Pflege, Ärzte & mehr: Mit Ministerpräsident Weil

Ministerpräsident Stephan Weil im neuen St.-Josef-Stift der Caritas Nordkreis Pflege in Bersenbrück: Er war nicht der einzige Besucher, den Geschäftsführer Rudi Fissman begrüßte. Vor der Besichtigung des Hauses kam man zu einer Gesprächsrunde zum Thema medizinische und pflegerische Versorgung zusammen.

Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (4. von rechts) in der Wohngemeinschaft „Ahausen“.

Dienstag, 21. Januar, in Bersenbrück: Da war Sachverstand auf dem Gebiet der medizinischen und pflegerischen Versorgung versammelt zu den Themenkomplexen Pflege, Hausärzte-/Ärzte-Versorgung sowie Krankenhaus (Marienhospital Ankum-Bersenbrück).

Die Besichtigung rückte an den Schluss.

Rudi Fissmann brachte seine Kompetenz als Geschäftsführer der Caritas Nordkreis Pflege ein. Vertraut ist ihm auch die Krankenhaus-Problematik, denn er war zuvor Geschäftsführer des Marienhospitals Osnabrück. Für die Caritas Nordkreis Pflege außerdem mit dabei: der Aufsichtsratsvorsitzende Ulf Dieckmann, Prokurist Felix Kruse und die Heimleiterin Mechthild Haslöwer.

Der Ankumer Arzt Dr. Franz Többe, Facharzt für Allgemeinmedizin, wird seine Praxis in wenigen Monaten schließen. Warum seine intensive Suche nach einem Nachfolger nicht erfolgreich war und was sich seiner Meinung nach ändern müsste, brachte er in die Runde ein.

Von rechts: Dr. Franz Többe, Klaus Menke, Ministerpräsident Stephan Weil, Rudi Fissmann, Geschäftsführer Caritas Nordkreis Pflege, sowie Prokurist Felix Kruse.

Der Ankumer Lokalpolitiker Klaus Menke sitzt seit der Gründung des Beirats des Marienhospitals – seit 2013 – in diesem Gremium. Der Beirat wurde eingerichtet, als Krankenhaus-Schließungen bundesweit bewegten, so auch in Ankum, um sich gemeinsam – inklusive Politik – für das Krankenhaus stark zu machen.

Von den Beteiligten in Sachen Gesundheit und Pflege über die Gemeinden, die Samtgemeinde, den Landkreis, das Land bis hin zur Bundespolitik braucht es Kooperation und Drähte, um bei den zur Debatte stehenden Themen voranzukommen, zeigte der Gesprächsverlauf. Teilnehmer der Gesprächsrunde waren auch der SPD-Landtagsabgeordnete Guido Pott  und der stellv. Landrat Werner Lager.

 

Anliegen Leben und Pflege im Alter. „Niedersachsenweit einmalig“.

Rudi Fissmann (Bildmitte).

Rudi Fissmann eröffnete das Treffen mit einer Präsentation zur Caritas Nordkreis Pflege. Gegründet wurde dieser „Schulterschluss der kath. Altenhilfeeinrichtungen“ im Nordkreis Osnabrück im Juli 2015. 14 Einrichtungen gehören, so Rudi Fissmann, zu diesem Verbund, der „Pflege aus einer Hand“ anbietet – Einrichtungen in den Samtgemeinden Bersenbrück, Fürstenau und Neuenkirchen-Vörden und seit dem 1. Januar mit dem Seniorenzentrum St. Josef auch in Diepholz.

Fissmann umriss u.a., wie sehr man „baulich unterwegs“ sei. So wurde vor 2 Jahren das Haus St. Franziskus in Merzen gebaut, der Neubau in Bersenbrück wurde vor wenigen Monaten eingeweiht und es werde in Fürstenau das St. Reginen-Stift neu entstehen. Dessen Bewohnerinnen und Bewohner leben übergangsweise im alten St.-Josef-Stift in Bersenbrück.

Bislang noch „niedersachsenweit einmalig“ sei das Alten- und Pflegezentrum St. Martinus in Bramsche mit seiner integrierten Tagespflege, so Rudi Fissmann. Da habe auch Guido Pott „Pate gestanden“. Integrierte Tagespflege, was „so simpel klingt“, ergänzte Guido Pott, sei „eine echte Herausforderung gewesen“.

Die Caritas Nordkreis Pflege GmbH bietet sämtliche Dienstleistungen des Sektors aus einer Hand wie ambulant betreute Hausgemeinschaften, ambulante Pflegedienste, Tagespflegen, Seniorenheime, Essen auf Rädern. Sie ist Mitglied im Caritasverband für die Diözese Osnabrück.

Die Zahl der über 75-Jährigen, zeigen die Balken in der Grafik, steigt bis 2035 immer weiter an.

