100 m Einbahnstraße: Schädlich fürs Geschäft?

Hängt das Wohl & Wehe der Geschäftswelt in der Ankumer Hauptstraße davon ab, dass wieder kommt, was mal war: Ein durchgehender Begegnungsverkehr auch bei den Marktbögen? Die Zukunft des Hauptstraßen-Einzelhandels darauf zu reduzieren, würde am Kern des Problems vorbeigehen.

Derzeit: Einbahnstraßenverkehr entlang der Arkaden und der Terrasse von „Onkel Otto am Dom“.

Ein kommentierender Beitrag von Rita Stiens.

In Ankum bietet das Stück Einbahnstraße entlang des Cafés Sich und der Marktbögen so einigen Diskussionsstoff. Nicht abschaffen, wenn die Bauphase zu Ende ist, wünschen sich die einen. Dagegen stehen Stimmen, die vehement die Rückkehr zur vorherigen Verkehrsführung fordern. Als Schreckgespenst an die Wand gemalt werden im Zusammenhang mit der Einbahnstraße auch die Geschäftsschließungen der letzten Jahre.

Beim Eis-Café Sich beginnen die etwa 100 m Einbahnstraße.

Es stimmt. In Ankum wurden so einige Geschäfte geschlossen, Ratermann z. B., das Modehaus Oevermann, das Gasthaus Dücker, LaVa Lagenlook-Mode und andere. Allerdings hatte keine der Schließungen etwas mit der Verkehrsführung zu tun.

Wenn denn, wie jetzt suggeriert wird, die Rückkehr zum Begegnungsverkehr der entscheidende Faktor fürs geschäftliche Prosperieren in der Ankumer Hauptstraße ist, hätte es die Schließungen der letzten Jahre gar nicht geben dürfen – denn als diese Geschäfte schlossen, gab ihn, den Begegnungsverkehr.

Begegnungsverkehr auch seit Einrichtung des Stücks Einbahnstraße. Vom Gasthaus Billenkamp im Oberdorf bis zur Sparkasse in der Ortsmitte (Ausfahrt dann durch die Alfred-Eymann-Straße zur B 140) konnte und kann die Hauptstraße von beiden Seiten befahren werden. Beidseitig auch der Verkehr im Unterdorf, und zwar von der Hirsch-Apotheke bis zum ehemaligen Gasthaus Dücker – dort mit Weiterfahrt durch die Aslager Straße.

Beidseitig ist die Hauptstraße im Unterdorf trotz Einbahnstraße bis zur Abbiegung Aslager Straße befahrbar.

Ein Begegnungsverkehr als Gewähr für eine gute Zukunft des Hauptstraßen-Einzelhandels? Sich darauf zu fixieren, würde bedeuten, dass die wesentlichen Voraussetzungen für eine gute Einzelhandels-Zukunft aus dem Blick geraten sind. Und das interessanterweise zu einem Zeitpunkt, zu dem die Hauptstraßen-Geschäftswelt eigentlich die Frage elektrisieren sollte, wie sich aus den neuen Chancen Honig saugen ließe für alle. Welche neuen Chancen?

„Onkel Otto“, Restaurant- und Event-Oase, dahinter das „Georgetown“ und ins Gebäude dahinter zieht ein Modegeschäft ein: Reichlich neue Belebung für das Herz von Ankum.

 

Ein Push für die gesamte Hauptstraße: Die Dobelmann-Investitionen.

Mit dem „Onkel Otto am Dom“ und dem „Georgetown“ ist Ankum inzwischen um Attraktionen reicher, deren Wert gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Außerdem steht die Eröffnung eines neuen Modegeschäfts an.

Jeder Geschäftsinhaber im Zentrum und darüber hinaus sollte sich wünschen, dass die Dobelmann-Investitionen ein voller Erfolg werden, dass sie viele Menschen in die Ortsmitte locken. Das wäre zum Nutzen aller – wenn denn dieser Nutzen erkannt und genutzt würde.

 

Die Welt und das Einkaufverhalten der Menschen haben sich signifikant verändert.

Internet-Sopping: Anlieferung in Ankum.

