Gretchenfrage: Wie hältst du’s mit Recht & Gesetz?

Was steckt hinter den schwelenden und immer wieder aufflammenden Konflikten im Stadtrat Bersenbrück? Wer hat Recht, wer Unrecht? Die Antwort darauf gibt – das Recht.

Ein kommentierender Beitrag von Rita Stiens.

Dieses Rathaus ist der Sitz von Bürgermeister Christian Klütsch und seines Verwaltungsverteters Johannes Koop.

 

Steffen Zander.

Steffen Zander zog mit der UWG Bersenbrück vor einigen Monaten in den Stadtrat ein und machte sich an die Arbeit. So bat er im Februar um Auskunft und Unterlagen für die Ratsarbeit. In der Antwort der Stadt vom 15. Februar handelte er sich dafür eine Zurechtweisung ein, denn darin steht der Satz: „Zudem wird seitens der Verwaltung darauf hingewiesen, dass Anfragen an den Bürgermeister und die Verwaltung generell über die jeweiligen Fraktionsvorsitzenden erfolgen sollen“. Fragen nur über den Fraktionsvorsitzenden?

 

UWG-Fall 1: Eine rechtswidrige Position der Verwaltung.

Handelte der Ratsneuling Steffen Zander falsch? Nein. Im Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) steht in § 56 klipp und klar: „Zur eigenen Unterrichtung kann jede oder jeder Abgeordnete Auskünfte in allen Angelegenheiten verlangen; die Unterstützung durch andere Mitglieder der Vertretung ist dazu nicht erforderlich.“ Jedes Ratsmitglied, steht im Gesetz! Und das aus einem guten Grund, denn das einzelne Ratsmitglied ist in einer Demokratie frei und soll auch nicht abhängig sein von einem Fraktionsvorsitzenden.

Mit der Forderung, Anfragen sollen generell über den Fraktionsvorsitzenden erfolgen, setzten sich die Stadtverantwortlichen – an deren Spitze Bürgermeister Christian Klütsch (CDU) und sein Verwaltungsstellvertreter Johannes Koop (CDU) – über Recht & Gesetz hinweg. Die Antwort beinhaltet die Beschneidung eines grundlegenden Rechts eines jeden Ratsmitglieds. Warum ein solches Vorgehen, kaum dass die UWG in den Stadtrat eingezogen ist – in einer Stadt, in der der Verwaltungsvertreter des Bürgermeisters auch noch ein Volljurist ist?

 

Fortsetzung Fall 1 = Fall 2: Anfragen sollen autorisiert werden.

Fall 1 war noch nicht damit beendet, dass die UWG deutlich machte, dass jedes Fraktionsmitglied ein Fragerecht hat. Danach, so Wolfgang Rathmann, wurde ein Mail-Versehen „von der Verwaltungsspitze zum Anlass genommen, mich aufzufordern, ich solle meine beiden Ratskollegen vorher autorisieren, eine Anfrage zu stellen. Auch das ein gesetzeswidriger Versuch, das Antragsrecht der Fraktionsmitglieder zu unterlaufen“. Warum ein solches Agieren in einer Sache, die nach Recht & Gesetz (§ 56) eine völlig eindeutige und klare ist?

 

UWG-Fall 3: Ebenfalls nicht durchs Recht gedeckt.

Knapp 3 Monate später eine erneute Zurechtweisung der UWG – zur Anzahl ihrer Fraktionssitzungen. Auch das hätte nie geschrieben werden dürfen (mehr dazu hier). In der letzten Ratssitzung am 15. Juni sprach Bürgermeister Christian Klütsch dann von einem „Missverständnis“. Wenn es denn eines war: Ausgeräumt wurde es über Wochen nicht.

Wolfgang Rathmann.

Auf ihre Antwort vom 12. Mai bekam die UWG bis heute, 7 Wochen später, keine Zeile von den Verantwortlichen. Am 15. Juni stellte der Bürgermeister im Rat eine Antwort in Aussicht. Auf die wartet UWG-Fraktionschef Wolfgang Rathmann weiterhin. Den Konflikt über Wochen schwelen lassen, die UWG keiner Antwort würdigen, von „Missverständnis“ sprechen, aber wochenlang nichts tun, um es auszuräumen – ein Beitrag zu einem vernünftigen Miteinander im Rat?

 

In 3 Monaten gleich 3 Konflikte mit der UWG vom Zaun gebrochen.

Und es sind in den drei Fällen die Stadtverantwortlichen, die sich ins Unrecht setzten. Wer also störte da den Betriebsfrieden im Rat? Soll von den UWG-Ratsmitgliedern hingenommen werden, dass sie in ihren Rechten beschnitten werden? Nach Recht & Gesetz kann das nicht hingenommen werden, denn Ratsmitglieder haben eine Aufgabe zu erfüllen.

