André Frenzel: „Es sieht gut aus“

Ein wirksames Medikament gegen schwere Covid-Fälle: Wird es bald kommen? Dr. André Frenzel, Antikörper-Koryphäe aus Ankum, ist maßgeblich beteiligt an der Entwicklung eines solchen Medikaments. Die erste klinische Testphase ist gerade angelaufen. André Frenzel gibt im Gespräch mit klartext Einblicke in seinen Arbeitsalltag und die weitere Entwicklung der Dinge. Eine der Fragen an ihn: Könnten Virus-Mutationen bisherige Entwicklungserfolge zunichte machen?

André Frenzel im Interview mit „Hallo Niedersachsen“. Hallo Niedersachsen Screenshot, © NDR „Hallo Niedersachsen, 15.4.2021 (1).

Ein Dienstagabend, 21 Uhr: Telefongespräch mit Dr. Frenzel. Wie sah sein Arbeitstag aus? „Telefonieren, telefonieren, telefonieren“, ist die Antwort, und es kommt an diesem Abend noch fast eine Stunde Telefonat für den klartext-Bericht hinzu. Er würde sich freuen, wenn er Ende des Jahres mal wieder nach Ankum kommen könnte, sagt André Frenzel am Schluss des Gespächs. Ob das Virus und der Kampf dagegen das zulassen werden?

Immer wieder in den TV-Nachrichten ein Thema, so im ZDF Heute Journal am 6. April: Die stetig steigende Zahl der schwer an COVID-Erkrankten in den Krankenhäusern.

Das Braunschweiger Biotech-Start-up Corat Therapeutics, dessen wissenschaftlicher Leiter André Frenzel ist, hat gerade erst grünes Licht bekommen für eine erste klinische Studie mit dem Antikörper-Medikament COR-101. Corat Therapeutics sei „das weltweit erste Unternehmen, das ein Medikament speziell für die Behandlung von Covid-19-Infizierten entwickelt habe, die aufgrund der Schwere des Krankheitsverlaufs in stationärer Behandlung sind“, teilte die Stadt Braunschweig zu COR-101 mit (2).

 

„Last patient out“: Abschluss der 1. klinischen Studie voraussichtlich im Juli.

Ins Labor kommt Dr. Frenzel kaum mehr als Teil des Start-up-Unternehmens Corat Therapeutics. So sehr er weiterhin Wissenschaftler ist, so sehr dominiert inzwischen Manager-Arbeit den Alltag. Diese letzten Tage vor dem Start der Studie sind geprägt davon, so André Frenzel, „alles für die klinischen Zentren vorzubereiten“.

Die 1. klinische Studie mit dem Antikörper-Medikament COR-101 ist angelaufen. (© Holger Ziehr, Fraunhofer ITEM).

Etwa 45 Krankenhaus-Patienten, die mittelschwer und schwer an Covid erkrankt sind, werden in wenigen Tagen in fünf klinischen Zentren Teil dieser Studie sein. In Tübingen wurde bereits gestartet.

„Last Patient out“, so André Frenzel auf die Frage, wann die erste Testphase beendet sein wird. Was heißt: Wenn der letzte Patient in den Kliniken alle Untersuchungen durchlaufen hat, ist die erste Testphase durch. Im Juli soll es so weit sein. Hergestellt werden die aktuell benötigten Medikament in Braunschweig – im Fraunhofer Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin.

Ein „Ankumer Jung“: André Frenzel, Jahrgang 1976, absolvierte nach dem Abitur am Gymnasium Bersenbrück den Zivildienst und ging 1997 zum Studium nach Mainz. Wie sehr er mit Ankum verbunden war und sich weiterhin mit Ankum verbunden fühlt: Mehr dazu hier.

Vor anderthalb Jahren: Fröhliche Runde in Ankum bei Rudi Billenkamp mit André Frenzel (2. von rechts). © André Frenzel.

 

„Eingebautes Sicherheitskonzept“. „Das Virus wird bleiben“.

Sinn und Zweck der klinischen Studie ist es, die Sicherheit und Wirksamkeit des Medikaments zu belegen. Wird sich COR-101 als sicher erweisen? „Unvorhersehbares“ schließt der Wissenschaftler André Frenzel nicht aus. Bei COR-101 handle es sich jedoch um ein Antikörper-Medikament mit einem „eingebauten Sicherheitskonzept“; es sei schon „vom Design her sehr sicher“.

Was die Wirksamkeit angeht, hatten bereits Labormessungen beste Ergebnisse gebrachte, die im Hamster-Tiermodell bestätigt wurden. Danach blockiert COR-101 die Virusinfektion und verringerte die Viruslast in der Lunge innerhalb von drei Tagen um mehr als 99%.

Medien Rede und Antwort stehen: André Frenzel vor der Kamera eines Fernsehteams.  © Corat Therapeutics.

