„Fehlinvestition“

Die Fitnessgeräte beim Spielplatz am Ankumer See werden kaum genutzt, stellte Bürgermeister Detert Brummer-Bange am 3. April in der Sitzung des Jugendausschusses fest und bezeichnete die Geldausgabe als „Fehlinvestition“.

Diese drei Fitness-Geräte am Ankumer See werden so gut wie gar nicht genutzt.

In Ankum wurden die Fitnessgeräte vor einigen Jahren aufgestellt, in Rieste stehen seit einigen Monaten Fitnessgeräte auf dem Ehrenmalplatz (nunmehr Diekplatz): Damit lag und liegt man im Trend, denn seit gut 10 Jahren haben Fitnessparcours, die nicht zuletzt auch ältere Menschen nutzen sollen, und „generationsübergreifende Spielräume“ Hochkonjunktur. Die Erwartung, dass so ein Angebot viel Zuspruch erfährt, hat sich zumindest in Ankum nicht erfüllt.

In Rieste stehen die neuen Fitnessgeräte auf dem Ehrenmalplatz unweit der Bahnhofsstraße (links).

In Bersenbrück liegt derzeit ein Plan auf dem Tisch, Geräte wie einen Street-Workout-Parkour oder eine Stufen-Sprung-Kombination beim Amtsgericht aufzustellen. Befasst hat sich damit am 23. April der Ausschuss für Soziales, Familie, Jugend, Senioren und Sport unter dem Punkt „Mehrgenerationen-Spielplatz am Amtsgericht, hier: Festlegung der Ausführungsvariante“.

So könnte der Fitnessplatz am Amtsgericht aussehen. © Kompan Let’s play/Stadt Bersenbrück.

Das Thema Spielplätze bewegt derzeit in Bersenbrück so einige Gemüter. In Ankum gehen die Überlegungen weiter, den Spielplatz am See zu verändern. Damit befasste sich am 3. April der Ausschuss für Jugend, Sport, Kultur, Soziales und Senioren (mehr dazu hier). Im Zusammenhang mit einer möglichen Erweiterung dieses Platzes ging es auch um die Fitnessgeräte.

 

Sich ausreichend Zeit nehmen, um gründlich zu beraten.

Was die Akzeptanz der Geräte angeht, fand Bürgermeister Detert Brummer-Bange klare Worte: „Die Geräte werden nicht genutzt“. Sie hätten sehr viel Geld gekostet, aber man müsse so ehrlich sein zuzugeben, dass die Geldausgabe eine „Fehlinvestition“ gewesen sei.

Ihm gehe es, so der Bürgermeister nach der Sitzung, vor allem darum, aus dieser Fehlinvestition Lehren zu ziehen. Und da vor allem die Lehre, „Schnellschüsse“ zu vermeiden und sich bei allem ausreichend Zeit zu nehmen, um gründlich alle Aspekte und Details zu beraten.

Schön gelegen, aber es scheint eine Scheu zu geben, sich unter den Augen von Spaziergängern zu betätigen.

 

Umsetzen zum Trimm-Dich-Pfad?

Brummer-Bange plädierte im Ausschuss dafür, die Geräte zum Trimm-Dich-Pfad umzusetzen. Eine weitere Anregung aus der Runde: Sie vielleicht in den an der Kolpingstraße geplanten Dorfpark zu versetzen und sie dort in einem abgeschotteten Bereich aufzustellen, wo man weniger gesehen wird.

Hemmungen sind nach einem Forschungsbericht von 2008 in der Tat ein entscheidender Grund dafür, warum zahlreiche Fitnessgeräte im öffentlichen Raum nicht von denen genutzt werden, für die sie eigentlich gedacht sind. In diesem Bericht ist zu lesen: Erwachsene seien zwar bereit, etwas für ihre Gesundheit und Fitness zu tun und es gebe auch Senioren, die Fitnessgeräte nutzen, „aber diese sollten separat stehen, sodass Erwachsene ungestört trainieren können“.

 

Hemmungen, sich in der Öffentlichkeit abzustrampeln.