 

Geben für die CDU den Ton im Rat an (von links): Johannes Koop, Gerd Uphoff, Christian Klütsch.

§ 57: Alle sollen mitwirken.

Bersenbrücks Bürger haben gewählt – und schickten CDU’ler, SPD’ler, UWG’ler und Grüne in den Rat, die je eine Fraktion bilden. Was die Aufgabe der Gewählten ist, steht in § 57 (NKomVG). Dort heißt es: „Fraktionen und Gruppen wirken bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung mit.“ Alle Fraktionen. Um mitzuwirken, müssen sie sich einzubringen. „Wir haben die Mehrheit, basta“ ist eine Haltung, die dem diametral entgegensteht! Dass alle mitwirken heißt: Jede Fraktion, auch die, die die Mehrheit hat, ist aufgefordert, offen zu sein für die Mitwirkung der anderen. Herrscht dieser Geist bei den in Bersenbrück Regierenden?

Mitwirken kann nur, wer informiert ist, über die erforderlichen Unterlagen verfügt usw. Darum das Auskunftsrecht für alle Ratsmitglieder. Mitwirken heißt aber vor allem auch, dass alle Gruppierungen Vorstellungen und Ideen in die Ratsarbeit einbringen können.

 

Die Stadtverantwortlichen verstießen gegen das Antragsrecht.

Die SPD-Fraktion stellte z. B. den Antrag, Wohnmobilstellplätze einzurichten. Das Recht, Anträge zu stellen, ist im Rat ein außerordentlich wichtiges, um Ideen und Themen einzubringen. Können Bürgermeister und Stadtverwaltung einen Antrag ignorieren oder in der Schublade schmoren lassen? Nein, schreibt die Kommunalaufsicht des Landkreises den Bersenbrücker Verantwortlichen ins Stammbuch. In ihrem Brief vom 12. Juni 2017 heißt es: „Die Verwaltung der Stadt hat mitgeteilt, dass künftig bei entsprechenden Anträgen die Tagesordnung unverzüglich ergänzt wird“.

Warum dieser Satz? Ein Antrag der SPD-Fraktion war nicht auf die Tagesordnung gesetzt worden. Daraufhin schaltete die SPD die Kommunalaufsicht ein. Und bekam Recht: Das Handeln der Stadtverantwortlichen war falsch, der Antrag hätte auf die Tagesordnung gehört – und die Stadt versprach der Kommunalaufsicht gegenüber Besserung.

Eine so deutliche Aussage der Kommunalaufsicht: Das kommt selten vor.

Noch ist keine Besserung in Sicht.

Widu Höckelmann.

Der Brief der Kommunalaufsicht ging an die SPD-Fraktion und an die Stadt. SPD-Fraktionschef Widu Höckelmann hatte ihn in der Ratssitzung am 15. Juni dabei. Er las den einen Satz vor, als es wieder ein Hin und Her in Sachen Anträge gab. In dem Fall zwischen den Ratsmitgliedern der Grünen und Bürgermeister Klütsch sowie Johannes Koop.

Elisabeth Middelschulte.

Man habe mehrere Anträge gestellt, aber nur einer sei auf der Tagesordnung, so Grünen-Fraktionschefin Elisabeth Middelschulte. Warum kamen die anderen nicht auf eine Tagesordnung, auf die eines Ausschusses oder des Rats? Das Hin und Her war erhellend in Sachen Rechtsbewusstsein, vor allem vor dem Hintergrund, dass sich die Kommunalaufsicht gerade erst in dieser Sache geäußert hatte.

Zu einem der Anträge sagte Johannes Koop, es sei „kontraproduktiv“, darüber „jetzt öffentlich zu reden“. Zu einem anderen merkte Bürgermeister Christian Klütsch an, worüber man denn bei dem überhaupt reden solle. Der entscheidende Punkt: Was immer ein Bürgermeister und sein Verwaltungsvertreter von einem Antrag halten, ist irrelevant. Relevant ist allein: Er gehört auf eine Tagesordnung. Steht er dort, ist selbstverständlich jeder frei, seine Meinung dazu kundzutun.

Könnte eine Inspiration sein: Diese Skulptur vor dem Rathaus der Samtgemeinde.

