„Eigentlich machen wir gerade alles falsch“

Das sei „provokativ“ formuliert, sagt Pfarrer Michael Franke, der neue Mann an der Spitze der Pfarreiengemeinschaft Ankum-Eggermühlen-Kettenkamp. Der „Herr Pastor“ möchte er aber nicht sein. Warum nicht? Das und vieles mehr sagt er in diesem Interview.

Zum Lern- und Kennenlernprogramm von Michael Franke gehörte auch, dass die Tradition es so will, dass der Pfarrer beim Schützenfest in Ankum den Segen für die angetretenen Schützen erteilt.

klartext erlebte den neuen Pfarrer vor, nach und während des Interviews im Pfarrhaus als Mann der sehr offenen, klaren, nachdenklichen, reflektierenden Worte.

Um den heißen Brei herumzureden und Schönfärberei zu betreiben, sind seine Sache jedenfalls nicht, ob es nun um die Rolle der Frau in der Kirche geht, um leere Kirchen, sein Verständnis von kirchlich und vom Priester sein. Was Michael Frankes Lust am Reisen mit seiner Lust am Kochen zu tun hat und warum sein Kleiderschrank ein Thema war – auch das verrät dieses Interview.

Grillen mit Pfarrer Franke beim Patronatsfest Mariä Himmelfahrt in Eggermühlen. Im Interview mit ihm ein breites Themenspektrum, bis hin zu Kleiderordnung und Kochen.

 

Herr Franke, Sie sind seit gut 4 Monaten der neue Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Ankum, Eggermühlen und Kettenkamp. Und mit Ihnen kommt eine Neuerung: Erstmalig wird es hier mit Kirsten Ludwig eine „pastorale Koordinatorin“ geben. Mit welchen Kompetenzen ist diese Stelle ausgestattet und ist diese Personalie auch als Signal zu verstehen?

Diese Personalie ist in jedem Fall als Signal zu verstehen, denn der Bischof von Osnabrück hat dieses neue Leitungsmodell in seiner Diözese installiert, um Frauen in verantwortliche Stellungen in kirchlichen Einrichtungen zu bekommen. Der Bischof möchte, dass Frauen Mitverantwortung tragen. Zum anderen will der Bischof mit dieser Leitungsidee erreichen, dass Priester für die eigentlichen Aufgaben – deretwegen sie Priester geworden sind – mehr Zeit haben und Entlastung in den administrativen Managementbereichen bekommen.

Geteilte Leitung: Pfarrer und Pastoraler Koordinator / Koordinatorin. Mit dem Projekt „Pastorale Koordination“ werden seit einigen Jahren im Bistum Osnabrück neue Wege beschritten. Es eröffnet Frauen Chancen auf eine Führungsposition. In Bad Iburg/Glandorf wird Ende des Jahres mit Christine Hölscher erstmalig eine Frau eine Pfarrei leiten – ohne einen Pfarrer an ihrer Seite.

Kirsten Ludwig 2015. © KJG, DV Münster.

Frau Ludwig wird z. B. ab dem 15. September, wenn sie ihren Dienst in der Pfarreiengemeinschaft antritt, die gesamten Trägeraufgaben für die katholischen Kitas in unserer Pfarreiengemeinschaft übernehmen. Sie wird also mit den Kita-Leitungen in Ankum, Eggermühlen und Kettenkamp eng kooperieren und auch die Personal- und die Fachaufsicht für die Mitarbeiter in den Kindertagesstätten haben.

Frau Ludwig ist sehr kompetent. Von ihrer Ausbildung her ist sie Diplom-Sozialpädagogin, hat dann noch ein Master-Studium in Theologie angeschlossen und noch eine Weiterbildung im Bereich Sozialmanagement gemacht. Sie kann gut mit Zahlen, Fakten, Personal- und Rechtsfragen umgehen ebenso wie mit theologisch-seelsorglichen und pädagogischen Fragestellungen.

Patronatsfest in Eggermühlen, mitgestaltet von der Frauengemeinschaft: Mädchen und Frauen sind am Altar präsent, aber die Weiheämter sind Männern vorbehalten.

 

Wir können hier das große Thema Frauen und ihr Ringen um volle Teilhabe in der Kirche, um Zugang auch zu den Weiheämtern, nicht erschöpfend behandeln, dennoch die Frage: Können Sie nachvollziehen, dass vielen Frauen das bislang Erreichte nicht reicht und dass bei so mancher Frau der Geduldsfaden inzwischen gerissen ist?

