Fleisch wird zum heißen Thema!

Eine Quelle wichtiger Erkenntnisse: Fleischatlas Deutschland 2014. CC-BY-SA Heinrich-Böll-Stiftung, BUND, Le Monde Diplomatique.

Eine Quelle wichtiger Erkenntnisse: Fleischatlas Deutschland 2014. CC-BY-SA Heinrich-Böll-Stiftung, BUND, Le Monde Diplomatique.

In unserer Nachbarschaft, im Kreis Cloppenburg, werden massenhaft Tiere gehalten, darunter allein über 13 Millionen Puten und Hühner. Das weitaus meiste Geflügel lebt in Deutschland in Ställen mit 50.000 und mehr Tieren. Der Trend zur Massentierhaltung setzt sich auch in der Schweinemast fort.

Seit vielen Jahren prangern Umwelt- und Tierschutzorganisationen die Massentierhaltung, das Billig-Fleisch und den hohen Fleischkonsum an. Inzwischen hat auch die CDU das Thema für sich entdeckt.

  • Die CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag hat ein Positionspapier vorgelegt. Darin ist von einer „Tierschutzabgabe für alle“ auf Fleisch die Rede.

Niedersachsens grüner Landwirtschaftsminister Christian Meyer treibt seine Agrar-Wende voran. Eines seiner Ziele: In der Tierhaltung will er mindestens eine Halbierung des Antibiotika-Einsatzes innerhalb von fünf Jahren erreichen.

Jeder Deutsche verzehrt in seinem Leben 945 Hühner, 46 Schweine, 46 Puten, vier ganze Rinder, vier Schafe, 37 Enten und zwölf Gänse. („Fleischatlas Deutschland 2014“; www.boell.de)

Es waren die Lebensmittel-Discounter wie Aldi, Lidl, Netto, Edeka oder Rewe, die durch ihren Konkurrenzkampf untereinander die Fleischpreise in den Keller gedrückt haben und damit die Massentierhaltung beförderten. Wir Verbraucher haben das Billigfleisch gerne angenommen, tun es weiterhin und essen reichlich Fleisch. Die gravierenden Folgen unseres Fleischhungers haben uns längst eingeholt.

Bei Antibiotika ist Niedersachsen Spitze.

Quelle: Fleischatlas Deutschland 2014. CC-BY-SA Heinrich-Böll-Stiftung, BUND, Le Monde Diplomatique.

Quelle: Fleischatlas Deutschland 2014. CC-BY-SA Heinrich-Böll-Stiftung, BUND, Le Monde Diplomatique.

2013 nahm Deutschland mit 170 mg Antibiotika pro erzeugtem Kilo Fleisch einen Spitzenplatz in einem weltweiten Ranking ein. Die Statistik des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zeigt: Niedersachsen ist innerhalb Deutschlands Spitzenreiter. Rund 40 Prozent (580 Tonnen!) aller Antibiotika, die in Deutschland an Tierärzte geliefert wurden, sind in Niedersachsen gelandet ­­– in den dortigen Massentierhaltungs-Regionen.

  • Es werden weniger Antibiotika eingesetzt, wird von den Interessenvertretern der Tiermäster beteuert. Das stimmt. Gut ist deswegen aber noch lange nichts. Bei dem hohen Niveau, ist der Rückgang kein Anlass zur Entwarnung. 2013 wurden 1.452 Tonnen Antibiotika, das sind 11,5% weniger als 2012, in der Tierhaltung eingesetzt. Das sind immer noch viel zu viele Tonnen Antibiotika.

Hochriskant: Der Einsatz von Reserve-Antibiotika.

Wie es um den Antibiotika-Einsatz bei Puten bestellt ist, zeigt eine Studie des Verbraucherministeriums Nordrhein-Westfalen von Ende 2014. Danach wurden:

  • Neun von zehn Puten im Laufe ihres nur etwa 4monatigen Mastlebens mit Antibiotika behandelt, zum Teil sogar mehrfach und gleichzeitig mit mehreren Wirkstoffen.
  • 20% der eingesetzten Antibiotika gehörten zur Gruppe der Reserve-Antibiotika. Es wurde auch massiv gegen Gesetze verstoßen, denn ein Drittel der festgestellten Wirkstoffe war gar nicht für die Putenmast zugelassen.

Unter dem Titel „Wider jede Vernunft: Auswirkungen des Antibiotika-Verbrauchs in der Tierhaltung“ lud die Heinrich-Böll-Stiftung am 13. Mai 2015 zu einer Veranstaltung ein. „Mittlerweile “, so die Stiftung, „werden mehr Antibiotika an gesunde Tiere als an kranke Menschen gegeben. Auch verschleppte Kleinstmengen etwa in der Umwelt, in Tiertränken und im Futter tragen zur Bildung von Antibiotika-Resistenzen bei.“

Quelle: Fleischatlas Deutschland 2014. CC-BY-SA Heinrich-Böll-Stiftung, BUND, Le Monde Diplomatique.

