„Fürchtet euch nicht“

Der Lohn ihrer Arbeit war eine beeindruckende Begegnung der Kulturen (von links): Pfarrer Ansgar Stolte, Jugend- und Flüchtlingsreferentin Nina Mönch-Tegeder, Ankums Bürgermeister Detert Brummer-Bange und der Übersetzter Youssef Trii.

Impressionen, persönliche Anmerkungen und Fakten von Rita Stiens.

Von Fremdeln und Fremdheit keine Spur: Das Ankumer Adventstreffen beeindruckt durch eine fröhliche, entspannte und herzliche Atmosphäre.

Von Fremdeln und Fremdheit keine Spur: Das Ankumer Adventstreffen beeindruckte durch eine fröhliche, entspannte und herzliche Atmosphäre.

Um die 20 Flüchtlingskinder und ihre Eltern waren unter den gut 80 Gästen, die Pfarrer Ansgar Stolte und Nina Mönch-Tegeder am 4. Adventssonntag im Ankumer Haus Kirchburg begrüßen konnten. Flüchtlinge sind seit Mitte des Jahres in ganz Deutschland das Thema Nr. 1 – ein Thema, das bewegt, im Positiven wie im Negativen.

Zum Unterstützerkreis gehören auch Susanne und Jim Greeley. Die „Engländer“ kamen vor 34 Jahren hierher und können nachfühlen wie es ist, sich in eine neue Umgebung einzufinden.

Zum Unterstützerkreis gehören auch Susanne und Jim Greenley. Die „Engländer“ kamen vor 34 Jahren hierher und können nachfühlen wie es ist, sich in eine neue Umgebung einzufinden.

Flüchtlinge, die in Ankum und benachbarten Orten Zuflucht fanden, erlebten am Sonntag gemeinsam mit „Alteingesessenen“ – Gastfamilien, Vermietern, Helfern – eine fröhlich-besinnliche Runde und eine Begegnung mit der christlichen Advents- und Weihnachtszeit. Ein Treffen im Sinne von Begegnung, so Pfarrer Stolte für die Pfarreiengemeinschaft Ankum, Eggermühlen, Kettenkamp, sollte dieses Zusammenkommen sein, um sich besser kennenzulernen und Flüchtlingen die Möglichkeit zu eröffnen, mehr über ihr neues Lebensumfeld zu erfahren.

Ein Film vermittelte den Flüchtlingsgästen, was das Weihnachtsfest Christen bedeutet.

Ein Film vermittelte den Flüchtlingsgästen, was das Weihnachtsfest Christen bedeutet.

Würde im nächsten Jahr erneut zum 4. Advent geladen, wäre die Runde wohl größer, denn es kommen weitere Menschen. 1,8 % Neu-Bürger sprich Flüchtlinge in der Samtgemeinde – das könnte die Bilanz zum Ende des Jahres 2016 sein. Also 98,2 % Altbürger zu 1,8 % Neubürger. Ein Grund, sich zu ängstigen, vom Willkommen abzurücken?
Mit jedem Flüchtlingsboot, das weiterhin Europa erreicht, wächst in Deutschland das Unbehagen. Genährt wird es auch durch angsteinflößende Begriffe und Wendungen wie Flüchtlings-Flut, -Lawine, -Tsunami, das Boot ist voll. Wer beim Ankumer Treffen zu Gast war, erlebte etwas ganz anderes: Eine offene Atmosphäre und nicht zuletzt viel Interesse aneinander. Die Gelegenheit, mehr voneinander und übereinander zu erfahren, wurde reichlich genutzt und bot viel Stoff für einen lebhaften Austausch.

250.000 Tote als Folge des Krieges in Syrien bei knapp 21 Millionen Einwohnern (2010)! Wie hoch die Zahl der Toten ist, zeigt ein Vergleich: An der viermal so hohen deutschen Bevölkerung gemessen wären das 1 Millionen Tote.

Im Dezember kamen Mohammed, seine Frau Abir und Töchterchen Angela über die Erstaufnahmestelle Friedland nach Ankum

Im Dezember kamen Mohammed, seine Frau Abir und Töchterchen Angela über die Erstaufnahmestelle Friedland nach Ankum.

Boot, Wasser, Sturm: Wie sich die Bilder gleichen!

Die kleine Syrerin Angela war eines der zahlreichen glücklichen Kinder.

Die kleine Syrerin Angela war eines der zahlreichen glücklichen Kinder.