Ich persönlich kann das sehr gut nachvollziehen. Ich selbst bin, seitdem ich theologisch und kirchlich reflektiere und unterwegs bin, und das bin ich schon seit Jugendtagen, immer dafür gewesen, dass Frauen Zugang zu allen Weiheämtern in der Kirche bekommen. Ich persönlich.

Michael Franke: Priesterweihe am 10. Mai 2008 im Osnabrücker Dom

Dennoch habe ich mich entschieden, als Mann in dieser Kirche ein Amt zu übernehmen und in diesem System, das erst einmal nur Männern zugänglich ist, mitzumachen. Und das aus zwei Gründen: Zum einen, weil ich da trenne bzw. es so sehe, dass ich mich in meiner persönlichen Berufung auf diesen Weg begebe. Zum anderen, weil ich mich auf diesem meinem Weg dafür einsetzen will, dass Frauen in dieser Kirche irgendwann vielleicht einmal einen Zugang zu allen Ämtern bekommen oder zumindest zu anderen, adäquaten Formen der Leitungsverantwortung im umfänglichen Sinne.

Ich war für Veränderung, ich bin für Veränderung. Ich bin mir aber auch absolut klar darüber, dass das noch ein sehr langer Weg sein wird. Leider.

 

Sie sind Priester, haben jedoch zunächst Religionspädagogik studiert und einige Jahre als Gemeindereferent gearbeitet. Warum dann doch der Schritt in ein anderes Leben – ein Leben als Priester? Priester zu werden ist ja nicht nur eine Berufsentscheidung, sondern eine Lebensentscheidung.

Ich habe eigentlich schon nach meinem Abitur im Jahr 1992 überlegt, Theologie zu studieren. Im Hinterkopf hatte ich dabei auch schon die Option, vielleicht Priester zu werden. Damals war ich 20, fühlte mich aber in dem Alter noch absolut nicht imstande, diese Lebensentscheidung zu treffen. Genauso wie heute ja Menschen auch nicht mit 20 heiraten, sondern eher mit 30 oder noch später, entscheiden sich heute auch die meisten Männer erst mit 30 Jahren oder noch später, Priester zu werden. Mit 20 war ich einfach noch nicht so weit.

Michael Franke, geboren 1972 in Emsbüren (Emsland), trat 2002 ins Priesterseminar ein, studierte in Frankfurt (Theologisch-Philosophische Hochschule/Jesuitenkommunität Sankt Georgen) und in Innsbruck Philosophie bzw. Theologie und wurde 2008 zum Priester geweiht. Vor seinem Amtsantritt in Ankum war er über 8 Jahre lang Jugendpfarrer.

Herz Jesu Kettenkamp, eine der drei Pfarreien von Michael Franke, hier in der Sakristei mit Küsterin Marlene Feldker.

Klar war allerdings, dass ich sehr gerne einen Beruf im Bereich der Kirche, im Bereich der Bildungsarbeit, im Bereich von pädagogischen und pastoralen Fragestellungen machen wollte, und so habe ich mich damals entschieden, in Paderborn Religionspädagogik und parallel dazu auch Sozialpädagogik zu studieren. Ich war zu der Zeit ehren- und nebenamtlich sehr aktiv in der Ausbildung von Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern; ich habe als Teamer in Jugendbildungsstätten gearbeitet, Tage religiöser Orientierung begleitet – habe vieles gemacht, was Studenten gerne machen, um ihr kleines Portemonnaie etwas aufzufüllen.

Nach dem Abitur habe ich also erst einmal entschieden: Ja, ich gehe ich Richtung pastoral, ich gehe in Richtung Kirche, entscheide mich jetzt aber noch nicht, ob ich das später vielleicht als Priester mache, als Verheirateter, als Single oder wie auch immer. Auf dem Weg habe ich dann auch viele Freunde gefunden – im Studium wie in den ersten Berufsjahren, die ich in Ostercappeln und in Bremen verbracht habe.

Michael Franke (rechts am Altar) traf mit 30 Jahren die Lebensentscheidung, Priester zu werden. Hier zum Auftakt einer Ministranten-Wallfahrt nach Rom im Juli 2018. © privat.