Warum ist die neue Gastronomie ein Chance? Was braucht es, um sie zu nutzen? Über den Ankumer Einzelhandel zu reden, und da vor allem den in der Hauptstraße, bedeutet, sich mit den Herausforderungen zu befassen, vor denen der Einzelhandel überall steht, in Städten, aber vor allem auch in kleineren Orten.

Ob HiFi, Mode, Schuhe, Apotheken usw.: Der Online-Handel nimmt zu, ob einem das nun gefällt oder nicht. Damit ist es aber nicht getan. Das Einkaufsverhalten der Menschen hat sich insgesamt verändert. Wer sich heute vom Sofa wegbewegt, von dem aus bequem online eingekauft werden kann, will rausgelockt werden durch interessante Angebote, will Spaß haben bei einem Shopping-Bummel mit Kind und Kegel, mit der Freundin, dem Partner, will flanieren und sich in einem attraktiven Umfeld bewegen.

Wurde Anfang 2017 vorgelegt: Ein Marketingkonzept für die Ortskernentwicklung. Was folgte daraus?

Was es braucht, um die Herausforderungen, vor denen der Einzelhandel steht, zu bewältigen, dazu gibt es reichlich Expertenwissen. Das kam auch in Ankum an. So fand schon 2017 ein Workshop zur Zukunft des hiesigen Einzelhandels statt. Als Aufgaben wurden da z. B. formuliert, „die Einkaufs- und Servicequalität der Gewerbetreibenden“ auf einem „gemeinsamen, nachhaltigen Niveau zu optimieren“ sowie eine „verstärkte Organisation von kreativen, außergewöhnlichen Aktionen“ wie Candlelight-Shopping, Frühlingsblumenmarkt etc“. anzupacken. Ein weiterer Punkt war der „Ausbau des gastronomischen Angebots für mehr Vielfalt im Ort“ und um mehr Menschen nach Ankum zu locken.

2016 in Ankum:  Planerwerkstatt zum Thema „Lebendige Ortskerne“ mit Geschäftsleuten und Bürgermeister Detert Brummer-Bange. Moderiert vom Hamburger Experten Klaus Mensing. © Foto: Samtgemeinde.

 

Einkaufsanreize schaffen.

Was den letzten Punkt angeht: Dass „Onkel Otto“ mit allem, was diese Restaurant- und Event-Oase drinnen wie draußen bieten kann, das Zeug hat, viele Menschen nach Ankum zu bringen, hat sich sogar schon unter Corona-Bedingungen gezeigt.

Was die ersten beiden Punkte angeht, die Optimierung der Einkaufs- und Servicequalität und mehr „kreative außergewöhnliche Aktionen“ auf der Basis eines gemeinsamen Konzepts: Gab es da in den letzten Jahren spürbare Veränderungen im Hauptstraßen-Einzelhandel im Sinne von deutlich mehr Aktionen und Angebote, die geeignet sind, den Einkauf zum Erlebnis zu machen?

Das Orga-Team hatte sich schon mächtig ins Zeug gelegt. Nun soll dieses Fest im nächsten Jahr gefeiert werden. © https://www.facebook.com/ankumfeiert/

Dass Ankum Feste feiern kann, haben z. B. die Gaugerichts- und Markttage gezeigt, und da wäre sicher auch beim erstes Ankumer Bier + BBQ Fest die Post abgegangen, wenn denn das Virus nicht dazwischengekommen wäre. So attraktiv ein großes Fest ist: Für ein Gedeihen des Einzelhandels empfehlen Experten jedoch vor allem, dass der rund ums Jahr mit interessanten Aktionen, die dann gar nicht so groß ausfallen müssen, auf sich aufmerksam macht. Wer müsste da initiativ werden?

 

Aufgabe der Unternehmerinnen und Unternehmern.

In Bersenbrück haben sich z. B. Unternehmerinnen und Unternehmer im Arbeitskreis BersenbrücksMitte zusammengeschlossen zur Belebung des innerstädtischen Handels und machten mit einer Reihe von Ideen, die umgesetzt wurden, auf sich aufmerksam.