„Das Virus wird bleiben“, sagt André Frenzel. Impfungen seien ausgesprochen wichtig, aber selbst bei einer hohen Impf-Beteiligung würden weiterhin Menschen an Covid-19 erkranken. Steht Krankenhaus-Ärzten ein wirksames Medikament zur Behandlung schwerer Krankheitsverläufe zur Verfügung, lindert das nicht nur menschliches Leid, sondern stellt auch eine große Entlastung der Krankenhäuser dar.

 

Von der Infusion zur Injektion. „Produktionskapazitäten gefunden und geblockt“.

Vieles läuft in diesen Pandemie-Zeiten parallel bei Corat Therapeutics und Dr. Frenzel. Dazu gehört z.B., dass für die späteren klinischen Phasen Konzentrationslösungen entwickelt werden, um das Medikament statt als Infusion als Injektion verabreichen zu können.

Screenshot, © www.item.fraunhofer.de

Die zweite klinische Phase soll im August starten und mehr als 200 Erkrankte in voraussichtlich 16 klinischen Zentren in Deutschland und im europäischen Ausland umfassen.

„Für die späteren Phasen reichen“, so André Frenzel, „die Kapazitäten im Braunschweiger Fraunhofer-Institut nicht aus. Dort könne das Medikament nicht in ausreichender Menge hergestellt werden. Es mussten „Produktionskapazitäten bei Auftragsherstellern gefunden und geblockt werden“. Was bereits geschehen sei.

 

„Damoklesschwert Finanzierung“.

Die Antikörper-Start-ups Yumab, 2012 mitbegründet von Dr. Frenzel, sowie Corat Therapeutics sind Unternehmens-Gründungen von Wissenschaftlern. Dort werden Antikörper-Innovationen entwickelt. Eine medizinische Innovation wie COR-101 zur Marktreife zu führen, verschlingt viele Millionen Euro – Geld, das kleine Start-ups nicht haben. Sie brauchen Kapital sprich Investoren, denn ohne die erforderlichen finanziellen Mittel geht nichts voran.

Strategische Partner gesucht: Davon kündet auch die Webseite corat-therapeutics.com. © Shutterstock/Corat Therapeutics.

Die Finanzierung schwebe „wie ein Damoklesschwert über allem“, so André Frenzel. Geld aufzutreiben, Investoren zu gewinnen, das koste „viel Zeit und Energie“. Was die Entwicklung von COR-101 angehe, könne der selbstgesteckte Zeitplan nur eingehalten werden, wenn rechtzeitig weitere Investoren mit einsteigen oder mehr Fördermittel fließen.

 

Gebraucht werden 50 Mio. € für die weitere Entwicklung.

Mit Blick auf Corat Therapeutics hatte Niedersachsens Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann bereits Anfang Januar gemahnt: „Die Entwicklung eines Medikaments gegen Corona darf nicht am Geld scheitern. Wir brauchen Medikamente gegen Corona genauso dringend wie Impfstoffe“ (3).

© www.bmbf.de

Der Bund hatte Hunderte Millionen Euro in die Impfstoffentwicklung gesteckt. Dass auch neue Medikamente gegen Covid-19 benötigt werden, war in Berlin lange kein Thema.

Als Bundesforschungsministerin Karliczek Anfang Januar 2021 ein Förderprogramm zur Entwicklung von Covid-Medikamenten vorstellte, waren bereits Zehntausende Menschen gestorben und die Krankenhäuser am Limit. Der Umfang dieses Förderprogramms: nur 50 Mio.

Bis zu 7 Mio. € wurden Corat Therpeutics inzwischen vom Bundesforschungsministerin in Aussicht gestellt. Benötigt werden jedoch über 50 Mio. €. Kann das Finanzierungsproblem gelöst werden? André Frenzel ist optimistisch.

Herausforderne und zugleich chancenreiche Zeiten: Dr. André Frenzel (links) mit Dr. Thomas Schirrmacher (COO CORAT Therapeutics) und Dr. Linda Kirchner. © Foto Verena Meier.

 

„Es sieht gut aus“.

Wenige Wochen vor der Nachricht, dass die 1. klinische Phase mit COR-101 starten kann, ließ am 11. März die NDR-Nachricht aufhorchen, wonach „ein Staatsfonds aus China“ bei Corat Therapeutics einsteigen wolle (4). Was ein chinesisches Investment angeht, sei manches „nicht ganz korrekt wiedergegeben worden“, sagt der Mann, der es wissen muss. Es werde, sagt André Frenzel, „mit sehr vielen verschiedenen Stellen über eine weitere Finanzierung gesprochen“.

