
Schlagwörter ,

Verwandte Beiträge

*

Top