Hedwig Grewing präsentierte für BersenbrücksMitte: Shopping- und Stadtinfos per Bildschirm. Zu den Fördermitteln und dem Anteil der Stadt griffen Kaufleute auch selbst tief in die Tasche und steuerten mehr als die 6.600 € Pflichtanteil bei.

In Ankum wird gerne mit dem Finger auf die Gemeinde gezeigt. Nun leben wir aber in einer freien Marktwirtschaft. Da ist zu erwarten, dass der Ideen-Input von denen kommt, um deren Geschäfte es geht: von der Unternehmerschaft – in deren Zuständigkeit vorrangig auch die Umsetzung fiele. Die Gemeinde kann in mancherlei Hinsicht unterstützend aktiv werden kann. Mehr aber auch nicht.

Auch das eine Marketingchance: Ankum ist seit 2019 Fairtrade-Town, als Folge eines gemeinsamen Engagements von Gemeinde, Handel, Gastronomie und Zivilgesellschaft.

 

Sich einbringen mit konstruktiven Ideen.

Der Arbeitskreis BersenbrücksMitte ist ein Beispiel für gemeinsames Handeln der dortigen innerstädtischen Geschäftswelt. In der Hauptstraße in Ankum gibt es über 20 Ladengeschäfte und gastronomische Betriebe. Bräuchte es da nicht auch gemeinsames Handeln, einen Arbeitskreis mit Schwerpunkt Hauptstraße z. B., der sich in enger Kooperation mit der Werbegemeinschaft mit spezifischen Themen befasst, so beispielsweise mit Aktionen zum Erlebniseinkauf oder auch dem Parkplatzmanagement?

Wer neu baut, wie Georg Dobelmann im Herzen von Ankum, ist dazu verpflichtet, auf dem eigenen Grundstück und auf eigene Kosten Parkplätze zu schaffen. Ein Hinweis darauf, das die Parkplatzschaffung nicht allein eine öffentliche Aufgabe ist. Die meisten Hauptstraßen-Geschäfte entstanden jedoch vor vielen Jahrzehnten. Es gibt öffentliche Parkplätze, und im Unterdorf beispielsweise auch größere Parkflächen auf privatem Grund. Lösungsorientiert zu denken, würde auch bei der Parkplatzfrage bedeuten, den schwarzen Peter aus dem Spiel zu nehmen, die Zuständigkeit nicht allein bei der Gemeinde zu sehen, sondern ein Parkplatzmanagement auch als Aufgabe der Geschäftswelt zu betrachten mit dem Ziel, konstruktive Ideen beizusteuern.

Musical-Dinner-Show bereits ausverkauft, aber es stehen noch weitere Events bei „Onkel Otto“ an.

 

Ortskernbelebung mit großem Potential für alle.

Attraktion: Wenn der Hahn kräht, geht’s los bei „Onkel Otto“. © Expo-Börse.

Von Öffnungszeiten über die Angebotsgestaltung und die Entwicklung gemeinsamer Ideen für Erlebnisshopping: Was der Hauptstraßen-Einzelhandel aus der Chance machen wird, die mit der neuen Belebung des Ortskerns verbunden ist – die ja nicht nur ein Magnet ist für Touristen, sondern auch einer für die Ankumer und Genussfreudige aus den Nachbarorten –, bleibt abzuwarten.

Bei der Verkehrsfrage kochen die Emotionen bei Einzelnen bereits hoch, obwohl da noch nichts entschieden ist. Dass die Veränderung im Herzen von Ankum als Chance für alle Hauptstraßen-Geschäfte begriffen wird und was daraus zu machen ist, dazu war bislang noch nichts zu hören.

Bei den Dom-Arkaden blüht es schon mal sehr schön. Aufenthaltsqualität schaffen. Auch das  sollte eine Gemeinschaftsleistung sein von Geschäftswelt und Gemeinde.

 

Erfolgsfaktor Aufenthaltsqualität.

Warum fahren z. B. viele aus Ankum und Nachbarorten zu Shopping-Ausflügen nach Osnabrück, Haselünne und anderswo hin? Sie tun es nicht, weil sie dort mit ihrem Auto direkt vor Geschäften parken können, und sie tun es auch nicht nur wegen der dortigen Geschäfte. Sie tun es, weil das Flanieren und Bummeln Teil des Einkaufsvergnügens ist. Sie genießen das Verweilen, auch so ein Punkt, der beim Workshop in Ankum eine wichtige Rolle spielte. Die Verweildauer im Ortskern zu erhöhen, wurde da als Aufgabe formuliert.

