„Wir können nicht nur Torte“

Im Gespräch mit LandFrau Anke Bertke: klartext schnupperte LandFrauenLuft – bei Veranstaltungen wie auch beim Interview mit der Vorsitzenden Anke Bertke.

Mit der Begrüßung von Anke Bertke (rechts stehend) startete am 4. September ein LandFrauen-Abend im Heimathaus in Ankum.

Was machen eigentlich die LandFrauen Bersenbrück-Ankum? Viel, ist eine Antwort nach der ausführlicheren Beschäftigung mit dieser Frauen-Gemeinschaft. Anke Bertke aus Ankum-Holsten wurde vor einigen Monaten, im Februar diesen Jahres, zur neuen Vorsitzenden gewählt.

 

Frau Bertke, 8 Veranstaltungen gab es in diesem Jahr schon, 3 kommen noch. Aus dem Programm 2018 könnte man schließen: Die Landfrauen Bersenbrück-Ankum sind vielseitig interessiert, auch gerne mal unterwegs, schätzen zudem Genuss und gute Laune, wie z.B. auf dem Hof Groneick in Gehrde, wo es lecker Essen und einen Film gab, eine französische Pilger-Komödie. Was macht die LandFrauen aus?

Das Verbindende ist die Gemeinschaft. Wir LandFrauen kommen gern zusammen. Im Berufsleben sagt man wohl „netzwerken“. Das ist hier genauso. Mal raus, mal was anderes sehen und hören, aktiv sein, gute Gespräche führen, gemeinsam etwas unternehmen.

Fit und ausgeglichen durch Qigong: Ein Abend der LandFrauen zur traditionellen chinesischen Medizin. 
© LandFrauen Bersenbrück-Ankum.

LandFrauen sind Frauen, die in ländlicher Region leben und sich mit oder ohne Angestelltenverhältnis mit unterschiedlichsten Aufgaben beschäftigen. Bei der Programmplanung greifen wir aktuelle Themen auf und hoffen, den Geschmack der Teilnehmerinnen zu treffen. Wir vermitteln Wissen auf verschiedensten Gebieten und in verschiedenster Form. Ernährung, Gesundheit, Finanzen, Wirtschaft und vieles mehr. Wir decken das mit Vorträgen, Workshops und Besichtigungen ab.

 

Sie haben vor gut 6 Monaten den LandFrauen-Vorsitz übernommen. 2017, als Sie noch stellv. Vorsitzende waren, sagten Sie, dass sich die LandFrauen neu ausrichten wollen. Auf welchem Weg sind Sie da und wohin soll’s gehen?

Der Weg war vorgezeichnet. Dass es LandFrauen gibt, wusste „man“, aber wer da so zugehört und was „die“ so machen, wusste „man“ eher nicht. Mein oberstes Ziel ist darum zur Zeit, die Öffentlichkeit und alle Frauen in der Region auf uns aufmerksam zu machen und über unsere Aktionen zu informieren. Und das über alle möglichen Kanäle. Über die Zeitung, aber auch über die sozialen Netzwerke usw.

Auf dem Hof Groneick in Gehrde trafen sich die LandFrauen am 14. August zu einem Filmabend mit Essen in gemütlicher Runde. Stehend: Anke Bertke.

Wir haben für unseren Ortsverein Bersenbrück-Ankum eine Facebookseite eingerichtet und die KreisLandFrauen Bersenbrück haben neuerdings eine moderne Internetseite. Auf der präsentieren sich die neun Ortsvereine mit ihren über 1.400 Mitgliedsfrauen. Darauf sind wir sehr stolz. LandFrauen sind modern und nutzen moderne Kommunikationsmittel. Das nutzen wir verstärkt und mit Erfolg.

Zu den KreisLandFrauen Bersenbrück gehören die 9 Ortsvereine Ankum-Bersenbrück, Badbergen, Berge, Bramsche, Fürstenau, Menslage-Nortrup, Neuenkirchen, Ueffeln-Balkum und Vörden.

