Neujahrsempfang mit Wahlkampf-Auftritt?

Neujahrsempfang der Gemeinde Eggermühlen, kombiniert mit einem Wahlkampfauftritt des CDU-Kandidaten Michael Wernke: Das wirft Fragen auf, auch wenn inzwischen eine Verschiebung um zwei Stunden erfolgte.

Plakat des CDU-Kandidaten Michael Wernke zur Vorstellung seiner Person beim Neujahrsempfang der Gemeinde Eggermühlen. Inzwischen modifiziert durch eine Ansage auf einem roten Punkt (siehe unten).

Neujahrsempfang in Eggermühlen: Da ist der Bürgermeister der Gastgeber, Bürger wie Vereine sind eingeladen, es gibt in der Regel Auszeichnungen für ehrenamtliche Verdienste, das Interesse aller am Gemeindeleben soll gestärkt werden, ebenso wie das Wir-Gefühl. Wie verträgt sich so eine Gemeindeveranstaltung mit einem Wahlkampf-Auftritt – in Eggermühlen dem des CDU-Kandidaten Michael Wernke? Und wie mit der Neutralität, zu der kommunale Amtsträger wie Bürgermeister bei Kommunalwahlen verpflichtet sind? Hier zunächst ein Abriss der Ereignisse.

Nicht zu übersehen waren Ende Dezember Großplakate in Eggermühlen. Großplakate mit dem Text, dass sich Michael Wernke, CDU-Kandidat für das Amt des Samtgemeindebürgermeisters, in Eggermühlen vorstellen wird. Termin: 12. Januar, 10 Uhr bei Böhmann. Auf dem Plakat kein Hinweis auf den Neujahrsempfang der Gemeinde. An anderer Stelle aber schon.

 

In der Tat: Neujahrsempfang mit Wahlkampfauftritt.

Zur Vorstellung seiner Person lud der CDU-Kandidat schon vor der Aufstellung der Plakate über seine Facebook-Seite ein. Dort mit der Ankündigung „Politischer Frühschoppen der Gemeinde Eggermühlen“. Als Text war dazu anfangs zu lesen: „Die Gemeinde veranstaltet jährlich zum Jahresbeginn einen ,Politischen Frühschoppen‘. Dort habe ich dieses Mal die Möglichkeit, mich persönlich vorzustellen…“. Der abschließende Satz: „Ich freue mich auf Sie und Euch, am 12. Januar, 10.00 Uhr, im Gasthof Böhmann in Eggermühlen“. Also ein Wahlkampf-Auftritt beim Neujahrsempfang der Gemeinde.

Der CDU-Kandidat Michael Wernke hat ein Jurastudium absolviert. Als Fakt ist festzuhalten: Amtsträger wie Bürgermeister sind bei Kommunalwahlen zur Neutralität verpflichtet. Diese Neutralitätspflicht gilt in einer Samtgemeinde wie der Samtgemeinde Bersenbrück nicht nur für den Samtgemeindebürgermeister, sondern auch für die ehrenamtlichen Bürgermeister in den Mitgliedsgemeinden (1).

Verstöße gegen die Neutralitätspflicht haben schon mehrfach Gerichte beschäftigt, 2012 z. B. das Verwaltungsgericht in Karlsruhe. Bei rechtslupe.de ist nachzulesen, was kommunale Amtsträger nicht dürfen: Sie dürfen sich z. B. nicht „in amtlicher Funktion mit Wahlbewerbern identifizieren und sie mit öffentlichen Mitteln unterstützen“. (2)

 

Bevorzugung. Risiko Wahlanfechtung.

Dass ein Bürgermeister nur einem Kandidaten – in dem Fall dem CDU-Kandidaten – die Möglichkeit eröffnet, sich im Rahmen des Neujahrsempfangs vorzustellen, kommt einer Bevorzugung gegenüber den beiden anderen Kandidaten gleich. Wahlen können angefochten werden. Die Verpflichtung zur Neutralität ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung, denn ein Verstoß dagegen erhöht das Risiko einer Anfechtung der Wahl.

Amtsbonus. Erlaubt ist im Wahlkampf, dass Bürgermeister ihr Amt ausüben, dass sie z. B. Veranstaltungen von Vereinen oder der Feuerwehr besuchen, Grußworte sprechen usw. Sie müssen aber „Äußerungen vermeiden, die als Wahlwerbung verstanden werden müssen oder können“. (3) Auch wenn allein der Auftritt eines Bürgermeisters „werbenden Charakter haben kann“, so ist „diese Wirkung dem Amtsbonus geschuldet und keine unzulässige  Wahlbeeinflussung “. (4)

 

Am späteren Samstag, 4. Januar, dann die Änderung: „Im Anschluss an…“.