Was der demographische Wandel für die Pflege in der hiesigen Region bedeutet, zeigten Schautafeln zu den Prognosen bis zum Jahr 2035. Um 34 % wird danach die Zahl der über 75-jährigen Menschen steigen – mit entsprechenden Folgen für die Nachfrage nach Pflegeangeboten. 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe die Nordkreis Pflege derzeit, war eine der Zahlen von Rudi Fissmann, darunter 28 Auszubildende, die im letzten Jahr ihre Ausbildung begannen.

Thema gleiche Bezahlung aller Pflegekräfte.

Seit dem Schulterschluss zum Verbund habe man die Ausbildungskapazitäten verdoppelt und man habe auch alle Pflegefachstellen besetzt, worauf er stolz sei, so Rudi Fissmann. Vom Personal war der Weg kurz zu den Themenbereichen Arbeitsbedingungen und Bezahlung.

„Es müsse sich etwas an den Bedingungen für die Pflegekräfte ändern“, so Stephan Weil. Es gehe da z. B. um mehr Zeit für die eigentliche Pflege – was dann auch ins Geld gehe. Ein Problem aus Sicht des Ministerpräsidenten: der hohe Dokumentationsaufwand. „Ich würde bekloppt werden“, sagte er, „wenn ich 40% meiner Arbeitszeit damit verbringen müsste zu dokumentieren, was ich in den 60 % meiner Arbeitszeit zu tun hatte.“ Ein weiteres drängendes Problem: die Bezahlung.

 

„Qualitätswettbewerb statt Preiswettbewerb“.

Die Caritas Nordkreis Pflege sei eine „gemeinnützliche Einrichtung“, so Rudi Fissmann, also eine Einrichtung, die nicht das Ziel verfolgt, Gewinne zu erzielen. Was die Bezahlung angeht, stehen Einrichtungen wie die Caritas Nordkreis Pflege, die eine gute Entlohnung bieten, vor dem Problem, dass sie im Wettbewerb mit Anbietern stehen, die das nicht tun und ihre Personalkosten gering halten. Rudi Fissmann wünschte sich da einen „Qualitätswettbewerb statt eines Preiswettbewerbs“.

Was die tarifliche Entlohnung angeht, so Stephan Weil, könne das Lohnniveau der Caritas eine Orientierung sein für ganz Niedersachsen – wo derzeit auf einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag Pflege für das gesamte Land hingearbeitet wird. Man habe, so der Ministerpräsident, einen ersten „Durchbruch“ erreicht.

Einen Teil der Pflegekosten aus Steuermitteln finanzieren, dafür sprach sich der Ministerpräsident im St.-Josef-Stift aus, und so ein Besuch muss natürlich auch per Foto festgehalten werden.

 

„Einen Teil der Pflegekosten aus Steuermitteln finanzieren“.

Bessere Arbeitsbedingungen, bessere Entlohnung: Wie soll das alles finanziert werden? Rudi Fissman nannte als derzeitigen Eigenanteil von Einrichtungs-Bewohnern 2.160 €. Den könnten viele schon jetzt nicht mehr aufbringen. 30-35 % müssten bereits „von Sozialhilfe unterstützt werden“. Man werde nicht darum herumkommen, so Stephan Weil, „einen Teil der Pflegekosten aus Steuermitteln zu finanzieren“. Eine echte Pflegereform stehe noch aus. Klaus Menke führte ins nächste Thema ein: Die Hausärzte-/Ärzte-Versorgung.

 

Anliegen Hausärzte-/Ärzte-Versorgung. „Die Einzelpraxis hat keine Zukunft“.

Dr. Franz Többe (rechts).

Eine Praxis schließt: Ein Beispiel dafür ist Dr. med. Franz Többe, Facharzt für Allgemeinmedizin in Ankum, seit 33 Jahren niedergelassener Hausarzt. Am 31. März wird die Praxis geschlossen. Bis zum Wochenende, so Dr. Többe, habe er noch Hoffnung gehabt, dass er sich die Arbeit mit einer Kollegin teilen könne, aber das habe sich zerschlagen. Und so sei es für ihn kein gutes Wochenende gewesen, weil er seinen vielen Patienten die Hoffnung nehmen muss, dass ihnen die Praxis erhalten bleibt. Aus gesundheitlichen Gründen und auch, um seine weiter weg lebenden Enkelkinder öfter zu sehen, wird der 67-Jährige nun also seine Praxis schließen.

Die junge Generation Ärzte, so Franz Többe, bliebe lieber in Städten und wolle auch nicht mehr so arbeiten, wie es die ältere Generation Hausärzte noch tat. „Die Einzelpraxis“, so der Ankumer Arzt, „hat keine Zukunft“. Die Zukunft sei das MVZ – das medizinische Versorgungszentrum, in dem mehrere Ärzte arbeiten.

Volle Aufmerksamkeit für die Ausführungen von Dr. Többe zum Thema Hausärzte.