 

Mit Ihrer Wahl ging der Vorsitz der LandFrauen zugleich in jüngere Hände über. Jüngere für einen Verein bzw. für eine Tätigkeit im Vorstand eines Vereins zu gewinnen, damit tun sich nahezu alle Vereine sehr schwer…

Die LandFrauen waren und sind eine Gemeinschaft aus „Alt und Jung“. Das zu erhalten und zu stärken, betrachte ich als große Herausforderung. Vor diesem Hintergrund freue ich mich z. B. besonders darüber, dass sich in fast allen Ortschaften eine jüngere LandFrau bereit erklärt hat, als Vertrauensfrau mitzuwirken. Die Vertrauensfrau ist ein zusätzliches Bindeglied im Verein und gehört zum erweiterten Vorstand.

Zum Start in den Abend im Heimathaus in Ankum serviert Anke Bertke die Apéritfs.

Wir arbeiten auch daran, unsere Terminplanung anzupassen. So fanden die monatlichen Treffen in der Vergangenheit überwiegend am Nachmittag statt. Für Frauen im Angestelltenverhältnis ist das ein Hinderungsgrund. Da stellen wir sukzessive um und gehen immer mehr in die Abendstunden oder mal auf einen Samstag. So haben mehr Frauen die Möglichkeit, mit uns zu netzwerken.

Zum Vorstand des LandFrauenvereins Bersenbrück-Ankum gehören außer der Vorsitzenden Anke Bertke die stellv. Vorsitzende Walburga Lemmermöhle, Heike Holzgräfe als Kassenführerin, Marlies Möllmann (Schriftführerin) und die Beisitzerinnen Hildegard von der Haar und Martha Thye-Moormann.

 

Auf einer Webseite waren die Landfrauen Bersenbrück-Ankum als Verein unter der Rubrik Kirche eingeordnet. Das sei falsch, sagten Sie, denn die LandFrauen seien überkonfessionell. Unter Politik wäre der Verein besser aufgehoben. Mit kochen, backen, gärtnern geben sich die Landfrauen also nicht zufrieden. Inwiefern sind sie politisch?

In unserem LandFrauen-Flyer steht der Satz: Wir können nicht nur Torte. Wir wollen auch nicht nur Torte. LandFrauen übernehmen Verantwortung in Politik und Gesellschaft. Sie schieben Themen an, bringen sie ein in die Politik, initiieren Diskussionsprozesse zwischen LandFrauen und Politik – oft schon lange, bevor Themen in die große Öffentlichkeit kommen. Ein Beispiel dafür ist das Thema Ärzteversorgung auf dem Land – seit Jahren Thema der LandFrauen.

 

Die LandFrauen Weser-Ems haben z. B. 2016 zum Thema fairen Handel einen offenen Brief an Lidl geschrieben. „Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln ist eines unserer Schwerpunktthemen. Wir klären auf breiter Ebene in Theorie und Praxis über Lebensmittel, deren Herkunft und Verarbeitung auf“, heißt es in diesem Brief. Wissen über Lebensmittel, Wertschätzung für Lebensmittel: Auch ein Themenkomplex für die Landfrauen Bersenbrück-Ankum?

Mit dem Milchmobil beim Reggae Jam. © Landfrauen Bersenbrück-Ankum.

Die LandFrauen engagieren sich in vielen Projekten rund um das Thema Haushaltsführung, Ernährung, Organisation, Finanzen, Hygiene, Pflege. Speziell in unserem Ortsverein stehen wir 1x im Jahr während der Reggae-Jam-Tage in Bersenbrück und bieten dort selbstgemachte Milchprodukte an wie Shakes, Quark mit frischen Blaubeeren, Eiskaffee etc.

Auf diesem überregionalen Festival werden wir von den Besuchern begrüßt mit den Worten „Ich freue mich schon das ganze Jahr auf euch“. Das sagt mir, dass viele nicht einmal mehr Gerichte selber machen, die sehr einfach zuzubereiten sind. Es fehlt da aber nicht nur an Wissen, sondern auch an Zeit.

Ich kenne viele Familien, in denen nicht mehr regelmäßig gekocht wird. Das hat zur Folge, dass die Kinder nicht mehr kennenlernen, wie es geht. Damit wird das Wissen dann auch nicht mehr in die kommende Generation transferiert. Ich bin selbst in einem 3-Generationen-Haushalt groß geworden. Später waren es sogar 4 Generationen. Man konnte sich bei der Haushaltsarbeit abwechseln und es blieb nicht alles an einer Person hängen. Heute sieht die Realität der meisten Frauen anders aus.

