Meine persönliche Wahl & die jüngsten Wahlen: Gemeinsam haben sie, dass eine neue Phase beginnt – für mich persönlich wie für die Politik im hiesigen Raum.
Ein persönlicher Abschiedsbeitrag von Rita Stiens.
Unter der Überschrift „klartext endgültig mundtot machen?“ habe ich am 11. Mai darüber berichtet, dass die Samtgemeinde unter Führung des CDU-Samtgemeindebürgermeisters Michael Wernke klartext aus dem Presseverteiler gestrichen und damit die klartext-Journalistin vor die Tür gesetzt hat. Welch‘ weit reichende Folgen das für die Berichterstattung hat, ist in dem Artikel nachzulesen (hier).
So lange die Freude überwog…
klartext auf der Basis eines anderen Konzepts weiter betreiben? Beim Nachdenken darüber war die zentrale Frage: Worüber kann ich überhaupt noch berichten, wenn all‘ das entfällt, was durch die Entscheidung der Samtgemeinde verhindert wird?
Ich war mein Berufsleben lang Journalistin und bin inzwischen 71 Jahre alt. klartext war meine Rentnerinnen-Beschäftigung. So lange die Freude an dieser Beschäftigung überwog, habe ich klartext nur zu gerne betrieben.
Mit der Freude ist es vorbei, denn Freude bereitet hat mir vor allem, nah bei den Menschen zu sein – in Schulen, bei den Feuerwehren, den Dorf-Treffs usw. Viel Freude bereitet hat auch zu begleiten, was an Neuem entsteht. Die Samtgemeinde ist da für vieles zuständig, und darum kann klartext nicht länger berichten.
Es ließe sich anderes finden? Das stimmt. Aber: Massiv eingeschränkt zu sein bei all‘ dem, worüber ich gerne berichten möchte, bereitet keinerlei Freude. Das ist aber nicht der einzige Grund für das Ende von klartext.
Persönliche Verunglimpfungen, coram publico angepöbelt.
Mit dem Wahlsieg von Michael Wernke am 23. Februar letzten Jahres haben diejenigen Auftrieb bekommen, die schon seit Jahren gegen klartext zu Felde ziehen, allen voran Axel Meyer zu Drehle, der Vorsitzende der CDU Bersenbrück-Gehrde. Dass die klartext-Berichterstatterin auf offener Bühne angegangen wird, das hatte es in den Jahren vor dem Wernke-Wahlsieg nie gegeben.
Am 6. März 2020 dann dieser Vorfall in Gehrde, dem Heimatort von Axel Meyer zu Drehle: In der neuen Aula der Grundschule wird die offizielle Einweihung des Erweiterungsbaus gefeiert. Ein Freudentag für die ganze Schule. Viele, viele Schulkinder, die Lehrkräfte, Festgäste: Die Aula ist rappelvoll.
Als die klartext-Berichterstatterin durch die Menge auf eine Lehrerin zugeht, um sie etwas zu fragen, tönt es von rechts lautstark: „Ach, die Frau Stiens, hat Ihre klartext-Propaganda ja doch nicht gefruchtet.“ Viele Köpfe drehen sich ob dieser Töne. Es ist Axel Meyer zu Drehle, der da tönt.
Damit nicht genug. Als die kommissarische Schulleiterin Nina Paaschen von der Bühne aus Rita Stiens für klartext begrüßte, rief Axel Meyer zu Drehle von seinem Sitzplatz in der letzten Reihe in den Raum „die ist keine Presse“.
Ein Gast der Veranstaltung (Axel Meyer zu Drehle) macht einen anderen Gast (Rita Stiens) lautstark an und brüskiert dann auch noch die Gastgeberin, die komm. Schulleiterin Nina Paaschen… Anstand? Wie weit würde das noch gehen?
Will ich mir das noch länger antun?
Einige Wochen danach drohte dann vor einer Sitzung des Samtgemeinderats der Bersenbrücker Johannes Koop (CDU) aufgebracht Konsequenzen an für den Fall – auch hörbar für Zuhörer der Sitzung –, dass klartext ein Foto veröffentlicht, auf dem er zu sehen ist. Auch so etwas hatte es zuvor nie gegeben.
Statt eines auch nur halbwegs zivilisierten Umgangs mit klartext und der klartext-Journalistin gibt es seit Jahren aus den Reihen der CDU eine Feindseligkeit, die ich auf den Nenner Mobbing bringen würde, geprägt von wiederkehrenden Falschbehauptungen und Einschüchterungsversuchen, von Polemik und persönlichen Diffamierungen.
Mit dabei auch CDU-Rat Dennis Lindemann, 29 Jahre, mit Verunglimpfungen und Falschbehauptungen wie „gekaufte Dame“, „bezahlte Berichterstattung“ und der Bezichtigung, es werde Hetze betrieben. Ich habe mich nun, nach den Erfahrungen der letzten Jahre, entschieden: Das alles tue ich mir nicht länger an.
Es waren nur einige aus den Reihen der CDU-Politiker? Fakt ist: Alle anderen haben dem Treiben tatenlos zugesehen; keiner stellte ein Stopp-Schild auf von der Art, dieses Vorgehen verträgt sich nicht mit unserem Verständnis von ordentlicher politischer Kultur‘. Nun haben die Wählerinnen und Wähler gesprochen.