Mit Ende 20 kam dann die Frage nach dem ,wie will ich denn jetzt leben?‘. Und da kommt ins Spiel, was Sie gerade schon sagten: Priester zu werden ist nicht nur eine Berufsentscheidung, sondern eine Lebensentscheidung, geistlich gesprochen nennt man das dann Berufung.

Gerade in der Zeit in Bremen habe ich Priester erleben dürfen und mit Priestern zusammenarbeiten dürfen, die ich heute als enge persönliche Freunde bezeichnen darf, die mir gezeigt haben, dass man kein ,Superman‘ sein muss, um Priester zu werden. Bis dahin hatte ich ein bisschen diese „Superman‘-Idee. Ich hatte die Messlatte ziemlich hoch gelegt. Ich kannte Priester, die waren für mich auf einem hohen Sockel. Die erreiche ich nie, dachte ich, und darum werde ich kein Priester.

Schon seit Jahren auch über YouTube unterwegs: Als Jugendpfarrer meldete sich Michael Franke mit zahlreichen Videos in der Reihe „Eilige Worte“ zu Wort.

In meiner Bremer Zeit habe ich dann erstmalig Priester kennengelernt, die einem auf Augenhöhe begegnen und deren Lebensentwurf mich persönlich angesprochen hat. Also: Entweder ist es mir gelungen, die Messlatte herunterzunehmen oder ich bin einfach größer geworden, um diese Latte auch nehmen zu können. Wie auch immer: Durch diese persönlichen Begegnungen mit authentischen und guten Priestern waren die Jahre in Bremen sehr prägend, aber auch die Menschen in einer säkularen Großstadt wie Bremen eine ist.

Schon damals waren in dieser Stadt weniger als die Hälfte der Menschen überhaupt christlich, und die Menschen, die da als Christen lebten, waren sehr offen, sehr direkt; waren nicht so volkskirchlich unterwegs, wie ich es von Zuhause im Emsland kannte, sondern sehr überzeugt, sehr reflektiert, sehr klar und auch ohne Scheu, Fragen zu stellen. Ich konnte oft auf diese Fragen gar keine richtige Antwort geben, was mich darin bestärkt hat, Theologie zu studieren, um mehr zu erfahren.

Ausdruck des Amtsverständnisses von Michael Franke (rechts): Mitten drin sein, wie hier in Ankum, nahbar, auf Augenhöhe mit den Menschen.

 

Als Pfarrer erleben Sie auch hier, dass die Kirchen ziemlich leer bleiben. Aus der Statistik der Pfarreiengemeinschaft für 2018 geht hervor, dass nur etwa 10 % der rund 7.000 Mitglieder den sonntäglichen Gottesdienst besuchen. Dass 90 %  der Kirchenmitglieder ihr Glaube nichts bedeutet, ist kaum anzunehmen. Was heißt das für das Verständnis von Kirche? Wann ist man kirchlich?

„Artländer Dom“ in Ankum: Die dicken Mauern sollen durchlässiger werden.

Eigentlich machen wir als Kirche gerade, sage ich mal ganz provokativ, alles falsch. Schauen wir uns in der Bibel das Gleichnis vom verlorenen Schaf an. Da hat der Hirte 10 Schafe. 9 davon sind bei ihm und eins ist verloren. In der Bibel, in diesem Gleichnis, so erzählt es Jesus, macht sich der Hirte auf den Weg, um dieses eine verlorene Schaf zu suchen. In der Kirche machen wir es genau umgekehrt: Neun Schafe sind verloren, und um die kümmern wir uns überhaupt nicht. Statt dessen kümmern wir uns nur noch um das eine Schaf, nämlich genau diese 10 %, von denen Sie gesprochen haben. Wir sind also eine ziemlich nach innen orientierte Kirche und gerade auch gegenüber denen, die draußen sind, sehr verschlossen. Das müssen wir ändern. Das möchte ich gerne auch hier in Ankum ändern. Ich möchte gerne, dass diese dicken Kirchmauern vom Artländer Dom durchlässiger werden.

Wann ist man kirchlich? Nur dann, wenn man in der Kirche sitzt? Ich zitiere da einen Mann, der mal gesagt hat: Ich werde ja kein Auto, wenn ich in die Garage gehe, genauso wenig werde ich ein Christ, wenn ich in die Kirche gehe. Christ sein, Christin sein definiert sich heute ganz anders.