Man möchte sich nicht blamieren. Unsicherheit.

Das Forschungsprojekt trägt den Titel „Genderdifferenzierte Untersuchungen zur Freiflächennutzung älterer Menschen“ (ab 50 Jahre bis „hochbetagt“). Quelle: siehe (1) unten. Unter die Lupe genommen wurden da auch zwei Standorte in Nürnberg-Eibach und in Frankfurt-Schwanheim mit „generationsübergreifenden“ Spielangeboten.

Das Ergebnis war, dass diese Anlagen nahezu ausschließlich von Kindern genutzt werden. „Erwachsene und ältere Personen betreuen bei den Geräten Kinder, helfen ihnen über die Wackelbrücken zu gehen oder sie probieren die Geräte auch mal aus. Erwachsene trainieren weder an den Geräten, noch kommt es zu einem intensiveren gemeinschaftlichen Spielen mit Kindern.“

Warum kam es nicht zu gemeinsamem Spiel? Da identifizierte die Studie als bedeutendste „Hemmschwelle“, „dass Ältere Angst haben sich zu blamieren, dass sie deswegen vor allem auch in Anwesenheit von Kindern kein Risiko eingehen oder sich unsicher zeigen wollen.“

Spazierengehen, Grün, möglichst viele Bänke zum Ausruhen & Schauen stehen bei Senioren hoch im Kurs.

 

Besonders gefragt: Viel Grün, Bänke, Rad- und Wanderwege.

Die Hersteller von Fitnessgeräten für den öffentlichen Raum und von Mehrgenerationen-Spielgeräten haben es geschafft, über Ideen wie Senioren-Fitness und generationenübergreifende Spielräume für reichlich Geräte-Absatz zu sorgen. Die realen Interessen der Menschen zwischen 50 Jahren und hochbetagt scheinen andere zu sein, zeigte zumindest eine Befragung von Frankfurterinnen und Frankfurtern im Rahmen des Forschungsprojekts. Die „Hitliste“ dieser Befragten sah so aus:

  • Besonders gefragt sind viel Grün und Natur sowie schön gestaltete Parks
  • Guter Pflegezustand
  • Schöne (Blumen-) Pflanzungen
  • Ruhe: sowohl Lärm, wie auch hektisches Treiben werden als unangenehm empfunden
  • Viele Ruhe- und Sitzmöglichkeiten; seniorengerechte Bänke (mit höheren Sitzflächen, Armlehnen und Rückenlehnen, die möglichst nicht dazu einladen, dass sich Jugendliche darauf setzen (Verschmutzung der Sitzflächen!)
  • Treffpunkte und kommunikationsfördernde Sitzbereiche
  • Bänke zum Beobachten: gerne werden andere Menschen beobachtet, oder auch Natur und Tiere
  • Seniorenfreundliche Spazierwege: barrierefreie Wege; zumindest glatte und befestigte Hauptwege (besser begehbar bei schlechtem Wetter)
  • Angebote für die Ausübung von Sport und anderen Bewegungsaktivitäten: „seniorenfreundliches“ Radwegenetz, Lauf- und Walkingstrecken in großen Parkanlagen, Schwimmbäder, Wanderrouten
  • Möglichkeiten zum Bummeln
  • Bänke auch in Straßenräumen und Fußgängerzonen
  • Cafés und Gartenlokale.

Gemütlich auf der Bank sitzen, den See und die Sonne genießen.

 

Hoch im Kurs bei Älteren: Boccia/Boule, Minigolf.

Vorgelegt wurden den interviewten Frankfurtern und Frankfurterinnen auch eine Auswahl an potenziellen neuen Angeboten, um zu erfahren, was sie voraussichtlich auch nutzen würden. Männer wie Frauen waren sich da so gut wie einig: Kneippanlage, Kiesbett für Fußmassage, Minigolfanlage, Boccia/Boule, Laufstrecke für Walken/Joggen, Angebot zum Tanzen, Spieltisch (z. B. für Dame und Schach), Tischtennis. Bei den Männern noch auf der Wunschliste: ein Fußballkicker.