Quelle: Fleischatlas Deutschland 2014. CC-BY-SA Heinrich-Böll-Stiftung, BUND, Le Monde Diplomatique.

Gesundes Fleisch beschert uns der Antibiotika-Einsatz nicht. Nach dem „Fleischatlas 2013“ (www.bund.net) entwickeln bis zu 66% der Masthähnchen Resistenzen gegenüber bestimmten Antibiotika, die auch dem Menschen gefährlich werden können. Was wir uns mit Billig-Fleisch von Lebensmittel-Discountern ins Haus holen, zeigte eine Untersuchung der Umweltstiftung BUND von 2014. Untersucht wurden 57 Fleischproben auf Killer-Keime wie multiresistente Keime. Das Ergebnis: 50 Proben waren belastet. Nur 7 unbelastet.

  • Zum Vergleich wurde auch Proben aus Hofschlachtereien untersucht, von alternativ gehaltenen Puten. Das Ergebnis: Null Belastung mit gefährlichen Keimen.

„Eine Wunderwaffe wird stumpf“.

Der Antibiotika-Einsatz bei Menschen ist ebenfalls viel zu hoch. Die Krankenkasse DAK spricht in ihrem „Antibiotika-Report 2014“ von einer Über- und Fehlversorgung und stellt als Folge fest: „Eine Wunderwaffe wird stumpf“. Sie greift in vielen Fällen nicht mehr, weil Bakterien Resistenzen entwickeln. Das heißt: Sie schaffen es, sich vor der Wirkung des Antibiotikums zu schützen und sterben nicht ab.

Laut DAK-Studie schlucken Kindergartenkinder besonders oft Antibiotika. 40% der Vier- bis Sechsjährigen bekommen ein Mal jährlich Antibiotika verschrieben. Häufig bei Krankheitsbildern, bei denen es gar nicht nötig wäre, zum Beispiel bei Bronchitis, Erkältung oder Mittelohrentzündung.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt: Schon bald kann eine eigentlich harmlose Infektion oder kleine Verletzung tödlich enden. „Es kann“, so die WHO, „jeden treffen, in jeder Altersgruppe, in jedem Land“. Einfach neue Antibiotika entwickeln, wenn die bisherigen nicht mehr anschlagen? Das wird versucht. Es zeigt sich jedoch, dass es kaum gelingt, Antibiotika-Klassen mit neuem Wirkprinzip zu erfinden.

Landwirtschaftsminister Christan Meyer drückt bei Antibiotika aufs Tempo.

Laut DAK-Report waren fast 30 % der Antibiotika-Verordnungen 2013 fragwürdig. Foto: DAK-Gesundheit.

Laut DAK-Report waren fast 30 % der Antibiotika-Verordnungen 2013 fragwürdig. ® Foto: DAK-Gesundheit.

Er fordert: mindestens die Halbierung des Antibiotika-Einsatz in den kommenden fünf Jahren. Inzwischen muss der Einsatz von Antibiotika gemeldet werden. Fallen hohe Werte auf, sollen, so Minister Meyer, „entschiedene Maßnahmen“ ergriffen werden – „bis hin zu Stallschließungen“.

Meyer setzt sich zudem für ein Verbot von Reserve-Antibiotika in Tierställen ein. In den Niederlanden und in Dänemark ist der Einsatz von Reserveantibiotika bereits verboten. Am 20. März 2015 forderte auch ein Treffen aller Agrarminister aller Bundesländer (Agrarministerkonferenz) die Bundesregierung einstimmig auf, „schnellstmöglichst“ eine Liste von besonders kritischen Antibiotika vorzulegen, die dann nicht oder nur unter strikten Auflagen in der Veterinärmedizin eingesetzt werden dürfen.

Meyers Credo: „Die Ställe müssen sich den Tieren anpassen, nicht umgekehrt“ (Stuttgarter Zeitung, 07.02.15). Realität wird eine andere Tierhaltung aber nur, wenn auch die Ära des Billig-Fleisches zu Ende geht.

Autor
Schlagwörter

Verwandte Beiträge

2 Kommentare

  1. Stephan Geers

    @difu
    Fleisch ist ein natuerliches produkt, dass natuerlich auch immer mit einer gewissen menge an keimen belastet ist. Unser koerper besteht beispielsweise aus bis zu 2kg an Keimen und Bakterien. Das ist voellig normal. Das hierbei auch Keime entstehen koennen die resestenzen aufweisen sollte ebenfalls klar sein. Gluecklicherweise sind die typischen landwirtschaftlichen mrsa keime jedoch ueberwiegend voellig ungefaehrlich.
    Ganz im gegensatz uebrigens zu den typischen Krankenhaus MRSA varianten. Hier achtet man ja nichtmal auf gesundes personal. Sprich 50% des Krankenhauspersonals hat gefaehrliche mrsa Keims in sich und kann sie von patient zu patient schleppen.
    Die landwirtschaft wird hier wiedermal an den pranger gestellt um auf waehlerfang zu gehen anstatt die eigentliche probleme anzugehen.

