Ankum: Top-Film, brisantes Thema

Star-Kino! Die Kolpingsfamilie bietet einen Film, der unter die Haut geht – als Auftakt zum Thema „Colonia Dignidad, Glaube und Gemeinschaft gesucht – Folter und Missbrauch gefunden“.

Der Film „Colonia Dignidad“ wurde mit dem Produzentenpreis des Bayerischen Filmpreises als bester Film ausgezeichnet.

 

Die Kolpingsfamilie Ankum hat sich bei ihrem inzwischen 6. „Kinoabend“ eines Themas angenommen, das bis heute nicht abgeschlossen ist: der Schreckensherrschaft des deutschen Sektenführers Paul Schäfer in der Colonia Dignidad in Chile. „Wohltätigkeits- und Bildungsgemeinschaft Würde“ hieß die Gemeinschaft offiziell, und das Anwesen hinter dem blauen Eingangstor galt als christlich-deutsches Musterdorf. In Wahrheit machten Paul Schäfer und seine Führungsclique die Kolonie zu einer Brutstätte unvorstellbarer Menschenrechtsverbrechen.

 

Geben Grauen + Liebe  ein Gesicht: Emma Watson, Daniel Brühl © Majestic.

Atemberaubender Thriller, bewegendes Drama.

Regisseur Florian Gallenberger, ein Oscar-Gewinner, verbindet in seinem Film „Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück“ einen atemberaubenden Thriller mit einem bewegenden Drama vor dem Hintergrund wahrer Ereignisse.

Zur Star-Besetzung gehören in den Hauptrollen Daniel Brühl, Emma Watson und der schwedische Schauspieler Michael Nyqvist, weltbekannt durch die Millennium-Filme, in der Rolle des Paul Schäfer.

Ort und Zeit Film: 28. Februar 2018, 20.00 Uhr, Gloria Kinocenter Ankum. Eintritt: 7 € (Kolpincard 6 €). Karten/Reservierung: www.kino-ankum.de, Tel. 05462/962733. Weitere Infos unter: www.kinotag.kolping-ankum.de. Podiumsdiskussion (kein Eintritt): Donnerstag, 8. März, 19.00 Uhr im See- und Sporthotel Ankum, Tütinger Straße.

Paul Schäfer arbeitete in Deutschland als Betreuer evangelischer wie auch katholischer Jugendgruppen. Als 1949/1950 Missbrauchsvorwürfe laut wurden, wurde er von seinem kirchlichen Arbeitgeber „diskret“ entlassen. 1961 floh er aus Deutschland, weil gegen ihn wegen der Vergewaltigung von zwei Jugendlichen ermittelt wurde. In Chile gelang es ihm, sich in der Colonia Dignidad über Jahrzehnte um die 300 Jünger gefügig zu machen und sie seinen Vorstellungen von Christentum zu unterwerfen. Damit nicht genug: Schäfer war im Bunde mit der chilenischen Militärdiktatur, und so wurde seine Colonia Dignidad auch zur Folterstätte des chilenischen Geheimdienstes.

Filmszene: Lena (Emma Watson) kann der Verhaftung entkommen, Daniel (Daniel Brühl) nicht. © Majestic.

Der Film beginnt mit dem 11. September 1973, als Hunderttausende auf den Straßen der Hauptstadt Santiago gegen General Pinochet protestieren, der sich gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende an die Macht putscht hatte, mit Unterstützung der USA. Unter den Demonstranten sind auch Lena (Emma Watson), die als Stewardess am Tag zuvor in Chile gelandet ist, und ihr Freund Daniel (Daniel Brühl), der als Fotograf in Santiago lebt.

Die Colonia Dignidad, 1961 gegründet, war fast 40 Jahre lang ein hermetisch abgeriegeltes Lager 350 Kilometer südlich von Santiago de Chile. Nur wenigen gelang eine Flucht. Schäfer wurde 2005 in Argentinien verhaftet und 2006 in Chile zu insgesamt 33 Jahren Haft verurteilt, u.a. wegen vielfachen Kindesmissbrauchs. Er starb 2010 im Gefängnis in Santiago. Andere Täter kamen bislang straffrei davon.

Menschenquäler im Namen Gottes: Paul Schäfer (Michael Nyqvist). Hier mit Lena (Emma Watson). © Majestic.

 

Beteiligt ist auch die Oberschule.

„Die Kolpingsfamilie Ankum“, sagt Franz-Josef Ewerding, „möchte gemeinsam mit ihrer Kolpingjugend in dieser Angelegenheit Aufklärungsarbeit betreiben, damit diese brisante Materie nachhaltig in den Fokus der Öffentlichkeit rückt und nicht in Vergessenheit gerät. Wir möchten Licht in den Schatten dieses dunklen Kapitels bringen.“ Mit dem Thema Colonia Dignidad beschäftigen sich im Unterricht auch Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe der August-Benninghaus-Oberschule. Sie werden an der Filmvorführung teilnehmen wie auch an der Podiumsdiskussion am 8. März im See- und Sporthotel.

 

Filmszene. Schäfer und Militärs. © Majestic.

Unvorstellbare Verbrechen im Zeichen des Kreuzes.

Der Film nimmt die Zuschauer mit in die Zeit des Militärputsches in Chile und verknüpft dieses Ereignis mit Einblicken in das Martyrium, dem Menschen in Paul Schäfers Colonia Dignidad ausgesetzt waren. Im Zeichen des Kreuzes erlitten dort Erwachsene und vor allem auch die Kinder furchtbare Qualen.