Zustimmung von Ministerpräsident Weil, der auch auf die hohe Zahl von Medizinerinnen hinwies, von Frauen, die als Ärztinnen Beruf und Familienleben miteinander vereinbaren wollen und es wolle auch „nicht jede Kollegin zwingend Unternehmerin sein“. Das MVZ sei die Antwort auf die veränderten Bedingungen, so Weil, der, wie er sagte, immer wieder mal einen Tag in Einrichtungen mitarbeitet, um den Arbeitsalltag kennenzulernen, und da auch einen Tag im MVZ Werlte verbrachte, dem bislang einzigen kommunalen MVZ in Niedersachsen.

Weil schnitt auch das Thema Medizin-Studienplätze an und die bislang erfolgte Aufstockung. Was die Berufsorientierung angeht, würden jedoch 50 % der Medizin-Absolventen nach dem Studium gar nicht in der medizinischen Versorgung arbeiten, sondern in anderen Bereichen wie z. B. Pharmaunternehmen. Es müsse darauf hingewirkt werden, so Weil, dass die nach wie vor knappen Medizinstudienplätze an Menschen gehen, die nach dem Studium „dahin gehen, wo man sie braucht“.

 

Anliegen Marienhospital Ankum-Bersenbrück. „Flächendeckende Versorgung“.

Klaus Menke (rechts) und Stephan Weil.

Über 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Marienhospital Ankum-Bersenbrück der Niels-Stensen-Kliniken, gut 100 Betten, allein über 800 Geburten, insgesamt „gut aufgestellt“: Klaus Menke erläuterte die Bedeutung des Krankenhauses für die Region und skizzierte die Entwicklung der letzten Jahre. So z. B., dass die Grundversorgung aufgestockt worden sei um das MVZ Orthopädie und die Klinik für Geriatrie (Altersheilkunde), mit der das Marienhospital über ein geriatrisches Team verfügt, spezialisiert auf besondere Behandlungsansätze für ältere und höchstbetagte Menschen.

Das Land habe z.B. in den letzten Jahren 2 x 500.000 € für das Krankenhaus bereitgestellt, aber da sei auch noch der Altbaubereich, und da könnten schnell 15 Mio. € und mehr an Investitionen erforderlich sein. Man zittere um das Krankenhaus, hatte in seinem Beitrag schon Dr. Többe gesagt, der im Marienhospital auf die Welt kam.

Vor zwei Jahren, im Januar 2017.

Zu der Frage ,nur noch zentrale Großkliniken oder bleibt es bei der flächendeckenden Versorgung mit kleinen Regionalkrankenhäusern?‘ positionierte sich Ministerpräsident Weil bereits Anfang des Jahres gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) mit der Aussage, „dass es ein tiefes Bedürfnis in der Bevölkerung gibt, eine gute medizinische Versorgung in erreichbarer Nähe zu haben“. Er bestätigte diese seine Aussage in Bersenbrück und sprach sich für eine „dezentrale“ Versorgung mit Krankenhäusern aus. Es müssten von Seiten der Krankenhäuser aber Konzepte für ihre Zukunftsfähigkeit erbracht werden.

Es sei besorgniserregend, so Stephan Weil, was an Meldungen aus Krankenhäusern komme. „Ich bin nicht sehr glücklich mit der Gesundheitspolitik“, so der Ministerpräsident. Erfreulicher der abschließende Rundgang durch das St.-Josef-Stift.

Das Gruppenbild: von links Felix Kruse, Rudi Fissmann, Mechthild Haslöwer, Stephan Weil, Klaus Menke, dahinter Ulf Diekmann sowie Guido Pott und Dr. Franz Többe

 

Konzentrierter Austausch. Lockere Atmosphäre.

Die Wohngemeinschaft „Ahausen“ des St. Josef-Stifts nahm die Besucherschar mit Ministerpräsident Weil an der Spitze mit Interesse und Gelassenheit zur Kenntnis. 16 Personen leben in einer solchen Gemeinschaft. Benannt sind sie nach Bauernschaften, die den Bewohnern vertraut sind, wie „Priggenhagen“, „Bokel“, „Ahausen“, erläuterte Heimleiterin Mechthild Haslöwer.

Vor dem St. Josef-Stift Überraschung ob der vorzeitigen Ankunft von Ministerpräsident Stephan Weil und Staatssekretärin Anke Pörksen, Sprecherin der Landesregierung.

Überraschend: Stephan Weil kam zu früh, aber es standen schon fast alle bereit, um gleich loszulegen. Locker-ungezwungen der Ministerpräsident wie auch die gesamte Atmosphäre. Die Entourage des Mannes aus Hannover war klein, bestand nur aus der Sprecherin der Landregierung, Staatssekretärin Anke Pörksen, und Bodyguards, die dezent im Hintergrund blieben. Groß war beim Ministerpräsidenten die Aufmerksamkeit für die Belange der Region. Die Präsentation von Rudi Fissmann gefiel ihm so gut, dass er anfragte, ob man sie ihm zur Verfügung stellen könne. „Kein Problem“, so Rudi Fissmann.

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