Wer mit offenen Augen ins Land schaut, sieht viele hilfsbereit – und nicht wenige sorgenvolle, verängstigte Menschen. Furcht und Angst beherrschten auch die Jesus-Jünger, die in einem vom Sturm hin und her geworfenen Boot auf dem See Genezareth unterwegs waren. Als Jesus, übers Wasser gehend, auf das Boot zukam, erschraken die Jünger „weil sie meinten, er sei ein Gespenst, und sie schrien vor Angst“. „Habt Vertrauen“ und „Fürchtet euch nicht“, waren die Worte, die Jesus an die Verängstigten richtete (Matthäus-Evangelium 14,22-33).
Im „Volk Gottes“, einer Zeitschrift des Verlags Katholisches Bibelwerk, sagt Alexander Diensberg zu dieser Stelle: Das von den Wellen hin und her geworfene Boot „kann leicht an Erfahrungen heutiger Menschen anknüpfen, die ihr Leben als bedroht und vieles von dem, was bisher getragen und Sicherheit gegeben hat, als gefährdet erleben müssen“ (vgl. Gottes Volk 6/2005, 78f).
Die Flüchtlinge flüchten vor Krieg und Terror in die Boote. So mancher hier erlebt die Fliehenden, die es ans rettende deutsche Ufer geschafft haben, als Bedrohung für das bisherige Leben. Hilft ein „Habt Vertrauen“ und „Fürchtet Euch nicht“ gegen Flüchtlings-Angst ?

Der Lohn ihrer Arbeit war eine beeindruckende Begegnung der Kulturen (von links): Pfarrer Ansgar Stolte, Jugend- und Flüchtlingsreferentin Nina Mönch-Tegeder, Ankums Bürgermeister Detert Brummer-Bange und der Übersetzter Youssef Trii.

Der Lohn ihrer Arbeit war eine beeindruckende Begegnung der Kulturen (von links): Pfarrer Ansgar Stolte, Jugend- und Flüchtlingsreferentin Nina Mönch-Tegeder, Ankums Bürgermeister Detert Brummer-Bange und der Übersetzter Youssef Trii.

Durch Glauben und Mut in schwierigsten Situationen siegen.

Ich maße mir nicht an, die Szene auf dem See Genezareth glaubenskundig interpretieren zu können. Mir gefällt, was Goethe dazu sagte: Es sei darin die „hohe Lehre ausgesprochen, dass der Mensch durch Glauben und Mut in schwierigsten Unternehmen siegen werde, dagegen bei anwandelndem geringsten Zweifel sogleich verloren sei“ (vgl. Gottes Volk 6/2005, 78f).

Landesbischof Ralf Meister. Screenshot: www.landesbischof.wir-e.de

Landesbischof Ralf Meister. Screenshot: www.landesbischof.wir-e.de

Zweifel, ob man mit Aufgaben, vor die einen der Beruf und das Leben stellen, fertig wird, kennt wohl jeder. Wie mit Zweifeln umgehen und wie den eigenen Lebenskompass ausrichten? Ich verdanke meiner Erziehung, auch durch die Angelaschule-Ursulinen in Osnabrück-Haste, das alles Entscheidende: Werte, die nicht zuletzt durch die häufige Wiederholung einfachster Sätze prägend waren. Zum Beispiel durch den Satz „Was Du nicht willst was man Dir tut, das füg‘ auch keinem anderen zu“. Ein weiterer ist eben dieses „Fürchtet Euch nicht“.

„Welche Rolle haben wir als Christen und welche Rolle hat die Kirche in einer Gesellschaft der Angst“ fragte der evangelisch-lutherische Landesbischof Ralf Meister vor der im November in Hannover tagenden Landessynode. Seine Antwort: Im Blick auf die Flüchtlinge sei es Aufgabe der Kirchen, …, den „Ängsten zu begegnen und gemeinsam Wege für eine integrative Gesellschaft zu entwickeln“.

„Es könnte Dir auch morgen ein Ziegelstein auf den Kopf fallen“.

Welche Gefahren werden befürchtet? Es könnte ein Terrorist unter den Flüchtlingen sein, die wir hier aufnehmen. Es könnte ein Dieb darunter sein. Es könnte jemand die Lehrerin, Frauen überhaupt, oder Homosexuelle nicht respektieren usw. Könnte-Gefahren wurden zu allen Zeiten heraufbeschworen.

Ein Beitrag zum Gelingen des Ankumer Flüchtlingstreffens: Das reich bestückte Büffet mit Kuchen und Schnittchen.

Ein Beitrag zum Gelingen des Ankumer Flüchtlingstreffens: Das reich bestückte Büffet mit Kuchen und Schnittchen.

