Nachtrag Kunstprojekt: „Damit ist der Mist…“

Ein Kommentar von Rita Stiens

„Damit ist der Mist…“ – vom Tisch, wäre die Ergänzung zur unvollendeten Abschlussbemerkung aus dem Munde von Bürgermeister Christian Klütsch (CDU). Das Kunstprojekt „Aufstand der Mistgabeln“ wird nicht weiter verfolgt, ist das sachliche Ergebnis der Bersenbrücker Stadtratssitzung vom 7. Oktober.

„Aufstand der Mistgabeln“ ist der Titel des Kunstprojekts von Volker-Johannes Trieb. Es wird, so der Bersenbrücker Stadtrat, nicht weiter verfolgt.

„Aufstand der Mistgabeln“ ist der Titel des Kunstprojekts von Volker-Johannes Trieb. Es wird, so der Bersenbrücker Stadtrat, nicht weiter verfolgt.

Mit Kunstkritik mochte sich der Rat in Sachen „Aufstand der Mistgabeln“ nicht aufhalten (mehr zum Kunstprojekt hier). Das Gros der Ratsmitglieder blieb stumm. Zwei, Bürgermeister Christian Klütsch und Rolf Gelinsky, bewiesen Talent in Sachen Volkstümlichkeit und schwarzem Humor.

„Kunst fragt. Kunst fordert.“: www.atelier-trieb.de

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„So’n Ding kommt hier nicht hin“: Mit diesem Satz sprach Christian Klütsch wohl vielen Ratskollegen aus der Seele. Rolf Gelinsky (CDU) konnte es gar nicht abwarten, sich zu äußern. Er steuerte mit seiner Bemerkung, durch ein solches Kunstwerk auf dem Kreisel würde ein Motorradfahrer „zu Schaschlik verarbeitet“ eine Prise schwarzen Humor bei. Und er brachte die Zuhörer in Bewegung.
Als Reaktion auf seine Bemerkung, es würden sich wohl gar keine Mistgabeln für ein solches Werk finden, er sei wohl der einzige, der noch eine habe, reckten sich um die 20 Zuschauer-Arme in die Höhe, um kund zu tun, man habe auch eine Mistgabel zu Hause. An Material fürs Kunstwerk „Aufstand der Mistgabeln“ würde es also wohl nicht fehlen.

Elisabeth Middelschulte, Ratsfrau der Grünen, war die einzige, die erkennen ließ, dass sie sich mit dem Kunstprojekt inhaltlich beschäftigt hatte. Für den Kreisel, fand auch Middelschulte, sei es nicht geeignet, aber sie bezeichnete das Projekt als „von der Symbolkraft her brillant“ und fügte hinzu, es „passe auch in die Region“.

So unterhaltsam Spott und spöttische Töne sein können: Schade, dass es in der Ratssitzung inhaltlich nicht zu mehr reichte. Wer liest, was der Künstler Volker-Johannes Trieb zu seinem Projekt schrieb – diese Infos standen den Ratsmitgliedern zur Verfügung – erkennt, dass Trieb auch mit seinem Projekt „Aufstand der Mistgabeln“ Stellung bezieht – zur Geschichte und zu großen Themen unserer Zeit.

 

Schlag’ nach bei Schiller…

Die Reclam-Ausgabe gibt es für 7,80 Euro.

Die Reclam-Ausgabe gibt es für 7,80 Euro.

Immer wieder eine Fundgrube für Denkanstöße: unsere Klassiker, in diesem Fall Friedrich Schiller. Im 9. Brief „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ schreibt Schiller: „Der Künstler ist zwar der Sohn seiner Zeit, aber schlimm für ihn, wenn er zugleich ihr Zögling oder gar noch ihr Günstling ist.“ Triebs Werk zeigt, er ist als Künstler weder Zögling noch Günstling der Zeit. Er ist ein Stachel im Fleisch der Zeit.
Sein Projekt „Aufstand der Mistgabeln“ führt noch aus einem anderen Grund zu Schiller. Warum sich überhaupt auf Kunst einlassen, warum eine ästhetische Erziehung des Menschen? Schillers Antwort: Um den Charakter des Menschen „zu veredeln“, um die Bereitschaft des Menschen zu wecken, moralisch zu handeln und nicht zu handeln wie ein „Barbar“ oder wie ein „Wilder“.
Trieb verweist mit seinem Projekt auf den US-Milliardär Nick Hanauer, der vor dem „Aufstand der Mistgabeln“ warnte. Für Hanauer ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich das gewaltige Ungleichgewicht in der Welt rächt – bis die 99,99 Prozent der vergleichsweise Mittellosen in den Aufstand geht gegen die 0,01 Prozent derer, die unmoralisch viel besitzen.

 

„Egoistisch ihren Besitz und ihre Rechte verteidigen“.

Gier als Triebfeder, gnadenlose brutale Machtausübung – die Kriege und Flüchtlingsströme von heute legen Zeugnis ab von den verheerenden Folgen eines eklatanten Verlusts an Moral. Friedrich Schiller beklagt die Unnatur der „zivilisierten Klassen“, die egoistisch ihren Besitz und ihre Rechte verteidigen, und auch die der „niedern und zahlreichen Klassen“, die nur nach ihren rohen gesetzlosen Trieben handeln.
Triebs Projekt ist ein herausfordernder künstlerischer Beitrag zur ästhetischen Erziehung des Menschen – und damit ein Beitrag dazu, die Bereitschaft des Menschen zu wecken, moralisch zu handeln. Die Frage „wie handeln wir moralisch“ ist in diesen Zeiten der vielen Flüchtlinge aktueller denn je.
Kunst ist kein Luxus. Sie ist lebens- und überlebenswichtig. Nicht umsonst ist sogar in der UN-Kinderrechtskonvention in Artikel 31 festgehalten: „Die Vertragsstaaten achten und fördern das Recht des Kindes auf volle Beteiligung am kulturellen und künstlerischen Leben.“

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