© www.landfrauen.info

Gerade weil sich die Lebensverhältnisse verändert haben, gehört das Thema sich gut ernähren zu den zentralen Themen der LandFrauen. Übergeordnet gibt es da Bildungsprojekte wie den „internationalen Tag der Milch“, den „Ernährungsführerschein“ und „SchmExperten“, die von LandFrauen in Schulen durchgeführt werden. Das Wort „SchmExperten“ ist eine Kombination aus Schmecken sowie Experte bzw. experimentieren. Da lernen Schüler z. B., kleine kalte Gerichte zuzubereiten wie Sandwiches, Fingerfood mit Dips oder Pasta-Salate.

Bei solchen Projekten möchte sich unser Ortsverein künftig stärker beteiligen. Um das leisten zu können, brauchen wir natürlich die Unterstützung von LandFrauen, die Lust haben, dabei mitzumachen. Über den Landesverband werden Seminare angeboten, die auf solche Projekte der Wissensvermittlung vorbereiten.

Mir ist bewusst, dass es für eine LandFrau im Angestelltenverhältnis einen Spagat bedeutet, das alles unter einen Hut zu bekommen. Mir geht es ja genauso. Die LandFrauen sind eine starke Gemeinschaft und gemeinsam ist es eben leichter.

 

Zum vielfältiges Jahresprogramm 2018 gehörte auch eine Fahrt nach Rieste – zu adidas und der Kaffeerösterei Joliente.  © LandFrauen Bersenbrück-Ankum

In diesem Jahr fahren die Landfrauen noch nach Osnabrück – zum Gewürzwerk und dem Druckzentrum der NOZ –, es gibt einen Backshop „Süß und Pikant“ in der Bäckerei Meyers in Dohren und eine Adventsfeier. Können Sie schon einen kleinen Ausblick auf die eine oder andere Veranstaltung im kommenden Jahr geben?

Im kommenden Jahr bieten wir eine 4-Tagesfahrt nach Frankreich an. Auf dem Programm steht da außer der klassischen Schlossbesichtigung auch die Führung durch eine unterirdische Pilzzucht. Und natürlich werden wir „Essen wie Gott in Frankreich“. Passend dazu planen wir hier im September eine Pilzexkursion.

Außerdem werden wir über Finanzen, Zeitmanagement und Palliativ-Möglichkeiten in unserer Region sprechen. Die kreativen und genussvollen Themen werden ebenfalls nicht zu kurz kommen. Wir heißen alle zu unseren Veranstaltungen herzlich willkommen. Man muss nicht Mitglied sein, um daran teilzunehmen.

 

Die hiesigen LandFrauen sind Teil eines großen Netzwerks. Wie groß ist das Netzwerk und profitiert auch die Ortsebene von dieser Verankerung?

Ich beschreibe es gern umgekehrt: Je stärker die Vernetzung vor Ort ist, desto stärker sind die Ebenen darüber. Der Landesverband und der Bundesverband vertreten unser aller Interessen. Je mehr wir sind, desto besser können wir uns Gehör verschaffen. Zum Beispiel beim Thema Altersarmut von Frauen.

Sich in der Politik Gehör verschaffen: Die LandFrauen Bersenbrück-Ankum sind Teil eines großen Netzwerks.

Wir Frauen bekommen die Kinder, halten die Gesellschaft mit der Erziehungsarbeit am Laufen und die Rückkehr in den Beruf ist teilweise mit größten Anstrengungen verbunden. Der Titel unserer Broschüre „Ohne Moos nix los – Altersarmut ist weiblich“ bringt das Problem auf den Punkt. Wir LandFrauen setzen uns dafür ein, dass Kindererziehung und Pflege von Angehörigen bei der Rente besser bewertet werden wie auch dafür, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gestärkt und ein schnellerer Wiedereinstieg von Frauen nach der Familienphase gefördert wird. Es braucht ein starkes großes Netz, um in der Politik Gehör zu finden. Der deutsche LandFrauenVerband ist mit über 500.000 Mitgliedsfrauen das größte Bildungsnetzwerk in Deutschland.

Infos zu den LandFrauen:
www.landfrauen-bersenbrueck.de
www.facebook.com/pages/biz/LandFrauenverein-Bersenbrück-Ankum-1903449049967062/

 

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