Mit dem Militärputsch in Chile ging 1973 eine brutale Verhaftungswelle einher. So wurden z. B. im Nationalstadion von Santiago mehr als 40.000 Menschen zusammengetrieben und interniert. Viele von ihnen wurden dort gefoltert und getötet. Victor Jara, ein über Chile hinaus bekannter Sänger, trug dazu bei, dem Verhaftungsterror ein Gesicht und noch mehr internationale Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Victor Jara. © siehe unten.

Jara wurde auf dem Weg zur Internierung im Nationalstation von Offizieren erkannt. Was dem folgte, wurde in der „Welt“ (1) so beschrieben: „Er wurde gesondert inhaftiert und gefoltert. Damit er nicht mehr singen und Gitarre spielen konnte, brachen sie ihm die Hände. Fünf Tage später wurde die Leiche seiner Witwe Joan Turner Jara übergeben und still beigesetzt. Bei einer Exhumierung im Jahr 2009 wurden zahlreiche Knochenbrüche und 44 Schussverletzungen festgestellt.“ Brutal gefoltert, von Schüssen durchsiebt – ein Schicksal von vielen. Etwa 20.000 Chilenen flohen noch 1973 ins Ausland, viele von ihnen nach Deutschland.

Im Film werden Daniel und Lena verhaftet. Daniel wird noch in der Nacht an einen unbekannten Ort verschleppt. Lena macht sich auf die Suche nach ihm und hört über Amnesty International von der berüchtigten Colonia Dignidad. Daniel soll dort sein, und Lena entschließt sich, der Sekte beizutreten, um ihn wiederzufinden. Ein folgenreicher Entschluss…

 

Das Tor zur Hölle. © Majestic.

Moralische Mitschuld der deutschen Politik.

Je mehr über die Colonia Dignidad bekannt wurde, desto größer wurden die Schatten, die auf die deutsche Politik fielen. Im Film wendet sich Lena an die Deutsche Botschaft, aber die verweigert jede Hilfe bei der Suche nach Daniel. Die Botschaft hält eine schützende Hand über Schäfer und seine Kolonie.

In einer Rede des damaligen Außenministers Frank Walter Steinmeier zur Verantwortung Deutschlands hieß es am 26. April 2016 z. B., der deutsche Botschafter habe „öffentliche Ehrenerklärungen für die Kolonie formuliert, während gleichzeitig Minderjährige, die aus der Kolonie geflohen waren, von der Botschaft unter Verweis auf das Sorgerecht zurückgeschickt wurden.“

Die Colonia Dignidad beschäftigt die deutsche Politik bis heute. Im Sommer 2017 wurde ein gemeinsamer Antrag von CDU/CSU, SPD und Bündnis90/Die Grünen in den Bundestag eingebracht und verabschiedet.

Zu den Verbrechen, die innerhalb der Colonia Dignidad verübt wurden, zählen, so im Antrag zu lesen, u.a. Freiheitsberaubung, Verschwindenlassen, Zwangsarbeit und Sklaverei, Kindesmissbrauch, Körperverletzung, Folter und Verabreichung von Psychopharmaka ohne medizinische Indikation. Zu den Opfern zählten Kinder, Frauen und Männer, Chilenen und Deutsche.

 

Täter in Deutschland weiterhin auf freiem Fuß.

In dem vom Bundestag angenommenen Antrag heißt es, die Colonia Dignidad (CD) „verfügte auch in der Bundesrepublik Deutschland über politische Kontakte und Unterstützungsnetzwerke. Dort unterhielt sie bis Mitte der 90er Jahre eine Niederlassung über den Verein Private Sociale Mission e. V. Auch aufgrund der fehlenden Entschlossenheit und des Wegschauens deutscher Diplomaten in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren bedurfte es des Mutes der diesem Martyrium entkommenen Opfer sowie des Einsatzes deutscher und chilenischer Menschenrechtsanwälte und -verteidiger, damit die Wahrheit ans Licht kommen und Paul Schäfer 2005 festgenommen werden konnte.“

Eine Aufarbeitung der Verbrechen sei bislang noch nicht umfassend erfolgt. So seien z. B. „neben Hartmut Hopp mehrere weitere ehemalige Führungsmitglieder der CD vor den Ermittlungen der chilenischen Justiz nach Deutschland geflüchtet. Trotz internationaler Haftbefehle seien sie hier bislang auf freiem Fuß und straflos geblieben.“

 

Auf dem Podium: Auch Opfer der Schäfer-Kolonie.

Filmszene mit Daniel Brühl. © Majestic.

Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier betonte in seiner Rede, dass sich das Auswärtige Amt zu einer moralischen Mitverantwortung gegenüber den Opfern der Verbrechen der Colonia Dignidad bekennt.

Dem müssten, beschloss der Bundestag, nun Taten folgen. So soll z. B. dem Deutschen Bundestag bis zum 30. Juni diesen Jahres ein Konzept für Hilfsleistungen für die Opfer vorliegen. Dieser Termin wird wohl – ob der langen Suche nach einer neuen Regierung – auf der Strecke bleiben.

Zu dem Kreis der Gäste, die die Kolpingsfamilie ankündigte, gehören als Zeitzeugen auch ehemalige Bewohner der Colonia Dignidad. Wie konnte das alles geschehen? Warum schauten so viele weg und verlängerten dadurch das Leid der Opfer? Warum kam es in Deutschland bislang nicht zu Anklagen und Verurteilungen von Tätern? Das dürften einige der Fragen sein, die die Podiumsgäste und die Besucher der Veranstaltung beschäftigen werden.

(1): siehe https://www.welt.de/kultur/pop/article144509016/Gerechtigkeit-fuer-Victor-Jara-und-Lateinamerika.html
© Foto Victor Jara:  http://www.executedtoday.com/2008/09/15/1973-victor-jara-chile-pinochet-allende-coup/

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