Die politische Sommerpause könnte eine Gelegenheit sein, sich in Bersenbrück eines Anderen und Besseren zu besinnen. Hätten die Stadtverantwortlichen in den letzten Monaten in den hier genannten Beispielen nach Recht & Gesetz gehandelt, wäre so einiges gar nicht erst zum Konflikt geworden. Dabei kommt den Stadtoberen eine Schlüsselrolle zu. Nur eine Verwaltungsleitung, die vertrauensbildend sprich‘ transparent handelt und zudem formal-korrekt, ermöglicht ein vernünftiges Miteinander im Rat – im Interesse einer sachorientierten Politik zum Wohle der Bürger.

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Ein Kommentar

  1. Rudolf Voss

    Zur Stadtratssitzung BSB vom 15.06.2012
    Es ging im Stadtrat mal wieder hoch her. Leider wurden die angesagten Themen überschattet von
    den Streitereien über korrekte Vorgehensweise im Stadtrat zwischen der Opposition und der
    Ratsmehrheit, , was viele Zuhörer zum Schluß arg nervte.
    Man kann nur hoffen, dass unter anderem auch die vielen jungen Zuhörer trotzdem wiederkommen.
    Sicherlich haben die Oppositionsparteien Recht mit ihren Vorwürfen, dass ihre rechtzeitig gestellten
    Anträge zu Ratssitzungen einfach nicht berücksichtigt werden. Und dieses kann sicherlich nicht
    toleriert werden. Anscheinend müssen die Ratsmehrheit und die Verwaltung (sie ist übrigens zu
    Neutralität verpflichtet) Demokratie noch lernen.
    Auch die Versuche auszutesten, wie weit man mit dem neuen Mitglied im Rat, die UWG-Stadt BSB,
    umspringen kann, sollte in Zukunft tunlichst vermieden werden. Als Beispiel sei genannt die
    schriftliche Aufforderung zur Offenlegung der Themen Ihrer eigenen Fraktionssitzungen gegenüber
    der Verwaltung.
    Es wäre wünschenswert in dem öffentlichen Teil der Sitzungen gegenseitige Vorwürfe, wenn sie
    schon einmal öffentlich dargelegt wurden , nicht immer wieder, wieder und wieder zu wiederholen,
    denn dadurch nimmt das Öffentlichkeitsbild vom Bersenbrücker Stadtrat noch mehr Schaden.
    Diese Auseinandersetzungen sind besser in den innerfraktionellen Sitzungen aufgehoben.
    Die Oppositionsparteien SPD, Grüne und UWG-Stadt BSB repräsentieren immerhin 44 % der Wähler.
    Auch diese Wähler sollte die Ratsmehrheit ernst nehmen und zu ihren Rechten kommen lassen und
    auch über ihre Anträge sachlich und ergebnisoffen diskutieren.
    Thema Bauplatz Bramscher Straße.
    Hier sollte die Stadt insgesamt froh sein, egal wie es letztendlich zustande gekommen ist, einen
    Investor zu haben. Man sollte jetzt zur Tagesordnung übergehen, und wie von der Opposition
    gefordert, dem Investor auf die Finger schauen,

    Thema „Woltruper Wiesen“
    Das Thema wurde vermieden, da es ein „schwebenes Verfahren“ zwischen der Stadt und dem Kläger
    ist.
    Hier hat die Ratsmehrheit versäumt Größe zu zeigen, indem sie zumindest zugesteht, dass damals
    bei den Baugebietsplanungen Fehler gemacht wurden.
    Sie hätten sich bei den Bauwilligen für die Unannehmlichkeiten öffentlich entschuldigen können.
    Die jetzige Situation hat nicht der Kläger, sondern alleine die Stadt und die zuständige
    Landkreisbehörde zu verantworten.
    In der großen Politik werden bei ähnlichen Fällen oftmals personelle Konsequenzen gezogen.
    Hinweise aus der Bürgerschaft, bezüglich der Problematik mit dem Überschwemmungsgebiet, gab es
    reichlich. Aber diese wurden beiseite gewischt und es wurden nur notdürftige Änderungen
    vorgenommen.
    Planung Südspange (Umgehungsstraße Süd)
    Ein Stop der Planungen wird, trotz der Problematik mit dem Überschwemmungsgebiet, nicht erfolgen
    (Hinweis: Überschwemmungsgebiete dürfen laut § 78 WHG nicht bebaut oder verkleinert werden).
    Laut Bürgermeister Klütsch betrifft dieses nicht mehr seine Generation, da sich die Planungen unter
    Umständen über Jahrzehnte hinziehen können.
    Diese Argumentation beruhigt mich nicht wirklich, da es in der Vergangenheit oftmals passierte, dass
    eine Sache ohne die Bedenken der direkt betreffenden Bürger ernst zu nehmen, schnell
    durchgepeitscht wird (siehe „Woltruper Wiesen“).

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