Wirrwarr: Da verstehen Reisende nur Bahnhof

Diese Hinweislage schafft Verwirrung: Dass Menschen mit körperlichen Einschränkungen den Shuttle-Serve nutzen können, ist nicht erkennbar.

Welcher Reisende kann sich auf diese Signale am Bersenbrücker Bahnhof einen Reim machen? Sollen Menschen mit Behinderungen den Umweg gehen? Was ist mit Shuttle-Service gemeint?

Diese Hinweislage schafft Verwirrung: Dass Menschen mit körperlichen Einschränkungen den Shuttle-Serve nutzen können, ist nicht erkennbar.

Diese Schilderlage schafft Verwirrung: Dass Menschen mit körperlichen Einschränkungen den Shuttle-Service nutzen können, ist nicht erkennbar, denn auf dem Schild fehlt jeder Hinweis, zu welchem Zweck und für wen es diesen Service gibt.

 

In der letzten Sitzung des Stadtrats Bersenbrück war der Bahnhof – genauer gesagt die seit Jahren schwelende Frage Aufzüge ja oder nein – ein Thema. Die SPD-Fraktion forderte, dass die Stadt Geld für den Bau von zwei Aufzügen bereitstellt. Die CDU-Fraktion sagte Nein  – und verwies auf den Shuttle-Service für körperlich eingeschränkte Menschen. klartext schaute sich am Bahnhof Bersenbrück um. Hier die Ergebnisse des Bahnhof-Checks.

 

Die Brücke am Bahnhof: Nicht nur für Menschen mit Behinderungen ein schwer zu überwindendes Hindernis, sondern auch für andere Reisende mit schwererem Gepäck.

Die Brücke am Bahnhof: Nicht nur für Menschen mit Behinderungen ein schwer zu überwindendes Hindernis, sondern auch für andere Reisende, z. B. mit Gepäck.

 

Die Schildersprache ist nicht zu verstehen.

Auffällig am Bahnhof Bersenbrück ist vor allem eines: Die gewaltige Brücke über die Gleise. Für Menschen mit Behinderungen ist die gar nicht zu überwinden. Sie ist aber auch für andere eine nur schwer zu bewältigende Herausforderung, zumindest ab einem gewissen Alter und mit einem schweren Koffer.

Dass der Shuttle-Service von Menschen mit körperlichen Einschränkungen innerhalb Bersenbrücks genutzt werden kann, geht aus dem Text auf dem Banner nicht hervor.

Dass der Shuttle-Service von Menschen mit körperlichen Einschränkungen innerhalb Bersenbrücks genutzt werden kann, geht aus dem Text auf dem Banner nicht hervor.

Menschen, die körperlich eingeschränkt sind, können, so das Argument der CDU-Fraktion in der Stadtratssitzung, den Shuttle-Service nutzen. Richtig ist: Es gibt diesen Service. Der Ortstermin am Bahnhof zeigt jedoch: Vor Ort, am Bahnhof, gibt es keinerlei Informationen dazu, dass es wegen des Hindernisses Brücke einen Shuttle-Service gibt. Es erfährt vor Ort auch niemand, wer diesen Service zu welchem Zweck nutzen kann. Wer kein Vorwissen hat, versteht am Bahnhof selbst nur Bahnhof. Und das aus folgenden Gründen:

  • Einen Hinweis auf den Shuttle-Service findet man nur 1 x, und zwar am Fahrradstand neben dem Bahnhofsgebäude (Gleis 1 Richtung Oldenburg). Wer auf der anderen Seite aus dem Zug aussteigt, steht vor dem Hindernis Brücke. Dort gibt es keinen Hinweis auf den Shuttle-Service.
  • Selbst für den Fall, dass ein Reisender das bannerartige Schild entdeckt, ist ihm nicht geholfen.
  • Der Text ist keine erklärende Hilfe. Auf dem Banner stehen nur das Wort Shuttleservice, eine Telefonnummer sowie 30 Minuten Voranmeldung. Shuttleservice für wen, zu welchen Konditionen? Das erfährt der Reisende nicht.
  • Ein weiterer Punkt: Körperlich eingeschränkte Menschen können eigentlich gar nicht darauf kommen, dass dieser Service etwas mit ihnen zu tun hat. Und das liegt an Schildern, auf denen etwas ganz anderes steht.
  • Am Bahnhofsgebäude und an dem Zugang der gegenüberliegenden Seite (Gleis 3, Züge Richtung Osnabrück) ist jeweils ein Schild „Behindertengerechter Zugang“ angebracht. Menschen mit Behinderungen werden darauf hingewiesen, über 650 m den Pfeilen zu folgen. Wie können sie bei dieser Beschilderung darauf kommen, dass es für sie einen Shuttle-Service gibt?
Auf ein solches Schild treffen Reisende am Bahnhof gleich zweimal. Dass es für behinderte Menschen einen Shuttle-Service gibt, erfahren sie dagegen nicht.