CDU-Absturz in Rieste. Erstmalig möglich: ein SPD-Bürgermeister.
Regelrecht abgestürzt ist mit einem Verlust von fast 13 % die CDU in Rieste, der Heimat von Dennis Lindemann. Lindemann schaffte es nicht, erneut in den Samtgemeinderat einzuziehen. Sitzen wird er im Gemeinderat, aber in Rieste sieht alles – erstmalig – nach einem SPD-Bürgermeister aus.
Der CDU-Wahlkampfstil in Rieste? Exemplarisch dafür eine Breitseite gegen die politischen Mitbewerber. So war in einer CDU-Veröffentlichung zu lesen: „Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, keine ,heiße Luft‘ zu verbreiten. Im Gegensatz zu anderen Parteien vor Ort werden wir weiterhin nicht suggerieren, dass alle Wünsche problemlos erfüllt werden können“.
Produzieren die Mitbewerber nur heiße Luft, machen den Bürgerinnen und Bürgern etwas vor? Die Riesterinnen und Riester honorierten diesen CDU-Politikstil nicht.
Die SPD verbesserte sich in Rieste um über 9 %, und so werden im neuen Riester Rat 5 Sitze auf die SPD entfallen, 3 auf die UWG und 1 auf die Grünen. Auf die CDU entfallen nur noch 6 Sitze. Christian Scholüke trat als Bürgermeisterkandidat der SPD an. Er könnte zum neuen Bürgermeister von Rieste gewählt werden. Damit würde eine jahrzehntelange Ära der CDU-Bürgermeister zu Ende gehen.
In Gehrde: Die Nr. 1 ist die Bürgerliste Gehrde.
In Gehrde war Axel Meyer zu Drehle der Spitzenkandidat der CDU. Die Partei konnte zwar leicht zulegen, aber Axel Meyer zu Drehle brachte es nur auf 272 persönliche Stimmen und liegt damit nur wenige Stimmen vor Dr. Marga Pröhl, der Spitzenkandidatin der Grünen, die 249 Stimmen auf sich vereinte. Mit klarem Abstand vorne: Elke Hölscher-Uchtmann, Spitzenkandidatin der Bürgerliste Gehrde (BLG), die 545 Stimmen auf sich vereinen konnte.
Die BLG liegt auch beim Gesamtergebnis mit 33,23 % an der Spitze. Beim Stand der Dinge in Gehrde dürfte mit einer Wahl von Elke Hölscher-Uchtmann zur Bürgermeisterin zu rechnen sein.
Ansonsten? Bei der Wahl zum Samtgemeinderat büßte z. B. die CDU 5,43 % ein. In Bersenbrück verlor sie knapp 4 % (3,74), ebenso wie in Alfhausen (3,88 %). In Ankum ging es um 6,18 % abwärts.
In Bersenbrück schaffte die SPD ein starkes Plus von 10,66 % und die Grünen verbesserten sich um 5,27 %. Hatte die CDU bislang eine 3-Stimmen-Mehrheit im Stadtrat Bersenbrück, so schmolz die auf nur noch 1 Stimme ab.
Danke! Dass klartext so viele Menschen erreicht hat, war und ist überwältigend.
Mehr als 6 Jahre klartext, das war ein mehr als sechsjähriges Ringen um die Akzeptanz von Meinungsfreiheit und Medienvielfalt und damit um Eckpfeiler der Demokratie.
Wird das zutiefst undemokratische CDU-Gebaren, Journalisten unter Druck zu setzen, ein Ende haben? Ich hoffe es im Interesse aller, die hier weiterhin und zukünftig journalistisch tätig sein werden. Vertrauen mag ich darauf nicht.
Nach den zahlreichen Stimmen zu urteilen, die solches sagen, scheint es hier CDU-Tradition zu sein, Druck auszuüben, um Berichterstattung zu beeinflussen. Es gebe auch beim Bersenbrücker Kreisblatt Journalisten, die dem immer wieder ausgesetzt seien. Alles nur Gerüchte? Der vor 12 Tagen veröffentlichte Facebook-Post eines langjährigen CDU-Politikers spricht da z. B. eine andere Sprache.
Was mich angeht: Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich jetzt einen Schlussstrich unter klartext ziehe. Nach 1.192 Berichten in den letzten 6 Jahren und gut 4 Monaten wird es klartext nicht länger geben.
Die Blumen, die ich am 8. Mai 2015 zum klartext-Start bekommen habe, reiche ich symbolisch an die vielen Menschen weiter, die meinen Horizont durch konstruktive Diskussionen erweitert haben. Lebhaft waren die oft, auch kontrovers – aber das war ja gerade das Gute daran. Sich argumentativ auseinandersetzen, das bringt voran.
Mein Dank gilt allen, über die ich berichten durfte, solange klartext noch in großer Breite berichten konnte. Er gilt ebenso sehr den vielen, die das klartext-Angebot nutzten und zu schätzen wussten. Nun freue ich mich auf das Neue, dem ich mich zuwenden werde.
Rita Stiens
Hinweis:
(1) Das Foto entstand bei der Einweihung des Naturschutz- und Bildungszentrums in Rieste.