Kirche unter freiem Himmel: Michael Franke 2016 bei Oster-Feierlichkeiten mit Jugendlichen auf Langeoog. © privat

Ich erlebe zum Beispiel ganz viele Jugendliche und junge Erwachsene, die gewiss keine regelmäßigen Kirchgänger sind, die aber sehr wohl auch in der Bibel, in der christlichen Botschaft Orientierung suchen und die sagen, ich identifiziere mich damit und baue auch mein Weltbild damit auf. Gerade jetzt im Sommer gibt es viele Zeltlager, wo sich Jugendliche ehrenamtlich hochgradig engagieren und eine Menge Spaß haben. Das ist Kirche, auch wenn sich das nicht im Gottesdienst abspielt, aber selbstverständlich feiern wir da auch Gottesdienste – und das sind tolle Gottesdienste.

Es gibt viele Menschen, die sich nach wie vor mit dieser Kirche identifizieren und auch mit einer gewissen Regelmäßigkeit Gottesdienste besuchen. Was ist regelmäßig? Einmal im Monat, einmal jährlich, zu den besonderen, wichtigen Ereignissen, die einen persönlich betreffen wie Trauungen, Taufen, Beerdigungen? Es gibt so vieles, was die Menschen kirchlich bewegt, und deswegen müssen wir Kirchlichkeit neu definieren.

„Kirchlichkeit neu definieren“, sagt Pfarrer Franke, hier bei einer Trauung in Ankum.

 

Apropos neu definieren: „Ich kann und will kein Priester sein, wie es ,früher‘ einmal war, haben Sie zu Ihrem Amtsantritt im ,Dreiklang‘ geschrieben. Kein Priester wie früher: Wie bildet sich ein anderes Amtsverständnis heraus? Haben Sie da für sich konkrete Vorstellungen oder ist das ein Prozess, in dem auch Sie selbst so etwas wie ein Suchender sind?

Ich selbst bin erst einmal auch ein Suchender, weil ich genauso wenig wie alle anderen in die Zukunft schauen und wissen kann, wie das in 10 oder 20 oder 30 Jahren einmal aussehen wird. Auf jeden Fall wird es radikal anders aussehen. Wenn wir die Entwicklungen dieser Zeit wahrnehmen, ist absehbar, dass sich das gesamte Verhältnis Staat-Kirchen ändern wird, dass viele Dinge wie z. B. die Kirchensteuer in Zukunft nicht mehr da sein werden, zumindest rechne ich damit.

Es werden sich auch weiterhin mehr Menschen anderen religiösen Dingen zuwenden; es werden sich weiterhin Menschen von der Kirche abwenden, und allein schon der demographische Wandel wird ganz, ganz große Veränderungen mit sich bringen. Jetzt ist wirklich der Zeitpunkt erreicht, sich diesen Entwicklungen zu stellen und sich entsprechend auszurichten.

Dahin gehen, wo die Menschen sind: Michael Franke zelebrierte am 23. Juni eine Hl. Messe im Ankumer Quitt Stadion.

Das ist so ein bisschen ein Stochern im Nebel, weil niemand genau weiß, was die Zukunft bringt. Wir müssen aber eigentlich nur in unsere Statistiken gucken, um zu sehen, wie es bei uns in 20 Jahren aussehen wird. Und zwar noch einmal deutlich reduzierter als heute – finanziell, personell, ideell, in jeder Beziehung.

Ich will als Priester Gegenwart und Zukunft gestalten. Ich will das aber nicht als Herr Pastor tun, wie man hier so sagt, als der Herr Pastor, der über allen Dingen steht, der von jedem freundlich gegrüßt wird – obwohl das sehr schön ist –, der alles entscheiden darf und muss und auf den hin alles ausgerichtet wird. Das funktioniert heute schlichtweg nicht mehr.

Fit, was die sozialen Medien angeht: Lustig anzusehen, dieses ideenreiche Video auf der Facebook-Seite, mit dem Gemeindereferentin Christiane Höving und Michael Franke für die Rom-Reise „trommelten“.  www.facebook.com/Kirche.Ankum.Eggermuehlen.Kettenkamp

Ich will Priester auf Augenhöhe sein. Wie der Heilige Augustinus, der, frei zitiert, einmal sagte, ,für Euch bin ich Bischof, mit Euch bin ich Christ“, möchte ich sagen, für Euch bin ich Pfarrer – ja, ich habe hier die Verantwortung, auch Personal-, Leitungs- und Gestaltungsverantwortung –, aber mit Euch bin Christ. Ich will mit Euch auf Augenhöhe suchen, wie wir diese Kirche so gestalten können, dass auch unsere Kinder, Enkel und Urenkel noch aus der christlichen Botschaft heraus leben. Das ist mir schon wichtig.

