„Arroganz der Macht“

Ein besseres Klima im Rat war eines der Ziele der UWG, die neu in den Stadtrat einzog. Das Jahr 2017 zeigte: Das blieb ein frommer Wunsch. Warum geht es in BSB zu, wie es zugeht?

Außer der CDU-Fraktion sitzen im Stadtrat 3 weitere Fraktionen mit insgesamt 10 Mitgliedern.

Ein kommentierender Beitrag von Rita Stiens.

Mit dem 31. Dezember 2017 ging das erste volle Jahr nach der letzten Kommunalwahl zu Ende. Was fiel 2017 in Bersenbrück auf? Wie kein anderer Rat steht der Bersenbrücker für Zoff. „Bloß keine Bersenbrücker Verhältnisse“ hat gar den Rang eines geflügelten Worts. Wie war es in 2017 um das Miteinander bestellt? Sehr schlecht, ist die vorweggenommene kurze Antwort.

 

Wenn Sachlichkeit auf der Strecke bleibt.

Ein geradezu absurdes Beispiel fürs Gegeneinander lieferte die Sitzung des Bau-Ausschusses am 1. November. Zu Beginn einer Sitzung wird immer über das Protokoll der vorherigen Sitzung abgestimmt. Gibt es Anmerkungen dazu, Veränderungswünsche, sind die Fragen.

Steffen Zander (UWG).

Steffen Zander von der UWG meldete sich zu Wort mit dem Hinweis: Im Protokoll zur vorherigen Sitzung (am 24. August) sei ein Beschlussvorschlag zur Teilnahme Bersenbrücks an der Earth Hour nicht richtig wiedergegeben worden. Es stimmte, was Steffen Zander sagte – das bestätigten der Ausschussvorsitzende Rolf Gelinsky (CDU) und Johannes Koop (CDU). Und so hätte man sich eigentlich schnell darauf verständigen können, dass der nicht korrekte Beschlussvorschlag durch den richtigen Wortlaut ersetzt wird. So kam es aber nicht.

Nicht korrekt wiedergegeben war der Beschlussvorschlag, weil z. B. fehlte, wann Bersenbrück an der Earth Hour teilnimmt („März 2018“), und es fehlte der letzte Satz: „Eine eventuelle teilweise Abschaltung der Straßenbeleuchtung wird geprüft“.

 

Es sollte falsch im Protokoll stehen bleiben.

Als Zuschauer traute man ob des weiteren Verlaufs der Dinge seinen Ohren nicht. Rolf Gelinsky wie auch Johannes Koop widersetzten sich einer Änderung. Der Beschlussvorschlag solle so, wie er im Protokoll steht – also falsch – stehen bleiben. In einem anderen Protokoll, dem der Stadtratssitzung, stünde er ja richtig.

Ein jedes Protokoll, ob zu einer Stadtrats- oder einer Ausschusssitzung, soll den Sitzungsverlauf angemessen und in der Sache korrekt wiedergeben. Da mutet es wahrlich absurd an, dass ein Ausschussvorsitzender und mit Johannes Koop auch noch ein Jurist darum ringen, dass in einem Protokoll stehenbleiben soll, was sachlich nicht korrekt ist.

Mal abgesehen von der Sache selbst: Auch der Ton macht die Musik. Lapidar-abkanzelnd wurde das Anliegen von Steffen Zander zurückgewiesen. Der blieb ruhig, beharrlich – und erreichte nach mehreren Anläufen mit Mühe, was von vornherein selbstverständlich hätte sein sollen – die Änderung. Mit Beispielen zu Änderungswünschen zum Protokoll könnte man aus dem Jahr 2017 noch viele Zeilen füllen.

 

Protokoll „als Waffe“?

Geharnischt-gereizt beendete Johannes Koop, Verwaltungsvertreter des Bürgermeisters, in der Ratssitzung am 15. Juni Änderungswünsche, so aus den Reihen der Grünen, zum Protokoll. Protokolle, so der Koop-Vorwurf, würden „als Waffe“ genutzt. Und weiter: Man werde die Protokolle „auf ein Minimum reduzieren, damit die unseligen Diskussionen aufhören“.

klartext-Mitschrift zur Ratssitzung am 15. Juni.

