Pfingst-Pause bei klartext bis zum 14. Juni

Was mich da umtreibt: Landrats-Stichwahl & Klimaschutz. So viel Chance wie heute, der Politik Beine zu machen, um ein Natur- und Klima-Desaster noch abzuwenden, war nie – wenn sie denn von uns Wählerinnen und Wählern genutzt wird, auch bei der Landratswahl.

Allen schöne Pfingsten! War im letzten Jahr so begeistert von meinen Pfingstrosen, dass ich sie fotografiert habe.

 

Ein Kommentar von Rita Stiens.

Der Umwelt- und Klimaschutz bewegte in letzter Zeit wie nie zuvor – und sogar das Thema Meinungsfreiheit. Da musste doch tatsächlich daran erinnert werden, dass jeder seine Meinung frei äußern darf, ein Youtuber wie Rezo, jeder andere Bürger, jeder Journalist, bei dem ein solcher Beitrag dann (wie dieser) als Kommentar gekennzeichnet ist.

Was mir beim Umwelt- und Klimaschutz nicht aus dem Kopf geht: Wir Alten scheinen in großer Zahl noch immer nicht zu begreifen, was viele Junge glasklar begriffen haben: Was es bedeutet, die Klimaziele nicht zu erreichen, wie gewaltig das Ausmaß der Bedrohung für den Planeten, für die gesamte Menschheit, für die Zukunft der Jungen ist. Und nun soll und will ich mich am 16. Juni bei der Landrats-Stichwahl entscheiden. Nach welchen Kriterien?

Auch in Bersenbrück gingen Schülerinnen und Schüler bei Fridays for Future auf die Straße.

Wirtschaft ist wichtig, Bildung, Soziales, Verkehr – alles richtig, und auf die Zukunft geschaut doch alles nichts, wenn ein konsequenter Natur- und Klimaschutz darüber auf der Strecke bleibt. Ein „Weiter wie bisher“ ist keine Option, nicht in Europa, nicht im Bund, nicht im Landkreis. Und die CDU hatte einmal Leute, die das schon vor gut 30 Jahren begriffen haben. Passiert ist jedoch: So gut wie nichts.

 

Von Journalisten gemacht: www.klima-luegendetektor.de.

Ich habe mal getan, was Rezo tat: fast 40 Jahre zurückgeschaut. Und sehe da deutlicher denn je: Wir, die wir so zwischen 1950 und 1970 geboren sind und in den letzten Jahrzehnten im verantwortlichen Alter waren, haben beim Umwelt- und Klimaschutz mehrheitlich sträflich versagt.

Per Lügendetektor nehmen Journalisten schon seit über 10 Jahren die Umwelt- und Klimapolitik der Parteien unter die Lupe. siehe: www.klima-luegendetektor.de

Sind die Fridays-for-Future-Jungen und der so viel Aufsehen erregende Rezo nicht ernst zu nehmen, weil sie keine Ahnung haben? Fakt ist: Journalisten sind schon lange zuvor zu denselben Ergebnissen gekommen – durch umfassende Recherche. So gibt es schon seit 11 Jahren, seit 2008, das Online-Portal www.klima-luegendetektor.de. Gestartet wurde es von zwei auf Umwelt- und Klimaschutz spezialisierten Journalisten, die dafür 2012 mit dem Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus ausgezeichnet wurden.

Schlechtes Zeugnis für die CDU. Wie der Youtuber Rezo kommen auch die Journalisten des Klima-Lügendetektors zu dem Ergebnis, dass die CDU beim Klimaschutz versagt und die SPD ebenfalls keine guten Noten verdient. © klima-luegendetektor.de

Was das Aufrütteln angeht, können alle, die es tun, auch auf einen CDU-Mann verweisen: auf Klaus Töpfer, von 1987 bis 1994 Umweltminister in der Kohl/CDU-FDP-Regierung und von 1997 bis 2006 Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen.

 

Die Jungen sind unvernünftig, die Alten vernünftig? Falsch.

Wer, wie der CDU-Staatssekretär Bareiß, meint, die Jungen sollten erst einmal vernünftig werden, der schaue auf Klaus Töpfer – den seine CDU/FDP-Regierung jedoch am ausgestreckten Arm verhungern ließ. 1990 reiste Töpfer z. B. durch die Welt und warnte vor dem „Desaster“ Klimakatastrophe.

Ein Töpfer-Buch (2007) zum Thema.