 

Mir ist bei Begegnungen aufgefallen, dass Sie kein Collarhemd tragen, also kein Hemd mit Stehkragen und weißem Zwischenstück, das Sie als Priester erkennbar macht. War das Zufall oder haben sie solche Hemden gar nicht im Kleiderschrank?

Doch, ich habe welche im Kleiderschrank. Ich trage sie aber ungerne, weil ich diese engen, am Hals geschlossenen Hemden einfach unbequem finde. Das ist ein ganz pragmatischer Grund. By the way, hier muss ich mich auch gar nicht als Priester erkennbar kleiden, weil ohnehin jeder weiß, dass der Mann, der da im T-Shirt vor einem steht, der Pastor ist.

Priesterkleidung Anzug mit Kreuz am Revers.

Dennoch: Ich möchte durchaus zeigen, dass ich mich als Priester verstehe und auch als solcher lebe. Ich glaube aber auch – Kleider machen Leute –, dass man mit seinem Kleidungsstil Grenzen aufbauen wie abbauen kann. Auch wenn ich kein Collarhemd trage, ziehe mich durchaus anlassbezogen an.

Wenn ich einen Trauerbesuch mache, komme ich natürlich in gedeckten Farben. Bei festlichen Anlässen und an Sonntagen trage ich auch Schwarz und Weiß und das Kreuzchen am Revers, was übrigens auch eine offizielle Form der Priesterkleidung ist. Die gängige ordentliche Priesterkleidung ist nicht nur das Collarhemd, sondern auch der Anzug mit Krawatte oder eben ein kleines Kreuz am Revers.

Ich halte es ein bisschen mit den Großen aus der Kirchengeschichte, z. B. mit dem Heiligen Benedikt oder mit dem Heiligen Ignatius. Die haben, gerichtet an ihre Leute im Orden und Priester im allgemeinen, gesagt, dass sie tragen sollen, was die Menschen so anziehen. Sie sollen sich nicht hervortun durch besondere Kleidung, durch besonders schicke Kleidung, sondern sich einfach praktisch, pragmatisch kleiden. „Casual“, wie man heute sagt, um so unter den Leuten zu sein. Und so mache ich das.

 

Sie sind in Emsbüren im Emsland aufgewachsen und waren viel in der Welt unterwegs. Reisen Sie gerne und hat das Reisen etwas mit Ihnen gemacht?

Ich durfte schon als Kind reisen, denn meine Eltern haben, ihren Mitteln entsprechend, mit uns Kindern immer auch Urlaubsreisen unternommen. Dabei waren wir nie die Strand-Lieger. Wir wollten etwas entdecken, kennenlernen, haben Museen besichtigt und Sehenswürdigkeiten. Das hat mich geprägt, dieses neugierig darauf sein, neue Dinge zu entdecken – Bauwerke, Landschaften wahrnehmen, Menschen erleben in anderen Regionen der Welt. Und da ist katholische Kirche das absolut beste, was einem passieren kann, denn mit der katholischen Kirche kann man richtig viel unterwegs sein.

Am 3. August startete die Kolpingjugend Eggermühlen (hier kurz vor der Abfahrt) und die aus Kettenkamp ins Zeltlager. © Pfarreiengemeinschaft.

Das fängt mit den Zeltlagern an, in die ich in meiner Heimatgemeinde mitgefahren bin. Da war ich zwar nicht auf ganz großen Reisen, aber es gibt überall was zu entdecken, egal ob 20 oder 2000 km von zu Hause entfernt. Dann habe ich als Jugendlicher und junger Erwachsener auch oft an den Angeboten des Bistums teilgenommen, da größere Reisen gemacht wie z. B. eine Diözesan-Jugendwallfahrt nach Italien. Ich war als junger Mensch auch bei Weltjugendtagen dabei, die ja überall auf der Welt stattfinden.

Begegnung mit Papst Franziskus in Rom: Mit einer coolen Sonnenbrille als Mitbringsel für den Heiligen Vater. © privat.