In dem konkreten Fall, das war auch der Eindruck der klartext-Beobachterin, waren die Protokolleinwände eine Geduldsprobe, vor allem für die Zuhörer, die die Sitzung, um die es ging, nicht miterlebt hatten. Völlig unangemessen jedoch die Schärfe von Johannes Koop.

Protokolle „als Waffe“? Es ging in dieser Sache nicht gegen jemanden, sondern um etwas: Um den Wunsch nach Korrektur bzw. Ergänzung des Protokolls. Die Art der Replik von Johannes Koop zeigte jedoch, was in Bersenbrück 2017 immer wieder zu beobachten war: Dass Fragen oder Kritik in der Sache oder die Wahrnehmung verbriefter Rechte als nervige, unzulässige und auch als persönliche Angriffe wahrgenommen – und entsprechend quittiert werden.

Dass der Name Johannes Koop in diesem Beitrag mehrfach vorkommt, liegt daran, dass sich in Stadtratssitzungen nur wenige aus den Reihen der CDU-Mehrheitsfraktion zu Wort melden. Die Wenigen sind vor allem Johannes Koop, gefolgt von Bürgermeister Christian Klütsch und dem Fraktionsvorsitzenden Gerd Uphoff.

 

Die eigentliche Ursache: Demokratie-Defizite.

Ja – wer zurückschaut, stellt fest, dass in Bersenbrück auch grüne Ratsmitglieder nicht frei davon waren, sich im Ton zu vergreifen, vor allem in der Zeit, als sie rund um die Kaufland-Ansiedlung den Zorn auf sich zogen. Eine Erklärung für die „Bersenbrücker Verhältnisse“ sind Misstöne anderer jedoch nicht. Die Ursachen liegen woanders – was seit dem Einzug der UWG in den Stadtrat besonders sichtbar wurde.

Die drei UWG’ler im Stadtrat Bersenbrück (von links): Steffen Zander, Andrea von der Haar und der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Rathmann.

Es dauerte nicht lange, bis auch die Neuen der UWG, die keine Polemik lieferten, sondern Sachbeiträge, unter Beschuss gerieten. Und das gleich mehrfach (mehr dazu hier). Warum? Weil sie taten, wozu sie gewählt wurden. „Fraktionen und Gruppen wirken bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung mit“, sagt das Kommunalverfassungsgesetz. Damit sie das können, haben sie Rechte, so das Recht auf Auskünfte von der Verwaltung oder das Recht, Anträge zu stellen. Diese Rechte nicht in vollem Umfang zu respektieren, verweist auf Demokratie-Defizite.

 

Anträge = Engagement für Bürger und Stadt.

Ihr tagt zu oft, ihr fragt zu oft usw. – das spricht, zeigte das Jahr 2017, aus vielen Reaktionen auf die Aktivitäten von SPD, UWG und Grünen. Nun ist es aber nicht an den Regierenden zu entscheiden, was zu viel, was das rechte Maß ist, wie aktiv Ratsmitglieder sein dürfen oder wie passiv sie sein sollten.

SPD-Antrag, 30.10.2017.

So steht zum Beispiel hinter jedem Antrag ein Engagement für bestimmte Anliegen: Für eine Umgestaltung der Robert-Bosch-Straße z. B, weil die Bürgersteige für Rollstuhlfahrer und Dreiräder zu schmal sind, um ohne Schwierigkeiten die Beschützenden Werkstätten der Heilpädagogische Hilfe zu erreichen (Antrag der SPD), für das Thema der Grünen, die Straßenausbaubeitragssatzung der Stadt, die die Anliegerbeiträge regelt, zu verändern und vieles mehr. Anträge zu stellen ist ein Schlüsselrecht aller, um Ideen und Themen einzubringen.

 

Tagesordnung „unverzüglich“ ergänzen.

Elisabeth Middelschulte (Grüne).