„Papperlapapp“, pflege meine lebenskluge Oma, als ich jung war, dazu zu sagen, „es könnte Dir auch morgen ein Ziegelstein auf den Kopf fallen“. Damals ging es beim Heraufbeschwören von Gefahren zumeist um Nachkriegsflüchtlinge und durchreisende „Zigeuner“. Beide Gruppen wurden von nicht wenigen als „Pack“ betrachtet.
10 Kinder, wenig Geld: Das Leben meiner Großmutter war vom Zupacken geprägt. Sie konnte es sich nicht leisten, ihre Zeit mit könnte, hätte, würde oder wäre zu verschwenden. Sich jeden Tag den anstehenden Problemen zu stellen und sie bewältigen, das war ihr Leben. Die Unterstützer der Flüchtlinge tun es in vielem meiner Großmutter gleich. Sie packen zu und an. Die Flüchtlinge, um die es jetzt geht, sind da. Es liegt vor allem in unserem Interesse, sie mit unserem Leben vertraut zu machen und zu einem guten Neustart ins private und berufliche Leben beizutragen.

 

Es liegt an uns, wie wir die Zukunft gestalten.

Frieden: Angesichts der furchtbaren Kriege nötiger denn je zwischen Völkern und Menschen.

Frieden: Angesichts der furchtbaren Kriege nötiger denn je zwischen Völkern und Menschen.

„Fürchtet Euch nicht“! Der von der Gemeinde Ankum und der Pfarreiengemeinschaft Ankum, Eggermühlen und Kettenkamp initiierte Flüchtlingskreis lebt tatkräftig vor, was derzeit dringend gebraucht wird: Unterstützung. Getragen wird das Engagement von Menschen, die sich auf Begegnungen mit Flüchtlingen einlassen, auf neue Erfahrungen und darauf, praktische Probleme zu lösen.
Den meisten Menschen in der Samtgemeinde geht es gut und sie sind mit ihrem Leben zufrieden. Warum sollten 1,8%, selbst 4 % oder 5% Flüchtlinge unser Leben zum Schlechteren verändern? Wir sind es doch – die ganz große Mehrheit –, die es in der Hand hat, unsere Zukunft zu gestalten. Gestalten wir unsere Zukunft zusammen mit den Neubürgern, auf der Basis unserer Werte – an die wir uns erinnern sollten! „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, steht z. B. in Artikel 1 des Grundgesetzes. Die Würde „des Menschen“ steht dort, also die aller Menschen, nicht nur die des Herkunftsdeutschen.

Sich für einen friedlichen Diskurs und ein friedliches Miteinander zu engagieren, dazu mahnen auch die 789 Anschläge auf Asylbewerberunterkünfte allein in diesem Jahr (Stand: 8. Dezember). Das sind mehr als zwei Anschläge pro Tag.

 

„Es gibt viel zu tun. Packen wir’s an.“

Mit diesem Werbeslogan warb der Mineralölkonzern Esso Mitte der 1970er Jahre – mit großem Erfolg. Haben wir das Anpacken verlernt oder warum reagieren zahlreiche Menschen so verzagt und gar aggressiv auf das „Wir haben schon so viel geschafft. Wir schaffen das“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel?
Deutschland ist eines der stärksten Länder der Welt. Und darum steht Deutschland nicht vor der Frage, ob wir das schaffen können oder nicht. Deutschland steht – wie die Samtgemeinde und jede der einzelnen Mitgliedsgemeinden – vor der Frage, ob wir das schaffen wollen oder nicht.

 

„Viele Menschen haben das Herz auf dem rechten Fleck“.

Packen an: Das Ehepaar Rolfes. Elisabeth Rolfes hatte eine Präsentation vorbereitet, um den Flüchtlingen ihre Umgebung näher zu bringen.

Packen an: Das Ehepaar Rolfes. Elisabeth Rolfes hatte eine Präsentation vorbereitet, um den Flüchtlingen ihre Umgebung näher zu bringen.

Die Flüchtlinge, die im Haus Kirchburg mit Alteingesessenen zusammenkamen, leben in Wohnungen und Häusern, haben Nachbarn, mit denen sie in Kontakt sind, werden von Ehrenamtlichen und von der Samtgemeinde begleitet. Die bislang gute Bewältigung der Flüchtlingsaufgabe ist dem Engagement von Menschen zu verdanken, die tatkräftig ihr „Wir wollen das schaffen“ zum Ausdruck bringen. Ihnen sei Dank, und es wäre ihnen, in unser aller Interesse, zu wünschen, dass der Kreis noch größer wird.
„Geben ist seliger denn nehmen“, auch das so ein Satz fürs Leben aus dem Neuen Testament (Paulus zitiert Jesus). „Viele Menschen haben das Herz auf dem rechten Fleck, aber sie verstehen nicht zu geben, und es dauert lange, ehe der Wille des Herzens den Weg bis zur Tasche macht“, sagte Heinrich Heine. Was die Flüchtlinge angeht, muss es für den Einzelnen nicht in erster Linie der Weg zur Tasche, zum Geld, sein, sondern der Weg zur Tat, zur tatkräftigen Mithilfe. Hier – zwischen Kettenkamp und Rieste, Eggermühlen und Gehrde – haben viele das Herz auf dem rechten Fleck!

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