Zugenommen haben die Reisen, als ich dann in der Kirche beruflich unterwegs war, wobei mir da besonders wichtig war, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu ermöglichen, ebenfalls die Welt zu entdecken. Ich durfte in Europa unterwegs sein und auf fast alle Kontinente reisen, mit Ausnahme von Afrika. Ich war zum Beispiel auf einer längeren Reise mit unserem Bischof in Indonesien. War zum Weltjugendtag in Toronto in Kanada, in Rio de Janeiro in Brasilien, in Spanien in Madrid, in Krakau in Polen, war oft mit den Messdienern in Rom und durfte mehrfach nach Israel reisen.

Auch mit der ganzen Familie: In den Osterferien startete in diesem Jahr die Kolpingsfamilie Ankum zur Familienfreizeit am Gardasee inklusive Ausflug nach Venedig. © Kolpingsfamilie.

Das Großartigste, was ich bei diesen Reisen erfahren durfte, sind zwei Dinge: Zum einen diese enorme Gastfreundschaft, wenn man Leuten auf Augenhöhe begegnet, also nicht als Tourist und Konsument durch die Gegend läuft, sondern wirklich mit den Leuten spricht. Dann gibt es ganz viel geschenkt und der Bauch ist immer voll. Zum anderen das immense, dichte und weltumspannende Netzwerk, das die katholische Kirche hat. Überall gibt es Katholisches und man versteht sich, auch wenn man keine gemeinsame Sprache findet. Spätestens beim Gottesdienst hat man die gemeinsame geistliche Heimat, die enorm stark ist und die bis in den letzten Winkel dieser Welt einfach Gemeinsamkeit herstellt und so etwas wie Heimat schafft.

Michael Franke: Per YouTube aus Panama.

Katholisch ist ziemlich global. Katholisch ist, glaube ich auch, ein ganz wichtiges Prinzip, das die Menschen friedlich in Kontakt bringen kann. Natürlich gibt es in der Geschichte zahllose Gegenbeispiele, wo immer wieder Religion instrumentalisiert und missbraucht wurde, um Hass und Krieg zu säen, aber im Kern, ist eine Erfahrung, die ich beim Reisen gemacht habe, bringt das Menschen zusammen und schafft Frieden.

Das sind starke Erfahrungen, die ich bei Reisen gemacht habe. Sie erweitern den Horizont. Ich reise aber auch privat gerne, mache also nicht nur diese kirchlichen Sachen. Ich bin gerne mit guten Freunden klassisch in den Bergen unterwegs oder fahre mit ihnen ans Meer. Ich finde es einfach wunderbar, diese Welt zu entdecken.

 

Apropos gut gefüllter Bauch, von dem Sie eben sprachen: Sie haben einmal erwähnt, dass Sie gerne kochen. Was macht Spaß am Kochen?

Ich koche gerne, weil diese Arbeit sehr unmittelbar und zeitnah zu einem Ergebnis führt, was ich von meiner Arbeit nicht immer sagen kann. Da habe ich es auch mit recht langwierigen, anstrengenden, auch zähen Prozessen zu tun.

Beim Kochen ist das anders: Da kommt schnell was rum. Wenn’s vermurkst ist, liegt’s an mir, wenn’s lecker ist, umso besser – und das vor allem, wenn ich Gästen und Freunden, die ich gerne bewirte, damit eine Freude machen kann. Für mich alleine koche ich allerdings ungerne. Da gehe ich lieber in Ankum in die Krankenhaus-Caféteria, wo das Essen ja sehr gut ist.

In Eggermühlen war es am 15. August die Frauengemeinschaft, die Gemeindemitglieder und den Pfarrer bei Bratwürstchen vom Grill zusammenbrachte.

Ich freue mich aber, wenn ich mit anderen und für andere kochen kann. Liebe geht durch den Magen. So kenne ich das schon aus meiner Familie, und ich möchte diese Kultur weiterhin pflegen. Es ist ein bisschen wie beim Reisen: Kochen erweitert den Horizont, weil man viel experimentieren und Neues entdecken kann, und es bringt Menschen zusammen.

Außerdem macht bei mir Kochen den Kopf frei. Da kann ich mich auf diese eine Sache fokussieren, schnipple das Gemüse, dünste, überlege, wie ich’s jetzt mache, was der nächste Schritt ist – und beschäftige mich dann mal nicht mit den ganzen Problemen und Herausforderungen, die man mit Kirche so haben kann. Ein schönes Hobby.

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