Über viele Jahre war der Umgang mit Anträgen im Bersenbrücker Rat kein strittiges Thema, so die Ratsfrau der Grünen Elisabeth Middelschulte, auch nicht in den Jahren mit Dr. Lübbersmann (CDU). Ganz anders die Situation in 2017. Da waren Anträge der Zankapfel Nr. 1 – weil sie nicht auf die Tagesordnung kamen.

Wie korrekterweise zu verfahren ist, schrieb die Kommunalaufsicht des Landkreises Osnabrück Bersenbrücks Regierenden im Juni 2017 ins Stammbuch: Dass ein Antrag unverzüglich auf die Tagesordnung zu setzen ist.

Die SPD-Fraktion hatte die Kommunalaufsicht eingeschaltet, weil ein Antrag der Fraktion im März nicht auf die Tagesordnung kam. Das hätte geschehen müssen – sagte die Kommunalaufsicht und teilte brieflich (12. Juni 2017) mit, die Verantwortlichen hätten Besserung zugesagt: „Die Verwaltung der Stadt hat mitgeteilt, dass künftig bei entsprechenden Anträgen die Tagesordnung unverzüglich ergänzt wird“. Das geschah jedoch nicht.

 

Von li.: Johannes Koop, Gerd Uphoff, Christian Klütsch.

Messlatte: Das eigene Ermessen. 

Wie ein roter Faden zieht sich in Bersenbrück durch die Sitzungen, dass die Regierenden für sich in Anspruch nehmen, vorab über einen Antrag zu befinden. So wies z. B. Johannes Koop in der Ratssitzung am 15. Juni die Forderung, einen Antrag der Grünen auf die Tagesordnung zu setzen, mit den Worten zurück, es sei „kontraproduktiv“, darüber „jetzt öffentlich zu reden“.

Zu einem anderen Antrag merkte Bürgermeister Christian Klütsch an, worüber man denn da überhaupt reden solle oder kommentierte mit einer Anmerkung wie „finanziell nicht realisierbar“. Erst zügig auf die Tagesordnung, dann die Debatte – wäre der zu gehende Weg. Statt dessen wurden einige Anträge de facto aussortiert.

Als es im Juni um drei Anträge ging, auch da begleitet von Hin und Her, sagte dazu Widu Höckelmann (SPD), die Anträge, seien „fristgerecht gestellt worden und gehören darum auf die Tagesordnung“. Dem folgte laut Protokoll: „Ratsherr Uphoff hält die Debatte für überflüssig“. Und so ging man zur Tagesordnung über. Die Anträge, um die es im Juni ging, kamen in den nachfolgenden Monaten des Jahres 2017 nicht auf die Tagesordnung.

 

„Arroganz der Macht“.

Bersenbrücker Kreisblatt, 5.2.2014.

Von „Arroganz der Macht“ sprach Anfang 2014 die Badberger Gruppe CDU/FDP in einem Leserbrief vom 5.2.2014 und schrieb: „Die (….) Fraktion würde sehr gern sowohl in der Sache als auch im Ton konstruktiv mit allen Mitgliedern des Rates zusammenarbeiten. Wenn aber die Mitglieder unserer Fraktion systematisch ausgetrickst werden, ist das einer gedeihlichen Zusammenarbeit nicht förderlich. (…….) Wer so mit der Opposition umgeht, kann nicht erwarten, dass – angesichts der gezeigten Arroganz der Macht – Wohlverhalten stattfindet, um für Frieden und Sonnenschein zu sorgen und das zulasten unseres Auftrages, zum Wohl der Gemeinde und seiner Bürger tätig zu sein.“

Manfred Krusche, SPD-Urgestein im Stadtrat Bersenbrück, hat diesen Leserbrief aufbewahrt. Für ihn bringen einige Sätze dieses Briefs seine Erfahrungen im Bersenbrücker Rat auf den Punkt – mit umgekehrtem Vorzeichen, denn in Bersenbrück regiert seit Jahrzehnten allein die CDU.

 

Im Juni: Tiefpunkt in Sachen Miteinander. 

SPD-Fraktionschef Widu Höckelmann.

Die Stadtratssitzung im Juni markierte, was das Miteinander-Gegeneinander angeht, einen absoluten Tiefpunkt – u.a. wegen eines SPD-Antrags zu Wohnmobilstellplätzen. Dazu hatte es eine schriftliche Aussage der Stadtverwaltung gegeben, die lautete, dass „derzeit Abstellmöglichkeiten vom Schützenverein Bersenbrück angeboten werden“.