Die CO2 Emissionen bis 2005 um 25% bis 30 % reduzieren, kündigte da tatsächlich die Regierung Kohl 1990 an. Und was passierte? Das Ziel wurde de facto einkassiert. EU-weit nicht durchzusetzen, hieß es, und einen deutschen Alleingang werde es nicht geben. Was Töpfers Warnungen vor dem „Desaster“ angeht – da lässt Fridays für Future grüßen. Klimaziele ad acta gelegt oder verfehlt, so ist es schon viel zu lange. Verantwortlich dafür ist zu allererst einmal die CDU, die in 31 der letzten 37 Jahre den Kanzler stellte, aber auch die SPD.

Was sagt das über Vernunft und Unvernunft aus? Entweder waren die ausgerufenen Klimaziele komplett unvernünftig – oder es ist komplett unvernünftig, es am Einsatz und Willen fehlen zu lassen, diese Ziele auch wirklich zu erreichen. Letzteres stimmt. Was bedeutet das für die anstehende Landrats-Stichwahl?

Am 16. Juni haben wir die Wahl zwischen Dr. Michael Lübbersmann (CDU) und der Grünen-Kandidatin Anna Kebschull. Als amtierender Landrat kann Michael Lübbersmann an Taten gemessen werden und an der Frage, ob bei ihm erkennbar wurde, dass es beim Natur- und Klimaschutz ein „Weiter wie bisher“ nicht geben darf.

 

Die 1-m-Entscheidung: Wie sich im Kleinen Grundlegendes zeigt.

Setzte und setzt der amtierende Landrat darauf, aktiv ein Umdenken zu befördern, um beides, den Natur- und Klimaschutz wie auch die Interessen anderer, z. B. der Landwirtschaft, unter einen Hut zu bringen?

Nein – zeigte im März seine Position zum Schutzgebiet „Else und obere Hase“. Dieses Schutzgebiet umfasst nur 55 ha, bei einer Landkreisgröße von 221.200 ha. Zwischen dem Gewässer in diesem Gebiet und den landwirtschaftlich genutzten Flächen solle ein Schutzabstand von 5 m liegen, damit keine Gifte wie Pflanzenschutzmittel ins Wasser gelangen – sagte die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises. Folgte der Landrat seiner Naturschutzbehörde? Nein. Er forderte einen Mini-Abstand von nur 1 m.

Das Schutzgebiet Else schaffte es am 28. Mai in die NDR-Sendung Panorama. © Panorama. Siehe: www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama3/Gewaesserschutz-Pestizide-im-Naturschutzgebiet,naturschutz256.html

Er habe, so Lübbersmann, mit Landwirten gesprochen, und die hätten ihm gesagt, man könne bei der Spritzmaschine eine Düse abschalten, dann käme auch nichts ins Wasser. Wenn sich ein Entscheidungsträger wie ein Landrat damit begnügt und darüber  Expertenargumente vom Tisch wischt – dann Gute Nacht Natur- und Klimaschutz.

Zu viel Gülle: Ein Dauerbrenner bei den Umweltproblemen.

Wir wollen ja messen, sagte der Landrat dazu noch, und dann werten wir aus: Das ist jedoch genau das alte Strickmuster – Dinge auf die lange Bank schieben, um dann später festzustellen, dass das Kind doch in den Brunnen gefallen ist sprich dem Gewässerschutz ein Bärendienst erwiesen wurde.

Wenn nicht einmal im Kleinen – bei nur 55 ha, noch dazu in einem Schutzgebiet – auf eine Lösung abgezielt wird, die Naturschutzbelange ebenso berücksichtigt wie die Interessen der Landwirtschaft: Was ist dann im Größeren vom Landrat zu erwarten? Ein Lösungsansatz hätte z. B. sein können, Landwirten Land abzukaufen, um größere Schutzstreifen einzurichten.

 

200.000 qm Blühwiese: Klingt nach viel – ist aber herzlich wenig.

Blühwiesen = Insektenschutz.

200.000 qm Blühwiesen gehört zu den Erfolgen, die sich der Landrat ans Revers heftet. Das ist, bei allem Respekt, zum einen eine Volksvernebelung, die darauf setzt, dass Menschen nicht rechnen. 200.000 qm – das sind gerade einmal 20 ha. Während einer 8-jährigen Amtszeit. 20 ha in einem Landkreis, der 221.200 ha groß ist.