Ob es nicht ziemlich frustrierend sei zu erleben, dass im fernen China ganz offensichtlich das Potential von Corat Therapeutics erkannt wird, aus Berlin aber wenig komme? Hätte es mehr Unterstützung vom Bund gegeben, wären dem Corat-Team „viele schlaflose Nächte erspart geblieben“, so Dr. Frenzel, aber er schaut nach vorne und Frust ist für ihn schon gar kein Thema.

In Braunschweig gibt es ein starkes Team von Wissenschaftlern mit André Frenzel an führenden Stellen, das im Rahmen der Start-ups YUMAB und Corat Therapeutics mit Antikörper-Innovationen befasst ist. © Foto Verena Meier.

„Wissenschaftler sind es gewohnt, mit Rückschlägen umzugehen und trotzdem weiter zu machen.“ Wer sich von Rückschlägen entmutigen lasse, der halte ein Leben als Wissenschaftler nicht lange durch. Die Förderzusage des Forschungsministeriums betrachte das Corat-Team als Anerkennung der in den letzten Monaten geleisteten Arbeit und freue sich darüber. Nicht nachlassen, weitermachen, das scheint Früchte zu tragen. „Es sieht gut aus“, so André Frenzel zum derzeitigen Stand der Dinge.

Steht es gut um die Sicherstellung der Finanzierung, sieht es auch gut aus für die weiteren Phasen der Medikamentenentwicklung. Das Ziel ist weiterhin, wie André Frenzel bereits im ersten Gespräch mit klartext sagte, Ende diesen Jahres eine Marktzulassung zu erreichen. Auch eine Notfallzulassung bis Ende 2021 wäre eine gute Nachricht – als ein Beitrag dazu, der Pandemie einiges von ihrem Schrecken zu nehmen.

 

Machen Mutationen bisherige Forschungserfolge zunichte? „Da sind wir recht entspannt“.

Werden Forschungserfolge wie die Impfstoffentwicklung und auch die Medikamentenentwicklung zunichte gemacht durch die Virus-Mutationen? Schützen die Impfstoffe noch? Werden neu entwickelte Medikamente wie COR-101 noch wirken? Bange Fragen, die sich viele Menschen stellen.

Wirkmechanismus von COR-101: „Die Bindungsstelle des biotechnologisch hergestellten vollständig menschlichen Antikörpers COR-101 (grün) aufder Virusoberfläche ist nahezu identisch mit der zum menschlichen Rezeptor ACE2 (blau), der Andockstelle des Coronavirus an unser Gewebe. Wenn COR-101 gebunden ist, kann sich das Virus gar nicht erst mithilfe seiner Spike-Struktur (rot) an unsere Zellen anheften, um sie zu infizieren, wodurch seine Vermehrung verhindert wird“. (© Text & Grafik: CORAT Therapeutics).

Was Cor-101 angeht, deuten Laborstudien darauf hin, dass dieses Antikörper-Medikament an viele mutierte Varianten von SARS-CoV-2 bindet, wie z. B. an die ,britische‘ Variante (N501Y/E484K, B.1.1.7.), aber auch an die ,tschechische‘ (N439K) oder ,New York‘-und ,Nigeria‘-Variante (E484K).

Ein großes Thema in den Medien (5).

Aktuell ein großes Thema: Die sogenannte ,indische‘ Variante B.1.617. Wie beurteilt Dr. Frenzel B.1.617 in Bezug auf COR-101? Beunruhigung herrscht noch keine. „B.1.617“, erklärt er, „verdrängt ja in Indien aktuell komplett die so genannte ,britische‘ Variante“, die in Deutschland den Großteil der Infektionen ausmacht. Das lässt vermuten, dass dies auch bei uns in absehbarer Zeit passieren wird. B.1.617 besitzt zwei Veränderungen, von denen wir wissen, dass unser Medikament kein Problem mit der Bindung an diese Varianten hat. Zumindest dann nicht, wenn sie einzeln vorliegen. Ob das bei der ,Doppelmutation‘ ebenfalls der Falls ist, analysieren wir gerade. Da sind wir aber aufgrund der geschilderten Ausgangslage recht entspannt.“

Quellen:
(1) Hallo Niedersachsen, 15.4.2021 https://www.ardmediathek.de/video/hallo-niedersachsen/corona-kompakt-millionenfoerderung-fuer-covid-medikament/ndr-niedersachsen/Y3JpZDovL25kci5kZS9kYjBkNjVkOC01Nzk0LTRhODAtOTY4Ny0xMjdlMjA5M2IzOWQ/
(2) zu COR-101 mit. https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Covid-19-Medikament-startet-in-die-klinische-Testphase,corattherapeutics100.html
(3) https://www.nbank.de/Die-NBank/Presse/CORAT-Therapeutics-2021.jsp
(4) https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Chinesen-wollen-Braunschweiger-Covid-Medikament,corattherapeutics102.html
(5) https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2021-04/corona-virusmutation-variante-b1617-indien-neuinfektionen-impfungen

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