Auf ein solches Schild treffen Reisende am Bahnhof gleich zweimal. Dass es für behinderte Menschen einen Shuttle-Service gibt, erfahren sie wegen fehlender Erklärungen dagegen nicht.

 

Reisende von außerhalb können sich nicht vorinformieren.

In der Stadtratssitzung führte Christa Sattinger (CDU) das Argument an, Reisende von heute würden sich, bevor sie ihre Reise antreten, vorinformieren. Frage: Wo? Welche Webseite könnte ein Reisender aus Bielefeld oder irgendeinem anderen Ort aufrufen? Wo würde er oder sie von dem Bersenbrücker Hindernis Brücke erfahren bzw. davon, dass es für Menschen mit körperlichen Einschränkungen einen Shuttle-Service gibt?

 

Wenig verwunderlich: Dass kaum jemand den Service nutzt.

Für Barrierefreiheit würden Aufzüge sorgen. Die Stadt Bersenbrück sprach sich dagegen aus, Geld für Aufzüge bereit zu stellen.

Für eine Barrierefreiheit, die diese Bezeichnung verdient, würden nur Aufzüge sorgen.

Dass die Stadt Bersenbrück seit der Einrichtung des Shuttle-Service im Jahr 2014 nur 445 € ausgeben musste für eine Inanspruchnahme dieses Services, ist bei dieser Schilder- und Informationslage sowie der Wartezeit von einer halben Stunde wenig verwunderlich. Menschen mit Einschränkungen sollen sich selbständig bewegen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, das ist mit Inklusion gemeint. Barrierefreiheit ist eine zentrale Voraussetzung für die Teilhabe aller.

 

Franz Wiewel, Chef der SPD-Fraktion im Stadtrat Bersenbrück.

Franz Wiewel, Chef der SPD-Fraktion im Stadtrat Bersenbrück.

„Ist der Größe unserer Stadt nicht angemessen“.

Die CDU-Stadtratsfraktion lehnte den Bau von Aufzügen u. a. mit dem Argument ab, dass mit Vandalismus zu rechnen sei mit der Folge, dass die Aufzüge beschädigt würden oder gar kaputt gingen. Bersenbrück müsse dann für die Kosten aufkommen. SPD-Fraktionschef Franz Wiewel hielt dagegen: „Wenn wir uns dem Vandalismus beugen, haben wir verloren.“ Ratsfrau Christa Sattinger sagte, ein solches Projekt sei „der Größe unserer Stadt nicht angemessen“. Uwe Lagodny von den Grünen verwies darauf, den Verantwortlichen in Bersenbrück sei „eine Kreuzung im Gewerbegebiet wichtiger als ein barrierefreier Zugang zum Bahnhof“.

 

Selbst ein guter Shuttle-Service ist keine befriedigende Lösung.

Das die Debatte beendende Argument der CDU: Die Aufzüge seien Sache der Bahn. In der Tat gehört der Bahnhof nicht der Stadt Bersenbrück. Das Argument, die Bahn sei zuständig, galt 2013 allerdings nicht: Damals forderte die Stadt Bersenbrück in einem Antrag, die Samtgemeinde solle 2/3 der Investitionskosten und der Betriebskosten für Aufzüge am Bahnhof Bersenbrück übernehmen. Die Samtgemeinde fasste sogar einen Beschluss: Sie erklärte sich bereit, die Hälfte der jährlichen Betriebskosten (max. 12.500 €) zu übernehmen. Seitdem geschah nichts.
Nach dem Nein der CDU-Fraktion zum Bau von Aufzügen bleibt also weiterhin nur der Shuttle-Service. Damit der leistet, was er eigentlich leisten soll, müsste das Angebot in vielerlei Hinsicht gründlich überdacht und überarbeitet werden. Bestehen bliebe aber selbst bei einem guten Shuttle-Konzept das Problem: Die Situation am Bahnhof  – Brücke oder Umweg – ist auch für Reisende mit Kinderwagen und für Menschen, die körperlich nicht so fit sind, beschwerlich. Für Reisende aus anderen Orten der Samtgemeinde wäre der geplante Bahnhalt in Alfhausen (barrierefrei) eine Alternative zum Bahnhof Bersenbrück. Auch wenn die Dinge auf einem vielversprechenden Weg sind: Noch ist aber nicht abzusehen, ob und wann in Alfhausen Züge halten.

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