In Ankum legte z. B. allein der Hof Brummer-Bange über 1 ha Blühwiesen an. 20 ha im gesamten Landkreis – von einem (dringend gebotenen) Ehrgeiz in Sachen Natur- und Insektenschutz zeugt das nicht. Zu fragen wäre auch: Wer hat diese 20 ha überhaupt angelegt? Der Landkreis? Oder waren das andere?

Facebook-Eintrag von Michael Lübbersmann. Zu klären wäre, ob der Landkreis etwas mit den Blühwiesen zu tun hat.

Und was ist davon zu halten, wenn der Landkreis verbreitet, der Anteil der erneuerbaren Energien im Stromsektor habe sich seit 2010 von 30 auf 80 Prozent erhöht – und sich dann herausstellt, dass der Anteil nur auf 58 % angestiegen ist? Man hatte das Stahlwerk Georgsmarienhütte nicht mit einberechnet. Das nicht öffentlich zu machen, sondern allein die hohe Zahl zu verbreiten, unterminiert Vertrauen.

Vom Umwelt- und Klimaschutz reden, ihn aber beim politischen Handeln immer wieder hintanstellen: Nach diesem Strickmuster haben Regierende nun schon so lange gehandelt, dass Junge ihnen zu Recht die rote Karte zeigen. Und wir Alten?

 

Ein „Weiter so“ ist keine Option mehr.

Wer Wirtschaft und Klimaschutz weiterhin voneinander trennt, beides nicht konsequent gemeinsam denkt und dementsprechend handelt, gefährdet alles – inklusive Zukunft der Wirtschaft. Wenn für die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer Rezo und sein Video ein Problem sind, dann zeugt das nur von einem: Von der Unfähigkeit, die wirklichen Probleme zu sehen, eigenes Tun zu hinterfragen. Ich erkenne bei der CDU-Vorsitzenden wie auch beim amtierenden Landrat nur die Linie „Was wir tun, war und ist gut getan, weiter so“.

So heißt eine Kampagne des Bundesumweltministeriums. Sollte auch im Landreis gelten. Alles entscheidend aber ist: Den schönen Spruch auch in die Tat umzusetzen.

Die CDU müsse sich fragen lassen, „warum wir nach 14 Jahren Klimakanzlerin unsere Klimaziele nicht erreichen“ – sagte nach der Europawahl Friedrich Merz (CDU). Warum wurden die Ziele bislang verfehlt? Die Erkenntnis, zu der ich gelangt bin: Weil wir zugelassen haben, dass sie damit durchkommen. Wir brauchen ganz offensichtlich noch viel mehr Grün, damit die Regierenden nicht länger weiter wurschteln wie bisher – und wir brauchen aber auch mehr Differenzierung.

In die Landrats-Stichwahl, die am 16. Juni stattfindet, schafften es Anna Kebschull (2. von links) und Dr. Michael Lübbersmann (rechts).

Es gab in der CDU einen Klaus Töpfer, es gibt ebenso SPD-Leute mit starkem Grün-Engagement. Hier vor der Haustür hat da z. B. Samtgemeindebürgermeister Dr. Horst Baier durch sein Tun gezeigt, dass er dazugehört, und das zeigten auch seine Ziele als Landrats-Kandidat. Was den Bund angeht, ist da Umweltministerin Svenja Schulze zu nennen. Wer will, wird aber von anderen ausgebremst? Darauf zu achten, wäre geboten. So gilt es in den nächsten Monaten in Berlin, genau zu beobachten, welche Minister welcher Partei da bei den Klimaplan-Verhandlungen auf der Bremse stehen und wer Gas geben will.

 

Gewählt werden darf ab 16 Jahre!

Es stimmt: Uns läuft die Zeit davon.

Grün gibt’s nicht nur bei den Grünen, aber bei der Landrats-Stichwahl stehen mit Dr. Michael Lübbersmann (CDU), der kein zweiter Klaus Töpfer ist, und Anna Kebschull (Bündnis90/Die Grünen) nur zwei Personen zur Wahl. Bei meiner Entscheidung lasse ich mich da von der Erkenntnis leiten: Wir brauchen mehr Grün, weil ein „weiter so“ nach all‘ den Zu-wenig-Jahren keine Option mehr ist.

Wer 16 Jahre alt ist, darf an der Stichwahl teilnehmen. Fast 53 Jahre liegen zwischen mir und 16-Jährigen. Nach uns Alten die Sintflut? Glücklicherweise steht beim Natur- und Klimaschutz auch so mancher Alte an der Seite der Jungen, die auf Taten drängen – damit die Jungen nicht ausbaden müssen, was wir bislang vermasselt haben.

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