Das stimme nicht, so Widu Höckelmann. Im Rat geriet er dafür unter heftigen Verbal-Beschuss. „Wer sachliche Debatten schätzt, für den war die Ratssitzung Bersenbrück über weite Strecken eine Tortur. Wer ,wir gegen die‘ erleben wollte, kam auf seine Kosten“, schrieb klartext zu dieser Sitzung (mehr dazu hier).

 

Bislang kein besseres Miteinander in Sicht.

„Die Tagesordnung unverzüglich ergänzen die Wirkung, die es hätte haben müssen, hatte das Schreiben der Kommunalaufsicht nicht. Statt dessen, in der Ratssitzung am 13. Dezember, ein Umgang mit Anträgen, wie er bislang nicht praktiziert wurde – auf der Basis eines Paragraphen (§ 5, 2) in der Geschäftsordnung. Den kannte kaum jemand mehr, weil er nicht angewandt wurde.

Danach soll zunächst der Stadtrat darüber entscheiden, in welchem Ausschuss ein Antrag behandelt wird. Stadtratssitzungen gibt es in der Regel nur 4 x im Jahr. Bis 2016 kamen Anträge ohne Umweg auf die Tagesordnung, seit 2017 muss darum gerungen werden, seit Dezember nun in zusätzlich komplizierter Weise nach der Geschäftsordnung… Warum?

Anträge: Paragraph 5, 2 der Geschäftsordnung.

Bei Abstimmungen können sich die übrigen Fraktionen ohnehin nicht gegen die CDU-Mehrheit durchsetzen. Warum dann soviel Widerstand dagegen, dass Anträge ordnungsgemäß auf die Tagesordnung kommen? Wer die Mehrheit hat, kann souverän agieren. Kann! Gewollt ist das offenbar nicht. Jeden Stein zu finden (nunmehr über die Geschäftsordnung), der den übrigen Fraktionen in den Weg gerollt werden kann: Dass sich dieser Eindruck bei den Betroffenen verfestigt, ist nicht verwunderlich.

 

Zermürbendes Ringen. Unterschiedliche Maßstäbe.

Ob Protokolle, Umgang mit Anträgen, Auskunftsrecht: In Bersenbrücker Ratsgremien geraten Ratsmitglieder von UWG, SPD und Grünen aus unterschiedlichen Gründen immer wieder in zermürbendes Hickhack. Bersenbrücks Stadtverantwortliche Christian Klütsch, Johannes Koop und Gerd Uphoff sitzen für die CDU auch im Samtgemeinderat. Dadurch fällt z. B. auf, wie sehr mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen wird. Würde z. B. auf Samtgemeindeebene mit Anträgen der CDU umgegangen wie in Bersenbrück, wären – nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeit – Protest und Empörung auf Seiten der CDU groß.

In der Samtgemeinde: ein anderer Umgang mit Anträgen der Opposition. Links hinten: Samtgemeinderat Christian Klütsch, vorne: Vertreter der Grünen und der UWG Ankum

Gemeinsam ist den vielen so unerquicklichen Situationen im Bersenbrücker Stadtrat, dass sich den Zuhörern zumeist kaum erschließt, worum es geht – weil Zuschauern die Unterlagen nicht vorliegen, weil sie nicht dabei waren, um beurteilen zu können, wer Recht hat, wenn Aussage gegen Aussage steht, oder weil ihnen Hintergrundwissen wie z. B. die Kenntnis des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes fehlt.

Möchte man für die SPD, die UWG oder die Grünen im Bersenbrücker Stadtrat sitzen? Nein, zeigen Gespräche mit so manchem Beobachter, das möchte man sich nicht antun. Und das ist das eigentlich Verheerende: Dass Demokratie und demokratisches Engagement auf der Strecke bleiben, wenn es den Regierenden an Respekt vor demokratischen Spielregeln fehlt und am Respekt vor den Rechten aller Mitglieder und Fraktionen des Rats.

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