    Zum thema gestank und guelle. Im gegensatz zu kleinklasranlagen wird die guelle sinnvoll verwertet. Weizen oder Mais benoetigen rund 230kg stickstoff der ja irgendwo her kommen muss. Mit guelle duerfen wir bis zu 170kg auf den acker fahren. Der rest muss aus mineralduenger nachgeduengt werden. Dank der politik muessen wir also wertvolle guelle fuer teures geld in andere regionen bringen und dazu dann auch noch mineralduenger kaufen der uebrigens aus erdgass gewonnen wird. Hier entstehen die eigentlichen umweltschaeden!!!
    Die grossen 25000l faesser bringen hier uebrigens enorme unweltvorteile. Nicht nur dass sie weit weniger bodendruck erzeugen als ein pkw oder gar ein mensch der ueber den acker geht, sie koennen dank schleppschlauch oder schlitzgestaenge die guelle auch wesentlich exakter und under 75% weniger Amoniakverlusten an die pflanze bringen. Der standartisierte einsatz von Nitrifikationhemmern sorgt zudem dafuer, dass die naehrstoffe erst dann mineralisiert werden wenn die pflanze sie wirklich benoetigt.
    Man kann hier also nun wirklich nicht behaupten dass die landwirte umweltsaeue waeren. Die Grundwasserkoerper haben sich in den letzten zehn jahren dank den anstrengungen der landwirtschaft massiv verbessert.
    Im uebrigen muss jeder landwirt eine sogenante duengebilanz erstellen bei der abhaengig von bodenproben und dem ertrag auf dem acker genau ausgerechnet wird was geduengt werden darf. Der rest der guelle muss dann ueberbetrieblich ausgebracht werden. Da wird kein qm zuviel ausgebracht.

    Bezueglich den immer groesser werdenden staellen:
    Aufgrund der marktlage ist es heute einfach notwendig mit groesseren staellen zu arbeiten. Zum einen wird den tieren heute teilweise deutlich mehr platz geboten, zum anderen wird vom handel jedoch auch eine gewisse menge nachgefragt. Ob futter oder der tiertransport. Idealerweise sollten diese immer voll gefahren werden da die kosten sonst explodieren. Kleinere erzeuger haben enorme probleme ihre schweine ueberhaupt los zu werden bzw guenstiges futter zu kaufen. Bei margen von 5-10€ pro mastschwein geht das heute einfach nicht mehr.
    Dazu kommt, dass insbesondere die groesseren betriebe deutlich tierschonender arbeiten koennen wie kleine. Bessere und moderenere staelle, gutes personal, besseres futter, bessere tierueberwachung, deutlich gesuendere tierbestaende und deutlich deutlich weniger antibiotika verbraeuche. Dies liegt unter anderem an dem deutlich besseren hygiene managment sowie einem ausgefeiltem gesundheitsueberwachungssystem das die betriebe betreiben. Hierbei wird in regelmaessigen abstaenden der bestand mittels blutanaysen auf moegliche krankheiten untersucht. Dank umfangreichen schutzimpfungen wird meist dann auch fast nichts an medikamenten mehr benoetigt. Dies ist uebringens auch viel wirtschaftlicher als die tiere erst krank werden zu lassen und dann auch noch teuer zu behandeln.
    Im uebrigend haben wir die reduzierung des antibiotika verbrauch bereits laengst um 50% erreicht. Die medien schauen sich leider inmer nur die werte der letzen drei jahre an waehrend in den letzten zehn jahren bereits voellug freiwillig einiges unternommen wurde.

  2. difu

    Wenn man diesen Artikel ließt, dann fragt man sich mit welchem Recht Erzeuger dieses „Kontaminierte“Fleisch in den Verkehr bringen! Wer schützt uns vor diesem gefährlichen Fleisch, warum greift niemand ein?
    Dazu kommt die wachsende Umweltbelastung und schleichende Vergiftung unseres Grundwassers, die Gefahren sind lange bekannt, aber es werden unvermindert Industriemastanlagen gebaut ohne sich Gedanken zu machen.
    Anzumerken ist noch, das ein großer Teil dieses „Kontaminierten“ Fleisches gar nicht in unserem Land verzehrt wird, wir dürfen nur die Rückstände behalten.
    In weiten Teilen unserer Samtgemeinde liegt ständig ein fauler Geruch in der Luft, ist diese belastete Luft vielleicht auch der Auslöser für zunehmende Atemwegserkrankungen?
    In weiten Teilen unserer Samtgemeinde werden die Hausbesitzer angehalten Kleinkläranlagen zu bauen und dafür tausende von Euros auszugeben, natürlich wir alles streng überwacht und regelmäßig Proben genommen, während wenige Meter weiter ein Schlepper mit einem 25000 Liter Güllefass „NATÜRLICH DÜNGT“
    Es ist an der Zeit aufzustehen und Kritik zu üben, schon unseren Kindern zu Liebe

*

Top