Entgegen der bis Anfang Januar bestehenden Sachlage in Eggermühlen – ein Wahlkampf-Auftritt beim Neujahrsempfang –   nahmen die Dinge eine Wendung. So erfolgte am 4. Januar eine Textänderung auf der Facebook-Seite des CDU-Kandidaten. Dort ist nun, anders als zuvor, zu lesen, dass sich Michael Wernke „im Anschluss nach dem Neujahrsempfang“ vorstellen wird. Uhrzeit: gegen 12 Uhr. Die Facebook-Ankündigung läuft jedoch weiterhin unter „Politischer Frühschoppen der Gemeinde Eggermühlen“ (Stand 8. Januar, 11.40 Uhr).

Die Plakate ziert nunmehr ein roter Punkt auf dem Sakko des Kandidaten mit dem Text „Im Anschluss nach dem Neujahrsempfang Vorstellung…“. Deutlich stärker ins Auge als dieser Text fällt jedoch nach wie vor die Terminansage 12. Januar um 10 Uhr, die so stehen blieb, wie oben auf dem Foto zu sehen (5). Wurde damit etwas grundlegend zurechtgerückt? Da gibt es Grund zu zweifeln.

 

„Weder ausdrücklich noch versteckt“.

Eindeutig unangreifbar wäre, wenn die Verbindung zwischen Neujahrsempfang und Wahlkampf-Auftritt Michael Wernke konsequent gekappt worden wäre. Ein „im Anschluss“ könnte, zusammen mit dem Text im großen orangenen Feld, weiterhin eine Verbindung darstellen. Wie die Sache beurteilen im Lichte des Satzes, dass ein Bürgermeister „insbesondere keine Wahlempfehlungen aussprechen darf – und zwar weder für sich noch für andere, weder ausdrücklich noch versteckt“ ? (6) Das ist die Frage.

Bürgermeister kontaktiertklartext wandte sich in Sachen Neujahrsempfang und CDU-Kandidat per  Mail an Bürgermeister Markus Frerker, gesendet am Montag, 6. Januar um 15.04 Uhr. Eine Reaktion darauf gab es bis Mittwoch, 8. Januar, 16.45 Uhr, nicht.

 

Wahlanfechtung. Wahlannullierung.

Parteilose Bürgerinnen und Bürger dafür zu gewinnen, sich zur Wahl zu stellen (Stadtrat und Samtgemeinderat), ist das Anliegen des Info-Treffens in Bersenbrück.

Wird gegen das Neutralitätsverbot verstoßen, so kann das besonders bei einem knappen Wahlergebnis weitreichende Folgen haben. Die Bürgermeisterwahl in Dissen lieferte dafür gerade erst ein Beispiel. Bei dem dort hauchdünnen Vorsprung eines Kandidaten reichte es, dass eine Wahlhelferin ihr Kreuz fotografierte und über Whatsapp verteilte. Die Folge: Das Verwaltungsgericht Osnabrück annullierte die Wahl per Urteil 1 A 172/19. Sie muss wiederholt werden. Die Wahlhelferin habe, so das Gericht „gegen die ihr obliegende Neutralitätspflicht verstoßen“. (7)

Gäbe es bei der Wahl zum neuen Samtgemeindebürgermeister ein knappes Ergebnis, könnte die Frage, ob von irgendeiner Seite ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht die Wahl beeinflusst hat, bedeutsam werden. Wenn dann z. B. 100 Stimmen aus einem Ort den Ausschlag geben, in dem es einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht gab, könnte die Sache wie in Dissen vor Gericht landen.

 

Quellenhinweise:
(1) Der Bürgermeister im Wahlkampf, Von Robert Thiele, Ministerialdirigent a.D. In: „Niedersächsischer Städtetag“, 8/2016, Seite 165.
(2) https://www.rechtslupe.de/verwaltungsrecht/buergermeisterwahl-und-die-zulaessige-wahlwerbung
(3) Der Bürgermeister im Wahlkampf, Von Robert Thiele, Ministerialdirigent a.D. In: „Niedersächsischer Städtetag“, 8/2016, Seite 162.
(4) siehe (2).
(5): Recherchestand: Montag, 6. Januar 2020.
(6) https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/prof-dr-frank-baetge-wahlbeeinflussung/
(7) Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann noch angefochten werden.

Autor
Schlagwörter

Verwandte Beiträge

*

Top