Das See-Areal in Ankum ist ein Raum, der für Menschen jeden Alters attraktiv ist. Er wird von älteren Menschen, zeigt die Beobachtung, gerne für Spaziergänge genutzt, von jungen Müttern mit Kinderwagen, von Familien mit Kindern unterschiedlichen Alters, die gerne das Spielplatzangebot nutzen. Die aktuell laufende Debatte über Veränderungen des Spielplatzes am See erfordert darum zugleich, den See als Ganzes in den Blick zu nehmen, um unterschiedlichen Bedürfnissen und Interessen gerecht zu werden.

Der Boule-Platz, auf dem hier ein Fahrrad parkt: Bei der Lage müsste es eigentlich Spaß machen zu spielen.

 

Mit Ideen den Boule-Platz beleben.

Ebenfalls berührt von der aktuellen Spielplatz-Debatte in Ankum: der Boule-Platz am See. Auch der, in schönster Lage gelegen, wird bislang, wie die Fitnessgeräte, kaum genutzt. Gute Ideen könnten helfen, das zu ändern.

Den Boule-Platz weiterhin brach liegen zu lassen, würde bedeuten, ihn ebenfalls als „Fehlinvestition“ einstufen zu müssen. Es wäre schade drum, denn mit den richtigen Ideen müsste es möglich sein, den Platz zu beleben – zumal das Boule-Spiel eines ist, das bis ins hohe Alter ausgeübt werden kann und das in jedem Alter zur Geselligkeit, zum gemeinsamen Spiel, einlädt.

Auf 2.500 qm: Der Waldspielplatz in Lohne. © siehe: www.lohne.de/Kultur-Freizeit/Spielplaetze.htm

 

Welches Spielplatz-Konzept macht Sinn?

Für Sinnvolles könne man auch sehr viel Geld ausgeben, so der Bürgermeister auf Nachfrage von klartext zur Spielplatz-Debatte. Aber was macht Sinn für Ankum? Eine noch offene Frage. Dass sich in dieser Sache auch Bürger konstruktiv einbringen, zeigt ein Kommentar auf klartext zum Beitrag über die Sitzung des Jugendausschusses am 3. April. Der Kommentator legte dar, was er sich wünschen würde und postete auch einen Link zu einem, wie er sagt „der besten Spielplätze hier in der Gegend“ (https://www.lohne.de/Kultur-Freizeit/Spielplaetze.htm). In dem Video zu sehen ist der große Waldspielplatz Rehwiese in Lohne. Diese Anlage kostete 175.000 €.

Zu einem früheren Zeitpunkt hatte sich auch schon die damals noch in Ankum wohnende Nina Schulterobben mit Ideen für eine attraktivere Gestaltung des Spielplatzes am See eingebracht (mehr dazu hier).

Vor gut 1 Jahr bekam Ankums Bürgermeister Detert Brummer-Bange von Nina Schulterobben ein Plakat, auf dem sie ihre Ideen für den Spielplatz am See skizziert hatte.

Ob inklusiv, Mehrgenerationenplatz oder anderes: Jede Konzept-Idee steht und fällt mit der Umsetzung, mit der konkreten Ausgestaltung und nicht zuletzt mit der Auswahl des Standorts. Sich den einen oder anderen Spielplatz anzuschauen, der besonders gut angenommen wird, könnte sicher dazu beitragen, auch hier zu Spielplatz-Lösungen zu kommen, die auf Begeisterung stoßen.

(1) Im Rahmen eines Kooperationsprojektes der FH Wiesbaden, Fachgebiet Landschaftsarchitektur und dem Frauenreferat und Grünflächenamt der Stadt Frankfurt am Main wurde 2008 ein Forschungsprojekt über die Freiflächennutzung älterer Erwachsener (ab 50 Jahre bis „hochbetagt“) durchgeführt. Die Projektleitung lag bei Prof. Dr. Ing. Grit Hottenträger. http://www.fritzplan.de/res/uploads/FHW_2008_Senioren_Freizeitnutzung.pdf

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