Eigentlich fürs Flanieren und dabei shoppen wie gemacht, zeigt sich bei Dorffesten, wie hier 2017.

Die Ankumer Hauptstraße ist wie gemacht fürs Verweilen, fürs Flanieren und Bummeln. Die Wege von Geschäft zu Geschäft sind kurz, und das Dorfambiente, zeigen immer wieder die Reaktionen von Auswärtigen, ist ein außergewöhnlich Schönes. Verweildauer und Aufenthaltsqualität sind verkaufs- und umsatzfördernde Faktoren. Wie die Verweildauer erhöhen, die Aufenthaltsqualität noch weiter verbessern und welche Rolle spielt dabei die Verkehrsführung?

 

Es ist nichts mehr wie früher.

Von Auto-Fahren kann wegen der Enge in der Hauptstraße ohnehin nur bedingt die Rede sein, und das wird umso mehr der Fall sein, wenn das Verkehrsaufkommen durch das Mehr an Gastronomie noch steigt. Nun kann man viel Autoverkehr- und geschiebe gut finden, eine ganz andere Frage aber ist: Würde es dem Hauptstraßen-Einzelhandel und der Gastronomie nützen?

Neue Shopping-Wirklichkeit.

Dass für gut befunden wird, dass frühere Vorschläge zum Thema Einbahnstraße das Schicksal erlitten, „regelmäßig unter heftiger Gegenwehr“ der Kaufmannschaft begraben zu werden, wie auf einer Facebook-Seite zu lesen, zeugt jedenfalls nicht davon, dass zur Kenntnis genommen wurde, dass heute, was das Einkaufen angeht, nichts mehr ist, wie es früher einmal war. Das Einkaufsverhalten hat sich nicht nur ein bisschen, sondern signifikant verändert, was auch zu stark veränderten Erwartungen ans Einkaufen vor Ort geführt hat – und das auch in Ankum.

 

Es braucht eine fundierte Sachdebatte.

Verlieren wir nicht aus dem Blick: Dass so einige Geschäfte in Ankum geschlossen wurden, geschah, als es durchgängig den Verkehr in beide Richtungen gab. Dahin zurückzukehren, kann also kein Allheilmittel sein. Aktuell gibt es keine Leerstände in der Hauptstraße. Weil es an einer Nachfolge fehlt, ist aber schon jetzt absehbar, dass es weitere Geschäftsschließungen geben wird. Auch das eine Folge des veränderten Einkaufsverhaltens: Dass ein kleineres Geschäft genug abwirft, um bestehen zu können, wird immer seltener.

Der Probleme sind viele. Umso wichtiger die Beantwortung der Frage: Was ist vor dem Hintergrund des veränderten Einkaufsverhaltens tatsächlich zukunftsträchtig? In Ankum hat die Werbegemeinschaft eine Umfrage zum Verkehr gestartet und die UWG-Fraktion meldete sich in dieser Sache zu Wort.

Im Interesse der Geschäfte in der Hauptstraße wäre es wünschenswert und sogar dringend geboten, dass nicht Emotionalität oder Unterstellungen den Ton angeben, sondern Sachlichkeit und die Bereitschaft anzuerkennen, dass auch an Ideen, die sich nicht mit den eigenen decken, etwas dran sein kann. Wenn es mal wieder hoch hergeht, sagte Hessens CDU- Ministerpräsident Volker Bouffier, sollte immer daran gedacht werden, „dass auch der andere Recht haben könnte“.

Autoverkehr wie immer – das kann nicht die einzige Antwort auf die Herausforderungen sein, vor denen der Einzelhandel weiterhin steht. Es gibt viel zu bedenken und gegeneinander abzuwägen. Das anzuerkennen, wäre schon mal ein Anfang auf dem Weg zu einer gewinnbringenden Lösung für die Geschäftswelt in der Ankumer Hauptstraße.

Autor
Schlagwörter ,

Verwandte Beiträge

*

Top